Joachim Gauck: Zwischen Liberalismus und Konservatismus

Joachim Gauck: ein linker, liberaler Konservativer

Shut­ter­stock /​ Markus Wissmann

Als Freigeist steht Joachim Gauck für das große Geschenk der DDR-Oppo­si­tion an die alte Bundes­re­pu­blik: Der ehemalige Bundes­prä­si­dent – im Januar feierte er seinen 80. Geburtstag –, bewegt sich quer zu allen poli­ti­schen Lagern, eckt an und ist doch anschluss­fä­hig. Sein linker, liberaler Konser­va­tismus, wie er sagt, ist Ausdruck eines wider­stän­digen, beweg­li­chen Geistes, der sich unter Bedin­gungen poli­ti­scher Freiheit endlich ausleben durfte. Ein Portrait.

Am 24. Januar 2020 feierte Joachim Gauck seinen 80. Geburtstag. Wenn man sich seine Biogra­phie vor Augen ruft, scheint es fast so, als sei seine Zeit als Bundes­prä­si­dent die logische Voll­endung seines Lebens­wegs. Das ist natürlich eine Konstruk­tion vom Ende her. Aber man kann die Person Gauck wie seine lang­jäh­rige Präsenz in der poli­ti­schen Öffent­lich­keit wohl nur verstehen, wenn man sie als die Summe der Prägungen liest, die er bis zum Fall der Mauer erfahren und erworben hat: Seine robuste, erfah­rungs­ge­sät­tigte Abneigung gegen auto­ri­täre Beglü­ckungs­sys­teme, seine Liebe zur Freiheit, seine Wert­schät­zung für den Rechts­staat, sein Plädoyer für Toleranz und Plura­lismus und seinen Sinn für eine aktive Bürger­ge­sell­schaft. All das sitzt bei ihm tiefer als bei vielen West­deut­schen, die allen­falls vom Hören­sagen wissen, was es bedeutet, in einem Unrechts­staat zu leben und wieviel Anstand und Mut es braucht, sich nicht mit ihm gemein zu machen.

Evan­ge­li­sche Kirche als Gegenwelt

Dass der Vater im Sommer 1951 – Gauck war damals 11 Jahre alt – plötzlich spurlos verschwand und die Familie erst zwei Jahre später erfuhr, dass er von einem geheimen sowje­ti­schen Mili­tär­ge­richt zu zweimal 25 Jahren Straf­lager wegen „Spionage und anti­so­wje­ti­scher Hetze“ verur­teilt worden war, ist eine solche Prägung. Ebenso die gegen­kul­tu­relle Welt der Evan­ge­li­schen Kirche in der DDR, die kriti­schen Geistern einen Raum geistiger Autonomie und gelebter Distanz zum SED-Regime bot. Wenn Gauck in seinem Vorwort zur Neuaus­gabe von Heinrich Heines „Winter­mär­chen“ vom „geistigen Exil“ spricht, in das Heine schon früh gedrängt wurde, von einem Leben im „halb-drinnen, halb-draußen“, klingen seine eigenen Erfah­rungen an.1

Für ihn war 1989 ein Weckruf und eine Chance, die er mit beiden Händen ergriff. Seine Arbeit als Pfarrer ließ er ruhen, um sich voll und ganz der Bürger­be­we­gung zu widmen, die täglich selbst­be­wusster den Partei­staat heraus­for­derte. Als Kirchen­mann hatte er kriti­schen Abstand zum Regime gehalten. Die Stasi hatte ihn als Gegner im Visier. Gauck ging bis an den Rand der Freiräume, die ihm sein Amt bot, betei­ligte sich aber nicht an Akti­vi­täten der versprengten Gruppen, die mit einem Bein in der Ille­ga­lität standen. Umso entschlos­sener stürzte er sich in die Bürger­be­we­gung, die im Herbst 1989 aus den kleinen Zirkeln ausbrach und in eine Massen­be­we­gung mündete: „Wir sind das Volk!“ Der Traum von der Freiheit war jetzt zum Greifen nah. Gauck fasste die Stimmung des Tages in Worte: „Wir sagen unserer Angst ‚Auf Wiedersehen‘.“

1989 – Jahr des Aufbruchs

Der Weg vom Pfarrhaus in die Politik war jetzt frei. Im März 1990 wurde Gauck als Mitglied des „Neuen Forums“ Rostock in die Volks­kammer gewählt. Dort widmete er sich vor allem der Auflösung des Unter­drü­ckungs- und Spit­zel­ap­pa­rats der SED. Im September 1990 wurde er „Sonder­be­auf­tragter für die perso­nen­be­zo­genen Unter­lagen des ehema­ligen Staats­si­cher­heits­diensts der DDR“. Als kurz darauf die deutsche Einheit über die Bühne ging, wurde er in dieser Funktion bestätigt. Sie wurde zu seiner Berufung für das nächste Jahrzehnt. Er führte das Amt des Leiters der Stasi-Unter­la­gen­be­hörde so souverän, dass alle Welt von der „Gauck-Behörde“ sprach. Sein Auftrag war rechtlich genau umschrieben und zugleich hoch politisch. Er verstand es, die Aufar­bei­tung eines perfiden Unter­drü­ckungs­sys­tems voran­zu­treiben, ohne in Jako­bi­nertum zu verfallen. Das Erinnern an Täter und Opfer war ein Angebot an eine trau­ma­ti­sierte und gespal­tene Gesell­schaft, mit sich ins Reine zu kommen. In den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit wurden 420.000 Anträge auf persön­liche Akten­ein­sicht gestellt. 

Portrait von Ralf Fücks

Ralf Fücks ist geschäfts­füh­render Gesell­schafter des Zentrums Liberale Moderne.

Das Interesse war riesig. Aber die Wirkung der Gauck-Behörde blieb begrenzt – sie konnte weder die straf­recht­liche Aufar­bei­tung des DDR-Unrechts noch eine breit angelegte poli­ti­sche Bildungs­ar­beit ersetzen. Heute zeigt sich, dass es nach wie vor eine doppelte Erin­ne­rungs­lücke in Ostdeutsch­land gibt. Weder wurde die Verstri­ckung großer Teile der Aufbau­ge­nera­tion der DDR in den Natio­nal­so­zia­lismus aufge­ar­beitet noch die folgende Kombi­na­tion von „stali­nis­ti­schem Terror und selek­tivem Anti­fa­schismus“ (J. Gauck). Das ist der Boden für DDR-Nostalgie wie für den beson­deren Widerhall völkisch-natio­na­lis­ti­scher Einstel­lungen im Osten.

Ein „linker liberaler Konservativer“

Als Gauck nach zwei Amts­pe­ri­oden die Stasi-Unter­la­gen­be­hörde verließ, war er eine feste Größe in der deutschen Öffent­lich­keit, ein Mann des Wortes, sprach­mächtig und meinungs­freudig. Gauck kam fast über­gangslos in der wieder­ver­ei­nigten Bundes­re­pu­blik an, er lernte schnell auf der für ihn neuen Klaviatur der Insti­tu­tionen, Parteien und Medien zu spielen und folgte doch seiner eigenen Partitur. Auch ohne expo­niertes Amt blieb er präsent, hielt Vorträge, veröf­fent­lichte seine Erin­ne­rungen2 und setzte Akzente in der poli­ti­schen Debatte. Er bewegte sich quer zu den poli­ti­schen Lagern, eckte immer wieder an und war doch anschluss­fähig zu allen demo­kra­ti­schen Parteien. In einem Gespräch mit dem „Spiegel“ bezeich­nete er sich als „linken, liberalen Konser­va­tiven“. Auch bei den Grünen war er über­wie­gend wohl gelitten. Seine erstaun­liche Fähigkeit, zwischen allen Stühlen zu sitzen und zugleich partei­über­grei­fend gemocht oder zumindest respek­tiert zu werden, verlieh ihm eine präsi­diale Aura.

Es war deshalb keine Über­ra­schung, dass ihn SPD und Grüne nach dem Rücktritt von Horst Köhler im Frühjahr 2010 als Kandi­daten für das Amt des Bundes­prä­si­denten auf das Schild hoben. Über­ra­schend war eher, dass die Union einen eigenen Kandi­daten gegen Gauck aufbot. Christian Wulff setzte sich im dritten Wahlgang knapp durch. Als aber auch er seinen vorzei­tigen Rücktritt einreichte, führte kein Weg mehr an Joachim Gauck vorbei. Am 18. März 2012 wurde er mit großer Mehrheit gewählt. Die Republik hatte ihren ersten Präsi­denten ostdeut­scher Herkunft – mehr noch: ihr erstes gesamt­deut­sches Staats­ober­haupt. Gauck hatte 40 Jahre in der DDR gelebt und war eng mit der Gegend um Rostock verbunden, gehörte dort aber zu einer gesell­schaft­li­chen Minder­heit. Für ihn war die deutsche Einheit ein persön­li­cher und histo­ri­scher Glücks­fall. Er suchte nicht – wie viele ehemalige Bürger­rechtler – nach einem „dritten Weg“ zwischen Kapi­ta­lismus und Sozia­lismus, sondern war in der Bundes­re­pu­blik mit ihrer Kombi­na­tion von liberaler Demo­kratie und sozialer Markt­wirt­schaft zuhause. Sie galt es gegen Anfech­tungen von innen und außen zu verteidigen.

Freiheit und Verantwortung

Die Markie­rungen, die Gauck als Bundes­prä­si­dent setzte, finden ihren Zusam­men­hang in seinem Verständnis der Freiheit. Mit Hannah Arendt gilt sie ihm als Sinn und Ziel aller Politik. Er wäre aller­dings kein „liberaler Konser­va­tiver“, wenn er Freiheit als bloße negative Freiheit – die Freiheit von Zwang – und als Freibrief für unum­schränkte Selbst­ent­fal­tung deuten würde. Für Gauck bedeutet poli­ti­sche Freiheit in erster Linie die Ermäch­ti­gung der Bürge­rinnen und Bürger, ihr indi­vi­du­elles und gesell­schaft­li­ches Leben selbst­ver­ant­wort­lich zu gestalten. Darin liegt der entschei­dende Unter­schied zwischen Demo­kratie und Diktatur. Freiheit ohne Verant­wor­tung ist das Privileg von Kindern. Für Gauck gilt: „Freiheit für Erwach­sene heißt Verantwortung.“

Diesen Maßstab legt er auch an die wirt­schaft­liche Freiheit an. Zwar weist er – eher eine Ausnahme in der Reihe der Bundes­prä­si­denten – auf den inneren Zusam­men­hang von poli­ti­scher Freiheit und einer frei­heit­li­chen Wirt­schafts­ord­nung hin: Es gibt zwar ökono­mi­sche Freiheit ohne Demo­kratie, aber keine Demo­kratie ohne ökono­mi­sche Freiheit. Privat­ei­gentum, Markt­wirt­schaft und freies Unter­neh­mertum sind konsti­tutiv für offene Gesell­schaften. Gleich­zeitig betont Gauck aber die Notwen­dig­keit staat­li­cher Regu­lie­rung von Märkten, um dem Prinzip Verant­wor­tung auch in der Wirt­schaft Geltung zu verschaffen. Die Finanz­krise von 2008ff. hat seine Wendung zu einem ordo­li­be­ralen Frei­heits­be­griff maßgeb­lich befördert.

Inter­es­sierte Zeit­ge­nossen behalten Joachim Gauck als einen dezidiert poli­ti­schen Präsi­denten in Erin­ne­rung. Er nutzte die Spiel­räume für poli­ti­sche Inter­ven­tionen, die das Amt des Staats­ober­haupts lässt, bis zum Rand. Das löste in der Bundes­re­gie­rung und im Bundestag nicht immer unge­teilte Freude aus. Ich will drei Beispiele hervor­heben, die Gaucks in der DDR erprobten Mut doku­men­tieren, gegen den Strom zu schwimmen.

Außen­po­li­ti­sche Neuorientierung

Das erste Beispiel steht für seinen geschärften Sinn für die Bedrohung der Freiheit durch auto­ri­täre Mächte. In seiner Rede zur Gedenk­ver­an­stal­tung „1914 – 2014: Hundert euro­päi­sche Jahre“ am 27. Juni 2014 reagierte Gauck mit deut­li­chen Worten auf die mili­tä­ri­sche Inter­ven­tion Russlands gegen die Ukraine und die Annexion der Krim: „Der Wider­stand Russlands gegen eine Annä­he­rung der Ukraine an die Euro­päi­sche Union hat uns mit Denk- und Verhal­tens­mus­tern konfron­tiert, die wir auf unserem Kontinent für längst über­wunden hielten. Was wir heute erleben, ist altes Denken in Macht- und Einfluss­sphären – bis hin zur Desta­bi­li­sie­rung fremder Staaten und zur Annexion fremder Territorien.“

Das war ebenso hell­sichtig wie unge­wöhn­lich ange­sichts der Schön­fär­berei gegenüber dem Kreml, die in Deutsch­land auf der Linken wie der Rechten gepflegt wird. Gauck bekräf­tigte seine Kritik in seiner Danziger Rede zum Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen am 1. September: Russland habe die Part­ner­schaft mit dem Westen faktisch aufge­kün­digt. Und er fügte hinzu: „Die Geschichte lehrt uns, dass terri­to­riale Zuge­ständ­nisse den Appetit von Aggres­soren oft nur vergrößern.“

Debat­tenmut in der Sicherheitspolitik

Schon bei der Eröffnung der Münchner Sicher­heits­kon­fe­renz am 31. Januar 2014 hatte Gauck neue, für manche Ohren unerhörte Töne ange­schlagen. Er forderte nichts weniger als eine Neuaus­rich­tung der deutschen Außen- und Sicher­heits­po­litik. Die deutsche histo­ri­sche Schuld begründe kein „Recht auf Wegsehen“. Die Kultur mili­tä­ri­scher Zurück­hal­tung dürfe nicht dazu führen, Hilfe zu versagen, „wenn Menschen­rechts­ver­let­zungen in Völker­mord, Kriegs­ver­bre­chen, ethni­schen Säube­rungen oder Verbre­chen gegen die Mensch­lich­keit münden“. Das Prinzip der staat­li­chen Souve­rä­nität und der Grundsatz der Nicht­ein­mi­schung dürften gewalt­tä­tige Regime nicht unan­tastbar machen. Als „äußerstes Mittel“ sei auch der Einsatz von Militär gerecht­fer­tigt. Die Bundes­re­pu­blik müsse mehr Verant­wor­tung für den Ordnungs­rahmen aus EU, NATO und Vereinten Nationen über­nehmen. Sie müsse „dabei auch bereit sein, mehr zu tun für jene Sicher­heit, die ihr über Jahr­zehnte von anderen gewährt wurde“.

Dass dieser Vorstoß von der damaligen Vertei­di­gungs­mi­nis­terin Ursula von der Leyen und Außen­mi­nister Frank-Walter Stein­meier unter­stützt wurde, weist auf eine konzer­tierte Aktion hin. Poli­ti­sche Naivität kann man Joachim Gauck nicht unter­stellen. Wohl aber gehörte dazu Mut in dem Wissen, dass eine deutliche Mehrheit der Bevöl­ke­rung damals wie heute eine aktivere sicher­heits­po­li­ti­sche Rolle und ein stärkeres mili­tä­ri­sches Enga­ge­ment Deutsch­lands ablehnt. Betrachtet man die seit­he­rige Politik der Großen Koalition, muss man nüchtern konsta­tieren, dass Gaucks Appell trotz aller verbalen Unter­stüt­zung weder im Kabinett noch im Parlament auf frucht­baren Boden fiel. Richtig bleibt er trotzdem.

Huma­nis­ti­scher Realismus

Das dritte Beispiel fällt in die Hochzeit der großen Flucht, die seit dem Sommer 2015 mehr als eine Million Menschen nach Deutsch­land führte – Kriegs­flücht­linge aus Syrien und anderen vom Krieg zerrüt­teten Ländern, aber auch viele Migranten, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg nach West­eu­ropa gemacht hatten. Es war die Zeit einer berüh­renden, fast märchen­haften „Will­kom­mens­kultur“ in Deutsch­land. Wer über den Tag hinaus­blickte, konnte aber die Probleme nicht übersehen, die mit der Aufnahme einer so großen Zahl von Menschen anderer Religion, Lebens­weise und poli­ti­schen Kultur in so kurzer Zeit einher­gehen. Auch zeichnete sich bereits die Pola­ri­sie­rung der Gesell­schaft entlang der Flücht­lings­frage ab. Die Bundes­re­gie­rung tat ihr Bestes, um gemeinsam mit Ländern, Gemeinden und einer großen Zahl frei­wil­liger Helfer die Situation zu bewäl­tigen. Aber außer dem berühmten „Wir schaffen das!“ der Kanzlerin gab es wenig an poli­ti­scher Kommu­ni­ka­tion mit der Bevöl­ke­rung. Wie sollte es weiter­gehen? Sollte Deutsch­land weiterhin faktisch unbe­grenzt als Aufnah­me­land offen­stehen, während selbst Schweden von einer Politik der offenen Grenze auf eine restrik­tive Linie umschwenkte?

Politik der Mitte muss weder klein­mütig noch lang­weilig sein

In dieser Situation ergriff Gauck Ende September 2015 das Wort. Er zollte den vielen frei­wil­ligen Helfe­rinnen und Helfern Dank und Aner­ken­nung und verwies auf die histo­ri­sche Verant­wor­tung Deutsch­lands, Zuflucht vor Verfol­gung und Krieg zu gewähren. Dann aber kamen Sätze, die wie poli­ti­sche Ausru­fe­zei­chen wirkten: „Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglich­keiten sind endlich.“ Um die Bereit­schaft und die Fähigkeit zur Aufnahme von Flücht­lingen zu bewahren, müssten „Staaten und ein Staa­ten­ver­bund wie die Euro­päi­sche Union ihre äußeren Grenzen schützen.“ Gauck stellte sich der Spannung zwischen univer­sellen huma­ni­tären Prin­zi­pien und dem Recht auf Zuflucht einer­seits, den mate­ri­ellen und poli­ti­schen Grenzen der Aufnah­me­fä­hig­keit ande­rer­seits. Er machte deutlich, dass wir einen Weg zwischen offenen Grenzen für alle und Abschot­tung finden müssen, möglichst im euro­päi­schen Verbund. Er hat damit einen Kurs­wechsel in der Flücht­lings­po­litik angemahnt,  der von der Bundes­re­gie­rung faktisch vollzogen, aber nur spärlich kommu­ni­ziert wurde – siehe das Abkommen mit der Türkei, die faktische Schlie­ßung der Balkan­route, die verstärkte Sicherung der EU-Außen­grenzen, die diversen Anläufe, „sichere Herkunfts­länder“ zu defi­nieren sowie die Erwei­te­rung der Möglich­keiten legaler Arbeits­mi­gra­tion. In einer kriti­schen Situation erwies sich Gauck als der huma­nis­ti­sche Realist, der er ist. Statt bloßer mora­li­scher Appelle forderte er poli­ti­sches Handeln, das Mitgefühl und poli­ti­sche Ratio zur Deckung bringt. Statt die Pola­ri­sie­rung der Gesell­schaft zu forcieren, suchte er nach einem trag­fä­higen Konsens der Demo­kraten. Er tat genau das, was sein Amt forderte.

Heute ist Joachim Gauck wieder das, als was er seine poli­ti­sche Laufbahn begonnen hat: ein Bürger im besten Sinn. Einer, der sich in die öffent­li­chen Ange­le­gen­heiten einmischt – mit der Zurück­hal­tung, die einem ehema­ligen Bundes­prä­si­denten ziemt, aber mit dem Gewicht seiner langen Erfahrung und poli­ti­schen Urteils­kraft. Er hat das Kunst­stück fertig­ge­bracht, ein höchst wirkungs­voller Freigeist zu sein. Und er hat gezeigt, dass eine Politik der demo­kra­ti­schen Mitte weder klein­mütig noch lang­weilig sein muss. Danke dafür!

[1] Heinrich Heine, „Deutsch­land. Ein Winter­mär­chen“, Hamburg 2019.

[2] „Winter im Sommer, Frühling im Herbst“, München 2009.

 


Das Portrait erschien zunächst auf der Seite der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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