17.1.1 Aristoteles
Eine bis heute einflussreiche Theorie zur Bestimmung des Gerechtigkeitsbegriffs lieferte Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik.
Erläutern Sie untere Zuhilfenahme von Beispielen Aristoteles’ zentrale Überlegungen!
Antwort (Klicken Sie hier)
Aristoteles unterteilte den Gerechtigkeitsbegriff in
- (1.) die allgemeine Gesetzesgerechtigkeit,
- (2.) die besondere Gerechtigkeit (wiederum unterschieden in (2.a.) ausgleichende und (2.b.) austeilende Gerechtigkeit) sowie
- (3.) die Billigkeit.
Die (1.) allgemeine Gesetzesgerechtigkeit (in späterer Terminologie „iustitia universalis“) gebiete zunächst, sich an die geltenden Gesetze zu halten. So heisst es bei Aristoteles: „Wenn nun der Widergesetzliche als ungerecht gilt und der Beobachter der Gesetze als gerecht, so ist klar, dass alles Gesetzliche in einer gewissen Weise gerecht ist. Was von der Gesetzgebung bestimmt wird, ist gesetzlich, und jedes Einzelne davon nennen wir gerecht.“ (Aristoteles 1972, S. 1129b)
Während die allgemeine Gesetzesgerechtigkeit also die Legalität zum Gegenstand hat, geht es bei der (2.) besonderen Gerechtigkeit („iustitia particularis“) um Fragen der Gleichheit. (Aristoteles 1972, S. 1130) Allerdings beinhalte die Forderung der besonderen Gerechtigkeit nach Gleichheit wiederum eine Differenzierung nach dem Anlass des Gerechtigkeitsurteils:
Die (2.a.) ausgleichende Gerechtigkeit („iustitia commutativa“) verlange, einen Zustand arithmetischer Gleichheit (wieder-)herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. Sie wird zum Beispiel erstrebt bei Rechtsgeschäften (als Tausch gleichwertiger Güter- bzw. Geldmengen), bei der Bemessung von Schadensersatz (Restitution des ursprünglichen Zustands) sowie bei der Strafzumessung.
Demgegenüber sei die (2.b.) austeilende Gerechtigkeit („iustitia distributiva“) auf proportionale Gleichheit der Verteilung anhand eines Kriteriums gerichtet: Nach Aristoteles sollten etwa die Ämter im Staat proportional zur Würdigkeit zugemessen werden. Die höchsten Ämter würden danach von den würdigsten Bürgern bekleidet. Andere denkbare Kriterien für die Verteilung von Gütern sind etwa Bedürftigkeit oder Leistung.
Die (3.) Billigkeit schliesslich bezeichnet die Einzelfallgerechtigkeit. Sie schliesst die Lücken, die von allgemeiner und besonderer Gerechtigkeit belassen wurden oder sich durch diese erst ergaben. So schreibt Aristoteles: „Dies ist also die Natur des Billigen, eine Korrektur des Gesetzes, soweit es auf Grund seiner Allgemeinheit mangelhaft ist.“ (Aristoteles 1972, S. 1137)