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Deutscher Herbst Attentat in Karlsruhe

Warum der Mord an Siegfried Buback ungeklärt bleibt

Am 7. April 1977 tötete ein RAF-Kommando den Generalbundesanwalt und zwei Begleiter. Der Anschlag war der Auftakt zur „Offensive 77“ der Terrorgruppe. 40 Jahre später schweigen die Täter noch immer.
Leitender Redakteur Geschichte
Die zweite RAF-Generation

Der Deutsche Herbst gilt als eine der schwersten Krisen der Bundesrepublik. Die Entführungen von Hanns Martin Schleyer und der „Landshut“ nötigten Schmidt die wohl schwierigsten Entscheidungen seiner Karriere ab.

Quelle: Die Welt

Autoplay

Der Amoklauf gegen den Rechtsstaat beginnt morgens wenige Minuten nach neun Uhr. Es ist der 7. April 1977, Gründonnerstag, ein diesiger Tag. Gerade fährt an der Kreuzung Linkenheimer Landstraße und Moltkestraße in der Karlsruher Innenstadt ein blauer Mercedes mit dem Kennzeichen LB-MV 949 an der eben auf Grün gesprungenen Ampel los. Da nähert sich von hinten schnell ein schweres Motorrad mit Fahrer und Sozius der rechten Seite des Wagens.

Als es mit dem langsamen Auto gleichauf rollt, hämmert es kaum mehr als eine Sekunde; der Lärm geht im unmittelbar anschließenden Aufheulen des Motorradmotors unter. Die schwere Suzuki rast davon, der Mercedes rollt langsam aus. Generalbundesanwalt Siegfried Buback und sein Fahrer Wolfgang Göbel sind tot, auf der Rücksitzbank liegt Georg Wurster, der Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft, im Sterben.

Die zweite Generation der Rote Armee Fraktion

Die RAF war verantwortlich für zahllose Morde und für die Schleyer-Entführung. Die sogenannte „Offensive 77“ sollte dazu dienen, inhaftierte RAF-Mitglieder freizupressen. Sie stürzte die Bundesrepublik in ihre schwerste Krise.

Quelle: N24

Mit diesem Dreifachmord begann die „Offensive 77“ der Terrorgruppe RAF, die bis dahin größte Herausforderung der Bundesrepublik. Die Linksextremisten um ihre Anführerin Brigitte Mohnhaupt erklärten dem Staat und seinen Bürgern den Krieg. Sie wollten die Strukturen der Gesellschaft zum Einsturz bringen und außerdem die inhaftierten Gründer der Gruppe freipressen.

Drei Jahrzehnte lang galt der Dreifachmord von Karlsruhe als weitgehend aufgeklärt. Verurteilt wurden dafür 1980 Knut Folkerts sowie 1985 Christian Klar, beide als Mittäter, und Brigitte Mohnhaupt als Rädelsführerin.

Außerdem galt als direkt tatbeteiligt Günter Sonnenberg. Er hatte nachweislich das Motorrad gemietet, die seinerzeit stärkste Serienmaschine der Welt. Freilich wurde Sonnenberg dafür nicht angeklagt, weil er wegen eines anderen versuchten Doppelmordes bereits zu „lebenslänglich“ verurteilt war: Mehr Strafe ging ohnehin nicht.

ARCHIV - Michael Buback, der Sohn des 1977 in Karlsruhe von Terroristen ermordeten Generalbundesanwalts, sitzt am 25.01.2011 als Nebenkläger in einem Gerichtssaal am Oberlandesgericht in Stuttgart (Baden-Württemberg). Im Haus der Geschichte in Stuttgart beginnt am 14.06.2013 eine Ausstellung mit dem Titel: «RAF Terror im Südwesten». Foto: Bernd Weißbrod/dpa Foto: Bernd Weißbrod/dpa (Zu lsw: «Michael Buback: Unaufgeklärte RAF-Morde bedrücken» 14.06.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Michael Buback, der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, hatte das von vornherein aussichtslose Verfahren durch öffentlichen Druck erzwungen
Quelle: picture alliance / dpa

Zehn Tage nach dem 30. Jahrestag des Attentats 2007 jedoch veröffentlichte Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwaltes, einen viel beachteten Artikel. Darin berichtete er von einem Anruf der ehemaligen Nummer zwei der RAF, Peter-Jürgen Boock. Der habe ihm gesagt, dass weder Klar noch Folkerts und auch nicht Sonnenberg der Todesschütze gewesen sei. Sondern möglicherweise Stefan Wisniewski, ein weiterer RAF-Terrorist.

Alle deutschen Medien stiegen auf die Story ein. Michael Buback schrieb den Bestseller „Der zweite Tod meines Vaters“, ein Buch voll unbelegter Verschwörungstheorien. 2010 bis 2012 kam es zu einem enorm teuren Strafprozess gegen die Terroristin Verena Becker.

Doch das Verfahren, von Sohn Buback geschickt über die Öffentlichkeit erzwungen, brachte trotz 100 Verhandlungstagen und 165 Zeugen rein gar nichts. Zwar wurde Becker zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt, doch absitzen musste sie nur vier Wochen Untersuchungshaft. Das eigentliche Ereignis war, dass Mohnhaupt, Klar, Wisniewski, Folkerts und andere Linksextremisten als Zeugen erschienen und schwiegen – obwohl jeder von ihnen mit Sicherheit wusste, wer die tatsächlichen Täter waren. Der Rechtsstaat konnte sie nicht zu einer ehrlichen Aussage zwingen, obwohl keinem von ihnen noch eine weitere Strafe drohte; alle waren bereits wegen der Morde 1977 pauschal verurteilt.

epa03297448 Former RAF terrorist Verena Becker attends her sentencing in the trial surrounding her participation in the 1977 murder of German Attorney General Siegfried Buback, Stuttgart, Germany, 06 July 2012. Becker, 59, was sentenced to four years in jail for her role in the assassination in April 1977 of the nation's chief prosecutor, Siegfried Buback. The court's conviction of Verena Becker helped to shed some light on one of the most notorious and puzzling murders carried out by the 1970's terrorist group, the Red Army Faction (RAF), which was involved in more than 30 killings throughout the country. This included the drivers and officials accompanying the RAF's targets. But in handing down its decision Friday, the court in Stuttgart was still unable to say who actually fired the shot that killed Buback, a former member of the Nazi Party and an outspoken critic of the RAF. EPA/BERND WEISSBROD |
Die Terroristin Verena Becker bei ihrem Prozess 2010 in Stuttgart
Quelle: picture alliance / dpa

So hatte die öffentliche Kampagne von Michael Buback das Gegenteil von Aufklärung gebracht, nämlich völlige Verunsicherung über die Hintergründe des Dreifachmordes. Zum 40. Jahrestag bringt jetzt der Rechtsanwalt und RAF-Experte Butz Peters wenigstens etwas Ordnung in die verwirrte Situation. Er setzt sich in seinem Buch „1977“ mit den fünf wichtigsten Thesen rund um das Buback-Attentat auseinander.

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Bis heute fehlt jeder ernst zu nehmende Hinweis, dass mit Klar, Folkerts und Sonnenberg nicht die tatsächlichen Mitglieder des Mordkommandos ermittelt worden waren. Wertlos sind insbesondere alle Aussagen von Boock, denn er trägt nicht umsonst den Spottnamen „Karl May der RAF“.

Folkerts hat zwar in einem Interview mit dem „Spiegel“ beteuert, am 7. April 1977 in Köln eine Bank für einen geplanten Überfall ausgespäht zu haben. Doch das könnte lediglich eine Schutzbehauptung sein.

Die Beschuldigung, Wisniewski habe als Schütze auf dem Soziusplatz der Suzuki gesessen, soll angeblich auf eine Aussage der RAF-Aussteigerin Silke Maier-Witt zurückgehen. Doch die ehemalige Kurierin der Terrorgruppe hatte schon nach ihrer Festnahme in der DDR 1990 und erneut 2010 bestritten, das jemals gesagt zu haben.

Ein Mann schaut sich am 20.11.2014 im Deutschen Historischen Museum in Berlin in der Ausstellung "RAF - terroristische Gewalt" das Tatmotorrad des Buback-Anschlags von 1977 an. Die Ausstellung kann bis zum 08.03.2015 besichtigt werden. Foto: Britta Pedersen/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Mit diesem Motorrad kamen die Mörder: Der RAF-Terrorist Günter Sonnenberg hatte die schwere Suzuki gemietet
Quelle: picture alliance / dpa

Weiterhin ist die Behauptung nachweislich falsch, eine „schützende Hand des Staates“ habe dafür gesorgt, dass Beckers Rolle beim Buback-Mord nicht aufgeklärt worden sei. Michael Buback hatte in verschiedenen Versionen immer wieder angedeutet, dass sie bereits vor dem Dreifachmord als V-Frau des Bundesamtes für Verfassungsschutz gearbeitet hätte.

Obwohl die Verfassungsschützer möglicherweise wichtige Akten zu diesem Komplex immer noch geheim halten, kann Peters die These widerlegen: Becker arbeitete zwar 1981 tatsächlich kurz mit dem Kölner Amt zusammen – doch das Ermittlungsverfahren gegen sie wegen einer mutmaßlichen Beteiligung am Karlsruher Attentat war mangels hinreichenden Tatverdachts schon im März 1980 eingestellt worden.

Nichts spricht weiterhin dafür, dass eine Frau am 7. April 1977 hinten auf dem Motorrad gesessen und geschossen habe. Vor Gericht konnte kein Zeuge diesen von Michael Buback erweckten Eindruck bestätigen.

„Außergewöhnlich“ schwierige Beweisführung

Schließlich ist nicht damit zu rechnen, dass der Dreifachmord noch aufgeklärt werden kann. 2012 hatte der Gerichtsvorsitzende im Becker-Prozess festgestellt, dass „wegen der lange zurückliegenden Tat“ die Beweisschwierigkeiten „außergewöhnlich“ gewesen seien. Unter anderem daraus resultierte das geringe Strafmaß, das auch Teil einer Absprache zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigern gewesen sein dürfte.

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Dass die wahren Täter und die Rädelsführerin Mohnhaupt ihr fraglos vorhandenes Wissen offenbaren werden, ist extrem unwahrscheinlich. Sie könnten jede Frage zum Deutschen Herbst 1977 beantworten, doch sie genießen lieber das Gefühl, den Rechtsstaat und die demokratische Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen. Man sollte es ihnen nicht zu leicht machen, indem man die Bedeutung der Frage nach dem konkreten Schützen überbetont.

Butz Peters: „1977. RAF gegen Bundesrepublik. (Droemer, München. 576 S., 26,99 Euro)

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