The Fortress: Die Mauer - Review zur Pilotfolge der norwegisch-deutschen Near-Future-Thrillerserie bei das Erste
  1. serienjunkies
  2. News
  3. Reviews

The Fortress: Die Mauer - Review zur Pilotfolge der norwegisch-deutschen Near-Future-Thrillerserie bei das Erste

Kommentare

Szenenfoto aus der Serie „The Fortress“
Szenenfoto aus der Serie „The Fortress“ © ARD Degeto/Maipo Film/Viaplay

Die Pilotfolge des siebenteiligen norwegisch-deutschen Near-Future-Thrillers „The Fortress“ bei Das Erste bietet eine interessante Prämisse, verpasst es aber, diese spannungsvoll an das Publikum zu übergeben. Zu viel Nebengeplänkel lenkt vom eigentlichen Thema ab und versprüht deshalb vor allem im Mittelteil Langeweile. Mehr dazu in unserer Kritik.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Das passiert in der Near-Future-Thrillerserie „The Fortress“

Im Jahr 2037 ist Europa in Umweltkatastrophen und politischen Krisen versunken. Um den in The Fortress gezeigten weltweiten Auswirkungen zu entgehen, hat sich das ressourcenreiche Norwegen komplett abgeschottet und eine Grenzmauer errichtet, vor der tausende Flüchtlinge kampieren. Auch das englische Paar Charlie (Russel Tovey) und Uma (Nina Yndis) stehen mit ihrem Baby Hope vor der stark befestigten Grenze und versuchen, ins vermeintliche Paradies einzureisen. Doch hinter der Mauer braut sich bereits Unheil zusammen, als in einer Lachszucht ein unbekanntes Bakterium auftritt und die Schwärme dezimiert. Die Wissenschaftlerin Esther Winter (Selome Emnetu) stemmt sich mit aller Kraft gegen das Sterben - und Charlie könnte die einzige Rettung sein.

Jetzt das Angebot der ARD Mediathek kostenlos entdecken

Die Prämisse

Biologin Esther (Selome Emnetu) gibt einen Überblick über die Nahrungsmittelversorgung in Norwegen.
Biologin Esther (Selome Emnetu) gibt einen Überblick über die Nahrungsmittelversorgung in Norwegen. © ARD Degeto/Maipo Film/Viaplay

Beginnen wir dieses Review zur Pilotfolge der Miniserie mit einigen positiven Punkten, angefangen mit der Prämisse. In der nahen Zukunft ist Europa ein krisengeschüttelter Kontinent am Rande des Zusammenbruchs. Lediglich das kleine Norwegen rettet sich vor dem Chaos, in dem sich das Land Jahre zuvor mithilfe einer befestigten Grenzmauer vollständig von der Außenwelt abgeschottet hat. Ernährung, Energie, Bekleidung und selbst technologische Innovationen werden komplett autark entwickelt und erzeugt.

Tatsächlich wird jene Mauer recht früh in der Debütfolge gezeigt und lässt schwache Erinnerungen etwa an den Dystopieklassiker „Die Klapperschlange“ aufkommen, in dem ganz New York von einer Grenzmauer umgeben ist. Was die Bewohner der einstigen amerikanischen Metropolo jedoch drin hält, hat in Norwegen den gegenteiligen Effekt. Einreisen darf nur, wer strenge Sicherheits- und Medizinkontrollen übersteht und wirklich gebraucht wird.

Drei der Menschen, die unbedingt ins vermeintliche Paradies einwandern möchten, sind der Engländer Charlie nebst Frau und Baby. Sie ist Biologin und könnte in der Nahrungsmittelproduktion des Landes eine wichtige Rolle spielen, wenn sie nicht eine 26-prozentige Chance aufweisen würde, irgendwann eine unheilbare Krankheit zu bekommen. Das alles klingt recht spannend - und ist es grundlegend auch, zumal Schauspieler Russel Tovey, der eine der beiden Hauptfiguren in „The Fortress“ verkörpert, eine gute Leistung abliefert. Das Gleiche gilt für seine Filmpartnerin Selome Emnetu, die als Wissenschaftlerin Esther auftritt. Die erfolgreiche Akademikerin überwacht die Produktion des Landes und steht plötzlich einer Seuche ungeahnten Ausmaßes gegenüber, die Norwegen ins Chaos stürzen könnte.

Gähnende Längen

Für ein starkes Darstellerduo sorgt die Thrillerserie also, wobei die Nebendarsteller ebenfalls glaubwürdig agieren. Auf dieser Ebene gibt es also nicht viel zu klagen. Leider sind eine starke Prämisse und ansehnliche Schauspielende aber nicht alles. Wo eine mitreißende Ausgangsituation vorherrscht, muss selbstredend eben auch die Erzählweise Spannung pur verbreiten. Genau das gelingt dem Autoren-Duo Linn-Jeanethe Kyed und John Kåre Raake aber nicht. Statt sich in ihre Prämisse einzufühlen und dem Publikum das Chaos der Außenwelt zu präsentieren, ergehen sich die ersten 45 Minuten über weite Teile in eine Soap-artige Einführung der Figuren, die für Langweile sorgt.

Die Frage ist, ob ich als Zuschauender wirklich wissen will, dass Esther eigentlich ein Sabbatical in Oslo einlegen will, dass ihr Mann eine Abschiedsparty für sie schmeißt und dass das gut situierte Paar von einem weiteren Kind träumt? Mit anderen Worten schlägt der Versuch, Nähe zur Hauptfigur zu generieren, wegen der thematisierten Belanglosigkeiten fehl. Solche Einschübe bremsen darüber hinaus das Erzähltempo und lassen den Spannungsbogen beinahe bis ins Unendliche abflachen. Eine Serie wie die leider viel zu früh abgesetzte deutsche Dystopie Helgoland 513 macht es da um Längen besser, wenn die Ist-Zeit der Serie mit beißender Ironie und einem gewissen Mut zur Skurrilität eingeführt wird.

In „The Fortress“ scheint aber nicht einmal das plötzliche Fischsterben wirkliche Panik auszulösen, obwohl die Zucht die mit Abstand wichtigste Proteinquelle des Landes darstellt. Lassen wir einmal die Frage beiseite, warum auf den riesigen Feldern des Landes nicht zum Beispiel das eiweißreiche Soja angebaut wird, weil der Chef der Ernährungsbehörde seine Leiterin ohnehin lax (man möge mir dieses Wortspiel verzeihen) darauf hinweist, dass sie ihre Landsleute nicht über Nacht zu Veganern erziehen könnte. Sollte es Menschen, die vom Untergang regelrecht umgeben sind, nicht egal sein, woher sie ihr Protein beziehen? Derartige kleine Stolpersteine finden sich einige in der Pilotfolge, angefangen bei dem genannten Beispiel, bis hin zu der Tatsache, dass die Landesgrenze Norwegens zwar hermetisch abgeriegelt, die Seegrenze aber offenbar recht löchrig ist.

Die Dialogführung

Hinzu kommt, dass die Dialogführung in manchen Szenen einen wenig präzisen und damit schwammigen Eindruck hinterlässt und sich in Unnötigkeiten ergeht, statt die Geschichte auf den Punkt zu bringen. Ich möchte wissen, warum der Leiter der Zuchtstation den Seuchenausbruch zu verheimlichen versucht; mich interessiert, wie der Ministerpräsident auf die Bedrohung reagiert. Hingegen tangiert es mich wenig, wenn Esther sich in einer Notlage, die möglicherweise epische Ausmaße annehmen könnte, über mangelnden Tierschutz bei einer Ausweitung der Hühnerzucht moniert. So ein Verhalten ist genauso wenig stimmig, wie die in der Serie erwähnte dreiprozentige Opposition, die für den Abriss der Mauer plädiert. Da wäre schlicht mehr drin gewesen.

Fazit

Charlie (Russell Tovey) versucht, mit Baby Hope nach Norwegen einzureisen.
Charlie (Russell Tovey) versucht, mit Baby Hope nach Norwegen einzureisen. © ARD Degeto/Maipo Film/Viaplay Group/Lukas Salna

Abschließend sei allerdings betont, dass hier lediglich die erste Folge bewertet wird und der Plot in den verbleibenden Episoden durchaus noch anziehen kann. Der Start in das dystopische Abenteuer hinterlässt hingegen einen zwar gut gemeinten und gut gespielten, letztlich aber unbefriedigenden Eindruck. Obwohl der alte Autorengrundsatz bei weitem nicht immer greift, wäre etwas mehr show und weniger tell möglicherweise die bessere Option gewesen.

Für die interessante Prämisse mit Potential und die ansprechenden Darstellerleistungen vergeben wir aber dennoch drei von fünf Sternen.

Auch interessant

Kommentare