Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst - Deutsche Bank Research
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    14. Juni 2017
    Entscheidungsträger, Kunden und Banker selbst wollen wissen, was eigentlich eine „große“ Bank ausmacht. Auf welchen Indikator sollten Aufseher schauen, die sich für Systemrelevanz und Risiken für die Finanzstabilität interessieren? Woran sollte sich ein Unternehmen orientieren, das eine Bank braucht, die große Finanzierungen bereitstellen und beträchtliche Risiken aus Absicherungsgeschäften übernehmen kann? Es gibt verschiedene Kennzahlen für die Größe einer Bank, die alle ihre Stärken und Schwächen haben. Regulierer und Wissenschaftler verwenden meistens die Bilanzsumme, einen auf Bilanzierungsregeln beruhenden Wert. Andere Beobachter ziehen das Kernkapital oder die Marktkapitalisierung heran, zwei auf Regulierungsvorgaben beziehungsweise Marktwerten beruhende Kriterien. Die Studie analysiert diese und andere Maße und vergleicht Banken in verschiedenen Ländern und Finanzsystemen. Am Ende empfiehlt die Studie einen Indikator, der am besten geeignet ist, die Größe einer Bank zu messen. [mehr]
    Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst EU-Monitor Globale Finanzmärkte Was macht eigentlich eine „große“ Bank aus? Diese Frage beschäftigt Entscheidungsträger und Kunden gleichermaßen. Für Aufseher und die Politik sind hauptsächlich die Systemrelevanz und Risiken für die Finanzstabilität von Belang. Viele große Unternehmen wollen ihrerseits Geschäfte mit einer großen Bank tätigen, die weltweit ein breites Spektrum an Dienstleistungen anbietet und große Finanzierungen bereitstellen sowie Risiken aus Absicherungs- geschäften übernehmen kann. Es gibt verschiedene Indikatoren für die Größe einer Bank, die alle ihre eigenen Stärken und Schwächen haben. Die Marktkapitalisierung gibt den aktuellen Wert einer Bank wieder. Sie ist nicht verzerrt durch verschiedene Bewertungsregeln, misst jedoch in erster Linie den Erfolg, nicht die reine Größe. Die Bilanzsumme ist die Kennzahl, die Aufsichtsbehörden und Wissenschaftler am häufigsten verwenden. Sie misst das Bruttonominalvolumen der Geschäfte einer Bank, leidet jedoch unter erheblichen Bewertungsproblemen – nicht nur bei Derivaten – und berücksichtigt keine Unterschiede zwischen den Geschäfts- modellen einzelner Banken und zwischen verschiedenen Finanzsystemen. Erträge sind ein gemeinsamer Nenner für das breite Spektrum von Geschäften, die Banken ausüben (können), vom klassischen Bankgeschäft und Zahlungs- verkehr bis zum Investmentbanking und der Vermögensverwaltung. Erträge beruhen auf tatsächlichen Mittelflüssen und sind deshalb in der Regel zuver- lässiger. Außerdem sind sie unabhängig von Geschäftsmodellen und Finanz- strukturen. Insgesamt sind Erträge der beste Indikator für die Größe einer Bank. Das Eigenkapital entspricht dem Buchwert einer Bank, der relativ stabil und weitgehend unempfindlich gegenüber Bewertungsproblemen oder Unter- schieden zwischen Geschäftsmodellen ist. Allerdings ist das Eigenkapital weniger aktuell und drückt das Geschäftsvolumen einer Bank nicht so gut aus wie die Erträge. Andere Kennzahlen wie risikogewichtete Aktiva, Nettogewinn oder die Anzahl der Kunden betrachten die Größe einer Bank nur unter einem Teilaspekt und sind deshalb weniger hilfreich. Autor Jan Schildbach +49 69 910-31717 jan.schildbach@db.com Editor Stefan Schneider Deutsche Bank AG Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland E-Mail: marketing.dbr@db.com Fax: +49 69 910-31877 www.dbresearch.de DB Research Management Stefan Schneider 14. Juni 2017 Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst Die besten Indikatoren für die Größe einer Bank DX Nr. 1 Erträge Nr. 2 Eigenkapital Nr. 3 (geteilter Rang) Bilanzsumme Marktkapitalisierung Weitere Indikatoren Risikoaktiva, Nettogewinn, Anzahl der Kunden, Mitarbeiter, Filialen usw. Quelle: Deutsche Bank Research Original in englischer Sprache: 25. April 2017 Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 2 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 3 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Einleitung Die Größe von Banken zu bewerten ist ein wichtiges Thema – schließlich spielen Banken in den Finanzsystemen der meisten Länder eine zentrale Rolle und werden aus verschiedenen Gründen streng reguliert und beaufsichtigt. Die Größe von Banken ist von entscheidender Bedeutung, da die Branche i) Dienstleistungen für alle anderen Sektoren erbringt, insbesondere für die Realwirtschaft, in der so manche Kunden nur mit einer großen Bank Geschäfte machen wollen, und ii) Stabilitätsrisiken ausgesetzt ist, die möglicherweise weitreichende Konsequenzen sowohl für Finanzmarktteilnehmer als auch für das wirtschaftliche Wohl des gesamten Landes haben können. Deshalb gilt den „größten“ Banken – nach welcher Definition auch immer – besondere Aufmerk- samkeit. Der Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board, FSB) berücksichtigt Größe als eines von fünf Hauptkriterien, um die Systemrelevanz globaler Banken (sogenannter G-SIBs) zu bewerten. In den USA gelten für „wesentliche“ Holding-Gesellschaften von Banken besonders strenge aufsichtsrechtliche Anforderungen. Die EZB hat „große und komplexe Bankengruppen“ im Blick, um Risiken für die Stabilität des europäischen Finanzsystems zu bewerten. 1 Und viele multinationale Unternehmen wollen sich auf Großbanken verlassen, die sie bei ihren internationalen Geschäften unterstützen können und stark genug sind, um große Kapitalerhöhungen zu zeichnen oder erhebliche Risiken aus Absicherungsgeschäften zu übernehmen. Daher ist es für Regulierer, Aufsichtsbehörden und Kunden gleichermaßen von erheblicher Bedeutung, die Größe einer Bank zu definieren und zu messen. Diese Studie befasst sich mit den Definitionen von Größe. Andere Konzepte wie „Systemrelevanz“, „Risiko- gehalt“, „Vernetzung“ oder die „Bedeutung“ einer Bank für die Finanzierung der Realwirtschaft werden nicht betrachtet. Die Größe von Banken zu messen ist eine knifflige Angelegenheit: Es gibt viele verschiedene Kennzahlen, die sich durch ganz unterschiedliche Merkmale auszeichnen. Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten und der öffentliche Sektor konzentrieren sich häufig auf die Bilanzsumme, wenn sie die Größe und Bedeutung von Banken und des Bankensystems analysieren. 2 Branchen- analysten schauen in der Regel auf die Marktkapitalisierung oder die Erträge, während ein bekanntes privates Ranking („Top 1.000 Banken“ von The Banker/Financial Times) als wichtigstes Kriterium das Eigenkapital der Banken berücksichtigt. Diese Vielfalt kann zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen führen. Um das zu veranschaulichen, vergleichen wir aggregierte Zahlen für die größten US- amerikanischen und europäischen Banken auf Grundlage ihrer Ergebnisse für das Jahr 2016. Dabei handelt es sich entweder um Flussgrößen für das Gesamtjahr – beispielsweise Umsatzstatistiken – oder Periodenendwerte wie Bilanzdaten. Angesichts unterschiedlicher Marktstrukturen, insbesondere unterschiedlich starker Marktkonzentration, stellen wir dem Gesamtwert für die sieben größten US-amerikanischen Banken die Summe der 23 führenden europäischen Banken gegenüber. 3 Das ist keine mechanische Auswahl anhand eines einzigen Indikators, denn es ist gerade das Ziel dieser Studie, zu zeigen, wie sehr die Größe einer Bank in Abhängigkeit von der gewählten Kennzahl schwankt. Wir analysieren die Bankengröße mithilfe dieser zwei Stichproben, 1 Vgl. FSB (2016) und BIZ (2013), Dodd-Frank Act (2010), Abschnitt 165, und EZB (2006). 2 Siehe z.B. IWF (2017), Kapitel 2, ESRB (2017), Federal Reserve (2016), Kapitel 4, oder Economic Report of the President (2017), Kapitel 6. 3 Die US-Banken in unserer Stichprobe sind: Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, JPMorgan, Morgan Stanley, US Bancorp und Wells Fargo. Die europäischen Banken in unserer Stichprobe sind: ABN Amro, Barclays, BBVA, BNP Paribas, Commerzbank, Crédit Agricole, Credit Suisse, Danske, Deutsche Bank, HSBC, ING, Intesa Sanpaolo, KBC, Lloyds, Monte dei Paschi di Siena, Nordea, Popular, RBS, Santander, SEB, Société Générale, UBS und Unicredit. Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 4 | 14. Juni 2017 EU-Monitor die repräsentativ sind für die europäische (beziehungsweise US-amerikanische) Bankenbranche insgesamt, sowohl mit Blick auf die einbezogenen Länder als auch auf die Geschäftsmodelle. In Europa umfasst die Stichprobe folglich Banken aus dem Euroraum, Großbritannien, Skandinavien und der Schweiz, in den USA die größten Geschäftsbanken sowie die zwei größten eigenständigen Investmentbanken. Das Ziel ist es, einen hinreichend großen Anteil des Ban- kenmarkts in allen großen europäischen Volkswirtschaften abzudecken. Wir interpretieren „Bankenmarkt“ in einem breiten, universellen Sinne, so dass der Begriff das klassische Bankgeschäft ebenso einschließt wie das Investment- banking, den Zahlungsverkehr und die Vermögensverwaltung. Die unterschiedlichen Kennzahlen für die Größe einer Bank, die hier betrachtet werden, lassen sich grob in drei Kategorien unterteilen: i) Indikatoren, die auf Marktwerten oder Mittelflüssen beruhen, wie Marktkapitalisierung, Erträge und Nettogewinn; ii) Kennzahlen, die auf Bilanzierungsregeln beruhen, wie Bilanz- summe und den Aktionären zurechenbares Eigenkapital; und iii) regulatorische Kennziffern, wie CET1-/Tier 1-Kapital und risikogewichtete Aktiva. Tab. 1 zeigt, wie stark die Größenbeurteilung von der bevorzugten Kennzahl abhängt. Im Folgenden werden wir all diese Indikatoren im Detail analysieren, Vor- und Nachteile vergleichen und schließlich bewerten, wie sehr sie sich zur Messung der Größe einer Bank eignen. Zur Veranschaulichung aller Ergebnisse dient jeweils ein europäisch-amerikanischer Vergleich. Insgesamt werden das gegenwärtige Durcheinander der verwendeten Kriterien und die große Rolle, die viele immer noch der Bilanzsumme zubilligen, der Bedeutung des Themas nicht gerecht. Das sollte sich ändern. Am Ende wird diese Studie daher einen Indikator empfehlen, mit dem am besten beurteilt werden kann, wie groß beziehungsweise klein eine Bank tatsächlich ist. 4 Marktkapitalisierung Die Marktkapitalisierung entspricht der Anzahl aller ausstehenden Aktien eines börsennotierten Unternehmens (nicht nur der Aktien im Streubesitz, d.h. der nicht von einem Großaktionär gehaltenen Anteile) multipliziert mit dem Aktienkurs. Damit ist die Marktkapitalisierung eine absolute Zahl. Diesen Wert rechnen wir gegebenenfalls in Euro um, um Banken aus verschiedenen Ländern vergleichen zu können. 4 Die Frage der Größe darf nicht mit anderen Themen wie etwa der Systemrelevanz verwechselt werden. Mit Letzterer hat sich der Baseler Ausschuss bereits eingehend beschäftigt. Vgl. BIZ (2013) und https://www.bis.org/bcbs/gsib. Welche Banken sind größer? Kommt ganz darauf an… 1 Ergebnis* Indikator US-Banken sind größer als europäische Banken Marktkapitalisierung (und Nettogewinn) Europäische Banken sind größer als US-Banken Bilanzsumme, Erträge (in gewissem Umfang) US- und europäische Banken sind nahezu gleich groß Eigenkapital, risikogewichtete Aktiva * basierend auf unserer Stichprobe von Banken Quelle: Deutsche Bank Research Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 5 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Vorteile Die Marktkapitalisierung gibt den „echten“ Wert eines Unternehmens an, wie er von unabhängigen Anlegern eingeschätzt wird – und nicht einen auf Bilanzier- ungsvorschriften beruhenden Wert, der eher historische Kosten und Bewer- tungen reflektieren dürfte als den aktuellen „tatsächlichen“ Wert. Die Markt- kapitalisierung gehört außerdem zu den Kennzahlen, die wirklich vergleichbar sind – nach dem Prinzip „Äpfel mit Äpfeln vergleichen“ –, ohne dass ver- schiedene Bewertungsverfahren, Geschäftsmodelle oder ein unterschiedlicher Risikogehalt den Vergleich verzerren. Ferner hat die Marktkapitalisierung den großen Vorteil, dass sie nicht nur monatlich oder als Quartals- oder Jahreswert zur Verfügung steht, sondern täglich. Ein dritter Vorteil ist die Tatsache, dass die Marktkapitalisierung in der Regel die zugrundeliegende wirtschaftliche Stärke und Relevanz eines Instituts wiedergibt – und dessen Bedeutung für die Kapitalmärkte und die Volkswirtschaft. Das unterscheidet die Marktkapitalisierung von anderen Indikatoren, die ein Unter- nehmen als (vermeintlichen) Riesen darstellen können, der in Wahrheit aber hohl ist und auf tönernen Füßen steht. Die Marktkapitalisierung basiert zu einem großen Teil auf der langfristigen Fähigkeit einer Bank, Gewinne zu erzielen, sowie auf der Prognose für das Unternehmenswachstum. Sie ist vermutlich auch das beste Bindeglied zwischen den wichtigsten Größenkennziffern und der Robustheit und Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells einer Bank – trotz einiger irreführender Fälle von künstlichen und temporären starken Gewinnanstiegen. Aus all diesen Gründen ist die Marktkapitalisierung üblicherweise eine der wichtigsten Kennzahlen für die Größe einer Bank, auf die Aktienanalysten schauen. Nachteile Die Marktkapitalisierung weist jedoch auch einige Schwachpunkte auf. Zum einen steht sie nur für börsennotierte Banken zur Verfügung. Für neu gegründete Institute sowie Sparkassen und Volksbanken, die in einigen europäischen Ländern eine große Rolle spielen, gibt es deshalb keine Werte. Zum anderen ist die Marktkapitalisierung einer Bank analog zum Aktienmarkt als Ganzes anfällig für Übertreibungen nach oben und nach unten. Über- schwänglicher Optimismus und Herdenverhalten (einschließlich Bank-Runs) können zeitweise zu einer Bewertung einer Bank deutlich über oder unter ihrem „angemessenen“ Wert führen. Ein weiterer Nachteil ist die der Marktkapitalisierung innewohnende Volatilität – die wahrscheinlich die höchste aller Indikatoren ist, die in dieser Studie analy- siert werden. Das ist natürlich die Kehrseite eines jederzeit verfügbaren Unternehmenswerts (nach Einschätzung des Finanzmarkts). Zwei Faktoren mildern das Problem jedoch zumindest teilweise ab: Erstens hängen Markt- bewertungen hauptsächlich von der mittelfristigen Rentabilität ab, da der Aktienmarkt dazu tendiert, über nur kurzfristig relevante Faktoren hinweg- zusehen, d.h. Einmaleffekte zu ignorieren. Zweitens sind Bankaktien stark miteinander korreliert, so dass sich die einzelnen Titel meistens in die gleiche Richtung entwickeln. Daher ist das Ranking innerhalb der Branche bemer- kenswert stabil geblieben, obwohl es im vergangenen Jahrzehnt die schwerste globale Finanzkrise seit 80 Jahren und eine weitere große Krise in Europa gab (siehe Tab. 2 für einen Vergleich der 25 größten Banken weltweit aktuell, vor fünf und vor zehn Jahren). Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 6 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Es ist auch möglich, dass eine Bank (auf nachhaltige Art und Weise) deutlich profitabler als ihre Wettbewerber ist und deswegen eine hohe Markt- kapitalisierung aufweist, obwohl die Größe und der Umfang ihres Geschäfts weiterhin relativ begrenzt ist. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine erhebliche Anzahl solcher Ausreißer das Bild dauerhaft verzerrt: Ein kleines, aber attraktives Institut würde vermutlich entweder von einer großen Bank geschluckt werden – oder, noch wahrscheinlicher, versuchen, sich eine breitere Basis aufzubauen und sein erfolgreiches Geschäftsmodell zu nutzen, um selbst zu expandieren, und damit ebenfalls zu einer großen Bank werden. Bewertung Die aggregierte Marktkapitalisierung der führenden Banken in Europa (23 Institute) und den USA (7 Institute) unterstreicht deutlich die aktuelle Stärke des US-amerikanischen Finanzsystems sowie die schwache Konstitution seines europäischen Gegenstücks. Trotz ihrer erheblich größeren Zahl als Folge einer weniger fortgeschrittenen Konsolidierung bei den führenden Instituten bewertet Die 25 größten Banken weltweit nach Marktkapitalisierung 2 Marktkapitalisierung in Mrd. EUR Ende 2006 Ende 2011 Ende 2016 1 Citigroup 207,6 ICBC 175,8 JPMorgan 292,7 2 ICBC 190,3 China Construction Bank 134,6 W ells Fargo** 262,4 3 Bank of America* 181,8 W ells Fargo** 112,0 Bank of America* 211,7 4 HSBC 160,9 HSBC 105,0 ICBC 211,6 5 JPMorgan 127,1 Agricultural Bank of China 104,5 China Construction Bank 182,6 6 Bank of China 125,5 JPMorgan 97,3 Citigroup 160,6 7 China Construction Bank 108,5 Bank of China 93,6 HSBC 152,9 8 Mitsubishi UFJ 100,7 Commonwealth Bank of Australia 61,5 Agricultural Bank of China 136,3 9 UBS 96,8 Citigroup 59,3 Bank of China 134,1 10 Royal Bank of Scotland 93,1 Royal Bank of Canada 56,6 Commonwealth Bank of Australia 97,5 11 W ells Fargo** 91,0 Toronto-Dominion 52,1 Royal Bank of Canada 95,4 12 Santander 88,4 Santander 50,3 Goldman Sachs 90,3 13 BNP Paribas 76,9 Westpac Banking 48,2 Toronto-Dominion 87,0 14 ING 74,1 Mitsubishi UFJ 46,3 Mitsubishi UFJ 82,9 15 Barclays 70,8 Australia & New Zealand Banking Group 43,4 US Bancorp 82,8 16 Unicredit 69,2 Bank of America* 43,4 BNP Paribas 75,5 17 W achovia** 68,3 Bank of Nova Scotia 41,9 Westpac Banking 75,1 18 BBVA 64,8 National Australia Bank 41,3 Morgan Stanley 75,0 19 Morgan Stanley 64,8 Sberbank 40,8 Santander 72,3 20 Goldman Sachs 64,4 Standard Chartered 40,2 Bank of Nova Scotia 63,9 21 Credit Suisse 64,3 US Bancorp 39,8 Australia & New Zealand Banking Group 61,3 22 Mizuho 64,2 BNP Paribas 36,7 China Merchants Bank 59,7 23 HBOS 63,2 UBS 35,3 Sberbank 58,1 24 Merrill Lynch* 62,2 Goldman Sachs 34,3 UBS 57,3 25 Sumitomo Mitsui 60,0 Bank of Communications 33,6 National Australia Bank 56,2 2.438,9 1.627,8 2.935,3 Banken, die nur einmal unter den Top 25 waren (2006, 2011 oder 2016). * Die Bank of America übernahm Merrill Lynch während der Finanzkrise 2008. ** Wells Fargo übernahm Wachovia während der Finanzkrise 2008. Quellen: Thomson Reuters, Deutsche Bank Research Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 7 | 14. Juni 2017 EU-Monitor der Markt die wichtigsten europäischen Banken zusammengenommen deutlich niedriger als ihre Wettbewerber in den USA (23% zum Jahresende 2016, vgl. Abb. 3). Zu einem großen Teil spiegelt dies das unterschiedliche Abschneiden der Banken auf beiden Seiten des Atlantiks seit der Finanzkrise wider, das sowohl auf interne als auch auf externe Faktoren zurückzuführen ist. 5 Unter dem Strich sind die US-Banken heute stärker und profitabler denn je (zumindest in einer absoluten, nominalen Betrachtung), während die europäischen Banken immer noch beträchtlich mit den Folgen der Finanz- und Schuldenkrise zu kämpfen haben und in einigen Fällen noch nach einer neuen Geschäftsstrategie suchen, so dass die notwendigen Anpassungen noch nicht abgeschlossen sind. Insgesamt dürfte die Marktkapitalisierung deshalb zwar eine relevante, nützliche Kennzahl für die Größe einer Bank sein. Sie ist aber wahrscheinlich nicht die allerbeste Wahl, da sie nicht nur die Größe, sondern auch den Erfolg einer Bank abbildet. Bilanzsumme Die Bilanzsumme ist ein Wert aus dem Konzernabschluss, den eine Bank regelmäßig veröffentlichen muss und der von einem Wirtschaftsprüfer offiziell testiert wird. Vorteile Die Bilanzsumme ist ein Indikator, der für praktisch alle Banken problemlos zur Verfügung steht – entweder in den Jahresabschlüssen einzelner Unternehmen oder in privaten Datenbanken. Im Gegensatz zur Marktkapitalisierung ver- öffentlichen auch nicht börsennotierte Banken in der Regel ihre Bilanzsumme. Zweitens scheint die Bilanzsumme vergleichbar zu sein und auf einer klaren Definition zu basieren: Sie entspricht dem aggregierten Volumen der Geschäfte einer Bank. Die Bilanzsumme gibt das Bruttovolumen aller Forderungen an, von Krediten bis zu Wertpapierbeständen und Derivaten, ohne sie nach ihrem Risiko zu gewichten. Darüber hinaus ist die Bilanzsumme weniger anfällig für Änderungen der inter- nen Modelle (oder des Standardansatzes), die zur Berechnung der risiko- gewichteten Aktiva verwendet werden, da Bilanzierungsmethoden (zumindest für die meisten traditionellen Vermögenswerte) eng mit beobachtbaren Preisen und Volumina verknüpft sind. In den meisten Fällen wird zum Beispiel ein herkömmlicher Kredit an den Privatsektor in der Bilanz mehr oder weniger zum Nennwert erfasst. Die Berechnung des mit diesem Kredit verbundenen Risikos ist hingegen in erheblichem Umfang von Annahmen und dem Modelldesign abhängig. Selbst bei Derivaten ist zwar der Nominalbetrag oft klar, aber es ist deutlich schwieriger, ihren Beitrag zu den risikogewichteten Aktiva zu quantifizieren. Bis heute erfreut sich die Bilanzsumme als Indikator großer Beliebtheit bei Notenbanken und Finanzaufsichtsbehörden. Nachteile Jedoch wirft die Bilanzsumme alle Arten von Forderungen und Geschäften in einen Topf und macht keinerlei Unterschied zwischen besonders riskanten Positionen wie strukturierten Kreditprodukten oder Hochzinsanleihen einerseits und Positionen mit geringem Risiko wie privaten Hypotheken mit niedrigem Beleihungswert, Staatsanleihen oder besicherten Unternehmenskrediten andererseits. In gewisser Hinsicht kann die Bilanzsumme in die Irre führen, weil 5 Vgl. zum Beispiel Schildbach und Wenzel (2013) und Schildbach (2016). 0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 US-7 EU-23 Marktkapitalisierung 3 Mrd. EUR, 2016 Quellen: Thomson Reuters, Deutsche Bank Research Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 8 | 14. Juni 2017 EU-Monitor sie eine nominale Gleichwertigkeit, einen „gemeinsamen Nenner“ für alle Arten von Positionen suggeriert – tatsächlich werden jedoch Äpfel mit Birnen ver- glichen. Das gilt insbesondere bei sehr unterschiedlichen Geschäftsmodellen von einzelnen Banken oder ganzen Finanzsystemen. Den „echten Wert“ von finanziellen Vermögenswerten zu beziffern, ist natur- gemäß schwierig: Für manche Vermögenswerte wie Aktien und Schuldver- schreibungen stehen in der Regel Marktpreise zur Verfügung. Das gilt jedoch nicht für den Großteil der Aktiva der meisten Banken, d.h. für Kreditforderungen (oder Derivate). Diese müssen überwiegend anhand historischer Kosten und/oder interner Bewertungsmodelle beurteilt werden. Ein Kredit kann tatsächlich den vollen Nominalbetrag wert sein, der ursprünglich in der Bilanz ausgewiesen wurde. Es ist aber auch möglich, dass ein Teil des Kredits nicht rechtzeitig zurückgezahlt werden wird. Für eine Bank ist es von entscheidender Bedeutung, diese Wahrscheinlichkeiten zu beziffern, genauso wie die Verluste bei einem Ausfall und den Anteil, den sie voraussichtlich auch unter Verwertung von Sicherheiten zurückbekommen kann. Dementsprechend muss die Bank angemessene Rückstellungen bilden. Angesichts der Natur ihres Geschäfts und der unvermeidlichen Schwierigkeiten, dessen Entwicklung vorherzusagen, ist es allerdings für Banken nicht einfach, künftige Verluste – aus Krediten ebenso wie aus anderen Forderungen – genau zu prognostizieren. 6 Diese beträchtliche Unsicherheit ist am größten für sogenannte Level-3-Vermögenswerte, für die es keine Marktpreise gibt und bei denen „wesentliche nicht beobachtbare Para- meter“ (d.h. Annahmen) eingesetzt werden müssen, um einen geschätzten „beizulegenden Zeitwert“ zu bestimmen. 7 Bei komplexen großen Banken können sich die Level-3-Vermögenswerte auf einen erheblichen Betrag belaufen. Bilanzzahlen stellen also in der Regel die bestmögliche Schätzung des Forderungsvolumens dar, können aber nicht als genaue und absolut zuverlässige Angabe des tatsächlichen künftigen Werts einer bestimmten Position gesehen werden. Mess- und Modellfehler sind vorprogrammiert, da die Bewertungen teilweise auf subjektiven Einschätzungen beruhen und teilweise auf theoretischen Annahmen. Letzten Endes sind Finanzmärkte keine Naturwissenschaft. Darüber hinaus ist für Finanzinstrumente, bei denen es verschiedene anerkannte Bewertungsvarianten gibt, nicht klar ersichtlich, welche Zahl nun genau für Rechnungslegungszwecke verwendet werden sollte. Ein Beispiel für diese Problematik sind Derivate, einer der wichtigsten Bestandteile der Bilanzsumme, und konkret Kreditausfallversicherungen, Credit Default Swaps. 8 Deren Marktgröße kann auf mindestens vier verschiedene Arten gemessen werden: i. Brutto-Nominalbetrag ii. Netto-Nominalbetrag iii. Brutto-Marktwert iv. Netto-Marktwert. 9 6 Analog dazu wird über verschiedene Bewertungsanpassungen (Credit, Debt und Funding Valuation Adjustments, CVA/DVA/FVA) diskutiert, ebenso wie über die Behandlung von Marktwertverlusten bei eigenen Verbindlichkeiten aufgrund eines niedrigeren Ratings des Emittenten als Gewinn für diesen Emittenten, was die Profitabilität in schlechten Zeiten oft erheblich erhöht. Das ist ein weiteres bezeichnendes Beispiel dafür, wie schwerwiegend die Bewertungsprobleme sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite geworden sind (gleichermaßen unter IFRS und US-GAAP). 7 Vgl. zum Beispiel FASB (2006). 8 Wir verwenden CDS, weil die verfügbaren Daten in diesem Fall einen umfassenden Vergleich ermöglichen. 9 Für eine Gegenüberstellung der verschiedenen Maße siehe Weistroffer (2010). Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 9 | 14. Juni 2017 EU-Monitor 0 2 4 6 8 10 12 14 16 US GAAP IFRS Bilanzsumme der US-G-SIBs* 5 Bill. USD, Q2 2016 Quellen: FDIC, Deutsche Bank Research * ohne BNY Mellon, State Street 6,6 6,8 7,0 7,2 7,4 7,6 7,8 8,0 8,2 8,4 8,6 8,8 Dez 09 Jun 10 Dez 10 Jun 11 Dez 11 Bilanzsumme der deutschen Banken 6 Bill. EUR Quellen: Bundesbank, Deutsche Bank Research Handelsbuch- Derivate Mit USD 12 Bill. lag der ausstehende Brutto-Nominalbetrag des globalen CDS- Markts im Sommer letzten Jahres (neueste verfügbare Daten) 80% unter dem Höchststand aus dem Jahr 2007. Dennoch war er mehr als 100 Mal so hoch wie die kleinste Kennziffer des Marktvolumens, der Netto-Marktwert, der sich auf USD 97 Mrd. belief. 10 Bei einzelnen (Investment-)Banken kann das Verhältnis zwischen diesen beiden Kennzahlen für den gesamten Derivatebestand sogar bei über 1.000 liegen: ein Brutto-Nominalbetrag von zig Billionen Euro auf der einen Seite und ein Netto-Marktwert von nur einigen Milliarden auf der anderen. Erstere Zahl würde jede Bilanz völlig dominieren, während letztere bei einer Großbank fast schon unwesentlich wäre. Nach aktuellen Rechnungslegungs- vorschriften wird keiner der (extremen) Werte verwendet, sondern ein Zwischending. Alle der genannten Größen-Indikatoren haben ihre Berechtigung und können unter bestimmten Umständen am sinnvollsten sein. Für die Bilanzsumme kann jedoch nur eine Angabe verwendet werden. Welche, dürfte immer umstritten bleiben – und jede Entscheidung wird anfällig sein für Kritik, dass sie Geschäftsvolumina und Risiken entweder unter- oder überbewertet. Derivate sind noch unter einem anderen Aspekt problematisch für die Bilanz- summe: Die Vorgaben für ihre Berechnung variieren beträchtlich zwischen verschiedenen Ländern. Das bedeutet, dass sich auch die Anreize der Banken zur Steuerung ihres Geschäfts deutlich unterscheiden. EU-Banken beispiels- weise bilanzieren nach IFRS, die kaum Möglichkeiten des Nettings/Saldierens von Derivaten bieten, während ihre US-Konkurrenten das gemäß US-GAAP tun können. Zudem ist die Bedeutung, die Regulierer und Investoren nominalen Kapitalquoten beimessen (zum Beispiel einem einfachen Vergleich von Eigenkapital und Bilanzsumme), in den letzten Jahren teilweise gestiegen, zu Lasten risikogewichteter Kapitalquoten. Vor diesem Hintergrund haben europäische Banken heute ein viel stärkeres Interesse daran, ihre Derivate- Positionen zu verringern, weil sie nicht den Eindruck erwecken wollen, schwächer kapitalisiert zu sein als ihre Konkurrenz aus den USA. Noch wichtiger ist: Aufgrund unterschiedlicher nationaler Bilanzierungsstandards ist ein nominaler Vergleich von Bilanzsummen praktisch unsinnig, solange die Zahlen nicht umfangreich angepasst werden. Abb. 5 zeigt, wie groß die Auswirkungen unterschiedlicher Rechnungslegungsvorschriften sind. Für die sechs global systemrelevanten US-Banken 11 wäre die geschätzte Bilanzsumme nach IFRS fast 50% höher als der offizielle Wert gemäß US-GAAP. Bei einzelnen Instituten, insbesondere den stärker kapitalmarktorientierten, würde ein Wechsel zu IFRS die Bilanzsumme sogar mehr als verdoppeln. 12 Der Bilanzsumme mangelt es außerdem an Stabilität im Zeitablauf. Aufsichtsbehörden entscheiden häufig, dass bestimmte Finanzinstrumente in den Jahresabschlüssen, insbesondere in der Bilanz, ab einem bestimmten Zeitpunkt anders erfasst werden müssen; ältere Daten werden aber nicht entsprechend angepasst. Ein Beispiel war ein massiver Sprung bei der ausgewiesenen Bilanzsumme in Deutschland Ende 2010: Mit der Einbeziehung von Derivaten des Handelsbuchs erhöhte sich die Bilanzsumme auf einen Schlag um gewaltige EUR 983 Mrd. beziehungsweise 13% (vgl. Abb. 6). Das verschleiert auch das Ausmaß des bemerkenswerten längerfristigen Schrumpfens im deutschen Bankenmarkt seit der Finanzkrise. Auf vergleichbarer Basis, ohne die Regeländerung, sank die Bilanzsumme von 311% des BIP im Jahr 2008 auf 229% im Jahr 2016 (laut der offiziellen 10 Vgl. Abb. 4. 11 Ohne Bank of New York Mellon und State Street, die in erster Linie Vermögensverwalter und Depotbanken und weniger Geschäfts- oder Investmentbanken sind. 12 Auf europäischer Seite wies eine Reihe von Großbanken in ihren Jahresabschlüssen 2006 die Bilanzsumme sowohl gemäß IFRS als auch nach US-GAAP aus, so dass ein direkter Vergleich der erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Standards möglich war. Fast alle Banken berichteten unter IFRS höhere Bilanzzahlen. 11.943 1.516 342 97 0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 B r u t t o - N o m i n a l b e t r a g N e t t o - N o m i n a l b e t r a g B r u t t o - M a r k t w e r t N e t t o - M a r k t w e r t Mrd. USD, OTC, weltweit, Juni 2016 Quellen: BIZ, ISDA CDS-Markt - wie groß ist er wirklich? 4 Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 10 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Bankenstatistik aber nur auf 250%). 13 Etwas ähnliches, wenn auch in gerin- gerem Ausmaß, passierte im Sommer 2010 in Italien: Einige zuvor außer- bilanzielle Verbriefungspositionen mussten nun in der Bilanz ausgewiesen werden und die Bilanzsumme stieg plötzlich um EUR 146 Mrd. beziehungs- weise 4% an, ohne dass sich irgendetwas an den ökonomischen Funda- mentaldaten geändert hätte. 14 Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Bilanzsumme ergibt sich ganz generell aus der Behandlung von außerbilanziellen Positionen einschließlich Eventualverbindlichkeiten. Diese hatten vor der Finanzkrise eine größere Bedeutung, können aber auch heute noch bei Großbanken sehr umfangreich sein. Es ist keine einfache Fragestellung, ob und in welcher Form Zusagen wie Liquiditätsfazilitäten, Garantien wie Akkreditive oder akzeptierte Wechsel im Konzernabschluss ausgewiesen werden. Sie werden in der Regel nicht direkt in der Bilanz ausgewiesen, sondern getrennt berichtet, obwohl sie sich erheblich auf das Geschäft einer Bank auswirken und schnell zu echten Aktiva werden können. 15 Bei einer Analyse von verschiedenen Finanzsystemen weltweit anhand der Bilanzsumme des Bankensektors ergibt sich ein weiteres Problem: In den meisten Ländern Kontinentaleuropas und in Japan beispielsweise stammt der Großteil der Kredite, die an die Realwirtschaft vergeben werden, von Banken. Die Kapitalmarktfinanzierung spielt für Unternehmen oder private Haushalte eine deutlich geringere Rolle. Im Gegensatz dazu stellen die Kapitalmärkte in angelsächsischen Ländern üblicherweise den Großteil der Mittel zur Verfügung, die von Unternehmen benötigt werden, sowie indirekt über den Verbriefungs- markt auch die meisten Gelder für Immobilieninvestitionen der Privathaushalte. Das erklärt, warum auf den ersten Blick, d.h. gemessen an der nominalen Bilanzsumme, die Bankensektoren in Europa so viel größer erscheinen als in vielen anderen Regionen der Welt, obwohl das Verschuldungsniveau insgesamt in den nicht-finanziellen Sektoren häufig ähnlich hoch ist. Dabei sind die Banken selbst bei Verbindlichkeiten, bei denen die Gläubiger keine Banken sind, meistens in entscheidender Weise beteiligt. Nehmen wir zunächst die Verbriefung. Hierbei vergeben Banken oft Kredite, die sie dann neu bündeln und an institutionelle Investoren verkaufen, so dass sie aus ihren Bilanzen verschwinden. 16 Wenn man solche Transaktionen bei der Bewertung der Größe von Banken ignoriert und den Blick nur auf das geringere Volumen der Vermögenswerte verengt, das die Banken ausweisen, führt das eindeutig in die Irre. Zweitens, der Anleihemarkt. Lassen wir einmal Hypotheken und Unternehmens- kredite, die von Banken vergeben und dann an den Markt weitergereicht wurden, beiseite. Wie steht es um das Argument, dass zumindest „einfache“ (Unternehmens-)Anleihen nicht von Banken ausgegeben werden und deshalb bei der Bewertung der Größe des Bankensystems außer Acht gelassen werden können? 17 Wenn man sich allerdings nur darauf beruft, dass die Mittel in diesem 13 Zu beachten ist, dass sich diese bloße Änderung in der Bilanzierung (bestehender) Vermögenswerte von einer Umklassifizierung ganzer Finanzinstitute unterscheidet, wie beispielsweise der 419 Genossenschaftsbanken in Irland oder der staatseigenen italienischen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti, die seit 2008 beziehungsweise 2007 als Banken behandelt werden. Umklassifizierungen dieser Art wirken sich auf alle Finanzkennzahlen der Branche aus, auf Bestands- wie Flussgrößen, d.h. sie führen zu sprunghaften Veränderungen bei der Bilanzsumme ebenso wie bei den Erträgen. 14 Vgl. Banca d’Italia (2010). 15 Außerbilanzielle Positionen werden jedoch im Rahmen der RWA-Ermittlung und der Leverage- Ratio in Forderungen umgerechnet. Vgl. zum Beispiel BIZ (2014). Auch die Einnahmen, die eine Bank mit diesen Geschäften erzielt, werden als Erträge ausgewiesen. 16 Das gilt für klassische True-Sale-Verbriefungen. Zu synthetischen Verbriefungen siehe Kaya (2017). 17 Ähnlich ist es mit Aktienemissionen, auch wenn es sich hierbei in der Regel um geringere Finanzierungsvolumina handelt. Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 11 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Fall tatsächlich größtenteils von Kapitalmarktanlegern stammen, würde dies die Rolle der Banken erneut kleiner machen als sie ist: In der Regel sind es (Investment-)Banken, die den gesamten Prozess organisieren, von der Auswahl des richtigen Instruments, über die Abstimmung mit den Anforderungen der Investoren bis hin zur Garantie, dass es beim Handel im Sekundärmarkt aus- reichend Liquidität geben wird, damit diese wichtige Finanzierungsmöglichkeit überhaupt funktionieren kann. Fazit: Verschiedene Finanzierungsmuster und ein zu enger Fokus auf die Frage, wer in eher kapitalmarktorientierten Volkswirt- schaften einen Großteil der Unternehmens- und Immobilienfinanzierung bereitstellt, verschleiern tendenziell die Bedeutung und die Größe von Banken – zumindest, wenn man nur auf die Bilanzsumme als wichtigsten Indikator abstellt. Darüber hinaus führen i) starke Verbriefungsaktivitäten und ii) eine gewichtige Rolle des Anleihemarkts nicht nur dazu, dass die Bedeutung des Bankensektors für die Realwirtschaft unterschätzt wird, wenn man die Bilanzsumme zum Maß- stab nimmt. Die ausgewiesenen Vermögenswerte würden auch den wahren Umfang des Geschäfts einer einzelnen Bank unterschätzen, wenn diese in größerem Umfang am Kapitalmarkt aktiv ist. Warum? i) Banken, die viel verbriefen, bleiben oft Teil des Kreditprozesses, indem sie beim „Servicing“ die Verwaltung des Kredits übernehmen samt der Verarbeitung von Zins- und Tilgungszahlungen und dafür eine Gebühr erheben – auf Aktiva, die nicht in ihrer Bilanz stehen. ii) Und auch ein großer Teil des Kapitalmarktgeschäfts der Banken zur Finanzierung von Unternehmen taucht in der Bilanz nicht auf: Für die Platzierung von Anleihe- oder Aktienemissionen (Origination/Underwriting) und die Beratung bei Fusionen und Übernahmen (M&A) braucht es im Kern keine großen Wertpapierbestände (das ändert sich teilweise auf einer späteren Stufe der Wertschöpfungskette, dem täglichen Wertpapierhandel). In beiden Fällen können Banken einen großen Teil ihrer Erträge in Geschäften mit Kapitalmarktbezug erzielen, ohne auf eine hohe Bilanzsumme angewiesen zu sein. Dieses Argument gilt umso mehr für Banken, die außerdem stark in der Vermögensverwaltung aktiv sind. Besonders in Europa sind viele große Banken diversifizierte Universalbanken. Die Vermögensverwaltung spielt für manche dieser Banken eine wichtige Rolle und generiert kontinuierlich Gebühren und Provisionseinnahmen, auch wenn es sich dabei nicht um ein bilanzintensives Geschäft handelt. 18 Bewertung Die Bilanzsumme ist unter dem Strich der Maßstab für Größe, auf den viele Vertreter des öffentlichen Sektors am meisten schauen. Jedoch sollte angesichts der oben dargestellten Probleme klar sein, dass die Bilanzsumme als wichtigster einzelner Indikator für die Größe einer Bank vollkommen ungeeignet ist. Die Bilanzsumme kann als Maß für das gesamte, ungewichtete Geschäftsvolumen nützlich sein, muss jedoch zweifelsohne um solche Kennzahlen ergänzt oder, noch besser, durch sie ersetzt werden, die dem Geschäftsmodell eines Instituts, dem Risikograd der Geschäfte und der wirtschaftlichen Bedeutung insgesamt besser Rechnung tragen. Vor allem hängt die berichtete Bilanzsumme stark ab von den verschiedenen Geschäfts- modellen einzelner Banken und strukturellen Unterschieden in der Art, wie sich Volkswirtschaften auf beiden Seiten des Atlantiks finanzieren. Es wäre deshalb nicht sinnvoll, die Größe von Banken mit unterschiedlichen Profilen anhand dieses Indikators zu messen. Die oben erwähnten Stichproben von US- und europäischen Banken unterstreichen diese problematischen Aspekte. Die 18 Vermögenswerte wie die von Investmentfonds, die eine Bank nur im Auftrag ihrer Kunden verwaltet, stehen selbstverständlich nicht in der eigenen Bilanz der Bank. Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 12 | 14. Juni 2017 EU-Monitor aggregierte Bilanzsumme der führenden europäischen Institute ist mit EUR 21 Bill. mehr als doppelt so hoch wie die Bilanzsumme der größten US-Banken (vgl. Abb. 7), jeweils gemessen nach den geltenden Bilanzierungsregeln. Verglichen mit den Daten zur Marktkapitalisierung ergibt sich damit das umgekehrte Bild. Gleichzeitig verkleinert sich bei einer Betrachtung der beiden Finanzsysteme insgesamt der gewaltige Größenabstand um mehr als zwei Drittel, wenn i. die unterschiedliche bilanzielle Behandlung von Derivaten berücksichtigt wird ii. Verbriefungsmärkte einbezogen werden iii. der Markt für Unternehmensanleihen einbezogen wird. Wird zuletzt auch noch die unterschiedliche Stärke der Aktienmärkte berück- sichtigt, sieht das europäische Finanzsystem gar nicht mehr „überdimensioniert“ aus (vgl. Abb. 8). Erträge Der Begriff „Erträge“ bezeichnet die Summe aus: i. Zinsüberschuss ii. Provisionsüberschuss iii. Handelsergebnis und iv. sonstigen Erträgen. Die Erträge errechnen sich aus den Bruttoerträgen abzüglich Zinsaufwen- dungen (um Verzerrungen durch ein hohes oder niedriges Zinsniveau und damit einhergehende Effekte zu minimieren). Die Erträge sind in gewisser Weise mit dem „Umsatz“ oder Absatzvolumen eines Nicht-Finanzunternehmens vergleich- bar, unterscheiden sich jedoch in einem wichtigen Punkt von diesem: Während der Kaufpreis beispielsweise eines neu verkauften Fahrzeugs im Umsatz des Herstellers enthalten ist, werden bei einer Bank nur die Zinszahlungen und die bei der Gewährung beispielsweise einer Hypothek anfallenden Gebühren in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ausgewiesen. Der gesamte Nominalbetrag der Hypothek erscheint nur in der Bilanz (oder verschwindet, wenn die Hypothek zurückbezahlt wurde), nicht aber unter den Erträgen oder Aufwendungen der Bank. 19 Da ihr Kernprodukt gewissermaßen „Geld“ ist, gibt es in der Banken- branche keinen klassischen Umsatzwert. Der Umsatz bildet in allen anderen Branchen ab, wie viel die Menschen insgesamt bereit sind, für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu zahlen. In der Bankenbranche geben die Erträge an, wie viel die Kunden bereit sind, für die Bereitstellung einer bestimmten Dienst- leistung zu zahlen. Im Beispiel einer Hypothek über EUR 200.000 würde der Bruttobetrag nur in der Bilanz unter den ausstehenden Krediten ausgewiesen. Im ersten Jahr des Kredits, bei einer hypothetischen Verzinsung mit 3% und einer Abschlussgebühr von 1% für die tatsächliche Bereitstellung des Kredits, würden in der GuV der Bank EUR 6.000 unter Zinseinnahmen und EUR 2.000 unter Gebühren und Provisionen ausgewiesen, woraus sich (Brutto-)Erträge von insgesamt EUR 8.000 ergäben. Im nächsten Jahr würden nur die Zins- zahlungen weiter in der GuV auftauchen; Tilgungen würden direkt den Kreditbetrag reduzieren. In dieser Hinsicht handeln Banken mit viel größeren Summen als typische Industrieunternehmen oder andere Dienstleister. Verglichen mit dem Bilanz- volumen von Großbanken sehen die Bilanzen beispielsweise großer Öl- oder 19 Außer es stellt sich heraus, dass der Kredit nicht vollständig zurückgezahlt werden wird. Dann müsste die Bank in ihrer GuV die Kreditrisikovorsorge erhöhen. 0 5 10 15 20 25 US-7 EU-23 Bilanzsumme 7 Bill. EUR, 2016 Quellen: Unternehmensberichte, Deutsche Bank Research 0 10 20 30 40 50 60 70 USA Europa* Bankaktiva IFRS-Zuschlag Verbriefung Unternehmensanleihen Aktienmarktkapitalisierung Größe des Finanzsystems (Bereiche, die die Realwirtschaft finanzieren; ohne Commercial Paper) 8 * EU für Bankaktiva und Unternehmensanleihen Bill. EUR, 2016 Quellen: EZB, FDIC, SIFMA, Eurostat, World Exchanges, Deutsche Bank Research Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 13 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Technologieunternehmen ziemlich klein aus. Die Umsätze solcher Unternehmen können jedoch durchaus den Erträgen großer Banken vergleichbar sein. Vorteile Welche Vorteile hat es also, zur Analyse der Größe einer Bank die Erträge heranzuziehen? i. Die Erträge sind relativ stabil und weniger volatil als marktbasierte Kennzahlen wie die Marktkapitalisierung. Während letztere insbe- sondere in Krisenzeiten wie in der jüngeren Vergangenheit stark schwanken können, spiegeln die Erträge sehr viel besser die wichtigsten operativen Trends wieder, die üblicherweise gleichmäßiger verlaufen als die zum Teil hektischen Aktienmärkte. ii. Damit verbunden ist auch ein weiterer zentraler Vorteil der Erträge: Sie basieren auf den tatsächlichen aktuellen Entwicklungen und damit auf Forderungen, die bereits realisiert und in echtes Geld umgewandelt wurden. Das unterscheidet sie von Indikatoren wie der Marktkapitali- sierung, die sich vor allem an der erwarteten künftigen Entwicklung orientieren. iii. Erträge sind außerdem eine „echte“, verlässliche und einfach zu beobachtende Zahl, die auf Zahlungsströmen basiert – im Gegensatz zu den meisten bilanziellen und regulatorischen Größen, die oft auf komplexen Bewertungsmodellen beruhen und abhängig von deren konkreter Ausgestaltung und von Annahmen sind. Bei diesen können die geschätzten Ergebnisse naturgemäß nicht durch einen Abgleich mit der beobachtbaren Wirklichkeit validiert werden. Das leuchtet ein, wenn man an die massiven Fehleinschätzungen und -berechnungen von Risi- ken und Forderungen in den Finanz- und Schuldenkrisen der letzten Jahre zurückdenkt. Etwas überspitzt gesagt: Erträge in Höhe von EUR 1 sind eine Tatsache; Derivate im Wert von EUR 1 eine Glaubens- sache. iv. Darüber hinaus sind Erträge ein allumfassendes Maß für sämtliche Geschäfte einer Bank. Das ist eine erhebliche Verbesserung insbe- sondere im Vergleich mit der Bilanzsumme, deren Aussagekraft wie oben dargestellt nicht zuletzt durch Verbriefungen und die Kapital- marktaktivitäten einer Bank beeinträchtigt wird. In beiden Fällen spielen Banken trotz des Fehlens großer Aktiva eine zentrale Rolle als Kredit- geber, „Servicer“ und Intermediär und können so beträchtliche Gebüh- ren und Provisionen erzielen. Sich auf die Bilanzsumme zu konzen- trieren, würde daher die Größe von Banken unterschätzen; die Erträge hingegen sind ein deutlich besserer Indikator für die tatsächliche Bedeutung von Banken. 20 v. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Vorteil zu nennen – vielleicht einer der größten überhaupt, den Erträge bieten: Sie bringen die sehr unterschiedlichen Geschäfte von Banken auf einen gemeinsamen Nenner. Wie oben dargestellt, verfolgt auch die Bilanzsumme dieses Ziel – muss dabei jedoch scheitern, weil sie klassische Kredite und Einlagen, Wertpapiere, Derivate, Risikovorsorge usw. alle gleich behan- delt, ebenso wie Positionen mit beobachtbaren Marktpreisen und Positionen ohne solche, für deren Bewertung sich die Bank auf Modellberechnungen verlassen muss. Erträge berücksichtigen nur die Mittel, die an die Bank zurückfließen – unabhängig von der Art der 20 Auch das Gegenteil ist mit der Bilanzsumme möglich. Im Derivategeschäft kommt es häufig vor, dass aufgrund von Rechnungslegungsvorschriften sehr große Volumina im Konzernabschluss ausgewiesen werden müssen, auch wenn bei den meisten dieser Positionen die ökonomische Wirkung viel geringer ist als beispielsweise bei einem herkömmlichen Kredit gleicher Höhe. Ein großer Derivatebestand in der Bilanz wird deshalb tendenziell die Bedeutung der jeweiligen Bank im Finanzsystem und für die Gesamtwirtschaft überbewerten. Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 14 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Transaktion oder Forderung des zugrundeliegenden Geschäfts. Damit „normalisieren“ Erträge sowohl zins- als auch provisionsbringende Geschäfte, d.h. machen sie vergleichbar. Gleichzeitig sind Erträge auch besser geeignet als die Marktkapitalisierung – bei der es sich tatsächlich um einen gemeinsamen Nenner handelt –, weil sie den Umfang des Geschäfts einer Bank reflektieren, statt in erster Linie die Fähigkeit der Bank zu messen, Gewinne zu erwirtschaften. vi. Alle drei bisher betrachteten Indikatoren – Marktkapitalisierung, Bilanzsumme und Erträge – verfolgen das Ziel, den Wert des Geschäfts einer Bank zu quantifizieren. Im Gegensatz dazu beziehen sich einige der weiter unten betrachteten Kennzahlen nicht auf einen Wert in Euro, sondern auf ein bestimmtes Volumen. Natürlich ist eine Wertangabe dem Vergleich etwa der Anzahl von Kunden oder der Anzahl der Beschäftigten vorzuziehen. Nachteile i. Nicht-Bankaktivitäten können die Erträge aufblähen. Eine Bank, die große Beteiligungen an Finanzunternehmen hält, die keine Bank sind (z.B. eine Versicherung), oder sogar an klassischen Industrieunter- nehmen, könnte höhere Erträge erzielen, ohne dass sich das spürbar auf die Bilanzsumme oder ähnliche Parameter auswirken würde. Da allerdings Mischkonzerne außer Mode geraten sind – insbesondere solche, die Industriefirmen besitzen, von Allfinanz-Modellen ganz zu schweigen –, konzentrieren sich Kreditinstitute heutzutage (zumindest in den Industrieländern) deutlich stärker auf ihr Kerngeschäft als Bank. ii. Im Extremfall könnten Erträge zu einem Maß für das Risiko statt die Größe einer Bank werden. Würde eine Bank nur relativ riskante, aber lukrative, ertragreiche Geschäfte machen, könnte ihre Bedeutung für das Finanzsystem und die Gesamtwirtschaft begrenzt bleiben, trotz Erträgen in beträchtlicher Höhe. Im Gegensatz dazu könnte eine Bank, die sich ausschließlich auf Geschäftsbereiche mit geringem Risiko und niedriger Marge beschränkt, einen hohen Marktanteil in relativ sicheren Marktsegmenten wie der Hypothekenvergabe (besichert durch die Immobilien) oder Staatsfinanzierung haben. Eine solche Bank könnte möglicherweise trotz hoher Bilanzsumme mit diesen Vermögenswerten nur moderate Erträge erzielen. Spezialbanken mit einer besonders riskanten Geschäftsstrategie würden dann überbewertet, während Institute mit einem niedrigen Risikoprofil möglicherweise für weniger wichtig gehalten würden, als es angesichts ihrer Stellung im Banken- markt insgesamt gerechtfertigt wäre. Unter solchen Umständen müsste auch die Bilanzsumme als Indikator für die Größe einer Bank hinzu- gezogen werden. Allerdings sind Spezialbanken im engen Sinne nur eine kleine Minderheit – insbesondere unter den Großbanken. 21 Dazu kommt, dass sich viele von ihnen während der letzten Krisen nicht gut geschlagen haben – man denke zum Beispiel an die Hypo Real Estate oder Dexia – und jetzt abgewickelt werden oder von Wettbewerbern übernommen wurden. Die meisten Banken in Europa, und auch in den USA, sind in der Regel entweder: 21 Basierend auf einer zugegebenermaßen groben Einordnung sind nur vier der in der Stichprobe für diese Studie berücksichtigten 23 führenden europäischen Banken „Spezialbanken“ in dem Sinne, dass das Investmentbanking oder die Vermögensverwaltung einen dominierenden Anteil am Geschäft der Bank insgesamt haben. Und selbst diese Banken agieren zumindest in ihrem Heimatmarkt als breit aufgestellte Universalbank. Dem stehen – auf Konzernebene – sieben Universalbanken im engeren Sinne gegenüber (die neben ihrem Privat- und Firmenkundengeschäft auch über eine starke Kapitalmarktsparte verfügen) und zwölf Banken, die in erster Linie Geschäftsbanken sind. Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 15 | 14. Juni 2017 EU-Monitor a. Geschäftsbanken mit einem breiten Spektrum an Geschäften sowohl mit niedrigem als auch höherem Risiko (private Hypothekarkredite [bei denen sich oft genug herausstellt, dass das Risiko gar nicht so gering ist] und Kredite an Unternehmen mit guter Bonität auf der einen Seite; Verbraucherkredite und hoch verzinste Finanzierungen für kleine Unternehmen auf der anderen) oder b. noch stärker diversifizierte Universalbanken mit einem substanziellen Kapitalmarktgeschäft. Das bedeutet, dass Institute mit ausschließlich niedrigem oder hohem Risiko unter den Großbanken ziemlich selten sind. Das begrenzt die verzerrende Wirkung von „zu niedrigen“ beziehungsweise „zu hohen“ Erträgen. Bewertung Die Erträge einer Bank sind oft der von Aktienanalysten am zweithäufigsten betrachtete Größenindikator. 22 Regulierer nutzen diese Kennzahl jedoch nur gelegentlich. Auf globaler Ebene verwenden der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht und der Finanzstabilitätsrat in ihrem Kriterienkatalog für die Bewertung der Systemrelevanz globaler Banken eine Variante der Bilanz- summe, die immerhin den unterschiedlichen Rechnungslegungsvorschriften Rechnung trägt („total leverage ratio exposure“, „Gesamtrisikopositions- messgröße der Verschuldungsquote“). In den USA dagegen gilt für die Fed gemäß dem Dodd-Frank Act, dass ein Finanzinstitut, das keine Bank ist, „überwiegend Finanzgeschäfte betreibt“, wenn es mehr als 85% seiner Erträge mit Finanzgeschäften erzielt oder wenn mehr als 85% seiner Vermögenswerte finanzieller Art sind. 23 Die Fed zieht jedoch nur die Bilanzsumme heran, um festzustellen, ob die Holdinggesellschaft einer Bank „wesentlich“ ist und ob sie regelmäßig Abwicklungspläne (Banken- testamente, „Living Wills“) vorlegen und sich neben vielen anderen Anforderun- gen einem jährlichen Stresstest unterziehen muss, um ihre Widerstandsfähigkeit zu überprüfen. 24 Die Schwelle dafür liegt bei USD 50 Mrd. Mit Blick auf die Aufsicht über „bedeutende“ Banken im Kontext der einheit- lichen Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism, SSM) fallen in Europa alle Banken unter die direkte Aufsicht der EZB, deren Bilanzsumme mehr als EUR 30 Mrd. beträgt (oder mehr als 20% der Wirtschaftsleistung ihres Heimat- landes entspricht; in jedem Fall beaufsichtigt die EZB mindestens die drei nach Bilanzsumme größten Institute eines Mitgliedsstaates). 25 Außerdem zieht die EZB zwei unterschiedliche Stichproben heran, um die Finanzstabilität zu bewerten. Die von ihr direkt beaufsichtigten Institute gelten als „bedeutende Bankengruppen“. 26 Darüber hinaus berücksichtigt die EZB fünf Gruppen von Indikatoren, um eine kleinere Zahl „großer und komplexer Bankengruppen“ zu identifizieren, die im Euroraum tätig (aber nicht unbedingt ansässig) sind. Eine dieser Indikatoren-Gruppen umfasst den Zinsüberschuss und die Nicht- Zinserträge (die anderen Gruppen klassische Bilanzgrößen sowie Daten zum Interbankengeschäft, Wertpapieremissionsgeschäft und Depotgeschäft). 27 Die drei bislang erörterten Indikatoren stellen zusammen mit dem Eigenkapital, das im Anschluss betrachtet wird, die wahrscheinlich wichtigsten Größenmaße dar. Sie alle messen den Wert, nicht das Volumen, und sind deshalb sinnvoller als manche im weiteren Verlauf untersuchte Kennzahlen. Von diesen drei 22 Vgl. etwa Deutsche Bank Markets Research (2017). 23 Vgl. Federal Reserve (2013). 24 Vgl. Dodd-Frank Act (2010), Abschnitt 165. 25 Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates („SSM-Verordnung“). 26 Vgl. EZB (2013), Textbox 5. 27 Vgl. EZB (2006). Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 16 | 14. Juni 2017 EU-Monitor 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 US-7 EU-23 Erträge 9 Mrd. EUR, 2016 Quellen: Unternehmensberichte, Deutsche Bank Research 309,9 20,0 6,7 6,6 5,7 4,6 0 50 100 150 200 250 300 350 A k t i v a d e r B a n k e n U m s a t z E i n z e l h a n d e l U m s a t z N a h r u n g s - m i t t e l i n d u s t r i e U m s a t z A u t o m o b i l - i n d u s t r i e E r t r ä g e d e r B a n k e n U m s a t z M a s c h i n e n b a u Quellen: EZB, Eurostat, Deutsche Bank Research % des BIP, 2014 Größe des Bankensektors verglichen mit anderen Branchen in der EU - 28 10 Indikatoren drücken, vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Argumente, wohl am besten die Erträge die Größe einer Bank aus, da sie von den erwähnten Schwächen der Marktkapitalisierung und Bilanzsumme weniger beeinträchtigt werden. Besonders wichtig ist, dass mit den Erträgen einerseits das Problem eines recht engen Fokus auf der erwarteten künftigen Rentabilität (d.h. der größte Nachteil der Marktkapitalisierung) vermieden wird. Zum anderen umgehen die Erträge die größten Nachteile der Bilanzsumme: i) die Problematik der unterschiedlichen Banken- und Finanzmarktstrukturen (d.h. die Tatsache, dass sich manche Volkswirtschaften mehr über den Markt, andere mehr über Banken finanzieren) und ii) die Notwendigkeit, sehr verschiedene Forderungen mit einer einzigen nominalen Kennzahl auszudrücken, und damit einhergehend die Schwierigkeit, diese Positionen zuverlässig und belastbar zu bewerten, ohne dass Ermessensentscheidungen, Annahmen und das Modelldesign (d.h. unterschiedliche Bilanzierungsvorschriften) diese Bewertung erheblich beeinflussen. Betrachtet man die Erträge, verschwindet der gewaltige Abstand zwischen der Marktkapitalisierung und der Bilanzsumme der führenden US-amerikanischen und europäischen Banken (vgl. Abb. 9). Im Jahr 2016 erzielten die größten europäischen Banken Erträge in Höhe von insgesamt EUR 451 Mrd.; die größten US-Institute kamen auf EUR 383 Mrd. Das entspricht einem Verhältnis von ungefähr 7:6, verglichen mit ~ 3:4 (zugunsten der USA) gemessen an der Marktkapitalisierung beziehungsweise ~ 2:1 (zugunsten Europas) gemessen an der Bilanzsumme. Eine letzte Bemerkung zum Vergleich von Bilanzsumme und Erträgen: Einer der Gründe, warum viele Entscheidungsträger und Medien so gerne über die Bilanzsumme sprechen, könnte darin liegen, dass sich die Bilanzsumme leicht mit dem BIP vergleichen lässt und beeindruckende Zahlen liefert. EU-weit beispielsweise beläuft sich die Bilanzsumme der Banken auf 310% des BIP. Das provoziert häufig Kommentare wie „das Bankensystem ist mehr als dreimal so groß wie die Gesamtwirtschaft“ (vgl. Abb. 10). Solche Interpretationen sind jedoch Sensationsmache und können völlig in die Irre führen: Sie vergleichen eine Bestandsgröße – ausstehende Forderungen der Banken zu einem konkreten Zeitpunkt – und eine Flussgröße – den Wert aller von einer Volks- wirtschaft in einem Jahr neu produzierten Waren und Dienstleistungen. Als Maßstab für den Bankensektor wären die Erträge angemessen, nicht die Bilanzsumme, da sie auch einen branchenübergreifenden Vergleich mit den Umsätzen anderer Wirtschaftszweige ermöglichen. Auf dieser – wohl richtigen – Grundlage sind die Banken mit einer Größe von weniger als 6% des BIP deutlich weniger furchteinflößend. 28 Aber diese Zahlen hinterlassen weniger Eindruck in der Öffentlichkeit, erregen deutlich weniger Aufmerksamkeit und sind von geringerem Nutzen für die Politik, die davon lebt, das Bewusstsein für ein als dringend wahrgenommenes Problem zu schärfen. Das dürfte zumindest teilweise erklären, warum so viele Politiker, Regulierer und Journalisten so gerne die Bilanzsumme als Beleg für ein überdimensioniertes oder überaus wichtiges Bankensystem heranziehen. 28 Das Verhältnis von Umsatz zum BIP sollte jedoch nicht als Anteil einer bestimmten Branche an der Wirtschaftsleistung insgesamt verstanden werden. Für diesen Zweck dürfte die Bruttowert- schöpfung ein besserer Indikator sein – sie lässt sich allerdings für die Bankenbranche schwieriger berechnen und wird deshalb hier nicht verwendet. Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 17 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Eigenkapital Der Buchwert des Eigenkapitals (im Gegensatz zum Marktwert des Eigen- kapitals, d.h. der Marktkapitalisierung) ist ebenso wie die Bilanzsumme eine Bilanzkennzahl. Aufsichtsrechtliche Eigenkapitalmaße sind ebenfalls genau definiert. Vorteile Als Wert aus dem Jahresabschluss vereint das Eigenkapital als Indikator für die Größe einer Bank eine Reihe von Vorteilen auf sich. Zunächst einmal ist das Eigenkapital für praktisch alle Banken verfügbar, ob sie börsennotiert sind oder nicht. Zweitens bemisst das Eigenkapital den Wert eines Unternehmens – zwar nicht ganz so gut und zeitnah wie die Marktkapitalisierung, aber es stellt dennoch eine relativ realistische Schätzung dar. Das gilt gleichermaßen für Banken und Nicht-Finanzunternehmen. Für viele börsennotierte Unternehmen dient ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1 als Referenzpunkt. Das Eigenkapital ist also ein wichtiger Wertmaßstab – vergleichbar mit der Bilanzsumme, aber mit einer anderen Bedeutung: Das Eigenkapital bezieht sich auf den Wert einer Bank statt auf das Gesamtvolumen ihrer Transaktionen. Gleichzeitig ist das Eigenkapital von einer Reihe von Nachteilen, die mit der Bilanzsumme verbunden sind, nicht betroffen. Unterschiede zwischen Geschäftsmodellen oder den Strukturen von Finanzsystemen wirken sich kaum auf das Eigenkapital aus – wie groß der Derivatebestand oder wie stark der Unternehmensanleihe- oder Verbriefungsmarkt ist, hat keinen größeren Einfluss auf die Höhe des Eigenkapitals einer Bank. Ferner ist das Eigenkapital im Vergleich zu den Risikoaktiva und der Bilanzsumme weniger abhängig von komplexen hypothetischen Berechnungen und weitreichenden Entscheidungen in der Frage, wie bestimmte Finanzinstrumente auszuweisen sind. Etwas vereinfacht ausgedrückt ist das Eigenkapital die Summe aus dem Kapital, das von den Eigentümern einer Bank aufgebracht wird, und den Gewinnen, die diese Bank während der Dauer ihres Bestehens mit ihrer Geschäftstätigkeit erzielt und einbehält. Damit einher geht ein vierter Vorteil, insbesondere gegenüber der Markt- kapitalisierung: Die Eigenkapitalbasis ist in der Regel relativ stabil und schwankt nur wenig – Ausnahmen während einer individuellen oder systemischen Bankenkrise natürlich unbenommen. Das Eigenkapital vermittelt ein neutraleres Bild der reinen Größe eines Instituts, unabhängig davon, ob dieses mit seinen Geschäften derzeit kein, wenig oder viel Geld verdient. Nachteile Das Eigenkapital weist relativ wenige Schwächen auf. Ein Manko besteht darin, dass auch das Eigenkapital deutlichen Veränderungen aufgrund von Bilanzie- rungsregeln unterworfen sein kann. So werden zum Beispiel einige Verluste, die eine Bank macht, nicht ergebniswirksam erfasst, sondern direkt mit dem Eigen- kapital verrechnet. Ebenso führen CVA-, DVA- und FVA-Anpassungen zu einer gewissen Volatilität des ausgewiesenen Eigenkapitals, auch wenn sie wenig damit zu tun haben, dass sich die Größe einer Bank ändert, und sich sogar oft im nächsten Quartal wieder umkehren. Die Kennzahl leidet außerdem etwas unter ihrer Abhängigkeit von historischen Werten, die den aktuellen Unternehmenswert eventuell nicht angemessen wiedergeben – insbesondere angesichts des Ermessenspielraums, den eine Bank bei der Einschätzung hat, wie viel Risikovorsorge notwendig ist (die Rückstellungsquoten für notleidende Kredite variieren stark zwischen Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 18 | 14. Juni 2017 EU-Monitor verschiedenen Banken) und um wie viel der Firmenwert (Goodwill) gemindert werden muss. Drittens kann man darüber diskutieren, was genau als Eigenkapital gelten sollte. Es gibt verschiedene Definitionen (im Folgenden ein grober Überblick), jeweils mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen: i. Den Aktionären zurechenbares Eigenkapital. Der Buchwert des Unternehmens, auf den die Eigentümer bei einer fiktiven Auflösung der Bank Anspruch erheben können. ii. Materielles (den Aktionären zurechenbares) Eigenkapital (tangible equity). Selbige Abgrenzung, abzüglich Firmenwert und sonstiger immaterieller Vermögenswerte, um eine Kennzahl für das Kernkapital zu erhalten; im Wesentlichen Gewinnrücklagen und von den Eigen- tümern eingebrachtes Kapital. iii. Gesamtes Eigenkapital. Den Aktionären zurechenbares Eigenkapital zuzüglich Minderheitenanteile, d.h. Kapital, das andere Aktionäre in Tochtergesellschaften investiert haben, deren Mehrheitseigner die Bank ist. Dies ist das Gesamtkapital, das zusammen mit der Summe der Verbindlichkeiten der Summe der Aktiva, d.h. der Bilanzsumme, entspricht und im Gegensatz zu einigen anderen Kennziffern in dieser Liste normalerweise für alle Banken zur Verfügung steht. In dieser Studie wird deshalb diese Größe verwendet. iv. Hartes Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET1 capital). Ein regulatorischer Indikator, auch wenn er auf Bilanzzahlen basiert. In gewisser Weise mit dem materiellen Eigenkapital vergleichbar, da er weniger belastbare Kapitalformen ausnimmt. v. Kernkapital (Tier 1 capital). Umfasst neben dem harten Kernkapital auch das zusätzliche Kernkapital (Additional Tier 1 capital), d.h. nachrangige Fremdkapitalinstrumente, die unter bestimmten Voraussetzungen abgeschrieben oder in Eigenkapital umgewandelt werden können. Das ist noch nicht einmal eine vollständige Liste aller Eigenkapitalmaße. 29 Die Frage, welchen Wert man eigentlich nutzen sollte, ist also keineswegs banal. Außerdem berichten nicht alle Banken alle oben aufgeführten Kenn- zahlen, wahrscheinlich mit Ausnahme des gesamten Eigenkapitals und des Kernkapitals (vgl. Tab. 11 für die zehn größten Banken der Welt nach Tier 1- Kapital). 29 In Deutschland beispielsweise kann der Fonds für allgemeine Bankrisiken, der besonders für Sparkassen und Genossenschaftsbanken von Bedeutung ist, zum Eigenkapital hinzugerechnet werden, obwohl er in den offiziellen Jahresabschlüssen getrennt ausgewiesen wird. Siehe etwa Bundesbank (2017). Die 10 größten Banken der Welt nach Tier 1-Kapital, 2015 11 Land Tier 1-Kapital in Mrd. USD 1 ICBC CN 274,4 2 China Construction Bank CN 220,0 3 JPMorgan US 200,5 4 Bank of China CN 198,1 5 Agricultural Bank of China CN 185,6 6 Bank of America US 180,8 7 Citigroup US 176,4 8 W ells Fargo US 164,6 9 HSBC UK 153,3 10 Mitsubishi UFJ* JP 131,8 * Stand: März 2016 Quelle: The Banker Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 19 | 14. Juni 2017 EU-Monitor 0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 US-7 EU-23 Gesamtes Eigenkapital 12 Mrd. EUR, 2016 Quellen: Unternehmensberichte, Deutsche Bank Research Bewertung Eigenkapital zählt zu den Größenindikatoren einer Bank, die am wenigsten volatil und am wenigsten abhängig von den Strukturen des Finanzsystems sind. Außerdem unterliegt es nur in mäßigem Umfang dem Einfluss von Rechnungs- legungsvorschriften, Bewertungsmodellen und Annahmen. Damit dürfte das Eigenkapital der Bilanzsumme, der Marktkapitalisierung oder den risiko- gewichteten Aktiva vorzuziehen sein. Obwohl verschiedene Varianten möglich sind, ist das gesamte Eigenkapital wohl die am häufigsten verfügbare und am leichtesten vergleichbare Kennzahl. Erträge sind jedoch ein noch besserer Indikator, weil sie direkt mit dem Geschäftsvolumen verknüpft sind, aktuelle Umstände genauer widerspiegeln, und noch weniger von unterschiedlichen Bilanzierungsvorgaben und Bewertungsentscheidungen beeinflusst werden. Gemessen am gesamten Eigenkapital sind die größten europäischen und US- Banken ungefähr gleich groß (vgl. Abb. 12). Ende 2016 belief sich ihr Eigen- kapital auf EUR 1,2 Bill. beziehungsweise EUR 1,1 Bill. Eine solche Differenz von weniger als 10% könnte sich innerhalb eines einzigen Jahres umdrehen, sowohl aufgrund organischer Veränderungen als auch aufgrund von Wechsel- kursbewegungen. Risikogewichtete Aktiva Risikogewichtete Aktiva oder Risikoaktiva (RWA) sind der letzte wichtige Indika- tor für die Größe einer Bank, den wir ausführlich beleuchten wollen, bevor wir uns abschließend noch einer Reihe anderer Parameter zuwenden, die nicht zu den zentralen Indikatoren gehören, aber als „zweitrangige“ oder „ergänzende“ Kennzahlen hinzugezogen werden können. RWA sind ein aufsichtsrechtlicher Wert, bei dem das Risiko jeder Position, die eine Bank hält, in Form eines „Preisschilds“ beziffert werden soll, wonach diese Einzelrisiken zu einer Gesamtzahl addiert werden. Vorteile Grundsätzlich folgen die risikogewichteten Aktiva einem sehr vernünftigen Ansatz, der einige Vorteile aufweist. Sie versuchen, die unterschiedlichsten Geschäfte von Banken auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, nämlich die Höhe des Risikos. In dieser Hinsicht ähneln sie den Erträgen und sind der Bilanzsumme überlegen, die verschiedene Forderungen in einen Topf wirft, indem sie einfach deren Nominalvolumina zusammenrechnet. Zur Messung des Risikogehalts bei der Berechnung der RWA werden den ausstehenden Nominalbeträgen Gewichte von 0 bis 1.250% zugewiesen, um die RWA-Zahl zu ermitteln. Der Prozess normalisiert also verschiedene Geschäfte anhand ihres Risikograds und macht sie vergleichbar. Da die Risikotransformation (im Prinzip die Umwandlung riskanter Kredite in risikolose Einlagen) eine der zentralen Funktionen einer Bank ist, liefert der Gesamtbetrag der RWA einen guten Eindruck vom Umfang des Geschäfts einer Bank, d.h. von ihrer Größe. Als regulatorischer Indikator auf Basis der ausstehenden Forderungen einer Bank sind die Risikoaktiva außerdem im Hinblick auf viele Positionen wie z.B. Kredite unabhängig von kurzfristigen Schwankungen der Marktpreise. Der Gesamtwert der RWA ist also in der Regel verhältnismäßig stabil – ein gleichbleibendes Regelwerk vorausgesetzt. Nachteile RWA haben jedoch auch eine Reihe von Nachteilen. Größtes Manko ist, dass es sich um eine nicht beobachtbare, künstliche Kennzahl handelt, die aus- schließlich auf Modellen, Annahmen und den eigenen Berechnungen der Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 20 | 14. Juni 2017 EU-Monitor 0 100 200 300 400 500 600 700 800 2 0 0 7 2 0 0 8 2 0 0 9 2 0 1 0 2 0 1 1 2 0 1 2 2 0 1 3 2 0 1 4 2 0 1 5 2 0 1 6 Forderungen ggü. dem Staat, Italien Forderungen ggü. dem Staat, Spanien Eigenkapital, Italien Eigenkapital, Spanien Forderungen der Banken aus Peripherie - ländern ggü. dem heimischen Staat 13 Mrd. EUR Quelle: EZB Banken beruht und damit von der Kalibrierung der einzelnen Parameter abhängt. Bei den Risikoaktiva verschärft sich das schon bei der Bilanzsumme erhebliche Aggregationsproblem noch einmal, indem sie weit über die Brutto- Nominalforderungen der Banken hinausgehen. Das hat dazu geführt, dass selbst Aufsichtsbehörden und Regulierer die Aussagekraft der Ergebnisse in Frage stellen. Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussionen in Basel stehen Kapital- untergrenzen und die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die auf internen Ratings basierenden Berechnungen der Banken nicht dazu führen, dass das tatsächliche Ausmaß des Risikos unterschätzt wird. Einige Entschei- dungsträger drängen außerdem auf eine zunehmend wichtige Rolle der Leverage-Ratio als einer Ergänzung zur risikobasierten Kapitalquote. Genau- genommen heißt das, dass selbst einige Standardsetzer ihrem eigenen Rahmenwerk für die Bewertung von Risiken misstrauen. Das zweite Problem hängt damit zusammen: Die Regeln, nach denen die risikogewichteten Aktiva berechnet werden, werden von Entscheidungsträgern und Aufsichtsbehörden festgelegt. Das bedeutet, dass sie i) in gewissem Umfang willkürlich und „politisch motiviert“ und ii) Gegenstand häufiger Änderungen sein können. i) Es ist schwer zu sagen, welche Risikogewichtung wirklich angemessen ist für ein konkretes Finanzinstrument – beispielsweise eine Verbriefung, in die eine Bank investiert hat. Die Gefahr besteht, dass unter politischem Druck eine Regulierung stattfindet, die manche Geschäfte benachteiligt und andere fördert. Da wären zum Beispiel Forderungen gegenüber europäischen Staaten und subnationalen Gebietskörperschaften: Anstatt das ursprüngliche Basel II- Rahmenwerk anzuwenden, das eine strikt risikobasierte Bewertung sämtlicher Forderungen vorsah, entschieden die europäischen Politiker, bei der Um- setzung von Basel II in geltendes EU-Recht eine Ausnahme für Forderungen gegenüber EU-Staaten einzuführen, unabhängig von der Kreditwürdigkeit des Schuldners. Unter regulatorischen Gesichtspunkten hat die ursprüngliche Eigenkapitalrichtlinie (CRD) damit per Definition eine risikolose Anlageklasse geschaffen, völlig abgekoppelt von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage. Und das sogar zu einer Zeit, als die Regierungen der Euro-Länder ihre geldpolitische Souveränität gerade an die unabhängige EZB abgegeben hatten. Das heißt, sie konnten einen Schuldenüberhang nicht mehr durch Drucken von neuem Geld abbauen, was aus ihren Staatsschulden praktisch subnationale Verbindlich- keiten machte. Diese Ausnahme hat natürlich dazu beigetragen, die Finan- zierungskosten der Staaten zu senken, und hat sicherlich das Überschul- dungsproblem verschärft, unter dem einige europäische Länder heute leiden. Außerdem hat sie dazu geführt, dass Banken viel mehr Staatsanleihen auf ihre Bilanz genommen haben, als sie es vermutlich sonst getan hätten. Beispiels- weise sind die Forderungen der Banken in den beiden größten Peripherie- ländern, Italien und Spanien, gegenüber dem heimischen Staat heute höher als ihr gesamtes Eigenkapital (vgl. Abb. 13). Schlimmer noch: Diese zweifelhafte regulatorische Praxis wurde noch nicht einmal nach der Insolvenz des griechischen Staates im Jahr 2012 geändert. Der entgegengesetzte Ansatz zeigt sich bei Verbriefungen. Trotz der konsistent höheren Qualität des europäischen Marktes während der Finanzkrise und in den letzten Jahren ließen sich die Entscheidungsträger (möglicherweise auch aufgrund einer nicht differenzierenden Öffentlichkeit) von der schlechten Performance von Verbriefungen in den USA abschrecken. 30 Sie erhöhten die Risikogewichte in diesem Marktsegment im Zuge der Einführung strengerer Kapitalanforderungen für Banken nach der Krise drastisch (Basel 2.5 und seine Umsetzung in europäisches Recht durch die CRD II und CRD III). Das war ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Grund dafür, dass das Volumen des europäischen Verbriefungsmarktes eingebrochen ist und seit der Krise auf sehr 30 Vgl. auch Kaya (2016). Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 21 | 14. Juni 2017 EU-Monitor 0 1 2 3 4 5 6 7 US-7 EU-23 Bill. EUR, 2016 Risikogewichtete Aktiva 15 Quellen: Unternehmensberichte, Deutsche Bank Research niedrigem Niveau stagniert (vgl. Abb. 14). Gleichzeitig führen die höheren Risikogewichte automatisch dazu, dass Banken, die in Verbriefungen investiert haben, gemessen an den RWA „größer“ erscheinen. ii) Ein weiteres Problem, das sich aus dem politisch geprägten Prozess zur Bestimmung der Risikoaktiva ergibt, ist die fehlende Stabilität im Zeitablauf. In den letzten Jahren wurde die Berechnungsformel oft geändert: Basel II wurde in der EU Anfang 2007 eingeführt und verlangte eine deutlich feinere Bewertung der Bonität von Kreditnehmern als zuvor. Die ersten großen Änderungen infolge der Finanzkrise kamen 2009 mit der CRD II. Im Jahr 2011 folgte die CRD III, bevor 2014 die Übergangsphase zu den neuen Basel III-Regeln begann, die bis 2019 andauern wird. Darüber hinaus laufen weiterhin Diskussionen über eine erneute Verschärfung der Vorschriften, häufig Basel IV genannt, die unter anderem eine größere Rolle für den Standardansatz (und Einschränkungen bei der Verwendung interner Modelle), eine revidierte und strengere Kapitalunter- grenze (capital floor) zur Eindämmung von Modellrisiken sowie die mögliche Einführung von Kapitalanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch umfasst (interest rate risk in the banking book, IRRBB). Eine Einigung in diesen Fragen würde zu weiteren Änderungen führen. Außerdem könnten bei der Schaffung einer EU-Kapitalmarktunion die Anforderungen für Verbriefungs- positionen wieder gelockert werden. Es ist offensichtlich, dass diese ständigen Revisionen einen Vergleich der RWA im Zeitablauf praktisch unmöglich machen. Zudem erschweren Unterschiede in der Umsetzung länderüber- greifende Analysen beträchtlich. Da der Prozess zur Festlegung von Risikogewichten relativ losgelöst ist von der Empirie zur Volatilität von Vermögenspreisen und zu historischen Ausfallquoten und stattdessen auf Prozentwerten basiert, die von Entscheidungsträgern fest- gelegt werden, können Risikoaktiva als Größenindikator bestimmte Geschäfts- modelle bevorzugen und andere benachteiligen. Zum Beispiel neigen die aktuellen RWA-Vorschriften dazu, Institute schlechter zu stellen, die sich auf das klassische Geschäft mit bis zur Fälligkeit gehaltenen Verbraucherkrediten und KMU-Krediten konzentrieren oder im Anleihehandel stark sind. In den ersten beiden Fällen sind Ratings üblicherweise nicht verfügbar oder schlecht und es existieren kaum Sicherheiten. Für den letzteren Fall gilt, dass ein für den täglichen Handel gehaltenes Anleiheportfolio als hochriskante Investition eingestuft wird. All das bedeutet hohe RWA und führt dazu, dass diese Geschäftsmodelle in Zeiten deutlich strengerer Eigenkapitalstandards viel weniger attraktiv sind. Darüber hinaus erscheinen diese Banken künstlich „groß“. Im Gegensatz dazu profitieren andere Geschäftsmodelle von einem wenig kapitalintensiven Ansatz: die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten (bei der es hohe Sicherheiten gibt) ebenso wie die Staatsfinanzierung (die durch ihr Risikogewicht von Null bevorzugt wird) oder Corporate Finance/die Unter- nehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt (die im Wesentlichen Beratungs- leistungen und das Underwriting umfasst, bei dem die Bank die zu emittier- enden Papiere für kurze Zeit auf die eigenen Bücher nimmt). Darauf speziali- sierte Banken wirken relativ „klein“. Obwohl es einige gute Gründe für diese Unterschiede gibt, ist die regulatorische Behandlung von Risiken, wie sie sich in den RWA-Zahlen insgesamt widerspiegelt, manchmal fragwürdig und kann dazu führen, dass für verschiedene Arten von Banken ungleiche Rahmenbedin- gungen herrschen. Bewertung Gemessen an den risikogewichteten Aktiva sind sich die Stichproben der größten US- und europäischen Banken von der Größe her bemerkenswert ähnlich – die Differenz zwischen EUR 6,4 Bill. und EUR 6,6 Bill. beträgt weniger als 4% (vgl. Abb. 15). Das Ergebnis unterscheidet sich also nicht wesentlich von der Analyse des Eigenkapitals oder der Erträge. Aber angesichts der eben 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 2006 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 Platziert Einbehalten Mrd. EUR Quellen: AFME, Deutsche Bank Research Emission von Verbriefungen in Europa 14 Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 22 | 14. Juni 2017 EU-Monitor 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 US-7 EU-23 Mrd. EUR, 2016 Quellen: Unternehmensberichte, Deutsche Bank Research Nettogewinn 16 erörterten erheblichen Schwachstellen – insbesondere der willkürlichen Formel zur Berechnung der RWA sowie der fehlenden Stabilität und Vergleichbarkeit verschiedener Institute – dürfte dieser Indikator nicht besonders geeignet sein, um die reine Größe eines Kreditinstituts zu quantifizieren, egal wie hilfreich es sein mag, dessen Risikogehalt zu bewerten. Andere Indikatoren Zu guter Letzt gibt es noch einige andere Kennzahlen, die eine Vorstellung von der Größe und Bedeutung einer Bank geben. Sie sind unter bestimmten Gesichtspunkten sehr aussagekräftig, haben jedoch auch beträchtliche Schwächen, weil ihre Ergebnisse schwer zu vergleichen sind, besonders bei unterschiedlichen Geschäftsmodellen oder länderübergreifend. Dabei handelt es sich um diese Indikatoren: i. Nettogewinn. Der Nettogewinn ist in erster Linie einer der Einfluss- faktoren für die Marktkapitalisierung und muss daher nicht ausführlich analysiert werden. Einmaleffekte wie zum Beispiel ein Gewinn aus der Veräußerung einer Tochtergesellschaft oder eine Firmenwert-Abschrei- bung können den Nettogewinn sowohl positiv als auch negativ erheblich beeinflussen. Der Nettogewinn ist dennoch ein wichtiger Indikator für die aktuelle Stärke einer Bank, die selbstverständlich große Auswirk- ungen auf das künftige Wachstum hat. Angesichts des unterschiedlichen Konjunkturverlaufs in den USA und Europa in den letzten Jahren ist es keine große Überraschung, dass zwischen dem Nettogewinn der führenden Banken dies- und jenseits des Atlantiks eine gewaltige Kluft besteht. Die US-amerikanischen Banken verdienten im letzten Jahr EUR 90 Mrd., während die euro- päischen Banken nur EUR 33 Mrd. erreichten (vgl. Abb. 16). Die meisten anderen Kennziffern zeigen hingegen, dass die europäischen Banken nicht deutlich hinter ihren US-Konkurrenten zurückliegen. Würde man also nur auf die Profitabilität schauen, ergäbe sich ein verzerrtes Bild von der tatsächlichen Größe der Bankensektoren in beiden Regionen. ii. Anzahl der Kunden. Es ist sinnvoll, die Kundenzahl für jedes Geschäfts- segment einzeln zu betrachten. Allerdings ist sie nicht hilfreich, um zu beurteilen, ob eine Geschäftsbank (die normalerweise zahlreiche Privatkunden hat) oder eine Investmentbank (die häufig nur wenige Tausend große Unternehmen und institutionelle Investoren als Kunden hat) größer ist. Darüber hinaus kann die reine Anzahl der Kunden für den Vergleich von Banken in Schwellenländern (die üblicherweise viele Kunden haben, aber vergleichsweise wenig Geld mit jedem einzelnen verdienen) und Banken in Industrieländern (weniger Kunden, aber höhere Einnahmen pro Kunde) wenig aussagekräftig sein. iii. Anzahl der Mitarbeiter. Hier sind die Probleme ähnlich gelagert wie bei der Anzahl der Kunden. Das Privatkundengeschäft (und das Bank- geschäft in Schwellenländern) ist in der Regel vergleichsweise arbeitsintensiv und oft von dichten Filialnetzen mit Tausenden von Kundenberatern und Verwaltungsmitarbeitern gekennzeichnet. Eine Boutique-Investmentbank hingegen kann nur wenige Hundert M&A- Berater und Händler beschäftigen und trotzdem höhere Erträge, eine höhere Bilanzsumme und größere Kapitalbasis haben. iv. Anzahl der Filialen. Bei der Zahl der Filialen liegt sogar noch deutlicher auf der Hand, dass diese Kennzahl nur beim Vergleich von Banken mit ähnlichem Geschäftsmodell und ähnlicher geografischer Ausrichtung sinnvoll ist. Investment- und Privatbanken (d.h. Vermögensverwalter) auf der einen und Geschäftsbanken/Retailinstitute auf der anderen Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 23 | 14. Juni 2017 EU-Monitor 0 10 20 30 40 50 60 70 80 E S C Y F R P T B G I T A T D E L U P L E U - 2 8 B E H U S I H R M T R O S K G R I E C Z D K L T F I S E U K * L V N L E E Filialdichte 17 Filialen pro 100.000 Einwohner, 2015 * 2014 Quellen: EZB, Eurostat, Deutsche Bank Research Seite haben einen ganz anderen Bedarf an Filialen und ihre Filialen sehen auch meist völlig anders aus. Erstere haben in der Regel relativ wenige, aber recht große Standorte mit vielen Mitarbeitern, wohingegen letztere viel mehr, aber kleinere Filialen unterhalten. Selbst wenn man nur auf das klassische Bankgeschäft schaut, können nationale Gepflo- genheiten – beispielsweise die Verfügbarkeit und Akzeptanz digitaler Vertriebskanäle oder die Art und Größe von Filialen, die Kunden bevorzugen – zu sehr unterschiedlichen Filial-Landschaften führen. Abb. 17 zeigt zum Beispiel erhebliche Unterschiede bei der Filialdichte in Spanien, Frankreich und Italien einerseits und den Niederlanden, Großbritannien und Schweden andererseits. v. Kreditvolumen. Auch das gesamte Kreditvolumen ist ein nützlicher Indikator für die Bewertung von Banken mit einem sehr ähnlichen Geschäftsmodell, eignet sich jedoch nicht für eine branchenweite Analyse verschiedener Arten von Banken. Geschäftsbanken haben typischerweise große Kreditbücher. Stärker diversifizierte Universal- banken mit einem signifikanten Kapitalmarktgeschäft und einer Vermö- gensverwaltung würden jedoch unterschätzt werden, wenn man nur ihr Kreditportfolio betrachtet. vi. Bruttowertschöpfung. Gegenstand dieser Studie ist in erster Linie die Größe einzelner Banken. Sollen hingegen Bankensysteme als Ganzes verglichen werden, insbesondere in einem internationalen Kontext, kann es sich lohnen, auch die Bruttowertschöpfung (d.h. den Anteil an der Wertschöpfung der Volkswirtschaft insgesamt) als Maß heranzuziehen. Zusammenfassung Das folgende Ranking (Tab. 18) der großen europäischen Banken nach den fünf wichtigsten Indikatoren zeigt, dass die Rangfolge ausgehend vom Ranking nach den Erträgen insgesamt ziemlich stabil ist (mit Ausnahme des Rankings nach der Marktkapitalisierung). Für manche Banken schwanken die Platzierun- gen trotzdem beträchtlich. Bank H beispielsweise liegt nach Erträgen auf Rang 8 von 23. Gemessen an der Bilanzsumme ist die Bank deutlich weiter hinten platziert (Rang 14), nach risikogewichteten Aktiva jedoch erheblich weiter vorn (Rang 5). Bank J liegt nach Erträgen auf Rang 10, nach Eigenkapital deutlich niedriger auf Rang 14 und nach RWA deutlich höher auf Rang 6. Dabei liegt die Platzierung nach den Erträgen nicht zwangsläufig zwischen den anderen. Bank N beispielsweise befindet sich nach Erträgen nur auf Rang 14, schneidet aber beim Vergleich nach Bilanzsumme, Eigenkapital und RWA deutlich besser ab (Ränge 4-10). Bei Bank F ist es andersherum: Sie liegt nach Erträgen weit oben Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 24 | 14. Juni 2017 EU-Monitor (Rang 6), nach Bilanzsumme, Eigenkapital und RWA dagegen deutlich niedriger (Ränge 10-15). Wenn wir auch die Marktkapitalisierung berücksichtigen, können bei diesem volatileren Indikator sogar sonst relativ stabil platzierte Banken im Ranking erheblich steigen oder fallen. Bank D beispielsweise liegt bei den ersten vier Kennzahlen auf den Rängen 3 bis 7 und fällt nach Marktkapitalisierung auf den 17. Platz. Bei Bank P ist es umgekehrt: Sie liegt nach Erträgen, Bilanzsumme, Eigenkapital und Risikoaktiva konstant auf den Rängen 16/17, steht aber gemessen an der Marktkapitalisierung mit Rang 8 deutlich besser da. All das zeigt, wie wichtig es ist, sich bei der Bewertung der Größe von Banken nicht ausschließlich auf einen einzigen Indikator zu verlassen. In den meisten Fällen braucht es einen breiteren Blickwinkel. Wenn es jedoch nur eine einzige Kennzahl sein soll, sollte es die umfassendste, am besten vergleichbare und stabilste sein: Erträge. Nach den Erträgen dürfte das gesamte Eigenkapital die zweitbeste Lösung sein, mit der Bilanzsumme und der Marktkapitalisierung gleichauf auf Platz drei (vgl. die Rangfolge in Tab. 19). Andere Indikatoren können ergänzend hinzugezogen werden und eine wirklich umfassende Analyse der Größe von Banken in verschiedenen Ländern und mit unter- schiedlichen Geschäftsmodellen abrunden. Europas führende Banken: Ranking in Buchstaben nach ... (Gesamtjahr oder Jahresende 2016) 18 Rang Erträge Eigenkapital Bilanzsumme Risikoaktiva Markt- kapitalisierung 1 A A A A A 2 B C C C C 3 C B D B B 4 D E N E F 5 E G E H I 6 F D G J K 7 G N B D E 8 H O I G P 9 I I O K H 10 J H F N M 11 K F J M G 12 L M K O N 13 M K L L O 14 N J H I L 15 O L M F T 16 P P P Q S 17 Q Q Q P D 18 R T T T U 19 S R R R R 20 T S S S J 21 U U U V Q 22 V W V W W 23 W V W U V Farblich markiert: Abweichung vom Rang nach Erträgen um mehr als zwei Plätze Quellen: Unternehmensberichte, Thomson Reuters, Deutsche Bank Research Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 25 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Jan Schildbach (+49 69 910-31717, jan.schildbach@db.com) Die besten Indikatoren für die Größe einer Bank 19 Nr. 1 Erträge Nr. 2 Eigenkapital Nr. 3 (geteilter Rang) Bilanzsumme Marktkapitalisierung Weitere Indikatoren Risikoaktiva, Nettogewinn, Anzahl der Kunden, Mitarbeiter, Filialen usw. Quelle: Deutsche Bank Research Groß oder klein? Wie man die Größe einer Bank misst 26 | 14. Juni 2017 EU-Monitor Literatur Banca d’Italia (2010). Supplements to the Statistical Bulletin, Monetary and Financial Indicators. Volume XX, No. 45 (6. September 2010). BIZ (2013). Global systemically important banks: updated assessment methodology and the higher loss absorbency requirement. Basel Committee on Banking Supervision. BIZ (2014). Basel III leverage ratio framework and disclosure requirements. Basel Committee on Banking Supervision. Bundesbank (2017). Bankenstatistik. Statistisches Beiheft 1 zum Monatsbericht, März 2017. Deutsche Bank Markets Research (2017). European Banks Valuation Weekly, 24. April 2017. Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (2010). Economic Report of the President, Januar 2017. Together with the Annual Report of the Council of Economic Advisers. ESRB (2017). ESRB risk dashboard, März 2017 (19. Ausgabe). EZB (2006). Financial stability review, Dezember 2006. EZB (2013). 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September 2016 * Wer zahlt die Rechnung? Europas neues Bail-in-Regime und die Auswirkungen auf die Bankenrefinanzierung ............................................3. Juni 2016 * Investitionen und Wachstum stärken: Die Rolle der Förderbanken in Europa ............................... 9. Mai 2016 * Kapitalmarktunion: Ambitioniertes Ziel, aber kaum schnelle Erfolge ......................................... 8. Februar 2016 * Geldmarktfonds: Wie sie funktionieren und wer sie nutzt ............................................................. 18. Mai 2015 * Europas Populisten im Profil: Strukturen, Stärken, Potenziale ........................................ 7. April 2015 * Mittelstandsfinanzierung im Euroraum: Neue Lösungen für ein altes Problem ......................... 13. Januar 2015 * Investitionen im Euroraum: Initiativen, Handlungsfelder, Erfolgsfaktoren ........................... 18. Dezember 2014 * Alleine sind wir stark? Ökonomische Aspekte regionaler Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen in Europa .............. 17. Dezember 2014 * Eine Zukunft in der EU? Die Brexit-Diskussion als Anstoß für eine modernere EU ......................................... 29. September 2014 © Copyright 2017. Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Research, 60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“ gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. 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