Das Kreuz des S�dens

Maria Schmidt

mariagruettner@hotmail.com

Das Kreuz des S�dens

Geschichte des Sternbildes

 

Crux, das Kreuz des S�dens

 

Das Kreuz des S�dens ist gemeinhin das einzige Sternbild  der s�dlichen Himmelskuppel, welches  den Bewohnern der Nordhalbkugel unseres Planeten bekannt ist.

Wer es nicht gesehen hat, f�r den ist es ein Sinnbild  des Fernen,  Traumhaften unserer s�dlichen Erde. Wer es sah, dem m�gen  die vier hell  funkelnden Sterne inmitten des   reinen  s�dlichen Nachthimmels  f�r immer im Ged�chtnis bleiben.

 

Das Kreuz des S�dens, aufgenommen im Juli 2003  �ber dem peruanischen  Regenwald am Rio de Las Piedras
von
J�rg Holdenried

Die Bewohner der S�dhalbkugel sehen in dem Sternbild ein Symbol ihrer gemeinsamen Identit�t. Australien, Papua Neuguinea und Brasilien haben das Kreuz des S�dens in ihre Nationalflaggen aufgenommen.

                                                     Die Flagge Australiens  mit dem Kreuz des S�dens          

Das Kreuz ist  eines der jungen Sternbilder, seine Entstehungsgeschichte birgt keinen romantischen  Zauber:

Das Kreuz liegt um  60� s�dlicher Breite. Dieser Himmelsteil war im Altertum  aufgrund der Pr�zession, der kreisf�rmigen Bewegung der Erdachse,    auch vom Mittelmeerraum aus sichtbar. Hierhin versetzten  die  Griechen  eine ihrer Sagengestalten, den Kentaur.

 

Centaurus, der Kentaur

Ein Kentaur ist ein Unsterblicher, dessen menschlicher K�rper ab der G�rtellinie in einen Pferdeleib �bergeht. Die Zentauren galten als ungeb�rdig und wild. Ihr heilkundiger Anf�hrer Chiron jedoch war  g�tig und weise.  Viele griechische Helden, darunter Herakles und Achilles, waren seine Sch�ler.

Wandgem�lde: Chiron unterrichtet den jungen Achilles.

Als  Herakles einst von den  Kentauren angegriffen wurde, eilte  Chiron  herbei, um seinem  Sch�ler zu helfen. Im Kampfget�mmel geschah es, da� Chiron versehentlich von einem vergifteten Pfeil des Herakles getroffen wurde. Chiron wurde fortan, da er als Unsterblicher nicht sterben konnte,  von uns�glichen Schmerzen gequ�lt, jede Heilkunst, auch seine eigene, versagte.

Rettung gab es schlie�lich durch den Titanen Prometheus: Prometheus war von Zeus als Strafe, da� er gegen den Willen der G�tter den Menschen das Feuer gebracht hatte, an einen Felsen gekettet worden.  T�glich erschien ein Adler, um dem Gefesselten die Leber abzufressen. Die Leber wuchs alln�chtlich wieder nach, um am n�chsten Tage erneut von dem grausamen Vogel vertilgt zu werden. Nur, wenn ein Unsterblicher sich f�r Prometheus zu opfern bereit erkl�rte, konnte dieser befreit  werden. Chiron, um von seinen unheilbaren Schmerzen erl�st zu werden, lie� sich an Prometheus' Stelle an den Felsen schmieden und starb. Prometheus war frei.
Anschlie�end wurde Chiron   von Zeus als Sternbild an den Nachthimmel versetzt.

Als die europ�ischen Seefahrer im 16. Jahrhundert erstmalig  die s�dlichen Meere befuhren, blickten sie, vom Kentaur abgesehen, in einen unbekannten Sternenhimmel, der ihnen keine Orientierungshilfe bot. N�chtliche Himmelsorientierung  aber war derzeit f�r die Seefahrt unerl��lich. Es mu�ten neue Sternbilder gefunden werden.  Man lebte in einer  gegenwartsbezogenen Zeit ohne Sinn f�r die Tiefsinnigkeit alter Mythen. Entsprechend wurde der Himmel best�ckt: mit einem Segel, einem Schiffskiel,  einer Luftpumpe, einem Zirkel,  einem Winkelma�, einer Fliege.... Die damals erfundenen Sternbilder bestehen bis heute.

Zu einer immer funktionierenden Orientierung aber mu� ein Sternbild zum einen das Jahr �ber sichtbar sein und zum anderen einen deutlichen Bezug zum Himmelspol haben wie im n�rdlichen Nachthimmel der Gro�e Wagen. Keines der neuen Sternbilder erf�llte diese Bedingungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Strichspuren des s�dlichen Sternenhimmels, Foto: Stefan Geier, Farm Hakos in Namibia.
Mit der Olympus OM1 und 50mm-Objektiv Blende 5.6 90min belichtet auf Kodak Elitechrome 200.


Am s�dlichen Rand des Sternenfeldes 
Zentaur, dort, wo f�r die s�dliche Erdhalbkugel die Sterne das Jahr �ber nicht untergehen, also zirkumpolar sind,   bemerkte man vier auffallend helle Sterne, die ein Kreuz bilden. Die L�ngsachse des Kreuzes weist mit dem hellsten der Sterne bei f�nffacher Verl�ngerung auf den s�dlichen Himmelspol, an dessen Stelle kein eigener Stern steht.

Mit diesem Kreuz hatte man auch im s�dlichen Firmament einen himmlischen Wegweiser gefunden, den Gro�en Wagen des S�dens. Das Kreuz des S�dens wurde aus dem Sternbild Kentaur als eigenes Sternbild herausgel�st und diente fortan den europ�ischen Seeleuten, die s�dliche Erdhalbkugel in ihre Gewalt zu bekommen.


Da man derzeit  Eroberungsfahrten auch als Unternehmungen zur Ausbreitung des Christentums verstand, wurde das
Kreuz des S�dens mit dem Kreuz Christi verbunden. Die Wegweiserfunktion des s�dlichen Kreuzes war somit umkleidet mit religi�ser Weihe.

Heute sind es nur noch wenige, denen beim  Anblick des s�dlichen Sternenkreuzes  das Marterkreuz des Heilandes in den Sinn kommt. Gemeinhin m�chte man im Kreuz des S�dens ein Zeichen sehen,  das tiefer als das Christenkreuz hineinreicht in Zeiten und R�ume.


Das Kreuz ist  nicht erst durch das Christentum zum religi�sen Symbol geworden. Im alten Europa waren zwei rechtwinklig �bereinander gelegte und nach den vier Himmelsrichtungen weisende Balken das Symbol f�r den Kosmos, f�r die Zusammengeh�rigkeit von Himmel und Erde. Dabei wurde unter 
Himmel der  sichtbare Himmel verstanden, dessen Mitte, der Himmelspol, durch den Schnittpunkt der Balken dargestellt war. Der Himmelspol war  Sitz der G�tter. Er wurde  gest�tzt  von der Weltenachse, auch Irminsul genannt, die  in der Mitte der  scheibenf�rmig vorgestellten Erde  stand. Die Erde hie� Midgard, Land der Mitte.


Dieses  Symbol Alteuropas ist noch vielerorts lebendig, wir kennen es beispielsweise als Eisernes Kreuz, das Zeichen der deutschen Bundeswehr, oder als Keltenkreuz, wie es noch heute auf den Friedh�fen Englands und Irlands zu sehen ist.

 

Keltenkreuz auf einem irischen Friedhof, entnommen aus:
http://www.foto-reiseberichte.de/kelten/nach-christus.htm

 

Einst lebten V�lker  auf der S�dhalbkugel der Erde, die eigene Kulturen hatten und somit auch eine eigene Himmelskunde.  Bekehrungs- und Zerst�rungseifer der christlichen Eroberer haben diese Kulturen mitsamt ihrer Astronomie f�r immer vernichtet. Wir wissen nicht, was diese V�lker mit den vier hellen, nach S�den weisenden Sternen des Nachthimmels verbanden.

Allein von den Inkas ist uns eine undeutliche Botschaft ihres Sternenhimmels geblieben.

 In der Coricancha, dem gr��ten und pr�chtigsten  Sonnentempel des Inkareiches, befand  sich ein ca. 10 Meter breites Wandbild, welches den Kosmos der Inkas zeigte. Wie alles in dem Tempel ist das Bild von den Spaniern verschleppt und zerst�rt worden.

Ein knappes Jahrhundert nach dem Einfall der Spanier ist das heilige Bild von einem  Inka-Adligen  nachgezeichnet und  mit den Bezeichnungen aus der Inkasprache beschriftet worden.

Wir wissen nicht, in wie weit die Zeichnung dem einstigen Wandbild entspricht, �berdies konnten  die Beschriftungen  nicht ersch�pfend erkl�rt werden. So kommt man bei  Deutungen �ber Vermutungen nicht hinaus.

 

Der Kosmos der Inkas, aus: Die Kultur der Inkas, Z�rich 1980, S. 155

 

Nach der Vorstellung der Inkas war die Erde ein Abbild des �ber sie gew�lbten Himmels. Dem entsprechend zeigt das Bild  den Himmel mit seinen Gestirnen und die Erde mit Pflanzen, Tieren und Menschen als eine zusammengeh�rige Einheit.

Auf der Zeichnung sind zwei an das Kreuz des S�dens erinnernde Sternkonstellationen zu erkennen. Das obere Sternenkreuz wird als Viracocha bezeichnet. Viracocha, auch Kontiki Viracocha genannt, ist  ein wei�er Mann mit m�chtigem K�rperbau, hellen Haaren und wallendem Bart, der einstmals �bers Meer gekommen sei, um im Hochland der Anden die Menschen zu erschaffen und sie zu lehren. Er  wurde von den  Inkas als Sch�pfergott verehrt.

Das Viracocha-Kreuz ist durch eine ellipsenf�rmige Linie mit einem �hnlichen, offenbar der Erde zugeh�rigen Sternenkreuz verbunden, wozu sich manches denken l��t, z. B. da� der Sch�pfergott in Himmel und Erde gleicherma�en pr�sent ist.

Ob das Viracocha-Kreuz mit dem Kreuz des S�dens identisch ist, kann vermutet aber nicht mit Sicherheit behauptet werden.

Nachdenklich machen  Entsprechungen von alteurop�ischen und  altamerikanischen Weltvorstellungen: 

Auch die Inkas hatten die Vorstellung einer Weltachse, welche von der Mitte der Erde aus den Himmel st�tzte. Am Fu�e der Achse lag die Hauptstadt des Reiches,  Cuzko, der Nabel der Welt, von dem aus sich das Reich Tahuantinsuyo,  das Reich der vier Richtungen, nach vier Seiten hin ausbreitete.   Es liegt nahe, im Sternenkreuz des Sch�pfergottes auch das sowohl im Himmel als auf der Erde pr�sente Reich der vier Richtungen Tahuantinsuyo dargestellt zu sehen.

�ber m�gliche Zusammenh�nge zwischen Alt-Europa und dem vorkolumbanischen S�damerika gibt es noch keine Forschungsergebnisse. Nur so viel kann gesagt werden, da�, falls es Zusammenh�nge gibt, der Ursprung der identischen Weltvorstellung in Alteuropa liegen mu�. Die Vorstellung einer den Himmel st�tzenden Achse macht nur Sinn, wenn der Drehpunkt des Himmels, der Pol,  in der N�he des Zenits steht.  In der �quatorn�he des Inkareiches, wo  der Pol sich dicht  �ber dem Horizont befindet, kann eine   den Himmel an seinem Drehpunkt st�tzenden Weltachse  nicht vorgestellt werden. Diese kann nur unter Vernachl�ssigung der Polverbindung von anderswo hierher �bertragen worden sein.

All diese schwebenden Gedanken geben keine Sicherheit. Sie geben aber dem Betrachter  des s�dlichen Sternenhimmels Anla�, im Kreuz des S�dens, dem einstigen Sternbild  der Seefahrer, ein Symbol  zu suchen f�r die Gesamtheit des Kosmos  mit all seinen Tiefen in Raum und Zeit.

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