Gericht bestätigt Einziehung des Vermögens von Günther Mittag wegen Mißbrauchs / Keine Entscheidung zu Mielke: Luxus-Eigenheime auf DDR-Staatskosten

Luxus-Eigenheime auf DDR-Staatskosten

Die Erben des verstorbenen DDR-Wirtschaftslenkers Günther Mittag erhalten nicht dessen Vermögen zurück. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied gestern, daß ein Sonderausschuß der DDR-Volkskammer zu Recht das Guthaben von über 500 000 DDR-Mark eingezogen hat. Nur 14 000 Mark werden ausgezahlt.Das Wort von Günther Mittag genügte. Als der führende DDR-Wirtschaftsfunktionär den Chef der Kommerziellen Koordinierung (Koko) Alexander Schalck-Golodkowski zur Seite nahm und diesen damit beauftragte, für sich und seine beiden Töchter Häuser zu suchen, wurde der Wunsch prompt erfüllt. Auf einem Grundstück in Schildow setzte der VEB Spezialbau Potsdam, der sonst Kasernen für die Nationale Volksarmee baute, drei Häuser hin - für die evangelische Kirche, wie den Bauarbeitern vorgegaukelt wurde. Tatsächlich aber zogen 1982 die Töchter Mittags in die Häuser ein. Das dritte, als Ruhesitz für den Wirtschaftsfachmann geplant, stand bis 1989 leer. Die Ausstattung der Häuser war vom Feinsten: Türen und Fenster aus Mahagoni, Kamine aus Naturstein, Sanitärausstattung aus dem "Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet". Zwei Häuser mit je 150 Quadratmetern besaßen jeweils zwei Saunen, zwei Bäder und Gewächshäuser. Auch die Sonderwünsche der Mieter wurden bedacht. Um eine Berliner Telefonnummer zu erhalten, mußten neue Anschlüsse gelegt werden. Selbst den Abfall der Familie Mittag schafften Müllarbeiter aus der Hauptstadt fort. Neben der monatlichen Miete von knapp 300 Mark zahlten die Mieter, laut Mietvertrag "Werksangehörige", nichts. Die Koko zahlte auch die geschätzen Baukosten von mehr als fünf Millionen DDR-Mark. Eine Summe, mit der Gutachten zufolge 40 Eigenheime mit normaler Ausstattung hätten gebaut werden können. Daß die Familie Mittag sich damit auf Kosten des Staates persönliche Vorteile verschafft hat, war für den Sonderausschuß der letzten DDR-Volkskammer klar. Mit dem "Gesetz über den Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Umstellungsguthaben" war im Juni 1990 ein Instrumentarium dafür geschaffen worden. 18 Guthaben wurden konfisziert, darunter das von Mittag in Höhe von 557 000 DDR-Mark. Die Familie habe durch die rechtswidrige Nutzung von Staatsgeldern selbst erhebliche Kosten gespart, so die Begründung. Eine Entscheidung, die gestern das Berliner Verwaltungsgericht billigte. Dort hatten die Erben des verstorbenen Wirtschaftsfachmannes auf Rückgabe des Geldes geklagt. Das Vermögen stelle das Arbeitseinkommen dar, argumentierten diese. Das Gericht sah das anders. Zwar sei in der Wendezeit "manches holterdiepolter gegangen", so der Vorsitzende Richter der 25. Kammer, Klaus Pee. Der Sonderausschuß habe jedoch bei Mißbrauch und bei gröblichem Verstoß gegen die guten Sitten die Guthaben einziehen dürfen, ohne staatsanwaltschaftliche Ermittlungen abwarten zu müssen (VG 25 A 110.91). Zwei Verfahren waren gegen Mittag eingeleitet worden, wegen des Häuserbaus und wegen seiner Ehrenmitgliedschaft in der DDR-Bauakademie, wofür er sich selbst und Staats-und Parteichef Erich Honecker 1978 vorgeschlagen hatte. 20 000 Mark jährlich kassierte Mittag dabei. Auch das wurde als Mißbrauch gewertet. Das entprechende Gesetz war als geheime Dienstvorschrift behandelt worden - und damit nach Ansicht der Verwaltungsrichter rechtswidrig. Sie billigten den Erben des Verstorbenen lediglich 14 000 Mark zu. Darin sind das Umtauschguthaben und Versorgungsbezüge von Mittag enthalten. Dagegen vertagten die Richter eine Entscheidung über das Vermögen von Ex-Stasi-Chef Erich Mielke auf das kommende Jahr. 765 000 DDR-Mark waren bei ihm 1990 konfisziert worden. Bereits im Oktober 1994 hatten die Richter entschieden, daß der Sonderausschuß das Vermögen von Willi Stoph, dem ehemaligen Vorsitzenden des DDR-Ministerrats, über 385 000 DDR-Mark zu Recht einbehalten hat. 15 Klagen sind beim Berliner Verwaltungsgericht anhängig. Entscheidungen der nächsthöheren Instanz stehen noch aus. +++