„Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh‘n“: Vor 80 Jahren kam der NS-Durchhaltefilm mit den größten Hits von Zarah Leander in die Kinos

„Die große Liebe“: Ist der Kinohit von 1942 zu Recht vergessen?

„Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh‘n“: Vor 80 Jahren kam der NS-Durchhaltefilm mit den größten Hits von Zarah Leander in die Kinos

Die Ohrwürmer schrieb Bruno Balz, der von den Nazis als Schwuler verfolgt wurde.

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Zarah Leander als Hanna Holberg in einer Szene des Films „Die große Liebe“.
Zarah Leander als Hanna Holberg in einer Szene des Films „Die große Liebe“.dpa/Murnau Stiftung

Er war der kommerziell erfolgreichste Film im Dritten Reich. 28 Millionen Zuschauer sahen „Die große Liebe“, der 1942 mit Zarah Leander und Viktor Stahl in den Hauptrollen ins die Kinos kam und 8 Millionen Reichsmark einspielte. Die Lieder aus dem Film sind Evergreens, der Streifen verschwand jedoch in der Versenkung: Vor 80 Jahren, am 12. Juni 1942, kam der Propagandafilm ins Kino. Ist der Kinohit von 1942 zu Recht vergessen? Die Rechte an ihm liegen heute bei der Murnau-Stiftung in Wiesbaden.

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„Die große Liebe“ unter der Regie von Rolf Hansen (1904-1990) war der vorletzte Film, den die schwedische Schauspielerin Zarah Leander bei der Ufa drehte, bevor sie 1943 Deutschland verließ. Nach dem Krieg wurde das Machwerk der Leander (1907-1981) als Propaganda für Nazideutschland angelastet. Die Hits „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n“, komponiert von Michael Jary, stammen jedoch aus dem Film.

Die Geschichte von deren Textdichter Bruno Balz („Kann denn Liebe Sünde sein?“, „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“) kann als besonders widerliche NS-Anekdote bezeichnet werden. Doch dazu später mehr.

Gedreht wurde im Tonfilmstudio Carl Froelich in Tempelhof

Der Durchhaltestreifen wurde mitten im Krieg produziert: Gedreht wurde im Tonfilmstudio Carl Froelich in Tempelhof und in Wien, die Außenaufnahmen wurden bis Mitte März 1942 in Berlin und in Rom.

In dem Film geht um den Fliegeroffizier Paul Wendlandt (Staal) und die Varieté-Sängerin Hanna Holberg (Leander). Sie lernen sich in Berlin kennen, als der stramme Soldat für einen Tag aus Nordafrika in der Hauptstadt weilt.

Seine Penetranz, mit der er die Sängerin für sich gewinnen will, lesen heutige Zuschauer wohl eher als Stalking. Damals aber galt das wohl als schickes Umwerben und romantisch. Jedenfalls machen die Kriegseinsätze des männlichen Helden und die Auftritte der Sängerin ein regelmäßiges Zusammensein der Verliebten schwer.

Zarah Leander als Hanna Holberg und Viktor Staal als Leutnant Paul Wendlandt in einer Szene des Films „Die große Liebe“.
Zarah Leander als Hanna Holberg und Viktor Staal als Leutnant Paul Wendlandt in einer Szene des Films „Die große Liebe“.dpa/Murnau-Stiftung

Sängerin Hanna spricht ihre Enttäuschung über den allzu engagierten Mann auch aus: „Er fährt heut Nacht wieder weg – ohne Befehl.“ Das wird aber im Laufe des Films natürlich als Egoismus vorgeführt.

Die Hochzeit des Paares muss mehrmals verschoben werden. Als Wendlandts bester Freund fällt, will er sich von Hanna trennen. Doch dann wird er selber abgeschossen und Hanna, die nach dem Beginn des Kriegs gegen Russland allmählich Verständnis fürs Militärische aufbringt, besucht ihren verletzten Verlobten im Lazarett.

Hitschreiber Bruno Balz von von den Nazis als Schwuler verfolgt

Es ist ein bizarres Happy End für das Paar. Dem Publikum wird unverhohlen eine Lektion in Unterordnung und vor allem weiblicher Opferbereitschaft für das große Ganze erteilt.

In weiteren Rollen sind zum Beispiel Grethe Weiser als Hannas geschwätzige Zofe Käthe und Paul Hörbiger als Hannas Musikdirektor Alexander Rudnitzky zu sehen – der Komponist liebt die Sängerin, steht ihr bei, muss aber auf sie verzichten. Er ist weich und ein Verlierertyp, kein so harter Kerl wie der Flieger.

Für einen Unterhaltungsfilm wird ungewöhnlich offen mit dem Krieg umgegangen. Gezeigt werden Nächte im Luftschutzkeller, aber eben auch „völkischer“ Zusammenhalt und Stolz während der Bombardierungen.

Eine kaum fassbare Geschichte ereignete sich bei der Filmproduktion rund um den Berliner Textdichter Bruno Balz, der oft als Hitlers Hitschreiber bezeichnet wird. Balz überlebte zwar den Krieg und starb erst 1988 mit 85 Jahren, er wurde aber als Schwuler von den Nazis verfolgt.

Die Gedenktafel erinnert in der Fasanenstraße 60 in Wilmersdorf an den Textdichter Bruno Balz, der oft als Hitlers Hitschreiber bezeichnet wird.
Die Gedenktafel erinnert in der Fasanenstraße 60 in Wilmersdorf an den Textdichter Bruno Balz, der oft als Hitlers Hitschreiber bezeichnet wird.dpa/Tholl

Florian Illies beschreibt das erlittene Leid in seinem Buch „Liebe in Zeiten des Hasses“ wie folgt: „Bruno Balz wird auf Erlass von Joseph Goebbels für 24 Stunden aus dem Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße 8 entlassen. Balz hat wegen seiner Homosexualität eingesessen, ist tagelang gefoltert worden, aber die Ufa hat Goebbels signalisiert, dass der neue Film von Zarah Leander nicht ohne Lieder von Balz zu Ende gedreht werden könne.“

„Davon geht die Welt nicht unter, sie wird ja noch gebraucht.“

Und weiter heißt es in Illies' Bestseller: „Balz wird im Morgengrauen nach Babelsberg gefahren. Unter den Augen der Gestapo komponiert er dort in nur 24 Stunden zwei seiner größten Songs: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ und „Davon geht die Welt nicht unter“. Beides erweist sich als unzutreffend.“

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Über den letzten Satz von Illies ließe sich streiten. Balz selbst hatte ja getextet: „Davon geht die Welt nicht unter, sieht man sie manchmal auch grau, einmal wird sie wieder bunter, einmal wird sie wieder himmelblau, geht mal drüber und mal drunter, wenn uns der Schädel auch graut, davon geht die Welt nicht unter, sie wird ja noch gebraucht.“