Club of Rome: 2052 - eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre

Die Erde. Bild: NASA Goddard Photo and Video, Lizenz: CC BY 2.0 Original: flickr.com

14. Mai 2012
Dorothee Landgrebe
Vor 40 Jahren präsentierte der Club of Rome eine Studie über die „Grenzen des Wachstums“. Das Buch zeigte das erste Mal die ökologischen Grenzen des westlichen Wirtschafts- und Wohlstandsmodell auf und löste damit weltweit Diskussionen und Untergangsängste aus. Zugleich schob es die Ökologiebewegung an und stärkte den Umweltschutz besonders in der westlichen Welt.

Die zentralen Schlussfolgerungen des Berichts waren: Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. (Meadows et al. (1972), S. 17). Ein Ändern der Wachstumsvoraussetzungen, um einen ökologischen und wirtschaftlichen tragbaren Gleichgewichtszustand herbeizuführen, erschien jedoch möglich. Je eher sich die Menschheit entschließe, diesen Gleichgewichtszustand herzustellen, und je rascher sie damit beginne, desto größer wären die Chancen, ihn auch zu erreichen.

40 Jahre später sind die Forscher des Forschungsverbundes nicht mehr so optimistisch. Der neue Bericht „2052- eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre“ deute darauf hin, „dass die Menschheit nicht überleben wird, wenn sie ihren bisherigen Weg der Verschwendung und Kurzsichtigkeit fortsetzt", heißt es auf der Webseite des Club of Rome.

Der Report „2052 ", den der Club of Rome erneut in Auftrag gegeben hatte, enthält Prognosen führender Wissenschaftler, Ökonomen und Zukunftsforscher verschiedener Fachbereiche für das Jahr 2052. Das sieht nach Aussage des Klimaforschers Jorgen Randers, der bereits an den „Grenzen des Wachstum“ mitgeschrieben hat, düster aus. Zwar habe die Menschheit begonnen, die planetarischen Grenzen ernster zu nehmen, doch es bestände die große Gefahr, dass diese Bemühungen zu langsam seien. „Die Menschheit hat die Ressourcen der Erde ausgereizt und wir werden in einigen Fällen schon vor 2052 einen örtlichen Kollaps erleben" befürchtet Randers bei der Präsentation der Ergebnisse in Rotterdam.

Ein sich selbst verstärkender Klimawandel

Wir stoßen schon jedes Jahr zweimal so viel Treibhausgas aus wie Wälder und Meere absorbieren können. Dieser Trend werde sich fortsetzen und die Treibhausgasemissionen werden demnach erst 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben. Das sei zu spät, um den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen, was als eben noch akzeptable Marke angesehen wird. Bis zum Jahr 2052 werde die Erderwärmung schon viel Leid erzeugen. Danach werde sie sich zudem auch noch katastrophal selbst verstärken. Bis 2080 werde die Temperatur um 2,8 Grad steigen - was einen sich selbst verstärkenden Klimawandel auslösen könne.

Weniger Bevölkerungswachstum als erwartet

Die Bevölkerung wird Randers zufolge allerdings nicht so stark wachsen wie gedacht. Sie wird bis Anfang der 2040er Jahre 8,1 Milliarden Menschen erreichen und dann abnehmen. Das liegt ihm zufolge daran, dass die Menschen zunehmend in Städten leben und Frauen mehr Bildung erhielten. Mit der Verbreitung von Bildung und Verhütungsmethoden werde bald jedes Paar über seine Kinderzahl entscheiden können. In den Megastädten bedeute ein Kind, einen Mund mehr zu füttern, statt eine Hilfe mehr auf dem Acker.

Weniger Wirtschaftswachstum mehr Ungleichheit

Zugleich werde das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur 2,2 Mal größer sein als heute und damit langsamer steigen als erwartet. Die dominierenden globalen Volkswirtschaften, insbesondere die USA, hätten ihr Entwicklungspotenzial ausgeschöpft, die Armut und die Ungleichheit würde in diesen Ländern zunehmen. Brasilien, Russland, Indien und Südafrika und weitere zehn führende Schwellenländer würden jedoch Fortschritte machen. Bis 2052 werde es weniger Armut in den Entwicklungsländern geben. Nichts desto trotz würde sich die Armut bei insgesamt drei Milliarden stabilisieren. Auch die Umweltzerstörung würde weltweit zunehmen. Grund für den Niedergang im Westen sieht der Autor Carlos Joly, ein argentinischer Investmentbanker, in dem "Triumph des Finanzkapitalismus".

Apokalypse now?

Noch habe ich das Buch nicht vorliegen, doch glaubt man den medialen Berichterstattungen, dann liegt der Schwerpunkt des Berichtes in düsteren Zukunftsprognosen. Dadurch hinterlässt die Lektüre das Gefühl der Ohnmacht und im schlimmsten Falle des Fatalismus. Warum den Kampf des Umsteuerns aufnehmen, wenn ohnehin alles zu spät ist?

So richtig eindringliche Warnungen vor den Folgen eines „weiter so“ unseres westlichen Entwicklungsmodells sind, ausreichen tun sie nicht. Schon die Bibel verband die Warnungen vor einer Apokalypse mit dem Verheiß eines Himmelreiches. Wie ein solches Himmelreich im Rahmen unserer planetarischen Grenzen aussehen könnte und was man dafür tun müsste, wird zumindest durch die Zeitungslektüre nicht sichtbar.

So löst es nur ein leichtes Grauen aus – zu sehr haben wir uns nach 40 Jahren an diese apokalyptischen Botschaften gewöhnt, als dass ein Impuls zum Handeln davon ausginge.

Die Botschaften des Ökoklassiker „Grenzen des Wachstums“

Die „Grenzen des Wachstum“ waren vor 40 Jahren weit weniger apokalyptisch, als es damals global diskutiert worden ist. Die Stärke des Berichts lag damals in der Analyse bisher kaum verstandener Zusammenhänge: Er nutzte das erste Mal computergestützte Szenarien, um die Wechselwirkungen von fünf Tendenzen mit globaler Wirkung sichtbar zu machen:

Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung von Lebensräumen. So wurden Szenarien mit unterschiedlich hoch angesetzten Rohstoffvorräten der Erde berechnet, oder eine unterschiedliche Effizienz von landwirtschaftlicher Produktion, Geburtenkontrolle oder Umweltschutz angesetzt. Die Autoren hatten nicht nur Katastrophenszenarien als Ergebnis erhalten, sondern auch Szenarien, die zu einem Zustand des Gleichgewicht führen. Der Kollaps war nach ihrer damaligen Einschätzung vor 40 Jahren also noch verhinderbar.

Zahlreiche Schlussfolgerungen aus diesen Szenarien, sind inzwischen zum umweltpolitischen Mainstream geworden sind:

  • Wir haben ein exponentielles Bevölkerungswachstum, das auch den Ressourcenverbrauch und die Menge an Schadstoffen und Abfällen exponentiell wachsen lässt.
  • Die Erde ist endlich: sie hat nur eingeschränkte Quellen, die Rohstoffe und Material liefern können und eingeschränkte Senken, um Schadstoffe und Abfälle aufzunehmen.
  • Deswegen sind dem physischen Wachstum an Ressourcen und Abfällen Grenzen gesetzt, ansonsten kommt es zu einem Kollaps.
  • Der hohe Verbrauch natürlicher Ressourcen ist nicht unbedingt notwendig, um allen Menschen der Welt einen annehmbaren Lebensstandard zu ermöglichen.
  • Die Menschheit muss ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern: Dies ist durch eine geringere Bevölkerungszahl, durch Veränderung der Konsumgewohnheiten und durch effizientere Technologien möglich.
  • Je schneller wir handeln, desto bezahlbarer wird es. Denn je länger wir warten, desto mehr Kapital müssen wir in die Beseitigung der Umweltschäden stecken. Dieses Kapital fehlt uns in der Industrieproduktion und dem ökologischen Umbau und führt zu einem Wohlstandsrückgang.

„Green Growth“ reicht nicht

Einige Schlussfolgerungen des Berichtes sind weiterhin stark umstritten: Nach Auffassung von Meadow et al. sind effizientere Technologien und flexible Märkte für einen Zustand der Nachhaltigkeit unabdingbar, sie reichen aber allein für ein Umsteuern nicht aus: Die Autoren des Berichts behandelten die wichtige Technologiefrage besonders ausführlich, indem sie in einem Modell durchrechneten, was passieren würde, wenn die globale Gesellschaft begänne, ihre Ressourcen so einzusetzen, dass sie die Umweltverschmutzung unter Kontrolle bekommt, dass fruchtbare Böden erhalten bleiben, dass die menschliche Gesundheit gewährleistet ist, dass Rohstoffe recycelt und die Ressourcen effizienter genutzt werden (Meadows et al, Grenzen des Wachstum, Das 30 Jahre update, S.211 ff).

Es zeigte sich, dass auch maximale Technologie keinen Systemzusammenbruch verhindert, sofern das Produktionskapital unbegrenzt weiter wachsen würde. Denn selbst eine maximale Technologie könne die negativen Folgen nicht mehr kompensieren.

Das liege daran, dass die technologischen Entwicklungen und die Reaktionen der Märkte selbst erst mit Verzögerungen griffen und nicht ausreichten. Der technologische Fortschritt beanspruche selbst größere Mengen an Kapital, Material und Energie und ihr Effekt könne durch das übermächtige Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft zunichte gemacht werden.

Grenzen einziehen

Im Anschluss modellierten die Autoren ein Szenario, dass zusätzlich zu effizienten Technologien und flexiblen Märkte ein „Genug“ in der Familienplanung und im Verbrauch von Materialien vorsieht: Die Begrenzung der Kinderzahl auf zwei, eine perfekte Geburtenkontrolle und ein Beschränkung der Pro Kopf Industrieproduktion, die den globalen Durchschnitt des Jahres 2000 um 10 Prozent übertrifft, führt im letzten Szenario zum Einhalten der ökologischen Grenzen. Daraus schlussfolgerten die Autoren, dass für ein nachhaltiges Wachstumsmodell vor allem festgehalten werden müsse, welche Industrieproduktion und welche Bevölkerungszahl nachhaltig ist.

Ökodiktatur ist kein Ausweg

Und hier kommt die Schwäche des damaligen Berichtes und auch der heutigen Berichterstattung zum Tragen: Der Bericht hat große Verdienste in der Entwicklung von Zukunftsprognosen, aber er liefert keine Ideen, wie ökologische Grenzen in freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaften eingezogen werden können.

Im Gegenteil, der Hauptautor Randers glaubt auf der Präsentation nicht an eine rechtzeitige Besserung: Die Menschheit werde sich nicht schnell genug ändern, auch weil die komplexen und zeitraubenden Entscheidungsprozesse in Demokratien dies verhindern würden. Dafür wird China eine Erfolgsgeschichte prognostiziert, da es die Fähigkeit habe zu handeln. Da klingt der Wunsch nach einer Ökodiktatur an. Dies missachtet nicht nur massiv den Wert von Menschrechten, Rechtsstaat und Demokratie. Sondern Randers unterschätzt auch die ökologischen Verdienste von Demokratien und überschätzt die Fähigkeit von totalitären Staaten, Grenzen durchzusetzen.

Einseitig die Demokratie für einen langsamen ökologischen Umbau haftbar zu machen, ignoriert die Erfolge der zivilgesellschaftlichen Ökologiebewegung. Nur in einer demokratischen, pluralistischen Staatsform ist es möglich, dass Bürgerinnen und Bürger für eine umweltverträgliche Lebensweise eintreten und eine ökologische Wende von unten anschieben. So waren es damals die als „Ökospinner“ titulierten Bürgerinnen und Bürger, die - auch beeindruckt von den Vorhersagen des Berichts „Grenzen des Wachstums“- die ersten Solarpanels auf ihre Dächer setzten und die Vision einer 100 Prozent erneuerbaren Zukunft entwickelten. Und die Mehrheit der deutschen Bevölkerung war längst für eine Energiewende, als die Eliten des Landes noch an ihrem fossilen Kraftwerkspark festhielten.

Auch sauberes Wasser und saubere Luft wurde von den Umweltbewegungen in der westlichen Welt durchgesetzt, ein Erfolg von dem China noch meilenweit entfernt ist.
Natürlich steckt in uns allen auch der Wunsch nach einem begüterten und somit ressourcenintensiven Lebensstandard. Das Bild des egoistischen, ausschließlich materiell orientierten Wählers, das bei diesem Demokratievorwurf durchklingt, ist jedoch kontraproduktiv: Denn es verfestigt das neoliberale Bild eine Homo ökonomicus und ignoriert den Citoyen, der in der Lage und Willens ist Gemeinwohl orientierte Entscheidungen zu unterstützen.

Zugleich ignoriert die Klage über die „langsame“ Demokratie, dass auch in totalitären Staaten Interessen wirken, die unabhängig von der Staatsform einen ökologischen Umbau verhindern wollen. Die Gewinner einer fossilen und umweltschädlichen Wirtschaftsweise stellen weltweit durch Lobbyismus und milliardenschwere Werbeetats sicher, dass es bei der bestehenden umweltschädlichen Wirtschaftsweise bleibt. Davon sind Länder wie China ebenso betroffen wie demokratische Länder wie die USA oder Europa.

Höchst befremdlich ist es zudem China als Vorbild zu preisen. Es hat seine Fähigkeit zu handeln im Bereich des Umweltschutzes mitnichten bewiesen: Kein Land ist zurzeit von so vielen Umwelt- und Lebensmittelskandalen erschüttert, kein Land investiert so viel in Kohle und Atom. Auch Chinas inhumane Ein-Kind-Politik kann man kaum als globales Vorbild loben, auch wenn dies zu einer Familiengröße führt, die unter den geforderten zwei Kindern liegt.
Letztlich ist Demokratie auch nicht gleich Demokratie: Es kommt für schon wesentlich darauf an, ob und wie die Medien funktionieren, wie ungleich eine Gesellschaft ist und welche Einflussmöglichkeiten Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbände und der Staat haben.

Für den Wandel kämpfen

So war es das demokratische Europa, das das vollzogen hat, was der Bericht schon vor 40 Jahren forderte: Es hat den Mut gehabt, durch einen Emissionshandel eine Grenze für Industrieemissionen zu ziehen. Und es will diese Grenze auf weitere Bereiche wie den Verkehr ausweiten. Auch wenn der Emissionshandel in seiner Ausgestaltung stark verbesserungswürdig ist, muss dieser Schritt gewürdigt werden: Es ist möglich sich auf eine Beschränkung zu einigen, auch in einer Demokratie. Beschränkende Regeln, die zwar nicht den Lebensstandard selber, aber den Verbrauch bestimmter Ressourcen begrenzen, sind auf dem Vormarsch. Und der neue Bericht zeigt es eindrücklich: eine Begrenzung der Kinderzahl ist nicht von Verboten sondern von Bildung und Verhütungsmitteln abhängig.

Verständlich, dass diese Schritte den Autoren angesichts der dramatischen Entwicklungen zu langsam erscheinen. Doch Menschen Beschränkungen abzuverlangen und zu glauben, das ginge in Zeiträumen von 40 Jahren ist naiv. Das bedarf Durchhaltevermögen und Machtkämpfen - in welchem System auch immer.

Zudem verlaufen soziale Entwicklungen nicht linear. Es kommt immer wieder zu Entwicklungssprüngen oder unvorhergesehenen Entwicklungen. Eine solche prognostiziert das österreichische Club-of-Rome-Mitglied Karl Wagner: Er sagt eine Revolution in den 2020er Jahren voraus, wenn der jungen Generation der Geduldsfaden reiße, weil sie nicht länger die Umweltlasten der alten tragen wolle - vergleichbar mit der von 1848 gegen das feudale Herrschaftssystem. So werde die Kultur des Konsums umschwenken auf nachhaltigeres Wirtschaften.

Wie es auch kommen mag, ohne Zukunftslust und harte Auseinandersetzungen werden wir diesen Wandel nicht schaffen. „Grenzen des Wachstum“ und der aktuelle „2052“ stellen uns die Stoppschilder auf und weisen uns die Richtung. Die konkreten Wege müssen wir selber finden.

Dies sind nur erste Eindrücke anhand der Medienberichte und der Webseite. Eine vertiefte Analyse des Buches erscheint in kurzer Zeit.