Ein berührendes TV-Drama mit Sophie von Kessel als Mutter, die für ihr krebskrankes Kind kämpft: Mehr als erlaubt

Mehr als erlaubt

An diesem Tag hat Sophie von Kessel schon ein beachtliches Programm bewältigt. Morgens Töchterchen Magdalena in die Kita gebracht, dann mit Baby Jonathan zum Impfen gegangen, mit ihm ins Flugzeug gestiegen, von München nach Berlin geflogen, Baby zu ihrer Mutter gebracht, die in Berlin wohnt, nicht weit vom "Einstein" in Schöneberg entfernt. Nun sitzt sie im Café, hellwach. "Ich hatte sogar noch Zeit, mein Baby zu stillen, heute hat alles prima geklappt", strahlt sie. Mütter!Im Film "Ein langer Abschied" spielt Sophie von Kessel eine Mutter, Ellen, die mit einem schier übermächtigen Feind konfrontiert ist. Ihr Kind hat Leukämie. Die Krankheit schien besiegt, jetzt bricht sie wieder aus, eine weitere Chemotherapie steht an. Unter dieser Belastung zerbricht die Ehe. Ellen konzentriert sich nur noch auf die Rettung ihrer Tochter. Bald glaubt sie, die Lösung gefunden zu haben: ein zweites Kind will sie bekommen, um aus dessen Nabelschnurblut Stammzellen für Rebecca zu gewinnen.Der Arzt ist skeptisch, die Methode in Deutschland verboten, ihr Mann (sehr einfühlsam gespielt von Tim Bergmann) lehnt das Ansinnen entrüstet ab, zumal sie ihm "danach" die Scheidung in Aussicht stellt. Dann erneut ein Rückfall beim Kind. Die Eltern fliegen nun doch nach Chicago, wo die künstliche Befruchtung vorgenommen wird. Ellen und Ralph kommen sich wieder näher. Doch die Achterbahnfahrt des Lebens geht in eine neue Runde.Hier stimmt einfach allesEinen Film von solcher Intensität sieht man nicht oft im Fernsehen. Hier stimmt einfach alles: das Drehbuch von Silke Zertz, die Regie von Johannes Fabrick und vor allem das einfühlsame Spiel der Akteure, allen voran Sophie von Kessel und Tim Bergmann als Eltern. Dass es gelang, ein so schwieriges Thema derart sensibel und glaubwürdig umzusetzen, macht den Streifen schon jetzt zu einem Höhepunkt der diesjährigen Fernsehdramatik."Ich hab' das Buch gelesen und wusste, das wird keine lustige Arbeit", sagt Sophie von Kessel. "Aber es ging um was." Wie alle Schauspieler sei sie an Herausforderungen interessiert. Und an Projekten, die auch schwierige Themen verhandeln. "Um leichte Unterhaltung muss man sich keine Sorgen machen, davon gibt's im Fernsehen immer genug." Natürlich haben die Fragen, um die es im Film geht, die zweifache Mutter beschäftigt: Wie viele Qualen mutet man jemandem für eine mögliche Rettung zu, und sollte man den Tod nicht als einen Teil des Lebens akzeptieren? "Sein Schicksal annehmen, das sagt sich so leicht, wenn man nicht selbst betroffen ist", meint die Schauspielerin. "Ich würde wahrscheinlich genauso handeln wie Ellen. Manchmal möchte man ihr zurufen, hör' auf zu kämpfen, das bringt doch nichts. Aber in so einer Situation stellt man sich eben nicht die Frage, ob es was bringt, da versucht man alles für sein Kind." Sie bewundert diese Frau dafür, dass sie nicht aufgibt, und findet es nur zu verständlich, dass sie den Arzt mit Fragen bombardiert, auf die es keine Antwort gibt. Ihr selbst, sagt sie, hat der Film zu einer großen Dankbarkeit verholfen. "Dankbar, zwei gesunde Kinder zu haben. Klar ist man mal genervt, aber man regt sich eigentlich nur über Kleinigkeiten auf. Im Alltag vergisst man so leicht, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist." Während sie im Milchkaffee rührt, wird die beschriftete Innenfläche ihrer Hand sichtbar - Namen von Leuten, die sie sich vorhin, das Kind auf dem Arm, schnell aufschrieb, um die Anrufe nicht zu vergessen. Dass die 37-Jährige gestresst oder irgendwie abgearbeitet aussieht, kann man nicht gerade behaupten. Ein Gesicht von solcher Makellosigkeit muss Maskenbildner um ihren Job fürchten lassen. Jedenfalls trug Sophies Äußeres, im Verbund mit ihrem adligen Namen, wohl nicht unwesentlich dazu bei, dass man sie am Anfang ihres Berufswegs in die Schublade "höhere Tochter/reiche Schöne" stecken wollte. Dagegen hat sie sich erfolgreich gewehrt, indem sie Theater spielte und im Fernsehen vielschichtige Figuren verkörperte, ob sie nun eine heruntergekommene Dorfkneipe im Provinznest "Amerika" aufmöbelte oder Richard Oetker beim Verarbeiten seiner Entführung beistand. Beim Dreh zu "Frank Riva" durfte sie Alain Delons Aura aus nächster Nähe spüren, in der "Konferenz" lieferte sie die Studie einer Lehrerin, die sich für einen unbequemen Schüler einsetzt.In zwei Filmen als Ärztin"Mit einem guten Drehbuch fängt der Beruf an, Spaß zu machen", sagt Sophie von Kessel, aber ob ihre Rollen eine stetige Höherentwicklung anzeigen? "So was gibt's doch gar nicht." Immerhin kann sie in ihren nächsten Arbeiten wieder andere Facetten ihres Könnens zeigen. So stellt sie sich als Ärztin gegen das Vertuschen eines "Kunstfehlers" (kürzlich vorab auf Arte), und im Münchner Tatort "Das verlorene Kind" hat sie, wiederum als Ärztin, einen behinderten Mann zur Beobachtung in ihrer psychiatrischen Klinik. Auf die Episodenrolle einer Feinkostladenbesitzerin in der neuen ZDF-Serie "Krimi Berlin" freut sie sich genauso wie auf zwei Kinofilme, die im Sommer geplant sind.Die Schauspielerin strahlt Gelassenheit aus. "Man wird wählerischer, wenn man Kinder hat", erklärt sie. "Wenn ich arbeite, dann ist eine Höllenorganisation nötig, die setzt man nicht in Gang für irgendwas." Seit sie und ihr Kollege Stefan Hunstein sich auf der Bühne der Münchner Kammerspiele ineinander verliebten, ist München ihr Zuhause. Mit ihrer kleinen Familie fand die in Mexiko geborene Diplomatentochter, die mit Eltern und Geschwistern durch die halbe Welt zog, den Ruhepol, nach dem sie gesucht hatte. Was nicht heißt, dass sie München langfristig große Chancen einräumt. "Berlin ist doch das Offenste und Toleranteste, was Deutschland zu bieten hat", stellt sie klar. "In der Stadt ist einfach was los. Außerdem leben meine Mutter und meine Schwestern hier, auch viele Freunde. Berlin ist wie ein Heimspiel für mich."Ein langer Abschied, 20.15 Uhr, ARD------------------------------"Man vergisst so leicht, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist." Sophie von Kessel------------------------------Foto: Ellen (Sophie von Kessel ) will ihre Tochter retten. Um jeden Preis.