Dörner über Weltklimakonferenz: „Ohne uns Städte geht es nicht“ - #stadtvonmorgen

Was bringt die Weltklimakonferenz COP28 für den Klimaschutz in den Städten? Katja Dörner, die Oberbürgermeisterin von Bonn, war in Dubai. Auf der Konferenz vertrat sie nicht nur die Bundesstadt Bonn, sondern auch das Städtenetzwerk ICLEI und den Deutschen Städtetag. Welche Eindrücke bringt sie aus Dubai mit? Darüber spricht Dörner im #stadtvonmorgen-Interview.

COP28: Städte in globale Entscheidungsprozesse einbinden

#stadtvonmorgen: Frau Dörner, Sie waren vom 4. bis 6. Dezember bei der Weltklimakonferenz in Dubai. Warum haben Sie die Reise angetreten? Was war Ihre Mission?

Katja Dörner: Wesentlich für mich war es, deutlich zu machen, wie wichtig Städte und Kommunen bei der Bewältigung der Klimakrise sind. Zum einen können sie wichtige Erfahrungen einbringen, zum anderen haben sie aber auch klare Forderungen an die anderen staatlichen Ebenen. Dabei geht es sowohl um die Bekämpfung der Klimakrise als auch um Maßnahmen der Klimaanpassung. Beides kann nur erfolgreich sein, wenn alle Ebenen zusammenarbeiten. Und bei der Einbindung der Städte und Kommunen stelle ich erheblichen Nachholbedarf fest. Deshalb habe ich bei COP28 ihre Anliegen an unterschiedlichen Stellen deutlich gemacht. Als Oberbürgermeisterin der Stadt, die das UN-Klimaschutzsekretariat beheimatet, bin ich schon im Vorfeld der Konferenz ins Gespräch mit den Vertretern des Klimaschutzsekretariats getreten. Wir sind uns sehr einig hinsichtlich der wichtigen Rolle, die die Städte und Regionen bei der Bewältigung der Klimakrise haben.

#stadtvonmorgen: Wie engagiert gehen Städte aus globaler Sicht denn zur Sache, was die Klimaarbeit betrifft?

Katja Dörner: Bonn will spätestens 2035 klimaneutral sein. Dafür haben wir einen klaren Ratsbeschluss und verfolgen einen Klimaplan. Wie Bonn gibt es weltweit viele Städte, die ambitioniert in Sachen Klimaschutz voranschreiten und die viel zum Erreichen der Klimaziele beitragen können. Insofern bin ich engagiert im Städtenetzwerk ICLEI, das weltweit rund 1.700 Städte umfasst, die für eine klimagerechte und nachhaltige Entwicklung eintreten. ICLEI hat auch die Gruppe der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften organisiert, die bei der Weltklimakonferenz auf eine stärkere Berücksichtigung der kommunalen Anliegen in Verhandlungen und Vereinbarungen gedrungen haben. Es geht darum, die Sicht der Kommunen in der nationalen Gesetzgebung und bei der Ausgestaltung von Förderprogrammen abzubilden. Bei COP28 gab es diesbezüglich ein Ministerial Meeting, ein Treffen auf Ministerebene. Ich hatte dabei die Gelegenheit und das Privileg, als eine von zwei Sprechern für die Gruppe der Städte den Blickwinkel der Kommunen einbringen zu können.

Verbindlichkeit für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen

#stadtvonmorgen: Nun wird kurz vor dem Ende der Konferenz zum Zeitpunkt unseres Gesprächs (Anmerkung der Redaktion: Das Interview fand am Montagnachmittag, 11. Dezember, statt.) noch immer um die Abschlusserklärung zur Weltklimakonferenz gerungen. Ein Fazit zur gesamten Veranstaltung lässt sich also nur bedingt ziehen. Doch wenn Sie auf die Eindrücke Ihrer Reise schauen: Welches sind die Erkenntnisse, die Sie mitnehmen: Wo kommt die Klimaarbeit auf globaler Ebene voran, woran hakt es noch?

Katja Dörner: Sehr positiv bewerten möchte ich, dass das große Thema „Loss and Damage“ zu Beginn der Konferenz klar formuliert worden ist und es Zusagen für einen Fonds gibt, der die Schäden, die durch die Folgen der Klimaveränderung entstehen, abfedern soll. Denn diejenigen, die von den Veränderungen des Klimas am stärksten betroffen sind, sind die Ärmsten der Welt, die es am schwersten haben, sich aus eigener Kraft gegen die negativen Auswirkungen zu stemmen, und die am wenigsten zur Klimakrise beitragen. Was den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass Bonn eine der ersten Städte ist, die der globalen Initiative „Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty“ für einen organisierten Ausstieg aus fossilen Energien beigetreten sind. Es gilt, ein klimafreundliches Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien zu gestalten. Auch dies steht bei COP28 mit im Fokus. Positiv ist, dass dieser Gedanke eingebracht ist und viele Diskussionen bestimmt. Allerdings – und das zeigt sich ja auch im Ringen um die Abschlusserklärung – sehe ich Defizite darin, eine Verbindlichkeit und konkrete Maßnahmen für den kompletten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen festzulegen. Aus meiner Sicht sind diese aber unbedingt nötig. Übrigens machen sich viele Kommunen gerade dafür besonders stark.

Fortschritte bei der Weltklimakonferenz aus Sicht der Städte

#stadtvonmorgen: Wie finden Kommunen auf globaler Ebene bei den Staatenlenkern überhaupt Gehör, und was können Sie leisten, um dem Klimawandel zu begegnen?

Katja Dörner: Ich sagte es ja bereits eingangs: Aus meiner Sicht lassen sich die Folgen der Klimakrise nicht bewältigen und lässt sich die Klimakrise nicht eindämmen ohne den Einbezug von Städten und Kommunen. Es ist positiv zu vermerken, dass Kommunen bei Verhandlungen zunehmend mehr Gehör finden. Auf den anderen Ebenen kommt an, dass es ohne uns Städte nicht geht. Bei der Weltklimakonferenz in Glasgow 2021 wurde die bedeutende Rolle der Städte und Kommunen erstmals offiziell anerkannt. Das kam zwar relativ spät, aber gleichwohl ist diese Anerkennung extrem wichtig. Wir müssen im besten Sinne Lobbyarbeit betreiben, damit die Städte und Kommunen in Sachen Klimaarbeit stärker Gehör finden. Bei COP28 gab es erstmals im offiziellen Programm der Weltklimakonferenz einen Local Climate Action Summit, einen Gipfel mit Vertretern der Städte unter Einbindung der COP-Präsidentschaft, an dem rund 250 Bürgermeister teilnahmen. Zum zweiten Mal gab es mit dem Ministerial Meeting ein hochrangiges Ministertreffen, das die kommunale Perspektive beleuchtete. Zudem wurde die CHAMP-Initiative, die Coalition for High Ambition Multilevel Partnerships for Climate Action, gestartet, die die Notwendigkeit, die kommunale Ebene in die Klimaverhandlungen einzubeziehen, unterstreicht. Ihr sind auch über 60 Nationalregierungen beigetreten, darunter Deutschland. Für die Städte ist dies ein großer Fortschritt.

Dörner fordert: Klimaschutz muss Pflichtaufgabe sein

#stadtvonmorgen: Welche Stellschrauben müssen auf globaler Ebene denn gedreht werden, damit Kommunen noch schlagkräftiger den Klimaschutz voranbringen können?

Katja Dörner: Wichtig sind zuvorderst formelle Einbindungsmechanismen – wie das Ministerial Meeting –, also verbindliche Grundregeln und Strukturen, in denen Kommunen ihre Perspektiven und Forderungen global einbringen können. In diesem Sinne gilt es auch, auf den nationalen Ebenen die Rahmenbedingungen entsprechend zu gestalten. Dabei geht es auch um den finanziellen Rahmen. Gerade in Deutschland herrscht ja augenblicklich eine große Diskussion um den vom Bundesverfassungsgericht gekippten Transformationsfonds. Wenn Geld für den Klimaschutz fehlt, fehlt es selbstverständlich auch für den Klimaschutz in den Kommunen. Mit Blick auf den Bund hegen die Städte ein weiteres wichtiges Anliegen: Klimaschutz muss eine kommunale Pflichtaufgabe werden. Heute ist sie eine freiwillige Aufgabe. Das bedeutet erstens, dass sie in Kommunen bisweilen sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, und zweitens, dass finanziell gut ausgestattete Kommunen mehr zum Klimaschutz beitragen können als andere. Das muss anders werden.

Dörner repräsentiert Bonn bei der Weltklimakonferenz

#stadtvonmorgen: Nun haben Sie auf globaler Ebene die Vorreiterrolle der Stadt Bonn für den Klimaschutz repräsentiert. Was sind denn markante Aspekte, die das Engagement Bonns auszeichnen und von denen sich andere etwas „abgucken“ können?

Katja Dörner: Natürlich gibt es keine „Eine-passt-auf-alle-Lösung“ für alle Städte. Doch es gibt grundsätzliche strukturelle Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit Klimaschutz erfolgreich sein kann. Etwa ist wichtig, dass Klimaschutz Chefsache ist und ein starker politischer Wille vorherrscht. Schließlich geht es darum, einen weitreichenden Transformations- und Veränderungsprozess anzustoßen, der die Leben vieler beeinflusst. Das läuft nicht immer konfliktfrei ab, und entsprechend braucht es einen breiten Konsens dafür. Umso mehr gilt es, die Bürger in klimapolitische Entscheidungen einzubeziehen. In Bonn haben wir dafür mit „Bonn4Future“ ein eigenes Beteiligungs- und Mitgestaltungsformat in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft entwickelt. Dabei haben unter anderem aus dem Einwohnermelderegister zufällig ausgeloste Bürger mit Experten an Ideen und Maßnahmen für die Entwicklung unseres Klimaplans gearbeitet. Darüber hinaus muss aus meiner Sicht Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit einhergehen, beides sind zwei Seiten einer Medaille. Denn nur, wenn Maßnahmen sozial ausgewogen ausgestaltet sind, können alle an der Klimawende teilhaben und die notwendigen Veränderungen finden Akzeptanz.

Wie viel CO2-Emissionen die Dubai-Reise bedeutet

#stadtvonmorgen: Die Gretchenfrage: Wie sind Sie denn nach Dubai gereist, wie groß ist der CO2-Fußabdruck ihrer Reise? Und haben Sie das CO2 kompensiert?

Katja Dörner: Ich bin nach Dubai geflogen. Vor der Reise stand tatsächlich eine Abwägung zwischen den Klimaeffekten und den Zielen, die ich vor Ort verfolgte. Als Stadtverwaltung kompensieren wir, wenn wir mit dem Flugzeug unterwegs sein müssen, den CO2-Ausstoß mithilfe der Kompensationsagentur Atmosfair, die für die errechneten Emissionen Klimaschutzprojekte voranbringt. Laut deren Rechner liegt der CO2-Ausstoß meiner Dubai-Reise bei 2.248 Kilogramm.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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