Halberstadt: „My fair Lady“, Frederick Loewe

Mit der Neuinszenierung des Kult-Musicals nach Bernhard Shaws „Pygmalion“ und dem Film von Gabriel Pascal hat das Harztheater wieder einen Renner und Kassenfüller im Programm! Das ausverkaufte Haus in Halberstadt feierte die Premiere der Neuauflage des Stückes mit den pointierten Texten von Alan Jay Lerner und der mitreißenden Musik von Frederick Loewe, das auch nach fast 70 Jahren nichts von seiner ursprünglichen Kraft verloren hat.

© Ray Behringer

Das lag zunächst an der wirbeligen Regie ohne Übertreibungen von Holger Potocki, der die Protagonisten sehr lebhaft und auch choreographisch fein agieren ließ. Zu nahtlosen Übergängen der einzelnen kleinen Szenen hatte Andrea Kaempf – die auch für die sehr passenden, teils prächtigen Kostüme verantwortlich war – ein praktisches Bühnenbild gebaut mit leicht verschiebbaren Kulissen; ein Knüller war das überdimensionierte Buch, das die Bühne links begrenzte und sich mehrfach aufklappen ließ, wobei sich die Kneipentür von Alfred P. Doolittles Stammkneipe, die Rennbahn von Ascot oder der Hauseingang von Professor Higgins öffneten. In diesem praktischen Ambiente lief die auf einer Wette zwischen Professor Higgins und Oberst Pickering beruhende „Spracherziehung“ des Blumenmädchens Eliza Doolittle zügig ab.

© Ray Behringer

Die musikalische Leitung des schwungvollen Abends lag in den Händen von Harutyun Muradyan, der die Harzer Sinfoniker von der Ouvertüre an mit deutlicher Zeichengebung zu flotten, aber ebenso zu schwelgerisch ausladenden Melodien anhielt. Mit viel Gefühl und Feindifferenzierung in allen Instrumentengruppen entstand eine in sich stimmige Aufführung. In der Titelrolle erlebte man aus dem Ensemble die Musical-Spezialistin Alice Macura, die darstellerisch und stimmlich eine Wucht war. Neben dem Highlight „Es grünt so grün” überzeugten mich besonders das ausdrucksstarke „Wart’s nur ab, Henry Higgins” sowie das melancholische „Nur een Zimmerchen irjendwo”. Nicht nur dass sie den sprachlichen Wechsel von der Gosse zur Society nach harten Lehrstunden erobert hatte, war gelungen, sondern auch wie sie fast unmerklich ihren Professor Higgins das Mitgefühl lehrte. Der wurde von Michael Rapke passend selbstverliebt und anderen gegenüber herrlich ruppig gespielt. Mit seinem schönen Bariton servierte er u.a. seine Songs „Bin ein Mann wie jedermann” und „Kann eine Frau nicht sein wie ein Mann?” mit der notwendigen Überzeugung; aber auch das allmähliche Erkennen der Zuneigung zu Eliza in „Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht” gelang eindringlich. Gijs Nijkamp als möglichst ausgleichender Oberst Pickering zwischen den beiden Polen Eliza und Higgins machte gute Figur und stimmte mit rundem Bass fröhlich bei u.a. „Es grünt, so grün” und “Sie sind’s, der es geschafft hat” mit ein. Der von Higgins als „moralischster Moralist Englands” bezeichnete Alfred P.Doolittle wurde von dem als Gast zurückgekehrten KS Klaus-Uwe Rein mit großer Bühnenpräsenz dargestellt. Dadurch wirkten seine Szenen mit „Mit’nem kleen’n Stückchen Glück” und „Hei, heute morgen mach ich Hochzeit” besonders lebensprall. Als Eliza verehrender Freddy Ensford-Hill gab Francisco Huerta eine weitere, gelungene Kostprobe seines bestens durchgebildeten Tenors mit „In der Straße wohnst du”. Köstlich war die Szene, als Mrs. Higgins(Bettina Pierags) ihrem Sohn die Leviten las, nachdem Eliza zu Besuch gekommen war. Außerdem gestaltete Regina Pätzer die Haushälterin Mrs. Pearce äußerst feinfühlig.

© Ray Behringer

Neben diesen gab es noch unzählige kleinere Rollen, die mit Chormitgliedern besetzt waren: Da gab es Obsthändler, Stubenmädchen u.a. in den Szenen des niedrigen Milieus, Lords und Ladies aus der High Society in Ascot. Hier kam die große Flexibilität und klangvolle Entwicklung des Opernchores des Harztheaters zum Tragen, die entscheidend zur großen Ensembleleistung beitrugen (Einstudierung: Julija Domaseva). Das äußerst begeisterte Publikum bedankte sich mit Ovationen und Bravos bei allen Beteiligten des gelungenen Premierenabends.

Marion Eckels, 2. Mai 2024


My fair Lady 
Musical von Frederick Loewe

Harztheater Halberstadt

Premiere am 1. Mai 2024

Inszenierung: Rolf Potocki
Musikalische Leitung: Harutyun Muradyan
Harzer Sinfoniker