DDR-Architekt klagt an: Palast der Republik – der wahre Grund für den Abriss!

„Kulturgut der Verlierer“

DDR-Architekt klagt an: Palast der Republik – der wahre Grund für den Abriss!

Für Wolf-Rüdiger Eisentraut war die Asbestsanierung nicht die entscheidende Ursache für den Abriss von Erichs Lampenladen. Das sei nur „ein willkommenes Argument gewesen“, sagt er.

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Trabis neben Wartburgs: Der Palast der Republik glänzt und funkelt zu DDR-Zeiten.
Trabis neben Wartburgs: Der Palast der Republik glänzt und funkelt zu DDR-Zeiten.Wikimedia Commons /Istvan

Er war als Architekt für den Mittelteil des Palastes der Republik verantwortlich und kritisiert jetzt den Abriss des repräsentativen DDR-Baus. „Es war tatsächlich eine kulturgeschichtliche und umweltpolitische Fehlentscheidung, auch in städtebaulichem und stadtfunktionellem Zusammenhang“, sagt der Architekt Wolf-Rüdiger Eisentraut.

In der Berliner Zeitung rechnet der heute 80-Jährige mit dem Abriss ab. „Heute muss man aus historischer Sicht sagen: Die obsiegende Gesellschaft hat ein Kulturgut der Verlierer vernichtet. Der Abriss war von Anfang an politisch gewollt, der Wille schon weit vor dem Bundestagsbeschluss zum Wiederaufbau des Schlosses manifestiert“, so der Architekt, der an der TU in Dresden studiert und später gelehrt hat.

Der Asbest, der im Palast der Republik verbaut wurde, wurde für teure Devisen in England eingekauft

Prof. Dr. Eisentraut gehörte zu einem Team von Architekten unter Heinz Graffunder, nach dessen Plänen der 1976 in Ost-Berlin eröffnete Prestigebau errichtet wurde. Als „Volkshaus“ wurde der Bau in der Mitte von Berlin und damit der DDR-Gesellschaft angesiedelt. Der Palast der Republik basierte auf der Idee eines Kulturhauses als ebenso öffentlicher Ort der Bevölkerung wie repräsentativ für die Selbstdarsteller des Staates. Das Prestigeobjekt war daher sowohl Tagungsort des DDR-Parlaments Volkskammer als auch Jugendtreff mit Bowlingbahn.

Nebel oder Smog? Blick aus der Luft auf den Palast der Republik, das Marx-Engels-Forum und den Fernsehturm.
Nebel oder Smog? Blick aus der Luft auf den Palast der Republik, das Marx-Engels-Forum und den Fernsehturm.bpk/Interflug-Luftbildarchiv

Nach der Wende wurde das mit Asbestmaterialien verseuchte Gebäude zunächst saniert und letztlich nach langen Diskussionen bis 2008 abgerissen. Auf dem Gelände entstand das deutlich größere Humboldt Forum mit der bis heute umstrittenen barocken Fassaden des historischen Hohenzollern-Schlosses an drei Außenseiten.

Für Eisentraut war die Asbestsanierung nicht der entscheidende Grund für den Abriss des Palastes der Republik. „Asbest war kein Abrissgrund, bot aber ein willkommenes Argument. Vielmehr führten das gestörte Verhältnis der neuen Bundesrepublik zum übernommenen Erbe der DDR und politische Prämissen zur Abrissentscheidung“, erklärt er im Interview mit der Berliner Zeitung. Mit der Sanierung „wurde vor dem Palast-Abriss bewiesen, dass es durchaus möglich war, die gesamte Baukonstruktion asbestfrei zu machen.“

Auftritt einer FDJ-Singegruppe im Großen Saal des Palasts der Republik
Auftritt einer FDJ-Singegruppe im Großen Saal des Palasts der RepublikDeutsches Historisches Museum, digitale Reproduktion: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Der Asbest, der im Palast der Republik verbaut wurde, wurde für teure Devisen in England eingekauft und als dünne Brandschutzschicht, die mit einem schützenden Überzug versehen wurde, auf die Stahlkonstruktion aufgebracht. Das wäre damals technischer Standard gewesen, führt Eisentraut aus – in der DDR allerdings nur eingeschränkt, weil meist die Devisen für den Import fehlten. Fortschrittsglaube und Unkenntnis führten weltweit zur massenhaften Anwendung, gleichermaßen und gleicher Zeit in West und Ost, sagt er. In der Bundesrepublik wäre er überall verbaut worden, in den sogenannten Asbestschulen, im Steglitzer Kreisel.

Blick in das Foyer des Palastes der Republik mit Gläserner Blume und Palast-Galerie
Blick in das Foyer des Palastes der Republik mit Gläserner Blume und Palast-Galeriebpk/Gerhard Kiesling

Der DDR-Architekt weist aber zurück, dass Spritzasbest als Mörtel zum Verlegen der Treppenstufen verwendet worden wäre. Er stellt klar: „Die repräsentativen Haupttreppen gehörten zu meinem Verantwortungsbereich. Deshalb kann ich Ihnen sagen: Das ist Quatsch. Wer den teuer importierten West-Asbest als Mörtel verwendet hätte, wäre wohl schnell zur Rechenschaft gezogen worden.“

Brauchbare Substanz mit einem Wiederbeschaffungswert von etwa 500 Millionen Euro wurde vernichtet

Für Eisentraut hätte nach der Asbestsanierung aus dem Rohbau etwas Neues entstehen können. Mit den Arbeiten, die den Asbest  sorgsam und gründlich entfernten, wäre vor dem Palast-Abriss bewiesen worden, dass es durchaus möglich war, die gesamte Baukonstruktion asbestfrei zu machen. Und keinesfalls blieben dann, wie behauptet, von dem Bau nur „Zahnstocher“ übrig.

Blick auf Bar und Gäste im 3. Geschoss des Foyers im Palast der Republik
Blick auf Bar und Gäste im 3. Geschoss des Foyers im Palast der RepublikHartmut Schorsch/Deutsches Historisches Museum, digitale Reproduktion: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

„Aus dem Rohbau ein neues Haus in neuer stadträumlicher Konstellation machen – keine heile Welt von gestern, sondern neu und modern“, das wäre die Vision des DDR-Architekten gewesen. „Mit vielerlei öffentlichen Nutzungsmöglichkeiten, als Kongress- und Veranstaltungshaus, als kulturelle Begegnungsstätte. Gaststätten gehören unbedingt dazu. Heute hat Berlin kein brauchbares Kongresszentrum, und die Gegend ist gastronomische Wüste“. Da helfe auch kein abgehobenes Restaurant auf dem Schlossdach, fügt der 80-Jährige hinzu.

Wolf R. Eisentraut hat nicht nur am Palast der Republik mitgearbeitet, er war auch im volkseigenen Kombinat IHB Bereichsleiter für Wohngebietsbauten und -zentren, er hat nach der Wende an der Sanierung und dem Umbau von Plattenbauten und in der Stadtentwicklung gearbeitet. Mit seiner Erfahrung sagt er heute: „Wenn bei einem Bauvorhaben der Rohbau steht, feiert man Richtfest, dann sind 50 Prozent der Arbeit geleistet. Danach kommt nur noch der Ausbau.“

Im Palast der Republik: Fensterfront mit dem Staatsemblem der DDR
Im Palast der Republik: Fensterfront mit dem Staatsemblem der DDRbpk/Gerhard Kiesling

Doch beim Palast der Republik kam das Abrisskommando. „In diesem Fall aber wurde nach der Asbestsanierung ein funktionstüchtiger Rohbau ohne Not weggeworfen, brauchbare Substanz mit einem Wiederbeschaffungswert von etwa 500 Millionen Euro vernichtet“, sagt er im Interview mit der Berliner Zeitung. Schon aus Umweltschutzgründen wäre der Abriss ein Frevel gewesen. „Wie viel Energie für Gewinnung von Erz, Kalkstein und Kies, die Herstellung von Stahl, Zement und Beton sowie für Transporte und Montage für den Bau aufgewendet worden ist“, beklagt Eisentraut.

Besonders trauert der 80-Jährige der Technik des Großes Saales nach. „Innerhalb von 20 Minuten, quasi in einer Pause, konnte der Saal per Knopfdruck von der Arenaversion mit Sesselreihen in einen Tanzsaal mit ebenem Parkett verwandelt werden. Gleichsam zwei Säle in einem“, erinnert er sich und fügt hinzu: „Diese Technik wäre bei sorgsamem Umgang zu erhalten gewesen.“

Der Ausflugsboot auf der Spree vor den Resten der Aufzugsschächte und Treppenaufgänge des abgerissenen Palasts der Republik.
Der Ausflugsboot auf der Spree vor den Resten der Aufzugsschächte und Treppenaufgänge des abgerissenen Palasts der Republik.Picture Alliance/ZB/Dieter Palm

Im Humboldt Forum ist vom 17. Mai bis 17. Februar 2025 die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ geplant. Die Ausstellung widmet sich den verschiedenen Phasen des Gebäudes: von seiner Planung und Errichtung (1973-1976) über seine Nutzung als politisch-kulturelles Mehrzweckgebäude der DDR, seine Bedeutung als Sitz der ersten frei gewählten Volkskammer bis hin zur Zwischennutzung und dem 2008 vollendeten Abriss in der Bundesrepublik Deutschland.

Zahlreiche Kunstwerke, Entwürfe und Ausstattungsstücke aus dem Palast der Republik veranschaulichen die verschiedenen Nutzungen des Hauses, darunter Fragmente der Skulptur Gläserne Blume sowie das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte.