„Ich hasse ihn. Ich w�nschte er w�re tot“, sagt ein Kind �ber ihren Vater. Vor einem Jahr noch waren die beiden ein Herz und eine Seele. Der Fernsehfilm „Weil du mir geh�rst“ (SWR / FFP New Media) erz�hlt davon, wie es dazu kommen konnte. Sieht man zun�chst eine Mutter, die liebevoll mit ihrer Tochter umgeht, so werden die Manipulationsstrategien bald immer offensichtlicher. Autorin Katrin B�hlig und Regisseur Alexander Diebach zeichnen diesen tragischen, gut recherchierten Entfremdungsprozess, bei dem die Frau stets die Aktive ist und der Mann in die Rolle des Reagierenden gedr�ngt wird, sehr sachlich & in angemessen zur�ckhaltender Inszenierung bis zur finalen Auseinandersetzung am Oberlandesgericht nach. Indem B�hlig auf die Chronologie der Ereignisse vertraut, entwickelt sich eine Katastrophen-Dramaturgie, die verantwortungsvoll mit dem Stoff umgeht, aber wenig �berraschungen birgt. Trotzdem w�nscht man dieser mit Julia Koschitz, Felix Klare und Lisa Marie Trense sehr stimmig besetzten Produktion m�glichst viele Zuschauer. Das Thema h�tte es verdient.
Foto: SWR / Martin Valentin MenkeAnni (Lisa Marie Trense) ger�t zwischen die Fronten ihrer getrennten Eltern, wird von ihrer Mutter (Julia Koschitz) manipuliert und so vom Vater (Felix Klare) entfremdet.
Nach ihrer Scheidung teilen sich Julia (Julia Koschitz) und Tom (Felix Klare) das Sorgerecht f�r ihre siebenj�hrige Tochter Anni (Lisa Marie Trense). Ein gutes Jahr sp�ter stehen sie erneut vor Gericht. Das Sorgerecht soll auf Antrag der Mutter neu entschieden werden. Bei der Befragung des M�dchens, das jeden Kontakt zu ihrem Vater ablehnt, bekommt der Richter Unglaubliches zu h�ren: „Ich hasse ihn. Ich w�nschte er w�re tot“, sagt Anni �ber ihren Vater. Und sie setzt noch einen drauf: „Wenn Sie jetzt bestimmen, dass ich wieder zu ihm muss, dann bring‘ ich mich um.“ Was hat zu dieser vehementen Ablehnung des Vaters gef�hrt? Vor einem Jahr noch herrschte eitel Sonnenschein, wenn Vater und Tochter jedes zweite Wochenende gemeinsam verbrachten. Die beiden waren ein Herz und eine Seele – und auch mit Toms neuer Partnerin Jenny (Merle Collet) und deren Tochter verstand sie sich prima. Anni wirkte wie ein ganz normales M�dchen ihres Alters, das gut mit der Trennung ihrer Eltern zurechtkommt.
Foto: SWR / Bernd SpaukeEs war einmal ... liebevolle Eintracht zwischen Vater (Felix Klare) & Tochter (Trense)
Der Fernsehfilm „Weil du mir geh�rst“ erz�hlt davon, wie es zu dieser Vater-Kind-Entfremdung kommen konnte. Sieht man zun�chst eine Mutter, die liebevoll mit ihrer Tochter umgeht, so sp�rt man als Zuschauer bald eine unterschwellige Beeinflussung des Kindes. „Du kennst ihn doch, Arbeit ist ihm nun mal sehr, sehr wichtig“, sagt sie, als Tom seine Tochter nicht p�nktlich zu seinem Papa-Wochenende abholt. Seine Mailbox-Nachricht unterschl�gt sie und �berredet Anni zu einem Spontan-Trip zu den Gro�eltern. Bei einer Aussprache versucht Tom es sp�ter mit Vernunft: „Ich w�rde Anni nie versetzen, das wei�t du.“ Sie setzt dem L�gen entgegen und verspricht freundlich: „Kommt nicht wieder vor.“ Von wegen. Julia zieht kurz darauf ohne Absprache um, ja sie hinterl�sst nicht einmal ihre neue Adresse bei Tom und schenkt Anni ein neues Handy. Auch der Papa habe eine neue Nummer, sagt sie – die allerdings geh�rt zu Julias Zweithandy. So verhindert die Mutter jeglichen Kontakt zwischen Vater und Tochter, Anni aber verspricht sie nach dem Umzug: „Papa siehst du genauso oft wie jetzt, ist doch klar.“ Auch ihrem Anwalt tischt sie L�gen auf und befolgt dessen radikalen Rat: „Sie m�ssen den Kontakt mit Ihrem Ex-Mann verweigern und m�glichst viel Konflikte aktiv befeuern oder passiv provozieren.“ Parallel dazu inszeniert sich Julia vor der Tochter als verst�ndnisvolle Mutter, die sich k�mmert und immer f�r sie da ist. Solange Anni noch an ihrem Vater h�ngt, macht Julia ihn vor ihr nicht offen schlecht. Sie wei�: Die Zeit arbeitet f�r sie. Schlie�lich ist sie st�ndig mit Anni zusammen – und kann sie dadurch unmerklich beeinflussen. Als nach einer Handgreiflichkeit zwischen den Eltern eine dreimonatige Kontaktsperre f�r den Vater ausgesprochen wird, ist der „Sieg“ f�r Julia zum Greifen nah.���
Foto: SWR / Bernd Spauke„Du bist das Beste, das mir je passiert ist.“ Unmerklich f�r das Kind hat Julia (Julia Koschitz) ihre negativen Gef�hle gegen�ber ihrem Ex-Mann auf Anni (Trense) �bertragen. Verunsichert klammert sich das M�dchen umso mehr an die Mutter.
Drehbuchautorin Katrin B�hlig zeichnet diesen tragischen Entfremdungsprozess bis zur finalen Auseinandersetzung am Oberlandesgericht nach. Es ist ein von Manipulation gepr�gtes Scenario, bei dem die Frau stets die Aktive ist und der Mann in die Rolle des Reagierenden gedr�ngt wird. „Man k�nnte die Geschichte genauso gut andersherum erz�hlen“, betont B�hlig. „Mir geht es ganz allein um die Sicht des Kindes auf diesen Elternkonflikt.“ Auch wenn die weibliche Hauptfigur sich hinter der Fassade einer souver�nen Frau versteckt, die mit dem Trennungskonflikt umzugehen wei�, so erweist sich ihr Kampf um das Kind doch sehr bald als eine Reaktion auf die erfahrene Kr�nkung und den tiefsitzenden Schmerz, die sie allein ihrem Ex-Mann zuschreibt. Sie versucht deshalb, ihren Hass auf ihn systematisch auf ihr Kind zu �bertragen. Sorgerechtsstreitigkeiten sind gelegentlich Fernsehfilm-Themen, wenn gesellschaftspolitische Bereiche gestreift werden („Das deutsche Kind“, „Unser Kind“). Schlammschlachten im Kampf um das Sorgerecht waren eher Motive in den eindimensionalen TV-Movies der Privatsender in den 1990er Jahren. Das mittlerweile auch in die Forschung eingegangene „elterliche Entfremdungs-Syndrom“ (Parental Alienation Syndrome = PAS) gab es als Hauptthema eines Fernsehfilms bisher noch nicht. F�r einige Kinderpsychiater ist diese vors�tzlich herbeigef�hrte Eltern-Kind-Entfremdung eine Form der Kindesmisshandlung. Vor Gericht zum Einsatz kommt das PAS allerdings nur selten, da diese Instrumentalisierung des Kindes, wie sie sich in „Weil du mir geh�rst“ dem Zuschauer offenbart, in der Realit�t oft nur schwer nachweisbar ist; entsprechend werden Studien zum Thema von anderen Forschern gern als unwissenschaftlich abgetan. „Auch Richtern, Gutachtern und Jugend�mtern f�llt es schwer, diese Entfremdung als Resultat gezielter Gehirnw�sche zu erkennen“, hei�t es in einem Presseheft-Statement der Produzenten Simone H�ller und Michael Smeaton.
Foto: SWR / Bernd SpaukeDiese Zeiten des Familiengl�cks sind l�ngst vorbei. Felix Klare, Trense & Koschitz
So emotional der Film auch ist, so sehr man als Zuschauer die perfiden Strategien der Mutter verflucht und so sehr man sich von den Ohnmachtsgef�hlen des Vaters anstecken l�sst, versuchen doch B�hlig und Regisseur Alexander Dierbach („Tannbach – Schicksal eines Dor-fes“) die PAS-Mechanismen sehr sachlich aufzuzeigen: von der Manipulation der Mutter bis hin zur psychischen St�rung der Tochter. Immer apathischer wird Anni, gegen Ende des Films schneidet sie sich dann mit einem Messer in die Innenseite ihrer Hand. So dramatisch und traumatisch die Geschichte auch verl�uft, die Inszenierung bleibt zur�ckhaltend und ist stets auf die konkrete Situation, die Interaktion und die Charaktere fokussiert. „Ich wollte dem Zuschauer einen Platz im Wohnzimmer der Figuren erm�glichen“, sagt der Regisseur. Zu diesem Konzept passt es, dass die Mutter mit Julia Koschitz besetzt wurde, einer Schauspielerin, die zwar auch das Mistst�ck geben kann, auf den ersten Blick aber eine sympathische Ausstrahlung besitzt. So richtig zur Furie wird Julia nur ein einziges Mal, zur Halbzeit; danach versucht sie, sich wie gewohnt zusammenzurei�en und ihre Schw�chen nicht zu zeigen. „F�r keinen ist sichtbar, wie ungesund und zerbrochen ihr Innenleben wirklich ist“, sagt Koschitz �ber ihre Figur, die – dem makellosen �u�eren zum Trotz – Probleme mit ihrem Selbstwertgef�hl hat. Ihre Verlassens�ngste projiziert sie auf ihre Tochter. Der doppelt Leidtragende ist der Vater. Der wei� gar nicht, wie ihm geschieht. Anfangs kann er es nicht fassen, weil er seiner Ex-Frau ein solches krankes Verhalten nicht zutraut. Felix Klare, pr�destiniert f�r M�nnertypen, denen �bel mitgespielt wird, bringt man als Zuschauer vollstes Vertrauen und jede Menge Empathie entgegen. Doch es hilft nichts. Irgendwann ist es zu sp�t. Die Entfremdungsstrategien wirken. Die Tochter misstraut ihrem Vater und klammert sich umso heftiger an ihre Mutter, die das M�dchen mit offenen Armen und tr�stenden Worten („Es tut mir leid“) aufnimmt. Und dann schreibt Anni einen ganz bitteren Abschiedsbrief, der mit den Worten endet: „Vergiss mich einfach, so wie ich dich vergessen habe.“
Foto: SWR / Bernd SpaukeTom (Felix Klare) erkennt lange nicht die seelische Situation, in der sich seine Ex-Frau Julia (Julia Koschitz) befindet, und sch�tzt deshalb ihr Verhalten falsch ein.
Dramaturgisch ist es nicht ganz einfach, eine solche Geschichte zu erz�hlen. Indem B�hlig auf die Chronologie der Ereignisse vertraut, entwickelt sich eine Katastrophen-Dramaturgie, die zwar verantwortungsvoll und sehr solide mit dem Stoff umgeht, aber wenig �berraschung birgt. Alles kommt, wie es kommen muss. Und trotz distanzierter Erz�hlweise kann einen ob dieser Indoktrinierung des Kindes als Zuschauer schon die Wut packen. Aber sind Wut und Ohnmacht produktive Gef�hle (f�r die Filmrezeption)? Sie k�nnen den Betrachter an die Geschichte binden, aber verhindern sie nicht klare Gedanken? B�hlig, die zwei Jahre an dem Drehbuch gearbeitet hat, h�tte die Geschichte gern ganz aus der Sicht des Kindes erz�hlt. „Das hat leider nicht funktioniert, weil ich so die ganzen juristischen Auseinandersetzungen der Eltern und die daran gutverdienende Scheidungsindustrie h�tte weglassen m�ssen“, so die Autorin. Das ist schade, weil sich nun die erwachsene Perspektive des Vaters (jedenfalls beim erwachsenen Zuschauer) als Leidtragender in den Vordergrund schiebt; auch wenn es durchaus Szenen gibt, in denen die Verlorenheit und die seelischen Verletzungen des Kindes zum Ausdruck kommen. Man k�nnte sich vorstellen, diese Geschichte drei Mal, nacheinander aus den drei Perspektiven erz�hlt zu bekommen. So w�rde man nicht nur mitf�hlen, sondern k�nnte vielleicht die abgrundtiefe Angst der Aggressorin, die aussichtslose, juristisch schwierige Lage des Vaters, den Konflikt, dem das Kind ausgesetzt ist, noch besser verstehen. Was bei anderen Filmen schon mal �sthetisches M�tzchen ist – hier h�tte es zu mehr Erkenntnis gef�hrt. Auch diese �berlegungen gab es in der Drehbuchphase; nur h�tte man dann wom�glich einen Zweiteiler aus dem Stoff machen m�ssen (f�r Krimi-Thriller ist das in der ARD m�glich, f�r engagierte Themenfilme leider nicht!). Netflix h�tte daraus eine Mini-Serie oder einen Dreiteiler gemacht. So bleibt es bei der Sensibilisierung f�r ein unter dem Radar laufendes gesellschaftlich relevantes Thema. Wenn „Weil du mir geh�rst“ wegen der konventionellen Dramaturgie wohl eher nicht auf Grimme-Preis-Kurs geht, so w�nscht man dem Film zumindest viele Zuschauer. Das Thema h�tte es verdient. (Text-Stand: 15.1.2020)
Foto: SWR / Bernd SpaukeF�hlt sich in die Defensive gedr�ngt und vom Gesetz und seiner Anw�ltin (Jule Gartzke) im Stich gelassen: Tom (Felix Klare) will aber um sein Kind k�mpfen.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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