Arthur Schopenhauer : Idealismus und Mitleidsethik

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Idealismus und Mitleidsethik - ein Widerspruch in Arthur Schopenhauers Philosophie ?

Idealismus ist “im allgemeinen Sprachgebrauch jede durch echte Ideale und ihre praktische Befolgung bestimmte Weltanschauung und Lebensf�hrung, besonders im Sinne uneigenn�tzigen, aufopferungsvollen Handelns; im Gegensatz dazu steht der Materialismus”.(1) In der Philosophie, vor allem in der von Arthur Schopenhauer , hat jedoch der Begriff Idealismus eine andere Bedeutung:

Nach Schopenhauer ist der Idealismus die Erkenntnis, dass die anschauliche Welt ihr Dasein nur in unserer Vorstellung haben k�nne, und dass es absurd sei, ihr noch ein Dasein au�erhalb und unabh�ngig vom erkennenden Subjekt beizulegen.(2) Dem stellte Schopenhauer den Realismus gegen�ber, nach welchem die Welt unabh�ngig von unserem Erkennen sei. Man denke sich, so eines der Gegenargumente Schopenhauers, eine Welt ohne erkennende Wesen, und setze nun ein solches hinein; dann m�sse die vorher objektiv vorhandene Welt jetzt nochmals, im Gehirn, als eine subjektive, jener genau entsprechende, sich darstellen.(3) Schopenhauer lehnte diese Auffassung zum Beispiel mit den Worten ab: "Wie wenig geeignet zum philosophischen Nachdenken der menschliche Verstand in der Regel sei, zeigt unter Anderem sich darin, da� auch jetzt, [...] immer noch dem Idealismus der Realismus getrost entgegentritt, mit der naiven Behauptung, die K�rper w�ren als solche nicht blo� in unserer Vorstellung, sondern auch wirklich und wahrhaft vorhanden".(4) Der "Haupteinwand", den der Realismus gegen den Idealismus vorbringe, sei laut Schopenhauer "wohl dieser: Auch meine eigene Person ist Objekt f�r einen Andern, ist also dessen Vorstellung; und doch wei� ich gewi�, da� ich daw�re, auch ohne da� Jener mich vorstellte".(5)

Schopenhauer versuchte diese und andere Einw�nde gegen den ziemlich extremen Idealismus seiner Philosophie mit gro�em Scharfsinn und schriftstellerischen K�nnen zu entkr�ften. Jedoch selbst einige seiner engsten Anh�nger - wie etwa Frauenst�dt, Becker und v. Do� - konnte er damit nicht voll �berzeugen, denn w�re entsprechend seiner idealistischen Philosophie alle Vielheit dieser Welt nur Vorstellung, erg�ben sich kaum l�sbare Probleme. Das betrifft besonders die Mitleidsethik, die in Schopenhauers Philosophie eine h�chst bedeutsame Stellung einnimmt: Ist die Vielheit blo�e Vorstellung, dann w�rden demnach auch die leidenden Wesen dieser Welt - mithin auch jedes Leid der Menschen und Tiere - nur als Vorstellung im Gehirn des Vorstellenden, als “Phantasmagorie [Trugbild] im Bewusstsein eines Subjekts existieren", das hei�t, eine solche Metaphysik "h�tte weder f�r Mitleid noch f�r Verantwortung Platz".(6) 

Die hier kurz am Beispiel der Mitleidsethik aufgezeigte Problematik hatte jedoch sp�ter Arthur Schopenhauer selbst wesentlich entsch�rft, indem er den in seiner Philosophie zun�chst vertretenen extremen Idealismus einschr�nkte. In seinem 1851, also im letzten Jahrzehnt seines Lebens, erschienenen zweib�ndigen Werk Parerga und Paralipomena findet sich die h�chst be- merkenswerte Erkenntnis, "da� die Individualit�t nicht allein auf dem principio individuationis beruht und daher nicht durch und durch blo�e Erscheinung ist; sondern da� sie im Dinge an sich, im Willen des Einzelnen, wurzelt: denn sein Charakter selbst ist individuell. Wie tief nun aber hier ihre Wurzeln gehn, geh�rt zu den Fragen, deren Beantwortung ich nicht unternehme".(7) Erl�uternd dazu hei�t es im Kleinen Schopenhauer-Lexikon: "Aufgrund dieser Einschr�nkung ist also die Individualit�t die Vielheit und Verschiedenheit der Dinge, nicht blo�e Erscheinung, sondern irgendwie ein Ausdruck des Dinges an sich".(8)

Zu dem von Schopenhauer vertretenen Idealismus und dessen sp�tere Einschr�nkung nahm Julius Frauenstadt, der den Philosophen noch pers�nlich dazu befragen konnte, ausf�hrlich Stellung. In seinem gemeinsam mit Ernst Otto Lindner (ebenfalls ein enger Vertrauter Schopenhauers ) herausgegebenen Buch: Arthur Schopenhauer : Von ihm. Ueber ihn schrieb er: Aus allem diesem geht zur Gen�ge hervor, wie falsch und ungerecht der noch immer gegen Schopenhauer erhobene Vorwurf ist, da� in seinem System die Individualit�t, die Vielheit und Verschiedenheit der Dinge, blo�er Schein und T�uschung sei.(9)

Diese Klarstellung ist von erheblicher Bedeutung, denn sie tr�gt nicht nur dazu bei, den vermeintlichen Konflikt zwischen Idealismus und Mitleidsethik aufzul�sen, sondern verhilft auch zu einem neuen, besseren Verst�ndnis wesentlicher Teile der Philosophie Schopenhauers. Jedenfalls d�rfte nun klar sein: Das Mitleid, das bei Arthur Schopenhauer eine zentrale Bedeutung hat wie wohl bei keinem  anderen weltbekannten Philosophen, bezieht sich nicht auf ein blo�es Scheingebilde. Es sind wirklich existierende leidende Wesen, f�r die wir - wenn �berhaupt - im t�glichen Leben Mitleid empfinden.
                

Anmerkungen
(1)   Philosophisches W�rterbuch, begr. von Heinrich Schmidt,
        neu berarb. von Georgi Schischkoff, 21. Aufl.,
        Stuttgart 1982, S. 301 (Stichwort: Idealismus ).
(2)   Arthur Schopenhauer , W II, S. 5.
(3)   Ebd., S. 11.
(4)   Arthur Schopenhauer , P II, S. 39.
(5)   Arthur Schopenhauer , W II, S. 6 f.
(6)   Dieter Birnbacher, Schopenhauer. Stuttgart 2009, S: 116.
        Eine �hnliche Problematik ergibt sich beim Buddhismus im
        Hinblick auf das Mitleid (kuruna), wenn die buddhistische
        Anatta-Lehre im nihilistischen Sinne interpretiert wird (s. > dort ).
(7)   Arthur Schopenhauer , P II, S. 243.
(8)   Volker Spierling,: Kleines Schopenhauer-Lexikon,
        Stuttgart 2010, S. 182 f.
(9)   Ernst Otto Lindner und Julius Frauenst�dt, Arthur Schopenhauer :
        Von ihm. Ueber ihn, Berlin 1863, S. 435.

Weiteres

Upanishaden und Schopenhauer : Einheit und  Vielfalt > Link

Der Monismus, die Lehre von der Alleinheit, in den Upanishaden
und Schopenhauers Philosophie
>  Link

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