"Hart aber Fair": "Sozialblindheit" der Mietpreisbremse enthüllt | Abendzeitung München

"Hart aber Fair": "Sozialblindheit" der Mietpreisbremse enthüllt

Nach der Reportage "GAU am Bau" widmete sich auch Louis Klamroth am Montagabend der Frage, die viele in Deutschland zum Verzweifeln bringt: Warum wird Wohnen immer teurer? Unter anderem zu Gast bei "Hart aber fair": SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, der gegen die FDP austeilte.
| Doris Neubauer
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"FDP und Grüne sind schuld": "Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth übersetzte die Worte von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert eigenwillig.
"FDP und Grüne sind schuld": "Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth übersetzte die Worte von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert eigenwillig. © WDR / Oliver Ziebe

Die Bau-Doku, die Das Erste vor "Hart aber fair" ausgestrahlt hatte, endete mit einem Happy End: dem Finden der perfekten, neuen Wohnung. Darauf hoffen Ricardo Ewert und Virginia Leffke mit ihren dreijährigen Töchtern seit mehr als vier Jahren. Zu viert leben sie auf 65 Quadratmetern in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin. Die Suche nach einer Größeren sei bisher gescheitert: Auf maximal zehn Prozent ihrer über 300 Wohnungsbewerbungen erhielte die Familie eine Antwort, bei drei Prozent käme es zu einem Besichtigungstermin. "So wie Ihnen geht es vielen in Deutschland", bestätigte Moderator Louis Klamroth.

Wie könnte man den Makler so beeindrucken, dass man selbst die Wohnung erhielte und nicht die 200 Anderen? Klamroth richtete die Frage an Immobilienunternehmer Jürgen Michael Schick. Stände man für eine der raren Vier-Zimmer-Wohnungen Schlange "bekommt nicht die Familie die Wohnung, sondern der Chefarzt, weil der pekuniär besser bestellt ist", erklärte der Experte. Die Mietpreisbremse brauche dieser nicht, "und die, die sie bräuchten, kriegen sie nicht", erklärte er. "Die Mietpreisbremse ist sozial blind auf einem Auge."

Kümmert sich der Staat um die Einhaltung der Mietpreisbremse?

Gitta Connemann (CDU), Heidi Reichinnek (Linke), Kevin Kühnert (SPD), Moderator Louis Klamroth, Moderatorin Tine Wittler, Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen und Immobilienunternehmer Jürgen Michael Schick diskutierten bei "Hart aber fair" über den Wohnungsmarkt.
Gitta Connemann (CDU), Heidi Reichinnek (Linke), Kevin Kühnert (SPD), Moderator Louis Klamroth, Moderatorin Tine Wittler, Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen und Immobilienunternehmer Jürgen Michael Schick diskutierten bei "Hart aber fair" über den Wohnungsmarkt. © WDR / Oliver Ziebe

"Mietpreisbremse" war in der teils wirren Debatte an diesem Abend bereits mehrfach gefallen. Klamroth beugte sich schließlich dem Druck aus der Runde: "Ich sehe, Sie wollen alle über die Mietpreisbremse reden." Die 2015 von der Großen Koalition eingeführte Regelung, laut der Mieten in gefragten Regionen bei Neuvermietungen nur zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen dürfen, funktioniere angesichts von "Schlupflöchern" wie möblierten oder befristeten Wohnungen nicht, zitierte er Kritiker.

Heidi Reichinnek (Die Linke) plädierte stattdessen für einen "Mietendeckel. Da muss der Staat eingreifen". Dass dieser sich um die Einhaltung von geltenden Gesetzen kümmern müsse, der Ansicht war auch Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen. Das sei hier nicht der Fall, "die Mietpreisbremse funktioniert nur, wenn man sehr kaltschnäuzig ist als Mieter." Man müsse als Privatperson Sorge tragen, dass sich andere ans Gesetz halten. Er riet, sich zuerst an den Vermieter zu wenden. Auch bei Mietervereinen, Finanzdienstleistern oder Anwälten könne man Hilfe suchen.

Kevin Kühnert mahnt die FDP zur Vertragstreue

Die Mietpreisbremse habe große Defizite, lenkte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ein. Diese Lücken müssten geschlossen werden. Es gebe bereits eine Vorlage für eine Verlängerung der Mietpreisbremse, allerdings fehle die gemeinsame Mehrheit in der Koalition. "FDP und Grüne sind schuld", übersetzte Klamroth. Mit den Grünen wäre man sich schnell einig, korrigierte Kühnert.

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Für den anderen Koalitionspartner fand er weniger sanfte Worte: Seit mehr als zwei Jahren blieben die Gesetzesentwürfe des "zuständigen FDP-Justizministers Marco Buschmann aus", nutzte er die Gelegenheit, "um die Kollegen der FDP anzumahnen, vertragstreu zu sein und jetzt mal bald Gesetzesentwürfe einzubringen". Leider hätte Klamroth niemanden von der FDP eingeladen, bedauerte er und holte zum Rundumschlag aus: Vielleicht wären erkenntnisreiche Gespräche zustande gekommen. "Mit der Union war es nicht ertragreich in den letzten Jahren, über das Thema Mietrecht in Deutschland zu sprechen", meinte er mit Blick auf die anwesende CDU-Politikerin Gitta Connemann. 

Kühnert: "Manches ist Bürokratie-Abbau, manches ist Sozialabbau!"

"Wir hängen uns an der Mietpreisbremse auf - seit 30 Minuten", hielt Autorin und Moderatorin Tine Wittler schließlich die Diskussion abrupt an. Es komme ihr so vor, als versuche man den heruntergefallenen Putz mit Zahnpasta wieder anzukleben, versuchte sie es mit einer Haus-Analogie. Man habe in den letzten Jahren das Dach zu doll belegt, dabei seien gleichzeitig die bürokratischen Strukturen explodiert. Bevor er die Bürokratie thematisierte, wollte Klamroth aber über den fehlenden Neubau sprechen: "Ich stelle hier die Fragen", erstickte er die laut werdende Debatte im Keim.

Autorin und Moderatorin Tine Wittler, bekannt aus der Ex-RTL-Show "Einsatz in 4 Wänden", machte auf die Situation von Obdachlosen aufmerksam.
Autorin und Moderatorin Tine Wittler, bekannt aus der Ex-RTL-Show "Einsatz in 4 Wänden", machte auf die Situation von Obdachlosen aufmerksam. © WDR / Oliver Ziebe

400.000 neue Wohnungen pro Jahr hatte die Ampel-Regierung versprochen, allerdings wurden 2023 nur rund 260.000 neue Wohnungen genehmigt. "Wenn ich 400.000 Wohnungen bauen will, aber die Förderkulisse einreiße und Auflagen verschärfe, dann passt das nicht zusammen", wollte CDU-Politikerin Connemann das Problem kennen. Hinzu kämen steigende Zinsen und höhere Materialkosten. "37 % der Baukosten sind staatlich bedingt", nannte sie zudem Zahlen aus der vorangehenden Dokumentation. Diese seien zu kürzen.

"Augen auf, wenn in der Politik nach Abbau von Bürokratie gerufen wird", warnte Kühnert: "Nur manches ist Bürokratie-Abbau, manches ist Sozialabbau!" Gleichzeitig betonte er, dass sich die Politik "in der Zielsetzung, aber nicht in einzelnen Maßnahmen einig" wäre. So hätte die Ampel-Regierung den Gebäudetyp-e auf den Weg gebracht, für den diverse Regulierungen wegfielen ("Sie haben es angekündigt", besserte Connemann aus). Auch die Grunderwerbssteuer zu senken, sei möglich. Generell "bin ich optimistischer als beim Mietrecht, dass wir das hinkriegen", fügte Kühnert hinzu. 

Connemann: "Neubauten sind der beste Schutz vor hohen Mieten"

Große "Immobilienkonzerne auf Shoppingtour" - auf die sich Linken-Politikerin Reichinnek immer wieder bezogen hatte - seien in Deutschland die Minderheit. Zwei Drittel seien Privatpersonen, die ein bis vier Wohnungen "zur Altersvorsorge" vermieten. "Lassen Sie uns dieses Segment stärken mit Kommunalen und Genossenschaften, dann haben wir gesunde Wohnungsmärkte, auf denen mehr Menschen zufrieden sind als im Moment", urgierte Kühnert. Genossenschaften hätten sich bewährt, stimmte Connemann zu. Doch "das größte Problem ist der massive Mangelmarkt", forderte sie Investitionen. Denn da helfe nur "bauen, bauen, bauen - Neubauten sind der beste Schutz vor horrenden Mieten." 

Das letzte Wort hatte Tine Wittler: Wohnungs- und Obdachlosigkeit seien enorm gestiegen, lud sie den "Faktencheck" - zum zweiten Mal an diesem Abend - zum Prüfen der genauen Zahl ein. Auf die über 600.000 Betroffenen müsse man ebenfalls gucken. Denn auch wenn manche in zu kleinen oder zu teuren Wohnungen lebten, "die meisten, die hier sitzen, haben ein Dach über den Kopf", betonte sie.

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10 Kommentare
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  • Redakteur am 07.05.2024 11:24 Uhr / Bewertung:

    Wer schaut sich so etwas ernsthaft an im Zwangsgebühren-TV?

  • FRUSTI13 am 07.05.2024 10:54 Uhr / Bewertung:

    Das Wichtigste wurde ja gar nicht angesprochen. Wo soll den der Grund und Boden, speziell in den Ballungsräumen, für all die benötigten Neubauwohnungen herkommen?

  • ClimateEmergency am 07.05.2024 11:31 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von FRUSTI13

    Parkplätze, überdimensionierte Straßrn