Wer mit amerikanischen Filmen aufgewachsen ist, muss sich die High School als Inferno vorstellen – als Tummelplatz des Gemeinen, Niederträchtigen und Fiesen. Und nichts anderes bedeutet das „Mean“ in „Mean Girls“ (2004), jenem Klassiker der Jahrhundertwende, in dem pink gekleidete Teenager sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen.
Die Komödie, die sich ähnlich wie die High-School-College-Exegesen „Zehn Dinge, die ich an dir hasse“, „Natürlich Blond“ und „Gossip Girl“ ins kulturelle Gedächtnis einschrieb, nein, wie Glitzer nach einer Party daran kleben blieb, basiert auf Rosalind Wisemans Ratgeber-Buch für Eltern „Queen Bees and Wannabes“ (2002), einem Leitfaden durch das komplizierte Verhalten weiblicher Cliquen. 2017 erschien dann das erfolgreiche Broadway-Musical „Mean Girls“, das wiederum die Vorlage für die jetzt im Kino anlaufende Neuverfilmung „Mean Girls“ liefert.
Verändert hat sich unter der Regie von Samantha Jayne und Arturo Perez kaum etwas: Wieder sehen wir Cady dabei zu, wie sie mit ihrer Mutter aus Kenia in die USA zieht und dort nach jahrelangem Homeschooling an einer neuen Schule Fuß fassen muss – mit allem, was dazu gehört: Als sie das erste Mal die Mensa betritt, werden blitzschnell Rucksäcke und Tablette verschoben, Zeichen, für die Cady keinen komplizierten Interpretationskurs benötigt, und folglich allein auf dem Klo isst.
Um ihrem Schwarm Aaron (Christopher Briney) zu gefallen, stellt Cady sich dümmer, als sie ist, nimmt sogar schlechte Mathenoten in Kauf, damit sie einen Grund hat, ihn um Nachhilfe zu bitten. Auf einer Halloweenparty verkleidet Cady sich als Einzige gruselig statt sexy, wofür ihr von ihren Freundinnen mangelnder Feminismus vorgeworfen wird.
Da ist der Klatsch und Tratsch vor Schließfächern, der verstummt, wenn die Schuldiva oder der High-School-Schwarm um die Ecke biegen und den Flur in einen Laufsteg verwandeln. Da ist das Manövrieren durch die verschiedenen Cliquen, von den Sportlern über die Streber bis hin zu den „Plastics“. Und da ist die Schulabschlussfeier, auf der Cady einen Preis entgegennimmt, den sie gerührt in Stücke bricht, um ihn mit allen im Saal zu teilen.
Mit Szenen wie diesen hat „Mean Girls“ ein eigenes Genre geprägt, Vertreter jeder Generation kennen die Dialoge auswendig, jede Mensa-, Klassenzimmer- oder Turnhallenfilmszene nach 2004 musste sie zitieren oder sich zumindest irgendwie zu ihnen verhalten. Das weiß Tina Fey natürlich, die bereits das Drehbuch für das Original schrieb, und die auch in der neuen Version so eng an das alte Skript gefesselt scheint wie die Plastics an ihre Kleidungsregeln (mittwochs nur Pink, Jeans nur freitags, Zopf nur einmal pro Woche). Smartphones kommen zwar vor, verblassen jedoch neben der destruktiven Kraft des legendären „Burn Books“, eines Läster-Buchs, das Fotos und gemeine Beschreibungen von Mitschülern und Lehrern sammelt.
Neu sind lediglich die Gesichter – zumindest manche. Cady wird zwar von Angourie Rice („Die Verführten“) statt von Lindsay Lohan gespielt, doch Lohan tritt für den Nostalgieeffekt in einem kurzen Cameo auf – eine Szene, für die die Schauspielerin angeblich 500.000 Dollar erhielt. Auch Tina Fey ist in der gleichen Rolle der Mathelehrerin Frau Norbury wie im Original zu sehen, ebenso Tim Meadows als Schulleiter Mr. Duvall. Die Sängerin Reneé Rapp (die auch im Broadway-Musical mitspielte) verführt mit einem teuflisch charmanten Lächeln in der Rolle von Regina George, der Anführerin der Plastics-Clique. Während die Kamera ehrfurchtsvoll an ihrem gestählten Körper hochgleitet, singt sie mit einer Energie, wie sie nur Schurken aufbringen, dass sie die Welt brennen sehen und alle unter ihrem Louboutin-Absatz zermahlen wolle.
Abwertung weiblichen Geredes
Aber „Mean“ bedeutet übersetzt auch Durchschnitt, Mittelmaß. Und das wirft die Frage auf, ob sich – 20 Jahre nach dem Original – durchschnittliche Jugendliche heute immer noch innerhalb des dargestellten Verdachts-, Betrugs- und Konkurrenzsystems begegnen. Hat die Generation Z mit der hier angeprangerten toxischen Weiblichkeit überhaupt noch viel am Hut?
Und taugt ein Film, der Frauen allein als Zicken, Betrügerinnen und Lügnerinnen darstellt, die sich alle um den gleichen Mann zanken und nur mittels Boshaftigkeit zum Schulstar aufsteigen können, überhaupt zum feministischen Kultobjekt? Einen Originalitätspreis hatte die an pädagogischer Bravheit kaum zu übertrumpfende Botschaft „Sei nett, nicht fies“ zwar auch 2004 nicht verdient, 2024 jedoch wirkt sie bestenfalls abgedroschen. Wäre eine feministische Ode an die verbindende, emanzipative Funktion von Klatsch und Tratsch nicht überraschender als die hier vorgenommene einfallslose Abwertung weiblichen Geredes?
Interessanter als die immer gleichen zermürbenden Kämpfe um Beliebtheit und den Traummann wären Beispiele schwesterlicher Solidarität (wie in „Barbie“) oder witziger Genre-Subversionen (wie in „Bottoms“, „Lady Bird“, „Juno“) gewesen. Man hätte die Verwüstungen, die Mobbing anrichtet, auch auf eine radikal metaphorische Ebene heben können wie die südkoreanische Zombie-Serie „All of Us are Dead“. Aber wie die Musical-Verfilmung es angeht, wirkt die Farce zu moralisch, um wirklich Spaß zu machen, und zu altbacken, um wirklich moralisch zu sein.