Andreas Ulmer Porträt: Harte Arbeit statt harter Worte
Andreas Ulmer in der Umkleidekabine des FC Red Bull Salzburg
© Oliver Jiszda
Fußball

Andreas Ulmer: Der Leisetreter

Genügsamkeit statt Glamour. Harte Arbeit statt harter Worte. Red Bull Salzburg-Kapitän Andreas Ulmer beweist, dass man nicht laut sein muss, um gehört zu werden.
Autor: Chris Eberle-Abasolo
4 min readveröffentlicht am
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Endlich. Es ist geschafft. Nach insgesamt elf Anläufen hat der FC Red Bull Salzburg sein erklärtes Ziel erreicht. In der Spielsaison 2019/20 wird sich Österreichs Serienmeister erstmals in der Gruppenphase der UEFA Champions League mit Europas absoluten Top-Klubs messen. Aufs Feld geführt werden die Bullen dabei von einem Mann, der allerdings nicht so recht ins Glamour-Bild eines modernen Profikickers passt: Andreas Ulmer.

Scharmützel in der VIP-Area? Fehlanzeige

Er ist kein Star, keine Diva, kein Enfant terrible. Während andere mit teuren Markenklamotten auf der Kühlerhaube eines 500-PS-Sportwagens posieren, postet Ulmer Bilder von seiner Mutter, seinem Hund und seiner Lederhose. Scharmützel in der VIP-Area angesagter Szenelokale? Fehlanzeige. Künstlich am Köcheln gehaltene Transfergerüchte? Auch kein Treffer. Frauen? Ja, seine. Kurz gesagt: Andreas Ulmer ist für Medien das exakte Gegenteil eines gefundenen Fressens – für seinen Klub hingegen ist er Gold wert.
Denn der 1985 in Linz geborene Kapitän des FC Red Bull Salzburg, dessen Profi-Karriere von der Wiener Austria über den SV Ried im Jahr 2009 schließlich an die Salzach führte, verkörpert Führungsqualitäten, die weit über das Sportliche hinausgehen: Bescheidenheit und Beständigkeit. Und ganz nebenbei ist er mit zehn Meistertiteln österreichischer Rekordhalter.

„Ich bin, wie ich bin“

„Ich bin, wie ich bin“, sagt Ulmer, der seine 2018 übernommene Rolle als Mannschaftskapitän genauso anlegt wie seine bisherige Karriere: leise und unaufgeregt. „Es macht mich in erster Linie stolz, und ich habe großen Respekt vor diesem Amt. Was aber nicht bedeutet, dass die Kapitänsschleife mich zu einem anderen Menschen macht.“ Seine Hauptaufgabe als Führungsspieler sieht der bald 34-jährige Routinier, der unter Franco Foda in seiner Stammposition als linker Außenverteidiger auch wieder ins Nationalteam berufen wurde, als Ruhepol und – salopp ausgedrückt – Gleichgewichtsheber.

„Es geht um die Balance"

Auf und neben dem Spielfeld. „Es geht um die Balance. Wenn die Stimmung in der Mannschaft ausgewogen ist, wenn jeder offen und ehr­lich reden kann, dann ver­kraftet die Mannschaft auch locker das eine oder andere böse Wort, das natürlich in der Hitze des Gefechts schon mal fallen kann. Und natürlich hat man als älterer Spieler auch abseits des Spielfelds eine Vorbildwirkung.
Du kannst den jüngeren mit dei­nen Erfahrungen im Umgang mit alldem, was sich im mo­dernen Fußball so rundherum abspielt – Medientermine, Autogrammstunden –, helfend zur Seite stehen.“ Von Star­ Kapitänen, die sich am Rasen wie Live­Trainer inszenieren, hält Andreas Ulmer indes wenig. „Man muss jetzt nicht groß am Platz herumwinken und ständig Anweisungen brüllen. Während des Spiels ist das nicht sehr sinnvoll.
Andreas Ulmer FC Red Bull Salzburg

Andreas Ulmer, 33, FC Red Bull Salzburg-Legende

© Oliver Jiszda

Noch schlimmer ist, wenn man einen Mitspieler – sollte etwas nicht so gut klappen – zur Sau macht. Es bringt ein­ fach nichts, wenn der dann fünf Minuten am Platz steht und damit beschäftigt ist, über seinen Fehler nachzudenken. In fünf Minuten kann man eine Menge Tore kassieren, wenn einer nicht da ist.“
Fühlt man sich in seiner Umgebung wohl, ist das die Basis für gute Leistungen.
Ulmer ist kein Wortführer. Sein Credo: Wenn man zu allem seinen Senf abgibt, verliert er an Schärfe. „Ich rede nicht viel, weil ich nichts davon halte, einfach nur zu reden, um zu reden. Aber wenn es wichtig und nötig ist, sage ich meine Meinung. Deutlich und klar. Und meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass diese dann umso mehr Gewicht hat.“ Noch deut­lichere Worte findet Andreas Ulmer, wenn es um gegen­seitigen Respekt geht. „Respekt ist das Allerwichtigste – inner­halb der Mannschaft, aber auch gegenüber allen anderen, die für unseren Erfolg arbeiten, vom gesamten Betreuerstab bis hin zum Reinigungsperso­nal.
In dieser Hinsicht konnte ich sehr viel von Marco Rose (Trainer 2017 bis 2019; Anm.) lernen.“ Bescheidenheit und Beständigkeit, okay. Aber mischt sich da nicht auch eine Spur Bequemlichkeit hinein? Immerhin steht Andreas Ulmer seit nunmehr fast elf Jahren in Diensten des FC Red Bull Salz­burg und hat nie den Weg ins Ausland gesucht. „Natürlich ist es für jeden Fußballprofi immer ein Thema, irgend­wann in einer ‚großen‘ Liga zu spielen, aber für mich war Salzburg immer das Beste. Und man darf eines nicht unterschätzen: Wenn man sich in einer Umgebung rich­tig wohlfühlt, dann ist das die Basis für gute Leistungen.“ Und was die internationalen Erfahrungen betrifft, hat Ulmer außerdem ein weiteres, bei genauerer Betrachtung durchaus stichhaltiges Argu­ment im Köcher: „Wenn ich mir unsere Trainer der letzten Jahre anschaue, kann ich nur sagen: Viel internationaler geht nicht.
Das Wichtigste in unserem Team? Dass jeder offen seine Meinung sagen kann.
Holländer, Deut­sche, Spanier und jetzt Jesse Marsch aus den USA. Natür­lich hat da jeder seine ganz eigenen, oft auch von seiner Heimat geprägten Ideen und Spielphilosophien. Und das Gleiche gilt für die Spieler unterschiedlichster Natio­nalitäten, die wiederum ihre Erfahrungen in unsere Mann­schaft getragen haben. Eines ist sicher: Langweilig ist mir bei Red Bull Salzburg nie geworden.“
Alle Infos zum FC Red Bull Salzburg in der Champions League: redbull-salzburg.at; Andreas Ulmer auf Instagram: @andreasulmer
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