„Irgendwas bleibt immer“ (ZDF / die film gmbh), dieses Kammerspiel mit vier Hauptfiguren und einer formidablen Besetzung, h�tte ausreichend Spielmaterial liefern k�nnen f�r ein packendes Drama �ber die Grenzen des Vertrauens und den Zweifel, der sich in jede Beziehung einnisten kann. Anstatt aber die Interaktionen psychologisch tiefer auszuloten, zielt die Geschichte recht bald in Richtung Thriller. Und der macht bei dieser naiven Spielart des Genres eigentlich nur zwei L�sungsvarianten m�glich. Autorin Claudia Kaufmann gr�bt der Geschichte also selbst ihr Grab. Die Unschuld des fr�hen Genrekinos mag ihren Reiz haben, in filmisch aufgekl�rten Zeiten wie heute funktioniert ein bin�rer Thriller-Code allerdings nicht mehr – es sei denn, die Inszenierung w�rde einen besonderen Atmosph�re-Raum (er)schaffen. Das gelingt Regisseur Kronthaler allerdings nicht. Und so ist der Film am Ende ein Gratifikationsthriller, der auf die Best�tigung des unbedarften Zuschauers setzt.
Foto: ZDF / Hendrik HeidenIst die Angst, dass die Vergangenheit ihn einholt, berechtigt? "Irgendwas bleibt immer" h�lt nicht das, was der Cast verspricht. Lisa Maria Potthoff, Manuel Rubey
„Was hast denn du f�r eine Macke? Sag’s mir lieber gleich.“ Nina (Lisa Maria Potthoff) ist �bergl�cklich. Dass ihr das noch mal passieren w�rde! Vor drei Jahren hatte ihr Mann (Christian Heiner Wolf) sie f�r eine j�ngere Frau verlassen. Seither schl�gt sich die �rztin mit ihren beiden Kids tapfer durchs Leben. Ein befreundetes Nachbarehepaar hilft ihr dabei. Und jetzt ist endlich wieder ein Mann in ihrem Leben: und was f�r einer! Melanie (Ulrike Krumbiegel) von nebenan findet ihn auch anbetungsw�rdig. Ihr Mann Andreas (Justus von Dohn�nyi) hat dagegen so seine Vorbehalte gegen Mark (Manuel Rubey), einen Landschafts-g�rtner, �ber den das Internet so gar nichts wei�. Und tats�chlich. Die ehrliche Antwort auf die Frage nach einer Macke gibt der Traummann Nina erst ein paar Tage sp�ter. Mark, der eigentlich Dominik hei�t, war vier Jahre im Gef�ngnis, weil er seine Freundin im Affekt erschlagen hat. Trotzdem entscheidet sich Nina f�r ihn – und er zieht bei ihr ein. Mit seiner beruflichen Resozialisierung klappt es nicht so gut. Mehr als Hilfsjobs in einer G�rtnerei bietet man ihm nicht an. Es belastet ihn, dass Nina ihn aush�lt, und als er von einem „Kumpel“ aus dem Knast (Wolfgang Haas) erpresst wird, wendet er sich nicht an seine Partnerin, sondern an die Nachbarin. Und auch sonst verbringen die beiden immer mehr Zeit miteinander ...
In Hinblick auf das „Zuschauervergn�gen“ ist jeder Satz, den man �ber den Film verliert, ein Satz zu viel. Deshalb ist der Text mehr Rezeptionsanalyse als Kritik.
Foto: ZDF / Jacqueline Krause-BurbergAls es Nina (Lisa Maria Potthoff) emotional schlecht ging, war Andreas (Justus von Dohn�nyi) f�r sie da. Jetzt braucht der Nachbar offensichtlich auch einmal Hilfe.
„Jeder hat eine zweite Chance verdient“, bringt es die Protagonistin des ZDF-Fernsehfilms „Irgendwas bleibt immer“ ein bisschen plakativ auf den Punkt. Das Kammerspiel mit den drei Hauptfiguren und einer tragenden Nebenfigur k�nnte spannende Beziehungsnuancen zwischen dem Quartett entwickeln. Das jedenfalls ist im Drehbuch angelegt. Da sind zwei gute Freundinnen. Da ist der neue Partner – f�r beide Seiten der neuen Liebe so etwas wie die viel zitierte zweite Chance. Da ist der Mann der guten Freundin, mit dem die Hauptfigur, nachdem sie von ihrem Mann verlassen wurde, eine kurze Aff�re hatte. Da ist eine „ganz normale“ Ehe mit H�hen und Tiefen. Und zwischen den M�nnern w�re eine zunehmende Rivalit�t denkbar: Der Hahn im Korb k�nnte um sein Revier f�rchten… Drehbuchautorin Claudia Kaufmann („Rufmord“ / „Die Gruberin“) h�tte also ausreichend Spielmaterial f�r ein potenzielles Drama �ber die Grenzen des Vertrauens und den Zweifel, der sich in jede Beziehung einnisten kann.
Anstatt aber die Interaktionen psychologisch tiefer auszuloten und dadurch die innere Spannung l�nger am Leben zu halten, zielt die Geschichte – obgleich erst einmal latent – recht bald in Richtung Thriller. Der kann bei dieser naiven Spielart des Genres nur zwei L�sungsvarianten haben. Und so ist der Film von Thomas Kronthaler nicht nur ein Thriller mit Charakteren, die d�mmer sind, als die Polizei erlaubt, sondern auch ein Thriller, der gemacht ist f�r Zuschauer, die noch nie einen solchen Beziehungsthriller gesehen haben. Anders ausgedr�ckt: Die Unschuld des fr�hen Genrekinos (Beispiel: Hitchcocks „Verdacht“ oder Cukors „Gaslight“) mag ihren Reiz haben, in filmisch aufgekl�rten Zeiten wie heute funktioniert ein so simples Muster jedoch nicht mehr – es sei denn, die filmische Inszenierung w�rde wie bei den Thriller-Klassikern einen besonderen Atmosph�re-Raum (er)schaffen: dann lie�e sich wom�glich von den sehr �berschaubaren M�glichkeiten des Plots absehen.
Foto: ZDF / Hendrik HeidenZwei Nachbarinnen, zwei gute Freundinnen. Auch Melanie (Ulrike Krumbiegel) ist hin und weg von Ninas (Lisa Maria Potthoff) neuem Freund. Das Sch�ner-Wohnen-Ambiente mit Aussicht passt gut zur Geschichte und charakterisiert die Figuren.
Mitdenken ist bei „Irgendwas bleibt immer“ verboten. Doch selbst f�r den ge�bten ZDF-Zuschauer ist es nicht anzunehmen, dass er diese Geschichte allein an der Oberfl�che abscannt. Denn gerade der Beziehungsthriller appelliert wie der Whodunit-Krimi an die grauen Zellen des Betrachters. Wer also nur ein kleines Bisschen Erfahrung mit diesem Genre (und dem ZDF) hat, wei� sp�testens zur Halbzeit, wie hier der Hase laufen muss. Da aber sowohl am dramaturgischen als auch am film�sthetischen Wie nicht sonderlich gefeilt wird, kommen selbst im Schlussdrittel weder �u�ere noch innere Spannung auf. Alles geht in den letzten 25 Minuten den erwarteten Gang. Ein Trugschluss w�re es zu glauben, der „normale“ Zuschauer erkenne die abgestandene Formel dieses Films nicht. Artikuliert er sie vielleicht auch nicht, so hat sie doch jeder Mensch mit etwas Thriller-Seherfahrung verinnerlicht.
D�rfte sich auch der Genre-Kenner von „Irgendwas bleibt immer“ mit Grausen abwenden, den Zweck anspruchsloser Zerstreuung erf�llt dieser ZDF-Montagskrimi auf einem durchaus ansprechenden Niveau. Die Besetzung, Lisa Maria Potthoff, Manuel Rubey, Justus von Dohn�nyi, Ulrike Krumbiegel, kann sich sehen lassen (obgleich man mit weniger Type-Casting ein gr��eres Spannungsverh�ltnis zwischen den Charakteren h�tte schaffen k�nnen). Die Schaupl�tze im Umland von M�nchen, die relative Abgeschiedenheit, das alles passt zur Geschichte ganz gut. Das wohlhabende Sch�ner-Wohnen-Ambiente charakterisiert ein St�ck weit die Figuren (Nina ist �rztin und hat geerbt), kennzeichnet sie als St�tzen der Gesellschaft – insbesondere die Heldin: eine Frau, die in ihrem Beruf Verantwortung tr�gt und genau hinschauen muss; f�r das Privatleben reicht dann oftmals die Energie nicht mehr aus. Dass sie von ihrem Ehemann betrogen wurde, hat sie erst nach einem halben Jahr entdeckt. Und auch wenn Thomas Kronthaler kein �berm��ig �sthetisch elaborierter Film gelungen ist, so spiegelt sich doch der Stimmungsumschwung vom gro�en Gl�ck zum angstbesetzten Zweifel recht eindrucksvoll in den Bildern. Ist zu Beginn noch alles von der Sommersonne durchflutet, ziehen sp�ter wortw�rtlich graue Wolken auf, bevor die Ninas Seele in einen kalten Gr�nschimmer getaucht wird. Das sieht gut aus, ist aber genauso erwartbar wie das Erz�hlte dieses Gratifikationsthrillers, der auf die Best�tigung des unbedarften Zuschauers setzt.
Foto: ZDF / Jacqueline Krause-BurbergNina (Potthoff) f�llt es immer schwerer, Mark (Manuel Rubey) zu vertrauen. Es ist eines der gr��ten Mysterien der Genre-Kultur, dass aus den gleichen Formeln immer wieder andere Geschichten zustande kommen. Bei "Irgendwas bleibt immer" hat man jedoch den Eindruck, im ZDF diese Story(konstruktion) schon oft gesehen zu haben.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
Sie k�nnen den fernsehfilm-beobachter unterst�tzen: Werden Sie Fan & Freund oder spenden Sie oder kaufen Sie bei amazon, indem Sie von hier, vom amazon-Button oder von jedem beliebigen DVD-Cover dorthin gelangen.