Lauterbachs Klinikreform wohl verfassungswidrig: „Krankenversicherung ist kein Selbstbedienungsladen“
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Lauterbachs Klinikreform wohl verfassungswidrig: „Krankenversicherung ist kein Selbstbedienungsladen“

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Mit seiner großen Klinikreform will Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Finanzierung der Krankenhäuser auf neue Beine stellen. Doch ein neues Gutachten sieht darin massive Probleme.

Berlin – Vor wenigen Wochen hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seinen Gesetzesentwurf für eine neue Klinikreform vorgelegt. Diese zielt darauf ab, die Vergütung mit Pauschalen zu ändern und so die finanziellen Anreize bei der Gesundheitsversorgung zu verschieben. Doch seit Wochen beklagen die Bundesländer und die gesetzlichen Krankenkassen, dass die Art und Weise, wie Lauterbach diese Reform bezahlen möchte, ungerecht ist. Ein neues Gutachten stellt nun sogar die Verfassungsmäßigkeit infrage.

Lauterbachs Krankenhausreform will Beiträge der Krankenkassen nutzen

Der Entwurf des sperrig genannten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes – umgangssprachlich „Krankenhausreform“ genannt – zielt darauf ab, die Vergütung bei Kliniken anzupassen und so ein Kliniksterben zu verhindern. Dazu soll ein sogenannter „Transformationsfonds“ eingerichtet werden, aus dem Kliniken Mittel bekommen können, wenn sie Investitionen tätigen müssen, dafür aber nicht genug Geld haben. Dieser Transformationsfonds soll bis 2035 mit 50 Milliarden Euro gefüllt werden. Die Hälfte davon tragen die Länder, die andere Hälfte soll aus den Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden.

Und genau da ist der Haken: Um die 25 Milliarden Euro für den Fonds aufzutreiben (jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro bis 2035), werden die Krankenkassen ziemlich wahrscheinlich die Kassenbeiträge erhöhen. Die gesetzlichen Krankenkassen sehen darin einen Verfassungsbruch, da die privaten Kassen nicht zur Finanzierung beitragen sollen, obwohl alle Patienten und Patientinnen profitieren. Zudem sehen sie darin eine Zweckentfremdung der Beiträge.

Zu diesem Schluss kommt nun auch ein Rechtsgutachten der Universität Hamburg im Auftrag des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), über das die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet. „Sozialversicherungsbeiträge sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts streng zweckgebunden und dürfen nicht zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts verwendet werden. Genau das geschieht aber“, zitiert die Zeitung eine der Gutachterinnen, Dagmar Felix. „Hier geht es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nämlich um die medizinische Daseinsvorsorge, und das betrifft die Gesamtbevölkerung“. Die Reform müsse daher über den allgemeinen Haushalt erfolgen und nicht durch die Beitragssätze.

Karl Lauterbach
Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, plant eine umfangreiche Krankenhausreform – die aber verfassungswidrig sein könnte. © Hannes P. Albert/dpa

Ob die Ampel dazu aber überhaupt das nötige Geld aufbringen wird, wird sich in den kommenden Wochen klären. Denn jetzt beginnen die Haushaltsberatungen für 2025 – und in der Kasse der Bundesregierung klafft ein Loch in Höhe von mindestens 20 Milliarden Euro. SPD und Grüne fordern daher erneut eine Lockerung der Schuldenbremse, um die vielen Projekte der Koalition realisieren zu können. Die FPD hält weiter an ihrem strengen Sparkurs fest. Ob der Bundeshaushalt also überhaupt die Mittel für die Klinikreform aufbringen kann, ist unklar.

Krankenkassen wollen noch nicht gegen Ampel-Pläne klagen

Wie die FAZ weiter berichtet, wollen die Krankenkassen aber erstmal nicht gegen das Gesetz klagen, sondern hoffen, dass das Gutachten genug Druck erzeugt, um eine politische Lösung zu finden. „Mit dem Griff nach den Beitragsgeldern wäre endgültig eine rote Linie überschritten. Die gesetzliche Krankenversicherung ist kein Selbstbedienungsladen für die Bundesregierung, um ihre Finanzprobleme zu lösen“, sagt Uwe Klemens, Verwaltungsratsvorsitzender und Versichertenvertreter im GKV-Spitzenverband, der Zeitung.

Auch der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), sieht Probleme mit der Finanzierung des Gesetzes. Es sei in seiner jetzigen Form „verfassungsrechtlich bedenklich, denn die Krankenhaus-Struktur ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Länder, die aus Steuermitteln gezahlt werden müsste“, heißt es in einer Mitteilung des Verbands. „Dies gilt besonders für die Beteiligung an Schließungskosten. Deshalb lehnt die PKV eine Mitfinanzierung des Transformationsfonds ab. Eine solche Beteiligung stünde unter dem Damoklesschwert erfolgreicher Verfassungsklagen.“

Die Länder fordern derweil ebenfalls in einer gemeinsamen Stellungnahme Änderungen bei der geplanten Krankenhausreform. Bisher seien weder die Ausgestaltung der gewünschten Vergütungssystematik noch deren Auswirkungen klar, sagte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Kerstin von der Decken (CDU) aus Schleswig-Holstein. Unzureichend berücksichtigt sei auch die Finanzierung bedarfsnotwendiger kleiner Krankenhäuser. Es bestehe Einigkeit unter allen Ländern, dass der Bund rasch umfassende Änderungen am Entwurf vornehmen müsse. Die Einstimmigkeit verdeutliche, dass parteipolitische Erwägungen hier irrelevant seien. Das Bundeskabinett soll sich voraussichtlich am 8. Mai mit dem Gesetzentwurf befassen.

Mit Material von dpa

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