Malu Dreyer legt Amtseid ab

Zehn Jahre Ministerpräsidentin Malu Dreyer

"Die Verunsicherung ist einfach riesig, auch in der Bevölkerung."

Stand
INTERVIEW
Kai Dietzemann

Malu Dreyer (SPD) feiert heute ihre zehnjährige Amtszeit als Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Über ihre Erfolge, Krisen ihrer Regierungszeit und ihre Nachfolge spricht sie im Interview mit SWR Aktuell.

Anlässlich ihres zehnjährigen Amtsjubiläums hat SWR Aktuell die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu den Höhen und Tiefen ihrer Amtszeit befragt.

SWR Aktuell: Frau Dreyer, treten Sie noch mal zur nächsten Wahl an?

Malu Dreyer (lacht): Das ist heute überhaupt gar nicht die Frage. Jetzt gilt erst mal, dass ich gewählt worden bin bis zum Ende der Legislaturperiode und ich kann nur sagen: Ich bin sehr gerne Ministerpräsidentin und die Zeiten sind auch so, dass sie gestaltet werden wollen und ich möchte weitergestalten.

SWR Aktuell: Was würden Sie sagen, ist der größte Erfolg der letzten zehn Jahre gewesen für Sie?

Dreyer: Also ich denke, der größte Erfolg der letzten Jahre ist schon so ein kleines Bündel und das beginnt damit, dass unser Bundesland wirtschaftlich sehr sehr stark ist. Wir sind zum ersten Mal Geberland in der Geschichte von Rheinland-Pfalz. Wir sind nach wie vor eines der Top drei Bundesländer, was die Arbeitslosenquote betrifft. Und natürlich ist es auch so, dass wir ja wissenschaftlich sehr stark sind.

Dass wir Familienland sind, die Menschen sich verlassen können, dass sie Beruf und Familie vereinbaren. Mit den kleinsten Grundschulen, mit gebührenfreier Bildung. Aber auch mit der Schule der Zukunft. Und was ich sehr wichtig finde, trotz aller Krisen haben die Menschen im Land Rheinland-Pfalz immer wieder gezeigt, dass wir ein Zusammenhaltsland sind.

SWR Aktuell: Sie haben die Wahl 2016 - die schien ja fast verloren - dann noch gedreht und gewonnen - die letzte Wahl auch gewonnen. Was ist das Geheimnis? Wie gewinnen Sie die Wahlen?

Dreyer: Also zum einen glaub ich, dass ich eine sehr fleißige Person bin und wirklich mich in die Themen immer sehr stark einarbeite. Aber das wahre Geheimnis ist vielleicht auch, dass ich ja selbst dieses Motto geprägt habe: 'Die Zukunft ist meine Freundin'. Ich glaube auch daran, dass die Zukunft unsere Freundin ist.

Das heißt, ich möchte gestalten, ich möchte die Themen nicht abwarten, bis sie kommen und dann vielleicht etwas tun. Sondern ich will agieren und ich nehme tatsächlich die Herausforderung der Zukunft an und gestalte sie. Das tue ich mit den Menschen hier in unserem Bundesland. Und ich glaube, dass das bei vielen Menschen auch ankommt, dass ich da ehrlich, fleißig und vor allem auch vorausschauend agiere und das mit sehr viel Gestaltungslust und -wille gemeinsam mit den Menschen.

SWR Aktuell: 2016 nach der gewonnenen Wahl kam kurz danach der Verkauf vom Hahn und das Misstrauensvotum. Wie würden sie das beschreiben, war das die schwerste Stunde - oder war das eine Niederlage?

Dreyer: Das war auf jeden Fall eine sehr schwere Situation auch für mich, weil ich unmittelbar nach der Wahl ja grade das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen gewonnen hatte und dann diese Situation. Wir konnten danach den Hahn privatisieren - er ist heute privatisiert. Damals, diese Situation, wollte ich nicht noch mal erleben. Es war keine schöne Zeit, das ist ganz klar. Heute kann ich sagen, der Hahn ist privatisiert. Er geht durch Höhen und Tiefen wie alle Flughäfen auch - und wenn man sieht, dass wir eine Pandemie hinter uns haben.

Auch wenn der Insolvenzverwalter tatsächlich auch nicht eine ganz leichte Rolle hat, aber für die Passagiere am Hahn und auch für die Beschäftigten ist im Moment die Situation so, dass der Hahn nach wie vor ein Flughafen ist und ich hoffe, dass es auch weiterhin so sein wird.

SWR Aktuell: Jetzt haben wir den Untersuchungsausschuss zur Ahrtalflut - würden Sie sagen, dass ist quasi die größte Krise in Ihrer bisherigen Zeit?

Dreyer: Die Naturkatastrophe im Ahrtal ist eine wirkliche Zäsur in unserem Land. Wir haben noch nie zuvor jemals eine solche Katastrophe erlebt. Und deshalb ist es - man kann es nicht anders beschreiben - wie eine Zäsur. Und natürlich, der Untersuchungsausschuss ist eingesetzt worden, um aufzuklären, wer hat welche Verantwortung zu tragen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Landrat.

Für mich ist die Hauptaufgabe natürlich auch zu lernen. Und eines scheint mir heute schon völlig klar zu sein, der Katastrophenschutz, der 75 Jahre lang in diesem Land funktioniert hat, auch bei schlimmen, schlimmen Hochwassern, er war eigentlich von den Strukturen her zu klein für eine solche Dimension der Krise. Und daraus ziehen wir die Konsequenzen und die Verpflichtung, die ich im Tal auch immer wieder deutlich mache, dass ich mit meinem Team und den Menschen vor Ort das Tal auch wieder aufbaue und zukunftsfähig mache. Dieser fühle ich mich wirklich immer verbunden.

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SWR Aktuell: Die Opposition kritisiert, jetzt sind zwei Minister zurückgetreten, über die Flut im Ahrtal. Sie werden wahrscheinlich ja auch noch mal als Zeugin geladen werden. Sehen Sie Versäumnisse bei sich selbst? Ihre Argumentation ist ja auch, dass Sie sagen, man konnte es nicht absehen an dem Tag. Die gleiche Argumentation hat ja Roger Lewentz auch lange gehabt, ist dann letztlich zurückgetreten. Sehen Sie eine eigene persönliche Verantwortung in dieser Flutnacht?

Dreyer: Sie wissen, ich habe im Untersuchungsausschuss ausgesagt und ich konnte in dieser Nacht nur beurteilen, was ich wusste und ich wusste sehr vieles nicht. Und deshalb kann ich nur sagen: Für mich muss die Konsequenz daraus sein, dass ich mithelfe, das Tal wieder aufzubauen, und zwar mit aller Kraft. Und dass wir natürlich für unsere Struktur im Hochwasserschutz und im Katastrophenschutz mit den Kommunen gemeinsam entsprechende Konsequenzen in dieser Landesregierung getroffen werden. Und daran arbeitet der Innenminister ja auch sehr intensiv.

SWR Aktuell: Jetzt gibt’s sowohl von der Opposition als auch von den Leuten im Tal immer so die Forderung, dass Sie auf eine Entschuldigung warten für die Fehler, die da passiert sind. Sie haben das bisher immer verneint oder sind das umgangen. Warum entschuldigen Sie sich nicht bei den Menschen?

Dreyer: Ich habe den Menschen auch schon sehr häufig gesagt, dass diese Katastrophe und vor allem das Leid für die Menschen mich wirklich bis ins Innerste trifft und mir tut das wahnsinnig leid, was Menschen da erleiden mussten und bis zum heutigen Tage an Folgen zu tragen haben. Und ich kann auch immer wieder nur sagen: Ja, wir müssen gemeinsam jetzt versuchen, das Tal wieder aufzubauen. Darauf können sie sich auch verlassen. Und ich wiederhole es noch mal, es gibt im Moment einen Untersuchungsausschuss, es gibt staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Landrat und da sind die Gremien, in denen einfach auch noch mal gefragt wird und untersucht wird nach Ursachen und nach Verantwortung.

Die Katastrophe war eine so immens große Katastrophe, dass meine Konsequenz daraus ist, bei allem Mitgefühl zu den Menschen, das ist vollkommen selbstverständlich, dass wir Folgerungen daraus schließen müssen, um unser Land insgesamt besser zu rüsten für Naturkatastrophen dieses Ausmaßes.

Die Beliebtheitswerte von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Verlauf der vergangenen zehn Jahre

SWR Aktuell: Jetzt sind auch, das erste Mal seit dem letzten Politrend, ihre Umfragewerte - sie haben ja immer tolle Popularitäts- und Zufriedenheitswerte - doch sehr stark zurückgegangen, was man auch in Verbindung bringt mit der Ahrtalkrise. Sehen Sie das auch - oder welchen Grund sehen Sie, dass doch Ihre persönlichen Zufriedenheitswerte der Menschen mit Ihnen als Person stark zurückgegangen sind?

Dreyer: Ja, also Umfragen in dieser heutigen Zeit sind schwierige Umfragen. Das muss man einfach sagen, das ist ein Phänomen, mit denen eigentlich fast alle meine Kollegen und Kolleginnen genauso im Moment zu kämpfen haben. Es hat ganz viel damit zu tun, dass die Menschen sich Sorgen machen aufgrund der Gesamtsituation - vor allem der Folgen der Energiekrise. Aber klar, wir gucken uns die Daten und die Werte immer an und überlegen: 'Müssen wir auch in der Politik Dinge verändern?'.

Sie wissen auch, dass ich nicht jede Umfrage so gewichte, dass ich glaube, man muss alles infrage stellen. Aber natürlich nehme ich es ernst. Meine Werte sind im Bundesdurchschnitt immer noch ganz gut, aber natürlich hatte ich auch schon viel höhere Anerkennung. Und selbstverständlich arbeiten wir mit unserer Arbeit auch immer wieder da dran, auch Popularitätswerte tatsächlich wieder gesteigert zu bekommen. Das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen dann auch wieder in einem höheren Maße zu erreichen.

Und dennoch, man muss es schon auch ins bundesweite Geschehen einordnen und es ist tatsächlich so, dass die Politik insgesamt im Moment wirklich mit dieser Frage auch zu kämpfen hat, wie viel Vertrauen hat man Politik gegenüber und wie viel nicht. Die Verunsicherung ist einfach riesig, auch in der Bevölkerung.

SWR Aktuell: Es gibt viel Spekulationen über Namen, die Ihnen vielleicht nachfolgen. Ob Sie noch mal antreten, verraten Sie uns nicht genau. Verraten Sie uns, wen Sie favorisieren?

Dreyer (lacht): Es wäre verrückt, wenn ich heute etwas sagen würde über mögliche Nachfolger zu einem Zeitpunkt, der heute überhaupt nicht feststeht. Also ich bin sehr froh, dass die SPD in Rheinland-Pfalz sagen kann: Wir haben wirklich gute Leute - im Kabinett aber auch darüber hinaus. Und das heißt, wenn irgendwann dieser Tag kommt, muss ich mir nicht Gedanken darüber machen, gibt es überhaupt irgendwann in meinem Leben einen Nachfolger? Nein, im Moment ist es so, ich habe Kraft, ich hab Lust, ich hab Energie, ich freue mich auf die nächsten zehn Jahre. Und wann dann irgendwann ein Wechsel ist, das wird man sehen. Menschen dafür gibt's genug.

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