Computer Vision: Die neuen smarten Bilder - Fraunhofer IML

Computer Vision: Die neuen smarten Bilder

Ob im Wareneingang, beim Palettenmanagement oder am Lagerplatz: Computer Vision, kurz CV, ermöglicht beispielsweise das Tracking von Waren und die Vermessung von Ladungsträgern mithilfe von Kameras. Die Systeme gewinnen aus digitalen Bildern und Videos – dank Künstlicher Intelligenz – immer genauere und aussagefähige Informationen, auf deren Grundlage Unternehmen dann Maßnahmen ergreifen können. »Für die Logistik ist Computer Vision daher ein äußerst vielversprechender Digitalisierungsansatz zur Erhöhung von Prozesstransparenz, zur Optimierung von Prozessabläufen und damit zur Einsparung von Aufwänden und folglich Emissionen«, sagt Julian Hinxlage, Teamleiter AutoID-Technologien am Fraunhofer IML. »Durch die neue Technologie lassen sich insbesondere zahlreiche Prozesse in Umschlagzentren und Lagern automatisieren.«

Projekte mit der Industrie

Das Fraunhofer IML bereitet der innovativen Technologie in zahlreichen aktuellen Use Cases den Weg. Dazu gehört insbesondere auch das @ILO-Terminal des Logistikunternehmens DACHSER, das im Rahmen des DACHSER Enterprise Labs am Institut entstanden ist. In den Umschlaglagern der Dachser Niederlassungen in Unterschleißheim bei München und Öhringen bei Heilbronn sind heute mehrere hundert kamerabasierte Scanner verbaut, die in Echtzeit ein komplettes, jederzeit aktuelles Abbild des Lagers und seiner Prozesse erstellen – ein so genannter »digitaler Zwilling«.

Mehr Details zum @ILO-Terminal in der Pressemitteilung »Digitaler Zwilling – Dachser und Fraunhofer IML erhöhen die Transparenz im Stückgutumschlag«.

Mehr Effizienz im Lager

Computer Vision beginnt beim Erkennen logistischer Objekte. Doch das Potenzial ist enorm – ein Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten am Beispiel der Intralogistik:

Schritt 1

Detektieren,
Klassifizieren

Was ist ein logistisches Objekt und zu welcher Objektklasse kann es zugeordnet werden?

Schritt 2

Lokalisieren, Kontexterkennung.

In welchem Lagerbereich und auf welchem Lagerplatz steht ein Ladungsträger? 

Schritt 3

Zählen.

Wie viele Paletten stehen im Wareneingang/Warenausgang? Wie voll sind Übergabepunkte/-flächen? 

Schritt 4

Identifizieren.

Um welche Palette handelt es sich konkret? Welche IDs sind am Ladungsträger angebracht? 

Schritt 5

Tracking

Von welchem Ort zu welchem Ort fand die letzte Bewegung statt? Wie lange befindet sich ein Objekt bereits am aktuellen Ort (Verweildauer)?

Schritt 6

Volumen- und Füllgrad-Detektion

Zu wieviel Prozent ist der Laderaum eines Lkw oder einer Wechselbrücke ausgelastet? Kann eine Palette noch weiter beladen werden? 

Forschung für Unternehmen

Die große Bedeutung von Computer Vision für die Logistik spiegelt sich auch in der Forschung wider: Das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderte Großforschungsprojekt Silicon Economy erweist sich dabei als CV-Motor: Zum einen entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier Basis-Komponenten für KI-Algorithmen. Zum anderen setzen sie zwei beispielhafte logistische Use-Cases um.

Zu den Basis-Komponenten im Bereich Software gehört die »ML Toolbox«, ein Software Development Kit, das die Nutzung verschiedener durch Machine Learning gesteuerten Computer-Vision-Algorithmen vereinfacht. »Die ML Toolbox ermöglicht die Integration von ML-Modellen aus verschiedenen Frameworks über eine einheitliche API und erspart damit den Aufwand, die Frameworks für jedes neue Bildverarbeitungsprojekt einzeln zu integrieren«, so Maximilian Otten, Hauptentwickler der ML Toolbox. Inzwischen haben Forschende der Silicon Economy auch einen intuitiven KI- bzw. AI-basierten Do it Yourself-Bildverarbeitungsdienst entwickelt, der die Anwendung der ML Toolbox erleichtert. »Für unseren neuen Guided Service Training benötigen Unternehmen kein spezialisiertes IT-Know-how, sondern nur ein gewisses Grundverständnis und können eine KI dann mit wenigen Einstellungen und Schritten anlernen, je nach Komplexität in wenigen Minuten«, so Julian Hinxlage, der das Projekt »CV on Edge« leitet, in dem der Dienst entstanden ist.

Innovatives Verfahren, intelligente Kamera

Nicht nur an Software, sondern auch an Hardware für die KI-basierte Bilderfassung und -verarbeitung wird in der Silicon Economy gearbeitet: So haben die Forschenden eine modulare KI-Kamera entwickelt, die kompakt und kostengünstig ist. Der Clou: Die Geräte brauchen keine Infrastruktur, sondern nur WLAN und Strom. Die erfassten Daten verbleiben weitgehend auf der Kamera. Das stellt auch den Schutz personenbezogener Daten sicher. Die Bestandteile der Kamera sind modulare, am Markt verfügbare Zukaufteile. So kann das Gerät individuell an den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden.

Mehr Informationen in der Pressemitteilung »Künstliche Intelligenz live erleben: Fraunhofer IML bringt KI auf die LogiMAT 2023«.

© Michael Neuhaus - Fraunhofer IML

Offen und kooperativ: die neue CV-Community

Sämtliche Forschungsergebnisse aus der Silicon Economy stehen Unternehmen als Open Source frei zur Verfügung. Sie werden im Open Logistics Repository der Open Logistics Foundation veröffentlicht. Die Komponenten sollen nicht nur von Konzernen mit entsprechenden Entwickler-Ressourcen, sondern auch von kleinen und mittleren Unternehmen genutzt werden. Deshalb hat das Fraunhofer IML eine Anwender- und Entwickler-Community geschaffen, die allen interessierten Unternehmen offensteht. »Unser Ziel ist es, einen Beitrag zum Durchbruch von Computer Vision in der Logistik zu leisten«, so Christian Prasse vom Fraunhofer IML, in der Silicon Economy für das Community-Management verantwortlich. »Gemeinsam, offen und kooperativ wollen wir Lösungen in der Community entwickeln und weiterentwickeln. Wir freuen uns auf weiteren Zulauf engagierter Mitdenker und Mitmacher.« Darüber hinaus unterstützen die Expertinnen und Experten des Instituts Unternehmen auch dabei, eigene Use Cases aufzusetzen, begleiten und evaluieren diese.

Computer Vision-Projekte aus der Silicon Economy

 

Was ist die Silicon Economy?

Im Großprojekt Silicon Economy entwickeln die Forschenden des Fraunhofer IML Open-Source-Lösungen für die Logistik. Einem einzelnen Unternehmen ist es heute nicht möglich, für die Plattformökonomie schnell und agil genug Lösungen zu entwickeln. Die Herangehensweise der Silicon Economy ist daher dezentral, föderal und gemeinsam. Entwicklungen im Bereich Computer Vision soll in diesem Rahmen zu mehr Transparenz in Logistikprozessen beitragen.

Train your AI

Mit der »ML Toolbox« haben die Forschenden einen Werkzeugkasten für die Entwicklung von ML-Software geschaffen. Aktuell liegt der Fokus der ML Toolbox mit der Hauptkomponente MLCVZoo auf Bildverarbeitungsanwendungen.

Use Case »Yard Lense on Edge«

In einem konkreten Anwendungsfall soll im Projekt »Yard Lense on Edge« die digitale Lücke zwischen Pforte und Intralogistik geschlossen werden.

Eine unter 500 Millionen

Die Forschenden im Projekt »Identifikationsservice basierend auf natürlichen Merkmalen« haben ein innovatives System zur vollautomatisierten Erkennung von Paletten entwickelt.

Intelligente Materialanforderung

»AI4Demand« aus dem gleichnamigen Silicon Economy-Projekt ist ein Device für die automatische kamerabasierte Materialanforderung an Modulschränken im Krankenhaus.