Worms. Gerade einmal 37 Jahre alt ist Georg Diederich, als er im März 1993 den Vorsitz des Caritasverbands Worms übernimmt. Nun, 29 Jahre später, geht er in den Ruhestand und gibt das Heft nach drei prägenden Dekaden weiter. Viel hat sich seitdem verändert. Ob es Tränen der Trauer oder der Freude sind, wenn er an sein Ausscheiden denkt? "Beides", antwortet Diederich, ohne zu zögern. Am 8. April wird er in einem Dankgottesdienst im Dom verabschiedet.
Ganz wohl ist ihm damit nicht, dass er jetzt noch einmal im Mittelpunkt stehen soll, so kurz vor seinem Ausstieg. Georg Diederich sitzt in seinem Büro im Caritas-Centrum St. Vinzenz in der Kriemhildenstraße und lässt den Blick durch den Raum schweifen. Vor ihm auf dem Tisch liegt die neue Imagebroschüre des Verbands. Druckfrisch. "Da steht alles drin", sagt er und nippt an seinem Kaffee. Die zehn Fachdienste, die knapp 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich für andere im Einsatz sind: Darauf komme es an, sagt Georg Diederich. Alles, was in seiner Amtszeit passiert ist, sei nie die Arbeit von einem allein gewesen. "Mein größter Schatz waren immer meine Fachbereichsleiter und die Menschen hintendran", so der 66-Jährige. Kaum eine Woche sei vergangen, in denen man nicht zusammen an einem Tisch gesessen habe.
"Ich habe einen guten Nachfolger"
Längst hat Georg Diederich die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Lars Diemer übergeben, der seit dem 1. Januar als neuer Vorstandsvorsitzender die Geschäfte führt. Seit Monaten leiten sie den Verband gemeinsam, stehen in ständigem Dialog, um möglichst viel Wissen fortzuschreiben und einen reibungslosen Übergang sicherzustellen. Ob er mit einem guten Gefühl geht? "Ja", antwortet Diederich prompt und mit einem Lächeln in den Augenwinkeln. Dann schiebt er nach: "Es wird Zeit, dass hier jemand Neues kommt. Ich habe einen guten Nachfolger, da kann man mit einem guten Gefühl gehen."
Froh sei er, sagt Georg Diederich dann, wenn er aus der Verantwortung heraus sei. Seine Frau freue sich schon auf den ersten Urlaub ohne Handy. Eine wirkliche Auszeit, ganz ohne erreichbar zu sein oder Probleme mit nach Hause zu nehmen, habe es in den letzten Jahren nicht gegeben. "Ich konnte oft nachts nicht mehr einschlafen, wenn ich aufgewacht bin", verrät er. Er spricht ruhig, überlegt. Wie viel Privatmann Diederich es überhaupt gab? Der 66-Jährige hält inne. "Da war nicht viel", sagt er dann und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück.
"Der Ausbau kam aus der Not heraus"
Seit Georg Diederich die Leitung des Wormser Caritasverbands übernommen hat, hat sich die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdreifacht; aus vier Einrichtungen sind rund 30 geworden. Wilhelm Lahr, sein langjähriger Vorgänger im Amt, unter dessen Ägide die beachtliche Entwicklung des Caritasverbands Worms begann, war noch halbtags Religionslehrer gewesen. Der Aufbau des heutigen Burkhardhauses, die vielen neuen Pflegeeinrichtungen, Jugendangebote, Fördervereine und nicht zuletzt das stationäre Hospiz im ehemaligen Hochstift, auf das der 66-Jährige immer wieder zu sprechen kommt: Georg Diederich hinterlässt Spuren in Worms, hat vielen Bereichen der sozialen Arbeit seinen Stempel aufgedrückt. "Der Ausbau kam immer aus der Not heraus, aus der Notwendigkeit, die Notlagen der Menschen zu lindern", sagt er fast entschuldigend und erinnert sogleich auch an schwierige Personalentscheidungen oder die Stadtteilarbeit im Nordend, in der er noch so viel Potenzial sieht, das er nicht habe ausschöpfen können. Gerne hätte er noch mehr erreicht. "Der Invest lohnt!", ist er überzeugt. Und gleichzeitig, obwohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Spiel- und Lernstube und im Stadtteilbüro ihr Möglichstes leisteten, fehlten die Ressourcen dafür. "Dabei wissen wir als Gesellschaft, wie man Armut bekämpfen kann." Es sind solche Momente, in denen sich der Blick des 66-Jährigen verdunkelt - um im nächsten Augenblick wieder voll Zuversicht aufzuleuchten. "Wir müssen immer wieder neu ansetzen und unsere Visionen behalten und Perspektiven sehen", ist Diederich überzeugt. Nur so sei die große Aufgabe der Caritas umsetzbar.
Ob er stolz darauf sei, was in den letzten 30 Jahren passiert ist? "Ja", sagt Diederich nach kurzem Überlegen, "man darf schon stolz sein." Dass der Verband so gut dastehe, vor allem durch sein Flaggschiff, die Altenhilfe, einen sehr guten Ruf in Worms und der Region habe, darauf blicke er gern zurück - überzeugt davon, dass diese Entwicklung mit Lars Diemer für die Wormser Caritas weitergehen wird.
Und für ihn selbst? Lächelnd erzählt er von seinen beiden Enkelkindern und seinem Haus in Dittelsheim-Heßloch, um das er sich nun mehr kümmern wolle. "Ich bin ein Werkler, ich mache selber", sagt er lachend. Vielleicht werde er sich an und zu mal die Alpakas für einen Spaziergang ausleihen, die in der Demenz-Wohngemeinschaft St. Martha in Mörstadt als tierische Mitarbeiter leben. Außerdem stehe in seiner Pfarrei ein Pfarrhaus leer, das sich als Unterbringung für Mütter aus der Ukraine eigne. "Mal sehen…"
ABSCHIED
Die offizielle Verabschiedung des scheidenden Vorstandsvorsitzenden des Caritasverbands Worms findet am Freitag, 8. April, 13 Uhr, im Rahmen eines Dankgottesdienstes im Wormser Dom statt. Es gelten die zu diesem Zeitpunkt gültigen Corona-Regelungen.
ZUR PERSON
Georg Diederich wurde am 12. März 1956 in Mayen geboren. Er ist verheiratet und hat drei Kinder sowie zwei Enkelkinder. Nach dem Studium der Sozialarbeit arbeitete er ab 1980 in der Jugendzentrale Bingen, bevor er als Sozialarbeiter zum dortigen Caritasverband wechselte. 1992 wurde er von Bischof Karl Lehmann zum Diakon geweiht. 1993 übernahm Diederich die Direktorenstelle im Wormser Caritasverband.