Der ARD-Freitagsfilm „Die Fischerin“, eine Vater-Tochter-Geschichte, steht f�r die neue Ausrichtung der Degeto: j�ngere Heldinnen, weniger dramaturgische Schubladen, weniger aufgesetzte Kom�dienhaftigkeit, mehr Drama unter der Wohlf�hloberfl�che. Dar�ber hinaus �berzeugt der Film von Jan Ruzicka durch eine exqisite, stimmige Besetzung und auch die Bildgestaltung hat weder etwas mit dem Heimatklassiker „Die Fischerin vom Bodensee“ gemein noch mit dem gewohnten, von der Sonne verw�hnten ARD-Freitagsfilm-Look.
Foto: Degeto / SWR / PichlerStill und fr�hherbstlich ruht der See. Die neue Spielart der Degeto: Alwara H�fels
Die ARD-Tochter Degeto & Sat 1 haben Geschichten dieser Art schon dutzendfach erz�hlen lassen: Eine Frau hat einst ihre l�ndliche Heimat verlassen und ist in die Gro�stadt geflohen. Jahre sp�ter kehrt sie unfreiwillig zu ihren Wurzeln zur�ck und erkennt, wo ihr Platz im Leben ist; meist spielt die Jugendliebe dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Der Film „Die Fischerin“ aber ist anders. Das Drama steht f�r die neue Ausrichtung der Degeto, weshalb die Hauptfigur keine Frau in den besten Jahren ist, sondern vergleichsweise jugendlich. Schon die letzten Degeto-Produktionen warteten mit jungen Heldinnen auf (gespielt von Marie Zielcke, Chiara Schoras, Felicitas Woll). F�r Alwara H�fels ist die Titelrolle nach dem im M�rz ausgestrahlten Drama „Einmal Bauernhof und zur�ck“ bereits das zweite Degeto-Engagement.
Foto: Degeto / SWR / PichlerAuf den ersten Blick traditionell: der Konflikt zwischen Vater (R�diger Vogler) und Tochter (H�fels). Aber entscheidend ist, WIE der Konflikt ausgespielt wird...
Soundtrack: So Seppy ("Enter One"), Musikkapelle Hagnau ("Die Fischerin vom Bodensee" aus dem Album "Jubil�umskl�nge")
F�r die neue Philosophie der ARD-Tochter steht auch der Abschied vom Schubladen-Denken. Zeigte das „Erste“ freitags fr�her vorwiegend Liebesgeschichten, so lebt „Die Fischerin“ nicht zuletzt von der inhaltlich-thematischen Vielfalt. Nat�rlich hat das Drehbuch von Adrienne Bortoli und Ulrike Zinke auch eine Romanze zu bieten, aber in erster Linie erz�hlt der Film von einer Selbstfindung. Wenn �berhaupt, dann passt am ehesten das Etikett „Vater/Tochter-Drama“, denn dieser Konflikt ist nicht nur Ausl�ser der Handlung, er zieht sich auch als roter Faden bis zum Schluss durch die Geschichte: Nach einem Herzinfarkt ihres Vaters Erich (R�diger Vogler) reist die Berlinerin Meike (H�fels) in aller Eile an den Bodensee. Erich ist ein typisch schw�bischer „Bruddler“, entsprechend grantig f�llt die Begr��ung aus. Erst nach und nach enth�llt der Film, warum die Stimmung zwischen Vater und Tochter so frostig ist: Neun Jahre zuvor ist Meikes Bruder allein auf den See zum Fischfang gefahren, weil sich seine Schwester frisch verliebt hatte; bei dieser Bootsfahrt ist er �ber Bord gegangen und im kalten Wasser ertrunken, was der Vater ihr bis heute nicht verziehen hat.
Foto: Degeto / SWR / PichlerEine richtig gute Beziehung: Meike (H�fels) und ihr Koch Sascha (Max von Thun)
Mit dem Heimatklassiker „Die Fischerin vom Bodensee“ (1956) hat der neue Film von Titel und Schauplatz abgesehen keinerlei �hnlichkeit. W�hrend Geschichten dieser Art sonst gern mindestens einen kom�diantischen Einschlag haben, stehen hier die Beziehungen zwischen den Figuren im Vordergrund: Meike ist hin und hergerissen zwischen Markus (Golo Euler), dem sie au�erdem neun Jahre zu sp�t gestehen muss, dass er Vater ist, und ihrem Berliner Freund Sascha (Max von Thun). Die neue Degeto-Denkweise zeigt sich auch in der Bildgestaltung: Im Gegensatz zum gewohnten Freitagsfilm sind die Aufnahmen (Kamera: J�rg Widmer) keineswegs von Sonnenschein durchflutet; �ber den Seebildern liegt vielmehr ein optisch allerdings nicht minder reizvoller Fr�hherbstnebel. Die f�r Degeto-Produktionen eigentlich obligaten Panoramaschwenks fehlen dagegen v�llig. Die Stimmung ist auch dank der sparsamen, aber atmosph�risch ausgesprochen passenden Musik (Carsten Bohn) ohnehin fast kontemplativ, zumal Regisseur Jan Ruzicka das Drehbuch in angemessenem Tempo und mit langen Einstellungen umsetzt. So haben die Schauspieler Zeit, ihre Figuren auszuloten. Fast k�nnte man meinen, diese Degeto-„Fischerin“ goes Arthaus. (Text-Stand: 23.5.2014)
Foto: Degeto / SWR / PichlerAuch kein taufrisches Motiv: Alte Liebe rostet nicht. Alwara H�fels & Golo Euler. Doch der minimalistische Realismus des Augen-Blicks wertet den Plot v�llig um! Hinzu kommt die Sinnlichkeit des Bodensees & des Wetters (Nebel, Sonne, Wind).
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.