Der 8. Mai in Berlin: Tag der Befreiung ohne die Symbole der Befreier

Der 8. Mai in Berlin: Tag der Befreiung ohne die Symbole der Befreier

Am Ehrenmal im Tiergarten gibt es eine stärkere Beschränkung der Versammlungsfreiheit durch das Verbot der Sowjetflagge, es gibt Polizeipräsenz und Provokationen.

Ukrainische Aktivisten nutzen den 8. Mai am Ehrenmal im Tiergarten für einen Auftritt, den die Polizei nach einer Weile beendet.
Ukrainische Aktivisten nutzen den 8. Mai am Ehrenmal im Tiergarten für einen Auftritt, den die Polizei nach einer Weile beendet.Maritta Tkalec/Berliner Zeitung

Nur wenige Menschen haben sich am Mittag des Tages der Befreiung zum sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten aufgemacht. Die Straße des 17. Juni ist wegen der Vorbereitungen für die Fanmeile zur Fußball-Europameisterschaft weiträumig abgesperrt.

Wer zum Ehrenmal möchte, um Blumen zu Ehren der Befreier Berlins niederzulegen, muss zusätzlich drei Checkpoints passieren. Überall stehen streng schauende Polizisten.

Vor jedem Durchgang informieren große Informationstafeln, was in diesem Jahr während der Gedenkfeiern alles verboten ist: das Tragen von Uniformen, Uniformteilen und militärischen Abzeichen, das Zeigen der Zeichen „V“ oder „Z“ sowie des Georgsbandes, das Zeigen von Flaggen mit russischem Bezug, das Abspielen und Singen bestimmter russischer Lieder. Und: „Das Zeigen von Symbolik und Kennzeichen, die geeignet sind, den Russland-Ukraine-Krieg zu verherrlichen, zum Beispiel das Zeigen der Flagge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)“.

Das ist eine Neuinterpretation, denn die UdSSR ist durch die Alma-Ata-Deklaration am 21. Dezember 1991 als Union, bestehend aus 15 Unionsrepubliken, aufgelöst. Nicht die Sowjetunion führt Krieg gegen die Ukraine, sondern Putins Russland.

Polizisten sichern das sowjetische Ehrenmal im Tiergarten. Vertreter der Wehrmacht unterzeichneten in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation vor den Siegermächten USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion im Gebäude des heutigen Museums Berlin-Karlshorst.
Polizisten sichern das sowjetische Ehrenmal im Tiergarten. Vertreter der Wehrmacht unterzeichneten in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation vor den Siegermächten USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion im Gebäude des heutigen Museums Berlin-Karlshorst.Christoph Soeder/dpa

Die angeführten Beispiele stammen aus der Polizeiverfügung, die am 8. und 9. Mai die Versammlungsfreiheit beschränkt. Verboten sind damit wesentliche Teile der sowjetischen Kultur des Gedenkens der Opfer des Großen Vaterländischen Krieges zur Befreiung der Welt vom Nationalsozialismus. Es sind nicht nur russische Rituale und Zeichen wie die russische Flagge oder das nationalistisch grundierte Georgsband betroffen.

Auch Angehörige anderer früherer Sowjetrepubliken gedachten seit Jahrzehnten der mehr als 20 Millionen durch den deutschen Raub- und Rassenkrieg zu Tode gekommenen Sowjetbürger – zum Beispiel, indem sie ihre Orden anlegten und die alten Lieder sangen. Besonders das Verbot der sowjetischen Flagge, des Symbols der Befreiung, empörte auch Deutsche, die den Tag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht feiern.

Das Verbot von Sowjetflaggen hat auch im Internet reichlich Aufregung ausgelöst: Auf X postete zum Beispiel ein Account mit dem Namen Trollstoy einen Film, bei dem das Brandenburger Tor in Berlin zu sehen ist. Es ist nachts, es ist dunkel. Auf die Ostseite des Tores werden mit einer Videoprojektion eine wehende rote Flagge mit Hammer und Sichel projiziert und kyrillische Buchstaben. Dazu heißt es im beigefügten Text, dass es Hackern angeblich gelungen sei, die Projektoren am Tor zu knacken und ein „sowjetisches Siegesbanner“ zu zeigen.

Hammer und Sichel auf dem Brandenburger Tor: Fake-Video geht viral

Der Film wirkt auf den ersten Blick echt, aber eine Rückfrage bei der Berliner Polizei ergibt, dass dazu keine Anzeige eingegangen ist oder dass ein solcher Vorfall gemeldet wurde. Die Polizei prüfte dann die Echtheit des Filmes und teilte der Berliner Zeitung mit: „Nach Bewertung aller der Polizei Berlin vorliegenden Erkenntnisse handelt es sich bei den in sozialen Medien kursierenden Videos bzw. Fotos der angeblichen Projektion am Brandenburger Tor um eine optische/grafische Fälschung.“

Fast 300.000 Nutzer haben den Film bis zum frühen Nachmittag gesehen. Auf den zweiten Blick werden einige Fehler deutlich: Unten am Tor stehen zwei Polizeiwagen mit Blaulicht, das in diesem Fall ziemlich amerikanisch aussieht, also nicht nur blau, sondern rot und blau. Auch ist die Projektion des roten Banners nur am Tor selbst zu sehen, nicht aber an der Quadriga oben auf dem denkmalgeschützten Bauwerk.

Vor dem Ehrenmal im Tiergarten hatten sich am Mittag ukrainische Aktivisten positioniert – mit ukrainischer Fahne. Die Polizei ließ sie eine gehörige Weile gewähren, dann wurden sie gebeten, ihre provozierende Aktion zu beenden. Sie zogen ab, die blau-gelbe Fahne baumelte nun an der Hosennaht.

Am Denkmal lagen erste Kränze. Dominant einer mit gelbem Blumenschmuck; im blauen Innenkreis mehrsprachig die Botschaft: „Zum Tag des Sieges gegen die Invasoren! Gestern-heute-morgen.“

Am morgigen Donnerstag, den 9. Mai, den Russland als Tag des Sieges feiert, finden mehrere offizielle Kranzniederlegungen statt. Es wird mit mehr Menschen an den Ehrenmalen gerechnet, vor allem im Treptower Park.