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Kultur Robert Hardy †

Das liebe Vieh trauert, der Doktor ist tot

Feuilletonredakteur
FILE - British Actor Robert Hardy Dies Aged 91 English actor Robert Hardy collects his CBE at a Buckingham Palace Investiture in London on 3rd November 1981. (Photo by United News/Popperfoto/Getty Images) FILE - British Actor Robert Hardy Dies Aged 91 English actor Robert Hardy collects his CBE at a Buckingham Palace Investiture in London on 3rd November 1981. (Photo by United News/Popperfoto/Getty Images)
1981 wurde Robert Hardy zum Commander of the British Empire ernannt
Quelle: Getty Images
Er war Zaubereiminister in den „Harry Potter“-Filmen, vor allem aber war er der unmögliche Tierarzt Siegfried Farnon in „Der Doktor und das liebe Vieh“. Zum Tod des Schauspielers Robert Hardy.

Als Fernsehen noch einfach Fernsehen war, muss „Der Doktor und das liebe Vieh“ die weltbeste Serie gewesen sein, und wenn nicht, dann war Robert Hardy, ihr unbestrittener Star, doch der weltbeste Schauspieler, der sich bis dahin nach Fernsehland gewagt hatte. Hardy verwandelte das von Kameras umgebene, meistens zu grell ausgeleuchtete Set mit einem Augenzwinkern in die Bühne des Old Vic und gab einem Tweed tragenden Tierarzt aus Yorkshire mit Kuhdung an den Händen die Tiefe eines Falstaff.

1977 war Robert Hardy zum ersten Mal in die Rolle des Siegfried Farnon geschlüpft, und auch wenn er selbst nicht daran geglaubt hatte, dass Millionen von Menschen zusehen wollten, wie er eine Sau abtastete, einer Kuh eine Infusion legte oder sich von einem bockenden Hengst über eine Koppel schleifen ließ, so war er doch ganz alleine Schuld daran.

Denn nach seinem Siegfried Farnon, diesem fleißigen Tunichtgut, grundehrlichen Schwindler, altruistischen Egoisten, diesem alles niedertrampelnden, alles umarmenden Choleriker, der nichts außer der ganzen Welt noch heftiger liebte als sich selbst, konnte man süchtig werden.

Wo Hardy war, war englische Kultur

Natürlich machten auch Christopher Timothy als der nette James Herriot und Peter Davison als verlotterter Farnon-Bruder Tristan ihre Sache schrecklich gut, aber ohne Robert Hardy wäre „Der Doktor und das liebe Vieh“ kein Fernseh-Evergreen geworden.

„The Big Bang Theory“, eine modernere WG-Geschichte ohne Tierärzte, aber trotzdem mit Nerds, lädt man sich bloß auf den Computer, „Der Doktor und das liebe Vieh“ hingegen hat man in der Collector’s Edition daheim zu stehen – und dass alle sieben Staffeln nebeneinander (die Christmas-Specials nicht mitgerechnet) irgendwie nach Buchrücken aussehen, hat auch mit Robert Hardy zu tun.

Denn mit ein klein wenig Übertreibung, wie er sie geboten hat, und frei nach Thomas Mann: Wo Robert Hardy war, ist auch die englische Kultur gewesen – und zwar von Anfang an. Hardys Professoren in Oxford waren die Inklings J.R.R. Tolkien und C.S. Lewis, was den naturgemäß mäßigen Studenten nicht daran hinderte, statt nach Mittelerde oder Narnia in Shakespeares Welt nach Stratford-upon-Avon zu ziehen.

Shakespeare-Spezialist

Robert Hardy spielte sie alle und hat sie mit allen gespielt: Für John Gielgud war er der Claudio in „Viel Lärm um nichts“, neben Hamlet Richard Burton, einem seiner besten Freunde, war er Laertes, und natürlich ist er, mit diesem Kinn und dieser blonden Tolle, der Prinz Hal gewesen, der strahlendste Held, den Shakespeare je geschaffen hat und dessen Sieg bei Azincourt Robert Hardy unversehens zum Historiker machte. 1974 schrieb er ein bis heute gültiges Standardwerk über den Langbogen. Womöglich hat er auch das mit wehendem Mantel getan.

Das Leben des William Shakespeare als Fernsehserie

Die neue zehnteilige Fernsehserie zeigt den Dichter William Shakespeare als Mann zwischen allen Fronten seiner Zeit. Die Serie „Will“ läuft jetzt auf Sky.

Quelle: TNT

Es gab eine Zeit, in der Hardy aus englischen Wohnzimmern nicht wegzudenken war. Kam er nicht als Siegfried Farnon zum Tee, erschien er als Winston Churchill zum Dinner, und auch als die Fernsehgeschichte ein wenig auszufransen begann – viele Programme und, wie immer, nur schlimmer, viel Mist – tauchte er unversehens in „Inspektor Barnaby“ und „Inspektor Morse“ auf oder als allerwiderlichster Schurke im Kampf gegen Jeremy Bretts Sherlock Holmes.

Alle Literaturverfilmungen aufzuzählen, in denen er mitgespielt hat, macht atemlos. Als sehr junger Mann war Hardy David Copperfield, danach war er zum Beispiel in Mary Shelleys „Frankenstein“, Jane Austens „Northanger Abbey“, Swifts „Gullivers Reisen“ oder Virginia Woolfs „Mrs. Dalloway“ zu sehen.

Cornelius Fudge in „Harry Potter“

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Und als J.K. Rowlings „Harry Potter“ ins Kino kam – offiziell ein Blockbuster, in Wahrheit ein Showcase für Großbritanniens beste Schauspieler – war er als Zaubereiminister Cornelius Fudge dabei. Man sah es ihm nicht an, aber damals war er schon über 80 und hätte doch jederzeit einen bockenden Hengst auf die Koppel geführt.

Harry Potter and the Goblet of Fire (2005) Michael Gambon as Albus Dumbledore Robert Hardy as Cornelius Fudge *Filmstill - Editorial Use Only* CAP/PLF Supplied by Capital Pictures | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Beim Schaulaufen der besten Schauspieler Großbritanniens durfte er natürlich nicht fehlen: Robert Hardy in "Harry Potter und der Feuerkelch" (2005), mit Michael Gambon als Dumbledo...re
Quelle: picture alliance / Captital Pict

Von der Bühne, in die er alles verwandelte, ist Robert Hardy erst nach einem bösen Sturz bei offenem Vorhang abgetreten. Bald darauf hat er seine gewaltige und auch ein bisschen kuriose historische Sammlung versteigert – darunter ein Diorama der Schlacht von Azincourt. Mit 89 verkleinerte Robert Hardy, zwei Mal verheiratet, zwei Mal geschieden, seinen Haushalt, um nach Denville Hall zu ziehen, ein Heim für Schauspieler im Ruhestand, dessen älteste Gebäudeteile aus shakespearischer Zeit stammen.

Dort ist Robert Hardy am 3. August 2017 mit 91 Jahren gestorben, und vielleicht kommt bei dieser Nachricht nicht nur diesem Nachrufer diese Szene aus dem „Doktor“ in den Sinn: Es ist Nacht in Skeldale House, der Tierarztpraxis in der Heidelandschaft Yorkshires, und am nächsten Morgen zieht Siegfried Farnon in den Krieg.

FILE - British Actor Robert Hardy Dies Aged 91 English actors Sarah Lawson and Robert Hardy pictured together in a scene from the television drama series 'Sunday Playhouse - The Vanishing Trick' in 1965. (Photo by Popperfoto/Getty Images)
Hardy spielte 1965 an der Seite von Sarah Lawson in dem Stück "Sunday Playhouse - The Vanishing Trick'"
Quelle: Getty Images

Doch Siegfried erleichtert den Freunden den Abschied, indem er sich schlafend stellt. Erst als sie das Zimmer auf Zehenspitzen verlassen haben, regt er sich wieder, reckt im Halbdunkel das Heldenkinn und hebt das Glas. Und dann sagt er mit seiner unverwechselbaren Stimme, ein bisschen Sandpapier, ein bisschen Samt: „Ich werde euch vermissen. Ich werde euch vermissen.“

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