Thomas Mann: Tochter Monika ist das Halbtalentchen der Familie | Abendzeitung München

Thomas Mann: Tochter Monika ist das "Halbtalentchen" der Familie

Kerstin Holzer hat ein Buch über Monika, das Aschenputtel des Mann-Clans, geschrieben. Auf etwa 200 Seiten erzählt die Autorin vom Leben und Leiden der verkannten Tochter von Thomas Mann. Am heutigen Mittwoch stellt sie ihr Werk in München vor.
| Volker Isfort
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Eine Liebe ohne Trauschein bis ins hohe Alter: Monika Mann und Antonio Spadaro auf Capri.
Eine Liebe ohne Trauschein bis ins hohe Alter: Monika Mann und Antonio Spadaro auf Capri. © Foto: Luciano D'Alessandro Archive/Studio Bibliografico Marini

München - Weniger brillant als die großen Geschwister Erika und Klaus und weniger drollig als die kleinen Michael und Elisabeth, hatten Golo und Monika Mann in der Familie des "Zauberers" die schwierigste Kindheit. Neu ist das nicht, schließlich bilden die Manns die auserzählteste aller deutschen Familien. Aber da – nach Tolstoi – jede unglückliche Familie auf ihre eigene Weise unglücklich ist, bietet auch das Buch "Monascella", Kerstin Holzers Blick auf Monika Mann und ihr Leben auf Capri, einen hohen Erkenntnisgewinn für die Mann-Gemeinde.

Thomas Mann hatte kein Interesse an seiner Tochter Monika

Das Buch ist gewissermaßen das Gegenstück zu Holzers Buch über Elisabeth Mann Borgese. Denn während Thomas Mann selbst gerührt war über seine eigenen Empfindungen für seinen "Augenstern" Elisabeth, entwickelte er kaum auch nur das geringste Interesse für seine Tochter Monika.

Spätestens 1923 haben es Golo und Monika schriftlich: In "Unordnung und frühes Leid", dem wenig verkappten Porträt der Familie, kommen sie gar nicht vor. Und auch Mama Katia fällt 1925 ein Urteil über das junge Mädchen: "Ich stehe diesem Kind rat-, ja fassungslos gegenüber." Monika wird kurzzeitig im Internat in Salem geparkt, bricht die Schule aber vor dem Abitur ab.

Schicksalsschläge einer jungen Frau

Es beginnen die ziellosen Jahre, Monika versucht sich als Malerin in Florenz und Pianistin, der Vater notiert eine "künstlerische Oberflächenbegabung".

Nach der Machtergreifung der Nazis verstreut sich die Familie Mann im Exil, nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist Europa keine Option mehr. Die Manns fliehen in die USA, Monika ist noch in England und heiratet am 2. März 1939 in London den ungarischen Kunsthistoriker Jenö Lányi.

Als Deutschland den "Blitzkrieg" startet und London massiv bombardiert, besteigt das junge Ehepaar mit über 400 Passagieren in Liverpool die "City of Benares" mit dem Zielhafen Halifax, Kanada. Fünf Tage später versenkt ein deutsches U-Boot den Ozeandampfer, 159 Passagiere können gerettet werden. Auch Monika wird nach 20 Stunden von einem britischen Schiff aus dem Wasser gezogen. Von Jenö Lányi fehlt jede Spur.

"Das trübe Problem Monika"

Die 30-jährige, traumatisierte Witwe weiß mit ihrem Leben wenig anzufangen. Es gibt Spannungen mit den Eltern. Auch bei Bruder Michael, der sie kurzzeitig in seine Familie aufnimmt, kann sie nicht bleiben. Die Eltern besorgen ihr eine Wohnung, aber die Atmosphäre in Pacific Palisades soll sie nicht vergiften. "Das trübe Problem Monika" notiert Thomas Mann 1948 in sein Tagebuch.

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Monascella findet endlich ihre Heimat

Monikas emotionale Heimatlosigkeit endet erst, als sie sich im Dezember 1954 auf Capri in der Villa Monacone ein Apartment nimmt und sich in den drei Jahre älteren, im selben Haus wohnenden Antonio Spadaro verliebt.

Es ist eine unwahrscheinliche Verbindung zwischen der Tochter eines Nobelpreisträgers und einem Mann, der selbstgeschnitzte Holzschiffchen in der Flasche an Touristen verkauft – in den Augen ihrer Familie ein "äußerst schlichter Fischermann" (Katia Mann). Doch er wird – ohne Trauschein – ihr Anker und gibt seiner Monascella, wie er sie nennt, Stabilität.

Monika Mann: Dem Halbtalentchen gelingt der Erfolg

Ein Jahr später kommt es zum Eklat. Nach Thomas Manns Tod schreibt nicht nur Erika Mann über den Vater, den sie die letzten Jahre unentwegt begleitete. Auch Monika veröffentlicht gegen den expliziten Willen der Schwester mit "Vergangenes und Gegenwärtiges" ein Erinnerungsbuch, das bei Kritik und Publikum sogar besser ankommt. Das "Halbtalentchen" (Katia über ihre Tochter) hat es der Familie gezeigt. Aber das Tischtuch zwischen Monika und Erika bleibt zerschnitten. Monika wird ebenso wenig an der Beerdigung ihrer Schwester teilnehmen wie an der ihrer Mutter.

"Monika Mann und ihr Leben auf Capri" heißt der Untertitel von Holzers hochinteressantem Buch, das dennoch zu großen Teilen ihr Leben außerhalb der Insel beschreibt. Denn viel über die Beziehung der auf Capri äußerst zurückgezogen Lebenden, ist nicht bekannt. Das Trennende scheint von außen betrachtet gewaltig, denn auch Monika nahm Antonio nie mit, wenn sie etwa den auf Capri wohnenden Schriftsteller Graham Greene zum Essen traf. Aber über die Wahrhaftigkeit ihrer Liebe gibt es keinen Zweifel.

Am 13. Dezember 1985 stirbt Antonio Spadaro an Herzversagen, ein halbes Jahr später verlässt Monika Mann den Ort, der 31 Jahre lang ihre emotionale Heimat gewesen war. Die Familie war es nie, Golo plant im Elternhaus in Kilchberg bei Zürich schon eine "Berliner Mauer", als er erfährt, dass Monika, die ihre Anteile nie verkauft hat, dort einziehen möchte. Und natürlich geht das Zusammenleben der beiden "Mann Versehrten" nicht lange gut.


Kerstin Holzer präsentiert "Monascella" (dtv, 204 Seiten, 22,70 Euro) am 7. Dezember (20 Uhr) im Literaturhaus München, Salvatorplatz 1

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