Die Zeremonie war von nüchterner Schlichtheit, allenfalls die Umstände sorgten für eine gewisse Erregung. Der Bräutigam erschien zu spät, sodass ein neuer Standesbeamter geholt werden musste, weil der Diensthabende bereits gegangen war. Auf der Urkunde machte er sich um 18 Monate älter, während sie von ihrem Alter gleich vier Jahre abzog. So gaben sich Napoleon Bonaparte und Joséphine de Beauharnais am 9. März 1796 im Rathaus des 2. Pariser Arrondissements das Ja-Wort in einer Ziviltrauung, bei der „alles so lügenhaft und illegal war, dass man sie heute rechtlich für null und nichtig ansehen würde“, wie ein Historiker in der Rückschau urteilte.
Dass das in dieser Phase der Französischen Revolution niemanden anfocht, verdankte sich nicht zuletzt den Trauzeugen. Als Mitglied des Direktoriums gehörte Paul de Barras zu den führenden Politikern, die nach dem Sturz von Maximilien Robespierre 1794 die Macht übernommen hatten. Jean Lambert Tallien war ein bekannter Journalist und hatte am Sturz Robespierres mitgewirkt; nun war er Abgeordneter im Rat der Fünfhundert. Macht und Öffentlichkeit sollten die Karriere der Jungvermählten weiter antreiben.
Drei der Beteiligten verbanden auch einschlägige Erfahrungen. Eine Zeitlang war Joséphine die Geliebte von Barras gewesen, eine Rolle, die sie sich mit ihrer Freundin Thérésia Cabarrus teilte, der Frau von Tallien. Der wiederum pflegte mit Barras die Vorliebe für einen luxuriösen Lebensstil, der beide für Korruption empfänglich machte. Joséphine und Thérésia galten als „femme à la mode“ und führten stadtbekannte Salons, in denen die Schönen und Einflussreichen ein- und ausgingen und um Gunstbeweise der Gastgeberinnen buhlten.
Joséphines (1763 bis 1814) wichtigstes Kapital war sie selbst. Die Tochter eines Zuckerplantagenbesitzers auf der Karibikinsel Martinique hatte 1779 den Offizier Alexandre de Beauharnais geheiratet, mit dem sie die Kinder Eugène und Hortense hatte. Bereits 1785 war die Ehe so zerrüttet, dass das Paar die Trennung beschloss. Die verabredeten Unterhaltszahlungen stockten spätestens 1794, weil Beauharnais während des Großen Terrors kurz vor Robbespierre seinen Kopf verlor. Auch Joséphine kam ins Gefängnis, wo sie sich mit Thérésia anfreundete. Beide überlebten mit Glück. Wieder in Freiheit beschlossen sie, ihre Wohnungen zu Foren der neu gewonnenen Lebensfreude zu machen.
Da Joséphines eigene Mittel begrenzt waren und sie zudem für ihre Kinder sorgen musste, war Geld eine wichtige Eigenschaft, über die ihre Besucher verfügen sollten. Dafür gewannen sie die Aufmerksamkeit einer exotischen Schönheit, „deren erotischer Schmelz mit einer gewissen trägen Eleganz ihrer Bewegungen einherging, die höchst aufreizend gewirkt haben muss“, schreibt ein Biograf. „Sie hatte einen nicht besonders weit gespannten Horizont und war ziemlich ungebildet“, urteilte ein Zeitzeuge. „Aber sie besaß ein gutes Urteil, Scharfsinn, ein sicheres Auftreten in Gesellschaft, eine unnachahmliche Anmut, und die kreolische Sprechweise verlieh ihrer Konversation viel Charme.“
Die 32-jährige Joséphine verfügte also über Sicherheit auf dem Parkett und im Schlafzimmer im Überfluss. Daran mangelte es dem 26-jährigen Revolutionsgeneral aus Korsika. Der hatte zwar im Oktober 1795 im Auftrag des Direktoriums einen royalistischen Aufstand zusammengeschossen und sich damit den Befehl über die Armee des Inneren verdient. Aber an Kontakten und dem nötigen Auftreten fehlte es ihm.
Als er nach der Niederschlagung des Aufstands Joséphine in ihrem Salon begegnete, traf es ihn wie ein Schlag. Umgehend vergaß er seine Verlobte Désirée Clary (sie sollte später einen Marschall Napoleons heiraten und zur Königin von Schweden aufsteigen) und verliebte sich in die verführerische Kreolin, die seinen stürmischen Avancen zunächst reserviert begegnete: „Mein Freund liebt mich nicht“, vertraute sie Thérésia an. „Er betet mich an, und ich glaube, dass er noch verrückt werden wird.“
Aber Joséphine ließ ihn nicht lange zappeln. Vermutlich war sie klug genug, um zu wissen, dass ihre Anziehungskraft nicht ewig bleiben würde und dass die Zeitläufte auch schnell unangenehme Überraschungen parat haben konnten. Ihr Geliebter war jetzt Stadtkommandant von Paris, bewohnte eine Villa und verfügte über eine Loge in der Oper. Und ihr (Ex?-)Geliebter Barras war bereit, die Karriere des jungen Generals weiter zu fördern.
Es war also nicht nur Leidenschaft, die die beiden zusammenführte und bis 1809 zusammenhalten sollte, sondern durchaus rationales Kalkül. Umgehend setzte sie sich bei Barras dafür ein, dass Bonaparte das Kommando über die Italien-Armee übertragen wurde, mit der dieser seine ersten großen Siege erringen sollte. Später war es wohl ihrem Einfluss zuzuschreiben, dass ihr Mann als Erster Konsul die Sklaverei in der Karibik wieder restituierte, um die Plantage ihrer Familie zu retten. Ihr größter Triumph wurde schließlich die Krönung zur Kaiserin am 2. Dezember 1804 in der Kathedrale Notre-Dame de Paris.
Am Tag zuvor lieferte Joséphine noch einmal eine Kostprobe ihres Scharfsinns ab. Gegenüber Papst Pius VII. beichtete sie, dass die Hochzeit mit Bonaparte nur auf dem Standesamt, nicht aber in einer Kirche geschlossen worden war. Da dieses kanonische Manko die erwünschte Anwesenheit des Papstes bei der Zeremonie unmöglich gemacht hätte, musste Napoleon noch in der Nacht eine kirchliche Hochzeit arrangieren, die von einem Kardinal vollzogen wurde. Damit hatte Joséphine den künftigen Kaiser der Franzosen noch enger an sich gebunden.
Doch das rettete ihre Ehe am Ende auch nicht. Als aus Napoleons Affäre mit der polnischen Gräfin Maria Walewska ein Sohn entsprang, war klar, dass nicht ihr Mann, sondern sie für die Kinderlosigkeit der Eheleute verantwortlich war. Um endlich eine Dynastie gründen zu können, ließ sich Napoleon daher von Joséphine scheiden und heiratete die Tochter des österreichischen Kaisers Franz I., Marie-Louise, die ihm im März 1811 auch den ersehnten Thronfolger gebar. Joséphine zog sich auf das Schloss Malmaison zurück und starb im Mai 1814, wenige Wochen, nachdem Napoleon erstmals zum Rücktritt gezwungen worden war.
Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.
Dieser Artikel wurde erstmals im März 2022 veröffentlicht.