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Geschichte Papsttum

Johannes XXII. war so bescheiden wie raffgierig

Vor 700 Jahren bestieg Jacques Arnaud Dueze den Stuhl Petri. Der Papst, den man den „Fuchs von Cahors“ nannte, lebte persönlich einfach, korrumpierte aber die Kirche von Grund auf.

Ubi papa, ibi Roma – wo der Papst ist, da ist Rom: So lautete eine weitverbreitete Devise des hohen Mittelalters. Die südfranzösische Kleinstadt Avignon wurde für fast 70 Jahre, von 1309 bis 1377, Schauplatz des „Exils“ oder der „Babylonischen Gefangenschaft“ der Päpste. Bis heute sieht die Kirchengeschichtsschreibung in den Jahrzehnten in Avignon vor allem eine Zeit des Niedergangs. Eine der prägnantesten Papstgestalten dieser Zeit war Johannes XXII., der am 7. August 1316 in Lyon gewählt wurde.

Wie aber kam Rom an die Rhone? Frankreichs König Philipp IV., der Schöne genannt, hatte seinen Rivalen Papst Bonifaz VIII. (1294-1303) von Getreuen als Geisel nehmen lassen. Zwar wurde Bonifaz befreit, war aber so erschüttert, dass er einen Monat später starb. Bald darauf holte Philipp den übernächsten Papst Clemens V. (1305-1314), einen Franzosen, in seinen Einflussbereich, eben nach Avignon. Nach dem Tod dieses kränklichen und willensschwachen Papstes blieb der Stuhl Petri für zweieinhalb Jahre unbesetzt.

Papst Johannes XXII., Porträt aus Avignon
Papst Johannes XXII. auf einem Porträt aus Avignon
Quelle: Wikimedia / Public Domain

Der Tod Philipps IV. fünf Monate nach Clemens V. ließ eine Rückkehr des Papsttums nach Rom möglich erscheinen. Doch obwohl der Florentiner Dichter Dante die sieben italienischen Kardinäle beschwor, konnten sie sich gegen die inzwischen 17 Franzosen im Kollegium nicht durchsetzen. Man einigte sich wieder auf einen Franzosen.

Jacques Arnaud Dueze, formell Kardinal von Porto-Santa Rufina bei Rom, gab sich den Namen Johannes XXII. Der Sohn eines kleinen Handwerkers aus Cahors war zum Zeitpunkt seiner Wahl mindestens 67, vielleicht aber auch 72 Jahre alt. Dennoch amtierte er über 18 Jahre.

Als ehemaliger Bischof von Avignon verlegte der „Fuchs von Cahors“ den päpstlichen Sitz dauerhaft dorthin. Kränklich und klein von Wuchs, agierte Johannes XXII. dennoch leidenschaftlich und tatkräftig. Als gewiefter Jurist und Verwaltungsexperte baute er die Finanzquellen des Papsttums wie den Pfründen- und Ablasshandel konsequent aus.

Mit dem Franziskanerorden und Kaiser Ludwig dem Bayern stritt der Kirchenrechtler um die Frage der Armut Christi und damit die Rechtmäßigkeit weltlichen Besitzes der Kirche. Dieser Auseinandersetzung hat Umberto Eco mit seinem Welterfolg „Der Name der Rose“ ein intellektuell wie literarisch überzeugendes Denkmal gesetzt.

Sein Scharfsinn, seine auffällige Unhöflichkeit und Strenge, seine Vetternwirtschaft und seine Raffgier – bei zugleich persönlicher Anspruchslosigkeit – machten ihn sowohl weltlichen Königen wie kirchlichen Fürsten verhasst. In puncto Nepotismus setzte Johannes XXII. neue Negativmaßstäbe: Fünf seiner Verwandten erhob er zu Kardinälen.

Gleichzeitig gab er einen nennenswerten Teil der riesigen Einnahmen an die Armen. In Avignon schuf er dafür eigens das päpstliche Almosenamt. Aufzeichnungen belegen, dass täglich Mahlzeiten für die Armen ausgegeben und Zehntausende Laibe Brot pro Woche verteilt wurden, ebenso Kleidung und Arzneien.

Zugleich arrondierte Johannes den Besitz der Päpste in der Region: 1317 kaufte er die benachbarten Dörfer Valreas und Grillon; drei Jahre später erwarb er auch die wohlhabende Templer-Komturei von Richerenches, einen militärischen und geistlichen, aber vor allem landwirtschaftlichen Stützpunkt des Ordens.

Der britische Schauspieler Sean Connery als Franziskanermönch William von Baskerville in dem Kinofilm "Der Name der Rose" von Jean-Jacques Annaud nach dem gleichnamigen Roman von Umberto Eco. Aufgenommen 1986. | Verwendung weltweit
Sean Connery spielte 1986 in der Eco-Verfilmung "Der Name der Rose" den Mönch William von Baskerville
Quelle: picture-alliance / dpa
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Kurz vor seinem Tod 1334 nahm Johannes XXII. das Trinitatisfest in den römischen Kalender auf. Es ist der Verehrung der Heiligen Dreifaltigkeit gewidmet: Gottvater, Sohn und Heiliger Geist.

Seine Nachfolger allerdings verbauten und verjubelten alles, was sein finanzielles Geschick an Werten angehäuft hatte. Während Johannes selbst im bestehenden Bischofspalast residiert hatte, begann Benedikt XII. (1334-1342), als Zisterzienser von Hause aus eigentlich der Armut verpflichtet, 1335 den Bau eines neuen, großen Palastes in Avignon – nachdem seine geplante Rückkehr nach Rom an Fehden im dortigen Adel gescheitert war.

Und der folgende, besonders prunksüchtige Clemens VI. (1342-1352) ließ diesen schmucklosen, aber standesgemäß massiven „Alten Palast“ anschließend durch den wesentlich luxuriöseren „Neuen Palast“ erweitern – zum größten Gebäude des Mittelalters.

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KNA/sfk

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