Stuka-Bomber: So anfällig war Hitlers Blitzkrieg-Wunderwaffe - WELT
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Zweiter Weltkrieg Stuka-Bomber

So anfällig war Hitlers Blitzkrieg-Wunderwaffe

Noch heute gelten die Sturzkampfbomber als die Waffe, mit denen die Wehrmacht bis 1942 ihre schnellen Siege erringen konnte. Die Analyse eines Militärhistorikers demontiert dieses Bild.

Für die schnellen Erfolge, welche die Wehrmacht zwischen 1939 und 1941 erringen konnte, stehen noch heute zwei technische Innovationen: schnelle, geschlossen geführte Panzertruppen und Kampfflugzeuge, die diese höchst effizient und zielgenau unterstützen konnten. Wie sehr dieses Bild auch von der nationalsozialistischen Propaganda geprägt ist, führt der Dresdner Historiker Jens Wehner in seinem Aufsatz „,Stuka!’ Mythos und Wirklichkeit“ in der Zeitschrift „Militärgeschichte“ des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam aus. Danach handelte es sich bei den Sturzkampfbombern der Luftwaffe „um ein viel zu aufwendiges Konzept“, das in der zweiten Kriegshälfte vor allem von der Propaganda am Leben gehalten und 1944 schließlich ganz aufgegeben wurde.

Die Idee, mit einem Sturzkampfbomber (Stuka) Präzisionsangriffe gegen Einzelziele durchzuführen, wurde seit Mitte der 1930er-Jahre vor allem von Ernst Udet, Chef der Luftwaffenrüstung, vorangetrieben. Die Legion Condor, Hitlers Hilfstruppe für Francos Putschisten im Spanischen Bürgerkrieg, erprobte verschiedene Typen. Am Ende bekam die Junkers Ju 87 den Zuschlag. Trotz erhebliche Nachteile wurde sie zum „Stuka“ schlechthin.

Sturzkampfbomber vom Typ Ju 87 auf einem Propagandafoto von 1940
Sturzkampfbomber vom Typ Ju 87 auf einem Propagandafoto von 1940
Quelle: picture-alliance / akg-images

Mit einer Spitzengeschwindigkeit von gut 360 Stundenkilometern war die Ju 87 langsam, die Reichweite mit voller Ausrüstung betrug ganze 500 Kilometer, die Nutzlast von 500 Kilogramm (in den ersten Versionen) war sehr bescheiden. Hinzu kam, dass die Maschine im Luftkampf gegen einen feindlichen Jäger ausgesprochen unbeweglich und nur schwach bewaffnet und gepanzert war, so dass ihr Einsatz im Grunde den Besitz der Luftherrschaft voraussetzte. Ein Duell konnte der einmotorige Zweisitzer trotz seines rückwärtig gerichteten MGs kaum bestehen.

Auch der Einsatz war höchst riskant. „Die Bedienung der Stukas war für die Piloten nicht nur in physischer Hinsicht, sondern auch in psychischer Hinsicht eine große Herausforderung“, schreibt Wehner. „Denn oft stürzten die Ju 87 in das dichteste Flakfeuer hinein. In den Anfängerfliegerschulen der Luftwaffe wurden daher besonders mutige Piloten für die Sturzkampfgeschwader ausgewählt.“ Zu einer Stuka-Besatzung gehörte übrigens der spätere Aktionskünstler Joseph Beuys.

Wenn die Stukas dennoch zum Symbol des sogenannten Blitzkriegs werden konnten, dann lag das an ihrem taktischen Einsatz, vor allem im Feldzug gegen Frankreich 1940. Beim Durchbruch der deutschen Panzer-Divisionen durch die Ardennen entwickelten die deutschen Generäle eine Taktik der verbundenen Waffen, der ihre Gegner lange nichts entgegenzusetzen hatten. Luftwaffenoffiziere am Boden arbeiteten eng mit ihren Kameraden vom Heer zusammen und dirigierten die fliegende Artillerie beim Einsatz gegen Bunker oder andere Verteidigungssysteme. Dabei kamen nicht nur Bomben, sondern auch eine psychologische Waffe zum Einsatz, eine Sirene.

Da beim Sturz von etwa 4000 auf 1000 Meter aus bis zu 90 Grad die Gefahr drohte, dass die Piloten das Bewusstsein verloren, bremste eine automatische Abfangautomatik den Sturz ab. Dabei wurden am Fahrwerk angebrachte Sirenen ausgelöste, die ein heulendes Geräusch erzeugten. Diese „Jericho-Trompeten“ erzeugten während des Westfeldzugs regelrechte Paniken, die den Panzern vermutlich leichter den Weg freimachten als Bomben.

Diese Vorstellung wurde von der NS-Propaganda noch einmal verstärkt. In den filmischen Inszenierungen wurden für die Stukas Raubtiervögel- und Insektenschwärme genutzt und die Ju 87 als moderne Waffe dargestellt, schreibt Wehner. Die Piloten wurden als kraftvolle Helden gezeigt, vor denen ihre Feinde in Panik flohen. 1941 kam sogar ein Film mit dem Titel „Stuka“ in die gleichgeschalteten Kinos.

Doch diese Bilder suggerierten Möglichkeiten, die die Stukas gar nicht boten. Obwohl die hohen Verlustzahlen während der Luftschlacht um England 1940 die Mängel der Ju 87 deutlich zeigten – sie musste schließlich aus den Kämpfen zurückgezogen werden –, verrannte sich Hitler buchstäblich in die Vision von der Allmacht seiner fliegenden Geschütze. Während die Westalliierten auf strategische Bomber und schnelle Jagdbomber setzten und die Rote Armee schwer gepanzerte und bewaffnete Schlachtflugzeuge entwickelte, krankten viele späteren deutschen Luftwaffen-Entwicklungen an der Order des „Führers“, unbedingt sturz- oder erdkampffähig sein zu müssen. An diesen Vorgaben scheiterte sowohl der viermotorige Bomber He 177 als auch der Düsenjäger Me 262.

Wie anfällig die Stukas waren, zeigte sich bald nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941. Vor allem die psychologische Wirkung der Sturzkampfbombers verpuffte. „Sie sind in Frankreich eingesetzt worden und haben gute Wirkung gezeigt, aber im Osten nicht“, konstatierte ein Kommandeur. Zuletzt wurde die Ju 87 in größerer Zahl in der Schlacht um Kursk im Sommer 1943 eingesetzt. Nachdem die Verlustzahlen dramatische Ausmaße angenommen hatten, wurden die Flugzeuge aus der Front herausgenommen und durch moderne Jagdbomber ersetzt. 1944 lief die Produktion endgültig aus.

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Neben der schwachen Bewaffnung erwies sich zunehmend das gesamte Konzept des Sturzfluges als Manko. Denn es stellte sich heraus, dass es bereits ausreichte, sich einem Gegner in geringerer Höhe in einem „Winkel von 20 Grad im Bahnneigungsflug“ zu nähern (Wehner). Das schonte Piloten und Maschinen, die damit auch zu mehrfachen Anflügen auf ein Ziel ansetzen konnten.

Von dem vielseitig einsetzbaren sowjetischen Schlachtflugzeug Iljuschin Il-2 wurden 35.000 Stück gebaut
Von dem vielseitig einsetzbaren sowjetischen Schlachtflugzeug Iljuschin Il-2 wurden 35.000 Stück gebaut
Quelle: Bundesarchiv Bild 169-0066; CC BY-SA 3.0 de

In diesem Sinne wurden die Ju 87 mit panzerbrechenden Maschinenkanonen versehen. Piloten wie Hans-Ulrich Rudel sollen damit Hunderte von Panzern abgeschossen haben. Obwohl die Luftwaffenführung diese Angaben so skeptisch beurteilte, dass die Zahlen sicherheitshalber durch den Faktor zwei geteilt wurden, jubelte die Propaganda den überzeugten Nazi Rudel zum Helden hoch, dem Hitler am 1. Januar 1945 als einzigem Wehrmachtssoldaten das Goldene Eichenlaub mit Brillanten und Schwertern zum Ritterkreuz verlieh. Mehr als taktische Verteidigungserfolge, so Jens Wehner, konnten diese Maschinen aber nicht erzielen.

Für diese Einschätzung spricht auch der tatsächliche Aufwand, den die Luftwaffe in ihr „Wunderflugzeug“ investierte. Ganze 6000 Maschinen wurden in verschiedenen Versionen bis Kriegsende ausgeliefert, das waren gerade einmal fünf Prozent der deutschen Kriegsproduktion. Nur 977 Piloten der Luftwaffe wurden an der Ju 87 ausgebildet. Zum Vergleich: Von dem sowjetischen Schlachtflugzeug Iljuschin Il-2 wurden 35.000 Stück gebaut, das damit als meistgebautes Flugzeug des Zweiten Weltkriegs gilt.

Wenn die Stukas noch heute als Symbol für die Effizienz der NS-Kriegführung gelten, dann weniger wegen ihrer technischen Leistungen, sondern wegen ihrer taktischen Erfolge. Bis kurz vor Kriegsende beherrschte keine Armee des Zweiten Weltkriegs die Zusammenarbeit zwischen Luft- und schnellen Bodentruppen besser als die Wehrmacht, vor allem wenn sie unter dem Primat der Auftragstaktik geleitet wurden, die bereits der unteren Führungsebene ein Höchstmaß an Eigenverantwortlichkeit zubilligte.

Sturzkampfbomber hatte es auch in anderen Luftwaffen gegeben. Vor allem die US Navy erzielte mit ihnen im Pazifikkrieg große Erfolge gegen japanische Träger und Großkampfschiffe. Aber erst nach dem Krieg entwickelte die US Air Force ihre Taktik der Luftunterstützung für Bodentruppen nach deutschem Vorbild.

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