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„Boxen passt nicht mehr in meine Lebensplanung“

Boxing at Wembley Arena Boxing at Wembley Arena
Arthur Abraham nach seinem Kampf gegen Chris Eubank Jr. in der Wembley-Arena 2017
Quelle: Getty Images/Leigh Dawney
Der einstige Weltmeister im Mittel- und Supermittelgewicht erklärt nach 18 Jahren als Berufsboxer seinen Rücktritt. Im exklusiven Interview verrät Arthur Abraham, was er nun vorhat.

Aus und vorbei, der Schlussgong ist ertönt. Arthur Abraham, 40, einer der erfolgreichsten deutschen Faustkämpfer, wird in keinem Boxring mehr als Profi zu erleben sein. Der einstige Weltmeister im Mittel- und Supermittelgewicht hat nach 18 Jahren als Berufsboxer seinen Rücktritt erklärt.

Seinen letzten von 53 Kämpfen hatte der gebürtige Armenier am 28. April 2018 in Offenburg gegen den Dänen Patrick Nielsen nach Punkten gewonnen. Insgesamt bestritt der Schützling von Ulli Wegner 24 Duelle um einen WM-Gürtel, von denen er 19 siegreich gestalten konnte. Mehr Titelgewinne mit 22 Triumphen kann hierzulande nur Sven Ottke, 53, aufweisen, sein einstiger Trainingspartner beim Berliner Sauerland-Boxstall.

WELT: Herr Abraham, was hat Sie gerade jetzt zu Ihrem Rücktritt bewogen?

Arthur Abraham: Mit dem Gedanken habe ich mich schon länger beschäftigt. Sie erreichen mich gerade in Dubai, wo ich eine sehr schöne Wohnung im Hafengelände für meine Familie, meine Eltern, meine Frau, meine drei Kinder, gekauft habe. Wir wollen hier künftig die Wintermonate verbringen. Das Boxen passt also nicht mehr in meine Lebensplanung. Deshalb ziehe ich jetzt einen Schlussstrich. Es reicht.

WELT: Sie sind also mit sich im Reinen?

Abraham: Absolut. Gegen wen sollte ich denn noch boxen? Vielleicht Felix Sturm? Nein, das hat vor zehn Jahren schon nicht geklappt und wird jetzt auch nicht mehr passieren. Ich möchte mich auch nicht mehr körperlich so quälen müssen wie zu meiner aktiven Zeit. Ich kann das auch nicht mehr. Es gibt keinen Grund mehr dafür. Ich habe meine Boxkarriere beendet. Ich boxe nicht mehr. Ich werde nächsten Monat 41.

WELT: Haben Sie vor Ihrem öffentlichen Rücktrittsbekenntnis mit Ihrem langjährigen Trainer Ulli Wegner gesprochen?

Abraham: Natürlich. Herr Wegner war und ist meine Vertrauensperson. Ich habe erst gestern lange mit ihm telefoniert. Er findet es richtig und gut, dass ich aufhöre. Ohne Herrn Wegner würde es den heute sehr glücklichen und zufriedenen Arthur Abraham nicht geben. Alles, was ich sportlich erreicht habe, verdanke ich ihm und seinem Assistenztrainer George Bramowski. Wir können alle stolz sein auf das, was ich erreicht habe. Schließlich habe ich mich aus dem Nichts in die Weltspitze durchgekämpft, habe mich ohne einen Medaillengewinn bei einer internationalen Amateurmeisterschaft durchgeboxt. Das können nicht viele von sich sagen.

Arthur Abraham beim Gala-Event 'We Are The World' im Rahmen der Berlinale 2020 / 70. Internationale Filmfestspiele Berlin im Hotel Bristol. Berlin, 22.02.2020
Arthur Abraham
Quelle: picture alliance / Geisler-Fotop

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WELT: Fiel es Ihnen schwer, endgültig Abschied zu nehmen?

Abraham: Überhaupt nicht. Ich kann doch nicht boxen, bis ich kaputtgehe. Ich will doch auch noch etwas von meinem Leben haben. Ich will die Zeit mit meinen Kindern genießen. Das ist doch viel schöner, als im Trainingslager zu sein. Boxen ist ein sehr gefährlicher und schmerzhafter Sport, doch ich bin gesund durchgekommen. Mir geht es gut. Ich habe meine Geschäfte, ich bin nicht der Reichste, bin nicht der Ärmste.

WELT: Ein legendärer Satz von Ihnen lautet: „Wenn ich 40 Millionen verdient habe, höre ich mit dem Boxen auf.“

Abraham: Mit dem Boxen habe ich das nicht verdient. Aber mir geht es schon sehr gut. Jedenfalls muss ich nicht mehr boxen. Ein Kampf wäre für mich noch interessant gewesen – und zwar der gegen Felix Sturm. Doch das hat sich erledigt, ich hatte genügend große Erfolge.

WELT: Welches war Ihr bedeutendster Triumph?

Abraham: Das waren zwei Kämpfe. Mein allererster am 16. August 2003 in Nürnberg, als ich gegen Frank Roth in der dritten Runde durch technischen K.o. gewann. Vor dem Gang in den Ring habe ich vor Aufregung gezittert wie noch nie. Durch den Kampf wurden mir alle Möglichkeiten eröffnet, meine sportlichen Träume zu erfüllen. Sie müssen wissen, die Übersiedlung nach Deutschland war alles andere als paradiesisch. Als ich im Januar 2003 zum zweiten Mal nach 1995 nach Deutschland zusammen mit meinem Bruder kam und mit dem Boxen begann, wollte ich Weltmeister im Profiboxen werden und dadurch viel Geld verdienen. 2003 besaß ich nicht mal 50 Euro, sondern nur Schulden. Promoter Wilfried Sauerland gab mir die Chance dazu, wofür ich ihm zeitlebens dankbar bin.

WELT: Und welcher war der zweite Kampf?

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Abraham: So richtig im siebten Himmel fühlte ich mich mit dem Gewinn des ersten Weltmeistertitels am 10. Dezember 2005 in Leipzig durch den K.o.-Sieg in der fünften Runde gegen den Nigerianer Kingsley Ikeke. Was ich danach noch alles erreicht habe, hätte ich nicht für möglich gehalten.

WELT: Heldenstatus erlangten Sie durch Ihre WM-Titelverteidigung am 23. September 2006 in Wetzlar, als Sie gegen den in 26 Kämpfen unbesiegten Kolumbianer Edison Miranda trotz eines Unterkieferbruchs gewannen.

Abraham: Brutaler kann ein Kampf nicht sein. Ich wünsche es keinem, dass er so seinen Weltmeistertitel behalten muss. Aber es blieb mir nichts anderes übrig, als da durchzumaschieren. Ab der vierten Runde war es die Hölle, die ich durchlebt habe. Nach einem linken Aufwärts- beziehungsweise Kopfhaken, bei dem ich den Mund offen hatte, machte es krrrr. Ich spürte mit der Zunge, dass links im Mund ein Loch war. Erst dachte ich, mein Zahn ist rausgeflogen. Dann habe ich gemerkt, dass der Unterkiefer gebrochen ist, es war komisch, aber ich konnte meinen Mund nicht mehr aufmachen. In der Rundenpause habe ich dann dem Trainer gesagt, dass da was gebrochen ist. Doch er behauptete, es sei nichts gebrochen. Er sagte mir, ich soll weiterkämpfen und mich zusammenreißen, also habe ich das mit stark blutendem Mund getan. Noch einmal würde ich diese Qualen nicht ertragen.

WELT: Was war die größte Enttäuschung in Ihrer Laufbahn?

Abraham: Jede der sechs Niederlagen. Ich dachte immer, mich kann keiner besiegen, doch ich wurde eines Besseren belehrt. Heute weiß ich, dass Niederlagen dazugehören, auch wenn sie noch so wehtun.

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WELT: Bereuen Sie etwas?

Abraham: Ich hätte vielleicht öfter Mal auf den Trainer hören sollen, dann wäre ich möglicherweise noch erfolgreicher gewesen. Und ich hätte noch früher Profi werden sollen, aber hätte, hätte, hätte… Es ist gut so, wie es ist. Man darf nicht gierig, sondern dankbar dafür sein, was man erreicht hat. Und das bin ich zutiefst.

WELT: Was wollen Sie zukünftig machen?

Abraham: Meine Geschäfte in der Immobilien- und Hotelbranche weiter voranbringen. Ich habe 62 Mitarbeiter. Dann möchte ich eine internationale Boxpromotion aufbauen und das Leben mit meinen Lieben genießen, die Gott sei Dank, so wie ich auch, bislang ohne Probleme durch die Pandemie gekommen sind. Sobald wieder die Möglichkeit besteht, im größeren Kreis zu feiern, werde ich eine Dankeschön-Veranstaltung ausrichten. Die Vorbereitungen laufen bereits. So lautlos sage ich nicht einfach Tschüss.

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