Stonehouse: Kritik zur dreiteiligen Polit-Dramedyserie auf arte
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Stonehouse: Kritik zur dreiteiligen Polit-Dramedyserie auf arte

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Matthew Macfadyen als John Stonehouse in der Serie „Stonehouse“
Matthew Macfadyen als John Stonehouse in der Serie „Stonehouse“ © BritBox

Mit „Stonehouse“ hat arte eine dreiteilige britische Polit-Dramedyminiserie ins Portfolio aufgenommen, die auf wahren Begebenheiten beruht und dank eines herrlich borniert aufspielenden Matthew Macfadyen sowie einer interessanten Geschichte für großartige Unterhaltung sorgt. Weiteres dazu in unserem Review.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Das passiert in der Serie „Stonehouse“

England 1974: Der britische Labour-Abgeordnete John Stonehouse (Matthew Macfadyen) hat sich gründlich verzockt. Erst hat er sich als Regierungsrepräsentant in der Tschechoslowakei in einer kompromittierenden Situation filmen und anschließend als Spion rekrutieren lassen, dann legte er seine mit unbrauchbaren Informationen bezahlten Gelder schlecht an.

Zu guter Letzt kassiert er im Fernsehen gegen die Eiserne Lady Margaret Thatcher eine herbe Niederlage, die dazu führt, dass seine Partei die Wahl verliert. Als wäre dies nicht genug, betrügt er seine Frau mit seiner Sekretärin und ist auch noch hochverschuldet. Um seinen Hals aus der sich immer enger ziehenden Schlinge zu ziehen, sieht er nur noch einen Auweg: eine falsche Identität annehmen und in Australien mit seiner Geliebten ein neues Leben beginnen. Doch selbst dies will dem glücklosen Möchtegern nicht gelingen.

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Mit Humor zum Ziel

Die Geschichte des John Stonehouse ist so verrückt, dass man sich wundert, warum sie nicht schon viel früher verfilmt wurde. Die Biografie des ehemaligen Labour-Abgeordneten mutet nämlich beinahe zu skurril an, um wahr sein zu können. Und doch halten sich die Ereignisse, die als Deutschlandpremiere in der dreiteiligen britischen Miniserie in der arte-Mediathek zu sehen sind, weitestgehend an die Fakten. Ein wenig dramaturgische Ausschmückung hier und da darf aus unterhaltungstechnischen Gründen natürlich nicht fehlen, so wurde die im Dreiteiler gezeigte Agentenarbeit des Parlamentariers beispielsweise zwar vermutet, aber nie bewiesen.

Entsprechend komödienhaft und spaßig inszenieren Drehbuch-Autor John Preston und Regisseur Jon S. Baird diesen Teil seines Lebens. Johns Rekrutierung verläuft klischeehaft über ein Sexvideo, das der feindliche Geheimdienst von ihm eine Nacht zuvor aufnahm. Statt jedoch geschockt zu sein, fragt Stonehouse lediglich nach dem Honorar, so dass die Findigkeit der Figur direkt in den Vordergrund gerückt wird. Leider sind die Informationen, mit denen er seinen Verbindungsmann versorgt, vollkommen unbrauchbar und werden entsprechend genervt von diesem kommentiert. Matthew Macfadyen spielt die Hauptfigur allerdings auch mit einer so großen Portion bornierter Dreistigkeit, dass man kaum an ihm vorbeikommt und selbst dann gebannt an seinen Lippen hängt, wenn er wieder einmal irgendein Chaos in seinem Leben anrichtet.

Durch und durch ein Möchtegern

Und davon gibt es in „Stonehouse“ tatsächlich reichlich, denn John ist zwar charismatisch, aber nach Lesart der Miniserie eben auch nicht unbedingt der Klügste. Ständig lebt er über seinen Verhältnissen, tätigt irgendwelche obskuren Investitionen, die natürlich schief gehen, oder muss sich aus einem soeben begangenen Fauxpas retten. Die jeweiligen Situationen sind stellenweise vielleicht etwas zu episodisch aneinandergereiht, so dass der einzige Faden in der Geschichte John Stonehouse selbst ist. Eine Folge mehr hätte hier sicherlich Wunder gewirkt, um der Miniserie ein stabileres Grundgerüst zu verpassen. Doch in Anbetracht des hohen Unterhaltungswerts und der routinierten Inszenierung ist dies nun wirklich meckern auf hohem Niveau, zumal sich dieser Eindruck ab Folge zwei verflüchtigt.

Die Debütepisode endet mit Johns vorgetäuschten Tod, den er monatelang vorbereitet hat. Inzwischen hat er sich nämlich so sehr in die Bredouille gebracht hat, dass er keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich abzusetzen. Ansonsten droht ihm nicht nur die Pleite, sondern auch eine Anklage wegen Betrugs und schlimmstenfalls Landesverrat. Lediglich seine Geliebte Sheila weiß von seiner Tat und folgt ihm nach Australien, wo die beiden unter falschem Namen ein neues Leben beginnen wollen. Doch selbst hier gelingt es Stonehouse nicht, aus seiner Haut zu schlüpfen.

Keine Längen

Das „glückliche Paar“ in „Stonehouse“
Das „glückliche Paar“ in „Stonehouse“ © BritBox

Unterlegt von einer humorvollen, an typische Cosy-Crime-Motive angelehnten Musik springt die Produktion zwischen seinem Versuch, in Australien Fuß zu fassen und den dramatischen Ereignissen im Oberhaus hin und her, in dem dank seiner Aktion chaotische Zustände herrschen. Als drittes Thema dient die Verzweiflung und Trauer seiner Familie, die - selbstredend - keine Ahnung vom Treiben Johns hat. Der Szenenaufbau gelingt dabei großartig und wechselt zwischen komödiantischen und dramatischen Elementen, ohne aber zu große Brüche zu verursachen. Beispielsweise tritt Johns Frau nach seinem Verschwinden mit seiner Geliebten in Kontakt, womit eine lose Verbindung zwischen beiden Handlungssträngen hergestellt wird. Im Oberhaus ist Stonehouse wiederum praktisch ständig Thema, so dass auch hier der Kontext stets spürbar bleibt.

In den letzten Szenen der zweiten Folge fliegt Johns Plan - wieder einmal aufgrund seiner eigenen Überheblichkeit - auf und er muss sich vor Frau und Kindern für seine Taten rechtfertigen. Zuerst sieht es so aus, als könne er sein verkorkstes Leben geradebiegen, zumal er nach wie vor eine Stimme im Oberhaus hat, die den Premierminister an der Macht hält. Letztendlich kommt es aber, wie es kommen muss und er wird angeklagt und wegen Betruges zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt hat man zu dem verhinderten Schurken allerdings längst eine gewisse kopfschüttelnde Zuneigung entwickelt, die dazu führt, dass man mit ihm leidet, als er seine Haftstrafe antreten muss.

Fazit

Wunderbar! „Stonehouse“ erzählt nicht nur eine verrückte Geschichte und würzt diese mit einer großen Portion Satire und britischem Humor. Die Hauptfigur ist mit Matthew Macfadyen zudem perfekt besetzt, wobei das restliche Ensemble um Keeley Hawes als Barbara Stonehouse und Emer Heatley als Sheila Buckley ebenfalls zum Gelingen dieser höchst unterhaltsamen Miniserie beitragen. Dramaserie, Komödie, Krimiserie, Agentengeschichte - all das und mehr steckt in der hervorragend inszenierten und ohne Länge vorgetragenen Miniserie, die es in jeder Hinsicht wert ist, gesehen zu werden.

Viereinhalb von fünf Punkten.

Hier abschließend noch der aktuelle Originaltrailer zur Serie „Stonehouse“, die über die arte-Mediathek streambar ist:

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