Martin Sellner: Wer ist der Rechtsextreme und Kopf der Identitären Bewegung? - 20 Minuten

Martin Sellner: Wer ist der Rechtsextreme und Kopf der Identitären Bewegung?

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RechtsextremistOft angeklagt, nie verurteilt: Wer ist Martin Sellner?

Martin Sellner, Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung, wurde während eines Vortrags aus dem Kanton Aargau ausgewiesen. Vor Gericht stand der 35-Jährige immer wieder, verurteilt wurde er jedoch nie. Ein Porträt.

Darum gehts

  • Rechtsextremist Martin Sellner wurde am Samstag während eines Vortrags an einer Veranstaltung der jungen Tat von der Polizei aus dem Kanton Aargau weggewiesen.

  • Der 35-Jährige geriet immer wieder ins Visier der Behörden, wurde als Erwachsener jedoch nie verurteilt.

  • Er ist massgeblich an der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich beteiligt, die immer wieder durch sehr kontroverse Aktionen auffiel.

  • Sellner war unter anderem wegen Verbindungen zum Christchurch-Attentäter Teil polizeilicher Ermittlungen und musste sich schon wegen Hetze vor Gericht verantworten. Verurteilt wurde er für beides nicht.

  • Zudem sorgte er mit einem Treffen mit AfDlern und CDUlern zum Thema Remigration für Aufsehen.

Hetze, kriminelle Organisation, Terrorverbindungen: Vor Gericht stand der rechtsextreme Influencer Martin Sellner schon oft, zu einer Verurteilung kam es zumindest im Erwachsenenalter nie. Am Samstag wurde er bei einer Veranstaltung der Jungen Tat von der Polizei weggewiesen. Das ist der Mann, der seiner Gesinnung wegen fast überall verpönt wird.

Sellners Hintergrund

Sellner ist 1989 in Österreich geboren und wuchs nahe Wien auf, wo er den Bachelor in Philosophie machte. Das Studium der Rechtswissenschaft brach er ab. Schon in seiner Jugend bewegte er sich in rechtsextremen Kreisen und fiel polizeilich auf. 2006 klebte er Hakenkreuze an eine Synagoge. Dem Magazin «Zeit Campus» erklärte er, bis 2011 Neonazi gewesen zu sein. Später bezeichnete er das als «Jugendsünde».

Politische Ideologien

Schon früh wandte sich Sellner mit seinem Gedankengut an eine junge Zielgruppe und nutzte Social Media für dessen Verbreitung. 2012 war er an der Gründung der Identitären Bewegung (IB) in Österreich beteiligt. Ziel: Rechtsextremismus gesellschaftsfähig zu machen.

Verschwörungsmythos des «grossen Austauschs»

Die Idee des «grossen Austauschs» ist eine zentrale Verschwörungstheorie, die von Gruppen wie den Identitären und Teilen der AfD immer wieder propagiert wird. Sie behauptet, dass durch einen vermeintlichen «grossen Bevölkerungsaustausch in Europa» die «ethnokulturelle Identität» bedroht sei. Als Folge wird die Forderung nach «Remigration» erhoben.

Kernkonzept der IB – der Ethnopluralismus: die Trennung ethnischer Gruppen zur Bewahrung ihrer Identität und Schaffung eines «ethnisch reinen» Europas, um Vermischung zu verhindern. Dabei werden Personen aus fremden Kulturen nicht als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft betrachtet. Diese Ansicht wurde vom höchsten deutschen Gericht als verfassungsfeindlich bestätigt.

Sellner bei einer Demonstration in Wien zum Thema «Remigration».

Youtube/ Herr aber

Geheimtreffen mit Plan für Remigration

Kürzlich sorgte Sellner durch ein Treffen mit AfD- und CDU-Politikern und Politikerinnen in Potsdam für Aufsehen, wo er seinen Plan der «Remigration» vorstellte: Millionen von Einwanderern sollten abgeschoben oder verdrängt werden.

Potsdam erwog daraufhin ein Einreiseverbot für Sellner, um solche Äusserungen künftig zu unterbinden. Eine Umsetzung könnte ihm vorübergehend die Teilnahme an Veranstaltungen in Deutschland untersagen. Dies dürfte als EU-Bürger jedoch schwierig sein. Grossbritannien und die USA haben aber schon Einreiseverbote gegen Sellner verhängt.

Kontakt zum Attentäter von Christchurch

Besonders in Verruf geriet Sellner, als bekannt wurde, dass er Kontakt zu dem Täter des rassistisch motivierten Attentats in Christchurch hatte. Der Täter hatte Sellner vor dem Anschlag 1500 Euro gespendet. Daraufhin hatten die beiden schriftlichen Kontakt. Der Australier reiste danach nach Wien. Sellner bestritt später, ihn getroffen zu haben.

Aufgrund dieser Verbindung geriet er ins Visier der Behörden wegen des Verdachts auf «Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». Die Polizei durchsuchte Sellners Wohnung und beschlagnahmte Handy und Bankkarten. Das Verfahren wurde schliesslich eingestellt. Seit dem Vorfall prüft der österreichische Verfassungsschutz ein Verbot der IB in Österreich.

Der Versuch, Rettungsboote im Mittelmeer zu blockieren

Mit aktivistischen Aktionen machten die IB und Sellner auch immer wieder im Netz auf sich aufmerksam. So etwa 2016, als Mitglieder das Brandenburger Tor besetzten und ein Banner mit der Aufschrift «Remigration jetzt» und «Festung Europa» entrollten. 2017 versuchten Mitglieder der IB mit einem Schiff auf dem Mittelmeer die Migration von Geflüchteten nach Europa zu blockieren. Die Aktion misslang.

Die Identitäre Bewegung besetzte 2016 das Brandenburger Tor.

Die Identitäre Bewegung besetzte 2016 das Brandenburger Tor.

dpa/Paul Zinken

Der Versuch, die Gruppe als kriminelle Vereinigung einzustufen, misslang jedoch. Die Bewegung wurde 2018 in Graz vom Vorwurf freigesprochen.

2023 vor Gericht wegen Hetze

2023 stand Martin Sellner erneut vor Gericht wegen Verhetzung, basierend auf einem Post, in dem er behauptete, dass Asylheime mehr Gefahr für Kinder darstellen als Reichsbürger. Der Richter sah keinen klaren Hassaufruf oder eine spezifische Gruppe. Daher: Freispruch für Sellner.

Sellner auf Social Media gesperrt

Mittlerweile tritt Sellner nicht mehr als offizielles Gesicht der Bewegung auf, aber er bleibt im Hintergrund aktiv. Die Skandale rund um Sellner hatten jedenfalls Konsequenzen jenseits des Strafrechts: Symbole der Identitären Bewegung wurden seit Juli 2021 verboten, viele Banken kündigten deren Konten, und Sellner wurde von Youtube, Instagram, Facebook und Twitter gesperrt.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Beratungsnetz für Rassismusopfer

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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