Grünen-Politikerin Künast über Lobbyismus bei Bauernprotesten
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Grünen-Politikerin Künast über Lobbyismus bei Bauernprotesten: „Mit Trecker und Nadelstreifen“

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Grünen-Politikerin Renate Künast kann den Bauernprotesten Positives abgewinnen, doch die negativen Auswirkungen überwiegen. Vor neuen Protesten hat sie keine Angst.

Berlin – In den Augen der protestierenden Landwirte – im Zuge der Proteste im Januar 2024 – sind die Grünen das Feindbild in der Ampel. Grünen-Politikerin und Landwirtschaftspolitikerin Renate Künast hat nun in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) über die Wirkung der Proteste gesprochen.

Die Bauern drohen bereits mit erneuten Protesten, sollte die Ampel die Streichung des Agrardiesels nicht zurücknehmen. Künast blickt dieser Sache entspannt entgegen: „Einige kommen mit Treckern, andere im Nadelstreifenanzug. Das ist eben Lobbyismus.“ Wer in der Politik ist, müsse mit Druck umgehen können. Dass die Belastungen für die Bauern durch die geplanten Subventionskürzungen zu groß geworden wären, sieht Künast ein.

Sie sagt weiter: „Wir wollen die Landwirtschaft zukunftsfähig aufstellen, auch wenn das unbequem ist. Das ist in Zeiten von Haushaltslöchern, Ukraine-Krieg, Klimawandel und mit dem Ziel der Ernährungssicherung eine enorme Herausforderung.“

Als positiven Punkt der Bauernproteste sieht die Ex-Bundesagrarministerin, dass der Fokus dadurch auf die Landwirtschaft gelenkt worden ist. Für sie überwiege allerdings der negative Teil: „Die Zukunft der Landwirtschaft wird heruntergebrochen auf einzelne finanzielle Aspekte, statt sich auf Zukunftsfragen zu konzentrieren.“ So seien Klima- und Artenschutz die Grundlage für den Betrieb eines Bauernhofes, doch auf europäischer Ebene würden genau dort Abstriche gemacht. „Es geht nur noch ums Geld, nicht um die Zukunft. Wir verplempern wichtige Zeit!“

Die Grünen gelten als Feindbild der Landwirte. Renate Künast kann den Bauernprotesten Positives wie Negatives abgewinnen.
Die Grünen gelten als Feindbild der Landwirte. Renate Künast kann den Bauernprotesten Positives wie Negatives abgewinnen. © IMAGO/Michael Bihlmayer

Laut Künast fehlt die Gesprächsbereitschaft der Bauern

Viele Bauern, die an den Protesten beteiligt waren, sind nicht einverstanden mit der Ampelregierung, machen die Grünen als Feindbild aus. Renate Künast ist sich trotzdem sicher: Nicht alle Bauern sind so radikal. „Viele Landwirte sind unzufrieden – mit dem Bauernverband. Es gibt welche, die treten aus. Andere driften nach Rechtsaußen ab. Der Bauernverband will Probleme der Gegenwart und Zukunft mit einer Reise in die Vergangenheit lösen. Das wird nicht funktionieren“, sagt sie gegenüber der NOZ. In der Politik sei es die Pflicht zu überlegen, wie die Landwirtschaft in zehn, fünfzehn oder dreißig Jahren aussehen soll. Darin, so vehement gegen die Ampel zu wettern, sieht Künast nur die fehlende Gesprächsbereitschaft.

Angefeuert wird die Debatte zudem von dem Thema Tierhaltung, bei der es auch hauptsächlich um die Finanzierung geht. Für die Schweinehaltung können bereits Mittel beantragt werden, wie Renate Künast ausführt: „Wer heute schon hohe Standards hat, kann für den Mehraufwand finanzielle Mittel beantragen, wer dahin will, kann das für den Bau tun.“ Für weitere Kosten hält sie die stufenweise Erhöhung der Mehrwertsteuer für eine gute Idee. Zwar müsse das noch einmal durchgerechnet werden, doch könne es eine Einnahme werden, um den Umbau der Ställe für eine bessere Tierhaltung zu finanzieren.

Zwar verlangt der Bauernverband, das Geld solle über den Haushalt und nicht über eine Erhöhung der Steuern kommen. Künast sagt aber: „Das Geld wird nicht aus dem Haushalt kommen, das ist unrealistisch. Die Sparzwänge sind zu groß derzeit, wir kriegen keine drei oder vier Milliarden Euro aus dem Haushalt.“ Zudem würden über den Haushalt alle zur Kasse gebeten werden, also auch jene, die aus verschiedenen Gründen kein Fleisch essen. „Das wäre politisch unklug.“

Mehrwertsteuer für tierische Produkte soll steigen, während die für Gemüse sinkt

Als Lösung dafür schlägt der Bundesagrarminister Cem Özdemir den „Tierwohl-Cent“ vor. Künast: „Es hat alles Vor- wie Nachteile. Nicht nur der Bauernverband sollte sich da offener zeigen, sondern auch die FDP. Es geht darum, eine Lösung in einer seit Ewigkeiten ungeklärten Frage zu finden.“ Sollte die Mehrwertsteuer bei tierischen Produkten auf den Satz von 19 Prozent steigen, so findet die Landwirtschaftspolitikerin, dann solle der Satz für „Gemüse und Co“ sinken. „Das gilt auch für Hülsenfrüchte, der Rohstoff für viele Fleischersatzprodukte. Das Angebot dafür im Supermarkt wächst. Daran sollten Landwirte in Deutschland Anteil haben. Auch hier ist wichtig, dass wir nicht vollkommen von Importen abhängig sind.“

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