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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“ Romantische Oper von Richard Wagner in der Oper Frankfurt

Sängerkrieg im Hörsaal

von Renate Feyerbacher

Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Lang andauernder Beifall, kein einziger Buh-Ruf für die eigenwillige Neuinterpretation von Regisseur Matthew Wild mit den choreografischen Einlagen von Louisa Talbot, für den ausgezeichneten Chor (Tilman Michael), für die hervorragenden Sängerinnen und Sänger und das Energie geladene Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung ihres Chefs Thomas Guggeis.

Auf der Wartburg soll der Sängerwettstreit stattgefunden haben, Foto: Renate Feyerbacher

Amerikanische Zeitungsberichte über einen Heinrich von Ofterdingen, der aus Nazideutschland floh und Professor an einer katholischen Universität in den USA wurde. Alle feierten und verehrten ihn, den Pulitzer-Preisträger. Dann aber verschwand er aus der Öffentlichkeit. So der Vorspann. Regisseur Wild zeigt Tannhäuser als fiktiven Schriftsteller namens Heinrich von Ofterdingen, dessen erotisches Leben zwischen Frauen und Männern schwankt.

v.l.n.r.: Dshamilja Kaiser (Venus), Domen Križaj (Wolfram von Eschenbach), Marco Jentzsch (Tannhäuser) und Henri Klein (Ein junger Student)

Während der Ouvertüre werden abwechselnd per Video drei Zimmer gezeigt (Bühnenbild: Herbert Barz-Murauer, Licht Jan Hartmann und Videos von Clemens Walter).

Ofterdingen schreibt in seiner in der Mitte gelegenen Wohnung an einem neuen Roman. Tabletten und Wagners Tannhäuser-Bacchanal helfen ihm endlich, literarisch voranzukommen. Venus, die Liebesgöttin, erscheint ihm und offenbart ihm seine geheimen erotischen Wünsche. Sie führt ihm einen Studenten zu, der an Tadzio aus dem Film von Luchino Visconti  „Der Tod in Venedig“ nach der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann erinnert. Heinrich von Ofterdingen alias Tannhäuser ist von dessen Schönheit fasziniert.

Im anderen Zimmer taucht ein schwarz geflügelter Engel auf, den der Italiener Michelangelo Merisi – Caravaggio genannt auf dem Gemälde „Die Ruhe auf der Flucht“ gemalt hat. Auch bei Caravaggio wird Homosexualität vermutet. Es treten weiterhin auf: Amor, Jupiter als Adler, der Heilige Sebastian, Botticellis Venus als Mann, ein Schwarzer Bock, Ganymed, Satyr 1 und 2. Einfallsreich wurden diese Kostüme entworfen von Raphaela Rose und hergestellt in den Werkstätten der Städtischen Bühnen.

Ständig kommt eine Figur in ein Zimmer – die Eindrücke verlangen volle Konzentration. Und die Musik der doch einnehmend-schönen Ouvertüre bleibt auf der Strecke, ist fast zur Untermalung degradiert.

Richard Wagner (1813-1883), der auch den Text schrieb, war vermutlich von Heinrich Heines Poem: „Der Tannhäuser“, von E.T.A. Hoffmanns Erzählung: „Der Kampf der Sänger“  aus dem Jahre 1819 sowie von Novalis‘ Roman-Fragment „Heinrich von Ofterdingen“ inspiriert worden.

Wagner hat mehrfach an der musikalischen Umsetzung gearbeitet: Uraufgeführung war 1845 in Dresden, erneut Veränderungen nach der Aufführung in Paris im Jahre 1875.  Die Neuproduktion in Frankfurt liegt wohl der Wiener Fassung zugrunde. Generalmusikdirektor Thomas Guggeis  begründet das so: „In der Wiener Fassung treten diese Gegensätze zwischen der flirrenden Venus- und der bürgerlichen Wartburg-Welt noch deutlicher hervor als in der frühen Dresdner Fassung.“ (Programmheft S.19)

Wagners Oper „Tannhäuser“ ist für Regisseur Matthew Wild ein Musterbeispiel für zerrissene Charaktere, die den Konflikt zwischen sinnlicher und geistiger Liebe inhaltlich wie musikalisch eindringlich umsetzt und betroffene Menschen schon damals faszinierte wie etwa den irischen Schriftsteller Oscar Wilde (1854-1900) in seinem einzigem Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ –  oder das Schauspiel „Salome“, das Richard Strauss vertonte, der wegen seiner Homosexualität zwei Jahre lang im Zuchthaus saß und eine enge Beziehung zum „Tannhäuser“ hatte. Seine Frau, mit der er gemeinsame Kinder hatte, hielt jedoch  immer zu ihm. Da kann eine Linie zu Elisabeth führen – auch Elisabeth hält bis zum Schluss zu Tannhäuser.

In seiner Schrift „Das Kunstwerk der Zukunft“ schrieb Wagner: „Die Männerliebe gibt sich uns, in ihrer Reinheit, als edelste und uneigensüchtigste Äußerung des menschlichen Schönheitssinnes kund.“ Wagners Sexualität war ungezwungen, unkonventionell.

v.l.n.r.: Marco Jentzsch (Tannhäuser) und Dshamilja Kaiser (Venus) sowie Ensemble

Jahre lang, so wird im „Tannhäuser“ erzählt, genoss Heinrich von Ofterdingen alias Tannhäuser die Liebesfreuden bei Göttin Venus im Venusberg (Hörselberge bei Eisenach). Nun fleht er sie an, ihn, den Sterblichen, aus dem Venusberg zu entlassen.

„Entzückend sind die Wunder deines Reiches, die Zauber aller Wonnen atm‘ ich hier; kein Land der weiten Erde bietet Gleiches [..] Doch ich aus diesen ros’gen Düften verlange nach des Waldes Lüften, nach unseres Himmels klarem Blau, nach unserem frischen Grün der Au, nach unserer Vöglein liebem Sange, nach unserer Glocken trautem Klange; aus deinem Reiche muss ich fliehn! O Königin! Göttin lass mich ziehn!“  (1.Akt zweite Szene)

Venus beschwört ihn zu bleiben und prophezeit seine Rückkehr. In der Frankfurter Inszenierung landet Heinrich von Ofterdingen als Professor in einem Hörsaal. Bei Wagner ist es die Sängerhalle auf der Wartburg, wo der Sängerkrieg stattfindet.

Blick in den Sängersaal mit dem Gemälde von Moritz von Schwind „Sängerkrieg“ (1884/55)  Ausschnitt Heinrich von Ofterdingen vor Landgraf Hermann, Foto: Renate Feyerbacher

Elisabeth, die sich nach Heinrichs / Tannhäusers Weggang, in Isolation  begab, betritt freudig nach langer Zeit wieder den Hörsaal „Dich teure Halle grüß ich wieder.“ (2. Aufzug – 1. Szene). Es kommt zur intimen Annäherung zwischen Elisabeth und Heinrich, die Wolfram von Eschenbach, der Elisabeth liebt, verbittert zur Kenntnis nimmt.

Hermann, Landgraf von Thüringen, ein Onkel von Elisabeth, organisiert einen Dichterwettstreit, bei dem die Teilnehmer das „Wesen der Liebe“ ergründen sollen. Wolfram von Eschenbach, Walter von der Vogelweide, die die platonische Liebe preisen, Heinrich aber preist die sinnliche Liebe.

Marco Jentzsch (Tannhäuser) und Ensemble

Die Gestalten seiner erotischen Träume kommen ihm in den Sinn. Er  küsst einen Studenten, der Tadzio im Venusberg ähnelt. Alle sind entsetzt, reißen die Seiten aus dem von ihm signierten Buch heraus und verbrennen sie – eine bedrückende Handlung erinnernd an die Bücherverbrennung der Nazis. Alle sind schockiert und bedrängen ihn, aber Elisabeth stellt sich schützend vor ihn und bittet den Landgrafen, ihm eine Chance zu geben: Heinrich soll beim Papst um Vergebung bitten. Heinrich begibt sich auf den Pilgerweg.

Andreas Bauer Kanabas (Hermann, Landgraf von Thüringen) und Christina Nilsson (Elisabeth)

Elisabeth handelt emotional aus einer menschlichen Stärke heraus.Sehnsüchtig erwartet sie Heinrichs / Tannhäusers Rückkehr. Sie hört den Gesang der Pilger: „Durch Sühn und Buß hab ich versöhnt den Herrn, dem mein Herze frönt.“

Elisabeth: „Er kehret nicht zurück! Allmächt’ge Jungfrau! Hör mein Flehen! Zu dir, Gepries’ne, rufe ich! Lass mich im Staub vor dir vergehen, o nimm von dieser Erde mich!“  (3.Akt 1.Szene).

Heinrich von Ofterdingen begibt sich nach dem Gespräch mit Wolfram wieder in den Venusberg. Erlösung gibt es nicht für ihn: „Nicht für ihn. Aber vielleicht für seine Kunst,“ so

Matthew Wild im Gespräch mit Dramaturg Maximilian Enderle. (Programmheft S. 7) In Wagners Libretto stirbt Tannhäuser: „Heilige Elisabeth, bitte für mich.“

Mosaik aus der Elisabethenkemenate in der Wartburg, Foto: R Feyerbacher

Es zeigt Elisabeth, die heiliggesprochene Landgräfin, geboren als ungarische Prinzessin, die mit 14 Jahren den 17 jährigen Ludwig IV. heiratet, der im Kreuzzug an Fieber stirbt. Er war der älteste Sohn von Landgraf Hermann. Heinrich Raspe IV, der jüngere Bruder Ludwigs, wird sein Nachfolger und trägt nichts dazu bei, dass Elisabeth auf der Wartburg verbleiben kann. Letztendlich flieht sie nach Marburg, wo sie mit 24 Jahren stirbt.

Der südafrikanische Regisseur Wild bringt eine schlüssige, überzeugende Neuinterpretation auf die Frankfurter Opernbühne. Wagners Gegensätze im Tannhäuser: Erotik – Hohe Liebe, Exzess – Entsagung, Individualität – Konformismus werden deutlich herausgearbeitet. Inhaltlich und musikalisch ein Spannungsfeld.

Elisabeth ist eine emotional starke Persönlichkeit.

Er habe immer wieder queere Menschen auf der Bühne  gezeigt, die stolz und mutig mit ihrer Sexualität umgingen [..] Sein Anliegen: „Zumal wir trotz vieler Fortschritte noch immer nicht an einem Punkt sind, an dem alle Menschen ohne Schuldgefühle zu ihrer eigenen sexuellen Identität stehen können.“ (Programmheft S. 7) Aber es gibt Szenen, die nicht gefallen. Manche sind überladen, mit Klischees beladen.

Marco Jentzsch, erstmals an der Oper Frankfurt, ist ein an den großen europäischen Opernhäusern singender Tenor. Sein Tannhäuser Heinrich von Ofterdingen hatte in der Premiere anfangs kleine Schwierigkeiten, steigerte sich aber schnell und meisterte die Partie einprägsam, schauspielerisch ebenfalls grandios.

Eine tolle Elisabeth stand ihm gegenüber: die Schwedin Christina Nilsson, die künftig auch an der Metroplitan Opera New York singt und bereits in Frankfurt Gast war. Ihr klarer Sopran erreicht ohne jegliche Mühe die anspruchsvollen Höhen in diesem Rollendebüt. Im 2. Akt entfaltet sie ihre ganze Stimmenpracht.

 v.l.n.r.: Christina Nilsson (Elisabeth), Marco Jentzsch (Tannhäuser) und Domen Križaj (Wolfram von Eschenbach)

Mezzosopranistin Dshamilja Kaiser, mehrfach ausgezeichnet, Ensemblemitglied am Theater Bonn, weist ein beachtliches Repertoire auf. Sie gibt ihr Rollendebüt als Venus. Faszinierend ihre Stimme – Maske bedeckt ihr Gesicht und sie ist ohne Haare – erotische Zurückhaltung. Sie ist wie eine nicht greifbare Muse.

Domen Krizaj, der slowenische Bariton, zum Frankfurter Opern-Ensemble gehörend, begeistert als einfühlsamer, zerrissener und enttäuschter Wolfram von Eschenbach.

Ensemblemitglied Andreas Bauer Kanabas, ein Star auf internationalen Bühnen, macht die Rolle des Landgrafen Heinrich von Thüringen zu einem Ereignis. Was für ein ausdrucks-starker Bass!

Seine Sängerkonkurrenten – hier Professorenkollegen – ruhig Walther von der Vogelweide (Magnus Dietrich) und explosiv Biterwolf (Erik van Heyningen), besingen die platonische Liebe, während Heinrich der Schreiber (Michael Porter) und Reimar von Zweter (Magnús Baldvinsson) das dramatische Geschehen mehr beobachten. Sieben Tänzer beleben den erotischen Venusberg.

Zum ersten Mal dirigiert Thomas Guggeis den „Tannhäuser“. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester musiziert schnell, treibt das Geschehen voran. Der eine oder andere Klang könnte feiner sein. Behutsam werden dagegen die Sängerinnen und Sänger begleitet. Die Neuproduktion des „Tannhäuser“ in der Oper Frankfurt ist sehr spannend und regt wegen seiner Neuinterpretation zum intensiven Nachdenken an, so ist es mir ergangen. Unbedingt ansehen.

Weitere Aufführungen

am 11., 16., 20., 30. Mai , zum letzten Mal am 2. Juni.

Am 23.5.  Michel Friedman an der Oper über „Sexualität“

Großer Andrang beim Kartenkauf.

www.oper-frankfurt.de Es gibt einen Trailer.

Kartentelefon: 069 – 212-49494

 

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