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Schavan: "Das muß ausgeräumt werden"

DIE WELT: Frau Schavan, Sie wehren sich öffentlich gegen den Vorwurf, lesbisch zu sein, und sprechen von Rufmord.

Annette Schavan: Ich habe in Tuttlingen zu dem Thema Stellung genommen, und damit ist das für mich erledigt. Ich bin sicher, daß die Menschen das respektieren.

DIE WELT: Sie haben zum Thema "Homosexualität" gesagt: "Wer es genau wissen will: Mir fehlen die Eignung, Lust und Neigung dazu." Ist es für Politiker verhängnisvoll, nicht verheiratet zu sein?

Schavan: Jedenfalls scheint es Leute zu geben, die glauben, daraus Kapital schlagen zu können, und deshalb habe ich mich dazu in der zitierten Weise klar geäußert.

DIE WELT: Wer will nach Ihrer Meinung daraus Kapital schlagen?

Schavan: So etwas kann nur Leuten einfallen, denen zu mir ansonsten gar nichts einfällt. Und die vielleicht erhöhte Nervosität verspüren.

DIE WELT: Nervosität bei wem? Ihr Gegenkandidat Günther Oettinger hat die Gerüchte öffentlich verurteilt. Nehmen Sie ihm das ab?

Schavan: Ich nehme ihm das so ab. Ich akzeptiere die Erklärung von Herrn Oettinger.

DIE WELT: Daß Sie nicht verheiratet sind, wurde Ihnen schon in der Debatte um die Bundespräsidentschaft, in der Sie als Kandidatin gehandelt wurden, negativ ausgelegt: Ein Staatsoberhaupt müsse in der Lage sein, gemeinsam mit dem Ehepartner zu repräsentieren und Staatsgäste zu empfangen.

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Schavan: Ich finde solche Argumente eher kurios. Nicht zuletzt die große öffentliche Resonanz, die ich in meinem Amt als Kultusministerin erfahre, verdeutlicht mir, daß diese Frage bei der Bevölkerung überhaupt keine Rolle spielt.

DIE WELT: Ist es aber nicht so, daß heute jemand, der sich drei- oder viermal hat scheiden lassen, im öffentlichen Ansehen besser dasteht als jemand, der nie geheiratet hat?

Schavan: Ich kann nur hoffen, daß diese Beobachtung falsch ist. Denn in unzähligen Festreden wird betont, daß unsere Gesellschaft zur Pluralität der Lebensentwürfe steht, und dazu gehört auch, allein zu leben.

DIE WELT: Durch Ihr Dementi haben Sie eine öffentliche Debatte über die schmutzigen Gerüchte ausgelöst. Wäre es nicht richtiger gewesen, dieses Thema Ihrerseits in Tuttlingen völlig auszuklammern?

Schavan: Nein, denn die aktuelle Diskussion dient zur Verklarung. Nicht ich habe das Thema aufgebracht, sondern es wurde von anderen anonym betrieben. Und deshalb muß es ausgeräumt werden.

DIE WELT: Sie möchten Ministerpräsidentin in Stuttgart werden. Gibt es besondere Eigenschaften, die eine Frau für die Politik prädestinieren?

Schavan: Frau sein an sich ist weder ein Argument für Erfolg noch für Mißerfolg. Ich bin überzeugt, daß es gut ist, wenn Frauen und Männer mit ihren jeweiligen Lebenserfahrungen politische Spitzenverantwortung übernehmen. Mich interessieren gerade jetzt, da wir vor einer tiefgreifenden Reformphase in Deutschland stehen, die Zusammenhänge: Weil Reform- und Wertedebatte für mich untrennbar sind, werbe ich dafür, daß wir uns um Kultur und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft genauso leidenschaftlich kümmern wie um Wirtschaft und Finanzen.

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DIE WELT: Sie bringen große Kompetenz für den Bildungsbereich mit. Fehlen Ihnen Kenntnisse der Wirtschaftspolitik?

Schavan: Ich bewerbe mich für die Spitzenkandidatur nach zehn Jahren Kommunalpolitik, neun Jahren Regierungserfahrung, 15 Jahren Berufserfahrung und sechs Jahren der intensiven Arbeit in der Landes- und Bundespolitik. Da ist es abwegig zu glauben, ich hätte mich nur mit Fragen der Bildung beschäftigt. Richtig ist aber: Gerade in einem wirtschaftlich starken Land wie Baden-Württemberg weiß man darum, daß Bildung und Wissenschaft die Quellen des künftigen Wohlstandes sind.

DIE WELT: Zu Beginn der Mitgliederbefragung in Baden-Württemberg sahen Umfragen Ihren Konkurrenten Oettinger vorne. Ist das Rennen schon gelaufen?

Schavan: Ganz bestimmt nicht. Nach fünf Regionalkonferenzen ist das Rennen nach Einschätzung vieler Wahlbeobachter völlig offen.

DIE WELT: Sie beide haben angekündigt, sich im Fall einer Niederlage bei der Befragung nicht um die Spitzenkandidatur zu bewerben. Politisch aktiv würden Sie aber bleiben?

Schavan: Ich gehe nicht von einer Niederlage aus - aber in diesem Fall würde ich in der Politik bleiben und auch weiterhin in Baden-Württemberg zur Verfügung stehen. Man kann nicht Mitglieder befragen und ihnen zugleich erklären, man sei beleidigt, wenn sie einen nicht wählen.

DIE WELT: Würde im Fall eines Wahlsieges eine Ministerpräsidentin Schavan Günther Oettinger in ihrem Kabinett sehen wollen?

Schavan: Ja, ich werde ihm eine solche Zusammenarbeit anbieten.

Mit der baden-württembergischen Kultusministerin und stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Annette Schavan sprach Ansgar Graw

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