Paradigma – Schreibung, Definition, Bedeutung, Etymologie, Synonyme, Beispiele | DWDS
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Paradigma, das

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GrammatikSubstantiv (Neutrum) · Genitiv Singular: Paradigmas · Nominativ Plural 1: Paradigmen · Nominativ Plural 2: selten Paradigmata
Aussprache  [paʀaˈdɪgma] · [paˈʀadɪgma]
Worttrennung Pa-ra-dig-ma
Wortbildung  mit ›Paradigma‹ als Erstglied: Paradigmawechsel · Paradigmenwechsel  ·  mit ›Paradigma‹ als Letztglied: Forschungsparadigma  ·  mit ›Paradigma‹ als Grundform: paradigmatisch
Herkunft zu parádeigmagriech (παράδειγμα) ‘Beispiel, Muster, Vorbild’
Duden, GWDS, 1999 und DWDS

Bedeutungen

1.
bildungssprachlich
a)
Beispiel, Muster; Erzählung mit beispielhaftem Charakter
Kollokationen:
in Präpositionalgruppe/-objekt: etw., jmdn. zum Paradigma erheben
Beispiele:
Siegels und Shusters Schöpfung war nicht nur das Vorbild für das brandneue, mediendefinierende Genre, ihr Leben war auch das tragische Paradigma für Schöpfer, die nicht am Erfolg ihrer Kreationen beteiligt wurden. [Süddeutsche Zeitung, 22.10.2019]
Das Höhlengleichnis ist […] ein erkenntnistheoretisches Paradigma. [Neue Zürcher Zeitung, 13.02.2021]
Die Autoren erheben mit Marx die Arbeit zum »Gattungscharakter des Menschen«, zum Paradigma menschlichen Tätigseins überhaupt. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.09.2000]
[…] nach dem Tode Jesu wurden zunächst im wesentlichen nur einzelne Sprüche und Taten Jesu von Predigern und Missionaren mündlich weitergegeben[…]. So gehören die meisten Gleichnisse Jesu einer der ältesten »Schichten« an, und auch die sogenannten Paradigmen (kurze erbauliche Erzählungen, die oft in einem Wort Jesu münden) sind älter als die sogenannten Novellen, deren Stil dem frommer Erzählungen in anderen Religionen entspricht. [Der Spiegel, 28.03.1966]
Die Begriffsbildung der Soziologie entnimmt ihr Material, als Paradigmata, sehr wesentlich, wenn auch keineswegs ausschließlich, den auch unter den Gesichtspunkten der Geschichte relevanten Realitäten des Handelns. [Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. In: Weber, Marianne (Hg.): Grundriß der Sozialökonomik. Tübingen: Mohr 1922 [1909–1914, 1918–1920], S. 9] ungewöhnl.
b)
Summe der in einem Bereich geltenden Grundsätze; grundsätzliche WeltsichtDWDS
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein patriarchales, neoklassisches, objektorientiertes, neoliberales, kulturwissenschaftliches Paradigma; das vorherrschende, herrschende, normative, dominierende Paradigma
als Akkusativobjekt: das Paradigma verkörpern, entwickeln, wechseln
Beispiele:
Auf der Seite »Rette sich wer kann« wird das patriarchale Paradigma beschrieben: Zu dem, was dort unter Paradigma verstanden wird: Es ist die Kenntnis[-], Erkenntnis‑ und Wissens»glocke« in der wir uns als Gruppe befinden, ein Netzwerk der Umgangsformen. Salopp gesagt: Innerhalb eines Paradigmas werden dessen Elemente als normal und selbstverständlich empfunden. [Das patriachale Paradigma, 01.09.2013, aufgerufen am 01.09.2020]
Die Verwerfungen durch die Pandemie rufen geradezu nach einer Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft. Vielleicht braucht es sogar einen neuen Gesellschaftsvertrag. Die Schweiz muss ihre Paradigmen in vielen Bereichen überdenken, gerade im Bereich der sozialen Sicherheit. [Neue Zürcher Zeitung, 03.03.2021]
Das Interessante ist nun, dass es durch Rawls’ Einfluss in der anglo‑europäischen Welt dazu kam, dass das liberal‑egalitäre Denken im Sinne des Individualismus, der Gerechtigkeit, der Freiheit und Gleichheit gegen den Marxismus und den (Post‑)‍Strukturalismus zum dominanten Paradigma der politischen Philosophie wurde. [Der Tagesspiegel, 14.02.2021]
Erst wenn eine Wissenschaft in die Krise gerät, wenn ihre lange nicht hinterfragten Paradigmen, also Grundannahmen, ins Wanken geraten, dann beginnt sie zu denken. [Mittelbayerische, 23.01.2021]
In den 60ern hob Chomskys Theorie der »generativen Transformationsgrammatik« das in der Sprachwissenschaft vorherrschende Paradigma aus den Angeln. [Der Tagesspiegel, 07.12.2018]
Humanistische Wissenschaft, die sich Phänomenen wie Freude, Liebe, Schmerz, Leid und Glück aussetzt, läßt sich nicht in Standards eines naturwissenschaftlich gefärbten Wissenschaftsbegriffs pressen, sondern arbeitet an der kreativen Erweiterung ihres Paradigmas und ihres Methodenkanons, wobei die Unzulänglichkeit vieler Verfahren bewußt in Kauf genommen und in den Forschungsprozeß einbezogen wird. [Hinte, Wolfgang / Runge, Rüdiger: Humanistische Psychologie. In: Asanger, Roland / Wenninger, Gerd (Hg.): Handwörterbuch Psychologie. Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1980], S. 1394]
2.
Sprachwissenschaft
a)
Gesamtheit der Formen der Flexion eines Wortes, besonders als Muster für Wörter, die in gleicher Weise flektiert werden
Beispiele:
Wie der Bildhauer im Atelier auf sein parádeigma von Fleisch und Blut schaute, um seine marmorne Venus zu schaffen, so schaute […] der Lateinschüler im Schulzimmer auf das Paradigma amo, amas, amat …, um nach diesem »Schulbeispiel« die übrigen Verben der a‑Konjugation durch alle Tempora und Modi durchzukonjugieren. [Neue Zürcher Zeitung, 19.09.2014]
Leider löst die Grammatik diesen Anspruch nicht ganz ein, sosehr sie ansonsten allen Anforderungen eines Standardwerks gerecht wird, zum Beispiel mit vorbildlicher Verblehre mit 52 Paradigmata zum Nachschlagen der Formen (einer der häufigsten Gründe, eine Grammatik zu konsultieren)[…]. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.01.1999]
Paradigma (grch., »Vorbild«), in der Grammatik ein beispielsweise flektiertes Wort[…]. [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1906], S. 55605]
b)
Anzahl von sprachlichen Einheiten, zwischen denen in einem gegebenen Kontext zu wählen ist
Beispiele:
Sie sind Figuren, Platzhalter, Bedeutungsträger, Zeichen. […] Die beiden Liebhaber dienen sich bei Nina in Varianten an, die kurz so benannt werden könnten: linkisch, überfallartig, hinterlistig, gewaltsam, erpresserisch, provozierend. Sprachwissenschaftler nennen eine solche Reihe ein Paradigma. [Die Zeit, 06.09.1985]
Zu erforschen sind: Satzgliedstellung; Valenz (des Verbs, der Wörter allgemein); Syntagma – Paradigma[.] [Arbeitstechnik: genau lesen, mit Wörterbuch, 18.10.2010, aufgerufen am 01.09.2020]
Diese [semiotisch-strukturale Methode] versucht, ursprünglich aus der Linguistik (Greimas, Bloomfield, Barthes u. a.) entlehnte Kategorien für die Beschreibung literarischer Phänomene fruchtbar zu machen – z. B. Paradigma und Syntagma, Isotopie und Opposition, Bedeutungsebenen, Makro‑ und Mikrostruktur oder Oberflächen‑ und Tiefenstruktur. [Neue Zürcher Zeitung, 10.09.1996]

letzte Änderung:

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Paradigma n. ‘Beispiel’ (in der Grammatik durchflektiertes Musterwort), ‘kurze Erzählung, wissenschaftliche Richtung’, gelehrte Übernahme (16. Jh.) von lat. paradīgma, griech. parádeigma (παράδειγμα) ‘Beispiel, Muster, Vorbild’, zu griech. paradeiknýnai (παραδείκνύναί) ‘als Beispiel darstellen’; vgl. griech. deiknýnai (δεικνύναι) ‘zeigen’ und s. para-.

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

Geisteswissenschaften
Art, zu denken · Beispiel · Denkmuster · Denkungsart · Denkweise · Leitvorstellung · Muster · Paradigma · Sichtweise · Vorbild  ●  Denke ugs.
Assoziationen

Geisteswissenschaften
Lehrmeinung · Leitbild · Paradigma

Linguistik/Sprache
Erzählung · Paradigma

Linguistik/Sprache
(alle) Wortformen · Formeninventar · Formenparadigma · Formenreihe · Paradigma

Typische Verbindungen zu ›Paradigma‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›Paradigma‹.

Zitationshilfe
„Paradigma“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Paradigma>.

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