Miss Germany in Mitte: So lebt Apameh Schönauer in ihrem Berliner Stadthaus

Miss Germany in Mitte: So lebt Apameh Schönauer in ihrem Berliner Stadthaus

Die Miss Germany 2024 ist in Berlin zu Hause. Als Architektin hat sie lange nach einer passenden Bleibe für ihre Familie gesucht – und wurde schließlich in Mitte fündig.

Apameh Schönauer in ihrer Wohnung: Die Picasso-Fotos an der Wand hat sie passend zu den Farben ihrer Einrichtung verfremdet.
Apameh Schönauer in ihrer Wohnung: Die Picasso-Fotos an der Wand hat sie passend zu den Farben ihrer Einrichtung verfremdet.Daniel Rodríguez für die Berliner Zeitung am Wochenende

Es ist immer wieder erstaunlich, wie idyllisch es in Berlins innerster Innenstadt sein kann. Selbst im touristisch völlig überlaufenen Mitte gibt es noch solche Ecken, nur ein paar Meter abseits der hippen Ausgehmeilen, wo die Vögel zwitschern und die Autos schweigen. Wo an einem sonnigen Dienstagvormittag nur Kinderlachen zu hören ist.

In einer dieser surreal anmutenden Ruheinseln ist die amtierende Miss Germany zu Hause, die uns gut gelaunt in ihren vier Berlin-Wänden empfängt. Der Shitstorm, der nach ihrer Wahl im Februar auf sie herniedergegangen war, hat sich inzwischen gelegt. Apameh Schönauer, die von allen nur Api genannt wird, hatte damals mit Gegenwind gerechnet. Von der Heftigkeit der Anwürfe war sie dann aber doch überrascht.

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Die gebürtige Iranerin wurde in den sozialen Medien massiv angefeindet. Es gehe bei der Wahl zur Miss Germany inzwischen nur noch um Wokeness, hieß es, Schönheit werde nur noch politisch definiert. Bilder von Frauen in Burkas wurden geteilt mit der Bemerkung, so sehe wohl die Miss Germany in zehn Jahren aus. Vielen war Schönauer nicht deutsch, nicht schön, nicht blond, nicht jung genug.

Für einige Zeit wurde die 39-Jährige von den Veranstaltern des einstigen Schönheits- und heutigen Personality-Wettbewerbs aus der Schusslinie genommen. Doch nun ist sie längst wieder zurück in der Öffentlichkeit – und froh, nicht mehr nur über rassistische Nachrichten und Hasskommentare sprechen zu müssen.

Und zum Beispiel mehr über ihre Arbeit als Architektin zu reden. Über ihren Werdegang, und wie dieser junge migrantische Frauen in Deutschland inspirieren kann. Als sie sechs Jahre alt war, kam ihre Mutter mit ihr und ihrer Schwester aus dem Iran nach Deutschland.

Die Eltern, so erzählt es Schönauer beim Hausbesuch, hätten immer sehr viel Wert auf Bildung gelegt, seien dort hingezogen, wo es gute Schulen für die Töchter gab. Und so landete die Familie zunächst in Göttingen, zum Studium ging es für Apameh Schönauer dann nach Stuttgart. Die Universität der baden-württembergischen Landeshauptstadt zählt zu den besten deutschen Hochschulen für Architektur.

Der Fernseher im Wohnzimmer ist ein Kompromiss. Bei beruflichen Projekten würde die Architektin die Technik immer verblenden oder verstecken.
Der Fernseher im Wohnzimmer ist ein Kompromiss. Bei beruflichen Projekten würde die Architektin die Technik immer verblenden oder verstecken.Daniel Rodríguez für die Berliner Zeitung am Wochenende

Schönauers Projekte: Privathaus auf Sardinien, Business-Loge am Ostbahnhof

Und wer sich im 180 Quadratmeter großen Berlin-Mitte-Stadthaus der gebürtigen Teheranerin umschaut, der merkt schnell: Hier war ein Einrichtungsprofi am Werk. Schönauer hat Architektur und Städtebau studiert, ist Diplom-Ingenieurin und widmet sich inzwischen mit viel Leidenschaft dem Interior Design.

„Ich wollte aber nie nur das machen“, betont sie. „Mir war es wichtig, zunächst das große Ganze zu sehen. Ich wollte verstehen, was der Statiker zu sagen hat, wie man Straßen errichtet und Häuser setzt. Die Innenarchitektur habe ich mir dann erst später im Beruf angeeignet.“

Im dunklen Flur setzen rostrot gestrichene Wände kräftige Akzente. Bei den Lampen sind die Glühfäden und Glühdrähte sichtbar.
Im dunklen Flur setzen rostrot gestrichene Wände kräftige Akzente. Bei den Lampen sind die Glühfäden und Glühdrähte sichtbar.Daniel Rodríguez für die Berliner Zeitung am Wochenende

Als Leiterin der Architekturabteilung in einer Berliner Unternehmensberatung hat die 39-Jährige namhafte Kunden. Sie gestaltet Privathäuser auf Sardinien und in St. Moritz. Zuletzt baute sie mit ihrem siebenköpfigen Team eine 100 Quadratmeter große Business-Loge in der Uber-Arena am Ostbahnhof um. „Neue Wände, Decken, Böden, Interior, das volle Programm in nur einem Monat“, erzählt Schönauer. Trotz der knappen Zeit seien ein inspirierender Coworking-Bereich und eine einladende Lounge-Area entstanden, „sogar eine Bar haben wir noch eingebaut. Einen geselligen Ort, an dem man zusammenkommen kann.“

Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch in ihrer offenen Wohnküche zwei Barhocker am Tresen stehen, Klassiker aus dem Atelier Haußmann, deren schlichtes Industriedesign an die Werkstattmöbel der 1930er-Jahre erinnert: „Die liebe ich, ich benutze sie auch oft für berufliche Projekte.“

In den Regalen rund um die Küche reihen sich persische Kochbücher, feministische Literatur und Bauhaus-Bildbände aneinander. An der Wand im Erdgeschoss fällt zudem ein hölzerner Schiebekalender mit persischen Ziffern ins Auge. „Den hat mein Vater gemacht, er ist gelernter Schreiner“, erzählt Schönauer stolz. Vom handwerklichen Geschick des Vaters profitierte auch die Tochter: „Ich mache hier im Haus viel selbst. Ich bringe die Lampen an, bohre, schneidere, nähe. Das mag ich sehr gern.“

Den Schiebekalender aus Holz hat Schönauers Vater gefertigt.
Den Schiebekalender aus Holz hat Schönauers Vater gefertigt.Daniel Rodríguez für die Berliner Zeitung am Wochenende

Auch am Esstisch der vierköpfigen Familie – Schönauer lebt hier mit ihrem Mann und den zwei Kindern – findet sich eine Erinnerung an ihren Vater. Die zwei alten Holzstühle hat er vor vielen Jahren geschreinert, sie selbst hat ihnen später mit kupferfarbenem Sprühlack im oberen Drittel einen frischen, modernen Touch verpasst. Daneben steht der Hochstuhl der zweijährigen Tochter, er ist von der Kleinen mit unzähligen bunten Aufklebern verziert worden.

„Ich liebe diesen Mix und das Persönliche daran“, sagt Schönauer. Sie findet nichts langweiliger, als wenn um einen Tisch sechsmal der gleiche Stuhl steht – „das ist doch kein Konferenzraum!“ Im Essbereich hat jedes Sitzmöbel eine Geschichte, so auch der coole Mid-Century-Armlehnstuhl des englischen Designpioniers Robin Day mit verchromtem Stahlrahmen, schwarzem Ledersitz und dem unverwechselbaren, gebogenen Holzrücken. Er war Schönauers erstes Designerstück. Ihr Architektur-Professor hatte es seinerzeit den Studierenden prophezeit: „Jeder von euch wird sich so etwas irgendwann leisten, weil ihr nun ganz anders auf solche Dinge schaut.“

Vintage-Möbel: In Berlin ist die Auswahl an Läden groß

Dennoch wirkt die Wohnung der Wahlberlinerin nicht wie dem super-poshen Einrichtungskatalog entsprungen. Eher zieht sich ein wohnlicher Mix aus Vintage und Neu, aus Designerstücken und Ikea, aus günstig und richtig teuer durch alle Etagen des Hauses. „Eklektisch“ nennt Schönauer ihren Einrichtungsstil. Er passe zu ihrer Wahlheimat Berlin: „Die Stadt ist neu und alt, hart und weich. Diese Gegensätze miteinander zu verbinden, das liebe ich auch in der Architektur.“

Schönauer legt Wert auf Naturmaterialien, viele Möbel sind aus Bambus, aus Palisander- oder Nussbaumholz. Aber: „Alles darf leben und Spuren haben. Das ist wie bei einer Lederjacke, die sieht neu auch irgendwie doof aus und wird erst durch Kratzer und Abnutzung richtig cool.“ Viele Einrichtungsgegenstände hat Schönauer, die erst seit zweieinhalb Jahren in dieser Wohnung lebt, online und in Berliner Vintage-Shops gekauft. „Früher in Stuttgart, da gab es vielleicht einen Laden für Vintage-Möbel. Hier in Berlin, da ist die Auswahl so groß, dass man immer wieder etwas Neues findet.“

Im Kinderzimmer sind viele Möbel aus Bambus. Das Wandbild über dem Bett ihrer zweijährigen Tochter hat Apameh Schönauer selbst gestaltet.
Im Kinderzimmer sind viele Möbel aus Bambus. Das Wandbild über dem Bett ihrer zweijährigen Tochter hat Apameh Schönauer selbst gestaltet.Daniel Rodríguez für die Berliner Zeitung am Wochenende

Im Netz shoppt die Architektin gern bei Pamono, bei VNTG oder 1stdibs. An Ladengeschäften empfiehlt sie OIB in der Karl-Marx-Allee oder Schoenhauser-Design in der Rosenthaler Straße. Wer sich neu einrichten möchte, dem rät die Fachfrau, sich zu fokussieren – auf ein Bild, dem man dann treu bleibt, von dem man sich nicht ablenken lässt.

Sie selbst hat sich vor dem Umzug visuelle Inspiration bei Pinterest geholt, hat Farben und Stimmungen festgelegt, das Sofa auf den Plänen so lange hin- und hergeschoben, bis es passte. „In meinem Kopf waren die Räume dann irgendwann fertig, und dann konnte es an die Umsetzung gehen.“

Mit der Wohnungssuche allerdings lief es, typisch Berlin, gar nicht so glatt ab. Ein Jahr hat es gedauert, bis die Familie ein passendes Mietobjekt fand. „Letztlich hatten wir dann auf Immoscout Glück. Wir haben den Makler für dieses Haus angeschrieben, uns vorgestellt, mit Fotos und allem, was wir so machen. Man kann sagen, wir haben gepitcht, uns richtig ins Zeug gelegt.“ Am Ende haben sie sich gegen 80 Bewerber durchgesetzt – und eine Wohnung bekommen, die sich wirklich nur zwei Gutverdiener leisten können.

Die Farbe Grün zieht sich durch das ganze Haus. Die Bilder hat Schönauer gemalt: Gesichter von Frauen, entstanden nach Japan- und Südafrika-Reisen. 
Die Farbe Grün zieht sich durch das ganze Haus. Die Bilder hat Schönauer gemalt: Gesichter von Frauen, entstanden nach Japan- und Südafrika-Reisen. Daniel Rodríguez für die Berliner Zeitung am Wochenende

„Wir fühlen uns hier richtig wohl“, sagt Schönauer. Ihre Kinder spielen unten im Hof mit denen der anderen Familien, oben von der Dachterrasse aus sieht man den Fernsehturm. Viel zu Hause ist die 39-Jährige derzeit allerdings nicht. Ihr neuer Titel bringt es mit sich, dass sie viel unterwegs ist, bei Podiumsdiskussionen oder an Schulen zum Beispiel. Die Zeiten, wo eine Miss Germany als hübsches Beiwerk Autohaus-Eröffnungen zierte, sind vorbei. Gott sei Dank, findet die amtierende Miss, die lieber mit Schülern einer achten Klasse in Mitte darüber redet, wie man sich durchsetzt im Leben.

„Ich habe es in meinem Beruf oft genug erlebt, wie man als Frau, als migrantische zudem, belächelt wird. Mittlerweile habe ich gelernt, damit umzugehen.“ Noch heute werde sie auf Baustellen zunächst für die Praktikantin gehalten, die Handwerker blickten sich gern nach dem Chef um, wenn sie den Raum betritt.

Die Chefin aber lässt sich davon nicht beirren, Schönauer packt selbst mit an, wo es erforderlich ist. „Auf der Baustelle geht es darum, auf Augenhöhe zu sein. Mit dem Maler und dem Bauherrn gleichermaßen.“

Messing-Details, Stoffe, eine große Pflanze im Raum: Die Architektin plädiert dafür, Räume nicht zu überfrachten.
Messing-Details, Stoffe, eine große Pflanze im Raum: Die Architektin plädiert dafür, Räume nicht zu überfrachten.Daniel Rodríguez für die Berliner Zeitung am Wochenende

Vielleicht kann das ihre Botschaft sein an die nächste Generation: Ärmel hochkrempeln und machen, nicht jammern, auch wenn einem mal Steine in den Weg gelegt werden. Deutschland biete sehr viele Möglichkeiten und Chancen, findet Apameh Schönauer, man müsse sich aber auch etwas trauen. Und die Deutschen, die könnten ihre Arme ruhig noch ein Stückchen weiter öffnen.

Schönauer kommt nun doch noch einmal auf den Hass zu sprechen, der ihr vor einigen Wochen entgegenschlug. Viele junge Frauen hätten ihr daraufhin geschrieben, wie mutig sie sei, sie hätten sich das nicht getraut. „Das hat mich dann schon wieder geärgert, dass junge Mädels sich so einschüchtern lassen, nur weil ältere Männer nicht aus veralteten Systemen raus wollen.“

Ihr selbst habe der Shitstorm letztlich zu neuer Stärke verholfen, die sie gern weitergeben möchte. Allerdings, auch das gibt sie unumwunden zu: „Ich wusste nicht, dass Menschen so hässlich sein können.“


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