David Lindley & El Rayo-X / Live At The Bottom Line, New York City, 1981 – CD-Review | RockTimes

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David Lindley & El Rayo-X / Live At The Bottom Line, New York City, 1981 – CD-Review

David Lindley & El Rayo-X / Live At The Bottom Line, New York City, 1981

Es war eines der schönsten Konzerte, das ich jemals in der Flimmerkiste live mitverfolgt habe; damals am 28. August auf der Loreley in jenem langen Sommer nach dem Schulabschluss von 1982. Drei Tage später war die Welt nicht mehr die gleiche, denn die Berufswelt empfing mich aus monatelanger Faulenzerei, der Ernst des Lebens schien mich endlich im Griff zu haben, was die Schule nie wirklich geschafft hatte.

Vielleicht war es diese Zeit des Umbruchs, die David Lindleys legendären Auftritt bei mir so tief eingebrannt hat, wahrscheinlich aber eher die unsagbare Vorfreude auf seine aberwitzige Version des "Mercury Blues" und vor allem das einzigartige Zusammenspiel zwischen der lässigen Westcoast-Musik und der untergehenden Sonne hinter der Bühne auf dem großen Felsen über dem erhabenen Vater Rhein. Dazu reichhaltig Nachschub an genüsslichen Tropfen aus dem Rhein-Hessen-Reich, so entstand eine Verschmelzung von Sinneseindrücken zu einer Art Gesamtkunstwerk, als David und seine kongenialen Begleiter ihre mitreißende Musik anstimmten. Eine Sternstunde in meinem Leben.

David Lindley & El Rayo-X live

David Lindley & El Rayo-X live

Zur zeitlichen Einordnung muss man wissen, dass David mit seiner Combo El Rayo-X gerade die zweite Platte, "Win This Record", im Kasten hatte, eine der schönsten Scheiben des gesamten Jahrzehnts für meinen Geschmack. Ein Jahr nach dem vom Rockpalast organisierten Live-Auftritt auf der Loreley produzierte die Band dann ihr offizielles Live-Album "El Rayo Live", ein fantastisches Album mit einem Riesenmakel: Es sind nur sechs Songs drauf. Da sich David alsbald seiner Solo-Karriere widmete und nach einigen Jahren mehr oder weniger von der europäischen Bildfläche verschwand, schwand auch die Hoffnung auf weiteres Live-Material jener großartigen Epoche.

Anfang des neuen Millenniums überraschte uns Ulftone Music mit einer tollen Live-Kompilation, die weitgehend Aufnahmen aus 1986 enthielt, aufgezeichnet in erstklassiger Qualität, aber wieder mit einem kleinen Mangel. Meine so sehr verehrte, herrliche Live-Version von "Don’t Look Back" und Davids alles in den Schatten stellendes Mandolinen-Solo waren auch auf diesem Album nicht enthalten. Ich gab die Hoffnung auf, diesen einmaligen Song jemals noch einmal in der Form erleben zu dürfen wie damals auf der Loreley.

Doch die Götter des Rock’n’Roll scheinen manchmal ein Einsehen mit mir zu haben. 2016 entdeckte ich im Prinzip rein zufällig eine Produktion von Air Cuts, die ein Radiokonzert von El Rayo-X zu enthalten schien. Schneller habe ich wohl noch nie eine Bestellung ausgelöst – und was soll ich sagen? Dieses Konzert aus New York City, aufgenommen in der Phase, als auch das Loreley Open Air entstand, wartet mit einer ähnlichen Setlist auf wie damals am Rhein. Und die hat "Don’t Look Back", den "Mercury Blues" und den geilen Kracher "Your Old Lady" an Bord. Glücksmomente für die Ewigkeit.

El Rayo-X live

El Rayo-X live

Nimmt man diese drei Alben zusammen, so ergibt sich endlich ein recht komplettes und komplexes Abbild einer der aufregendsten Rockbands der Achtziger, deren Musik alles mögliche war, aber niemals ganz einfach erklärbar. David Lindley, der Saitenmagier, der so ziemlich alles spielen kann, was menschlicher Geist weltweit an Saiteninstrumenten ersonnen hat; der in den Sechzigern mit den Psychedelikern von Kaleidoscope halb Kalifornien in Nebelwolken hüllte, bevor er an der Seite seines Freundes Jackson Browne dessen Musik mit unnachahmlicher Instrumentierung zur Geltung brachte.

Und Jackson kommt auf diesem Album zum Ende mit auf die Bühne und performt mit seinem Kumpel, unter anderem auch seine eigene Nummer, "Doctor My Eyes". Da werden Westcoast-Träume wahr.

So speisten El Rayo-X ihren Input aus allerlei verschiedenen Einflüssen. Einige abgefahrene Cover-Versionen gehörten mit zu diesem Hybrid, sicherlich das überragende "Mercury Blues" an der  Spitze, für mich die faszinierendste Version dieses Klassikers. Folkige Attituden gehörten zum Programm, in New York deutlich häufiger als auf den anderen Live-Scheiben, immer auch mal spannende Reggae-Songs und dann wieder rockige Nummern, die durch die kratzig erdige Intensität von Davids Gitarrenarbeit veredelt und in höhere Sphären geführt werden – ganz besonders dann, wenn er das Bottleneck überstülpt. Und all das atmet die luftig lockere Atmosphäre der Hippie-Kultur und eben jener Küste, wo all diese Trends und Träume entstanden sind. Die Band spielt wie aus einem Guss und David Lindleys kauziger Humor ist allgegenwärtig.

Die Aufnahme ist Stereo, der Sound annehmbar. Diese Scheibe ist eh was für Fans und stellt mit ihrer Songauswahl schlichtweg eine Offenbarung dar für alle Freunde des großen alten Mannes, der in den Staaten ja immer noch tourt, wenn nicht gerade Krisenzeiten anstehen. Hier weichen audiophile Gesichtspunkte in den Hintergrund, wenn derart intensiv Geschichte geschrieben wird. Und die Spielfreude der Band ist geradezu überschäumend, der Mercury scheint noch einmal einen Gang höher zu schalten als auf den alten Scheiben. Ach ja, und die Mandoline in "Don’t Look Back" ist nicht von dieser Welt, auch wenn das Solo ein bisschen kürzer ist als damals auf der Loreley. Hier ist es endlich konserviert und für alle Zeiten abrufbar.

David Lindley gehört zu den Musikern, die mein (Musik-)Leben am stärksten geprägt haben. Für meinen Geschmack war das Material mit El Rayo-X das Beste, was der Meister je gemacht hat, auch wenn einige Jackson Browne-Songs dank Davids Gitarren und seiner Fiddle überhaupt erst zu den Klassikern wurden, die sie heute sind. Ich habe diese Scheibe jetzt in den Ostertagen ausgegraben, um sie ein wenig mehr bekannt zu machen. Selbst viele Fans von Mr. Dave, so wie ich immer einer war, wussten lange nichts von ihrer Existenz. Höchste Zeit, das zu ändern.


Line-up David Lindley & El Rayo-X:

David Lindley (guitar, vocals)
Bernie Larson (guitar)
Jorge Calderon (bass, vocals)
Ian Wallace (drums)

special guest:
Jackson Browne (vocals #17,18)

 

Tracklist "Live At The Bottom Line, York City, 1981":

  1. DJ Introduction
  2. Twist & Shout
  3. She Took Off My Romeos
  4. Your Old Lady
  5. Brother John
  6. Don’t Look Back
  7. The Reel Of The Hanging Man
  8. Rag Bag
  9. Quarter Of A Man
  10. Band Introductions
  11. Bye Bye Love
  12. I’m A Hog For You Baby
  13. Tu-ber-cu-lucas And The Sinus Blues
  14. Rats In The Gramercy
  15. Mercury Blues
  16. Pay The Man
  17. Doctor My Eyes
  18. El Rayo-X

Gesamtspielzeit: 77:05, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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