OFDb - Gyo - Der Tod aus dem Meer (2012) - Eine Kritik von Intergalactic Ape-Man
Review

Anime-Konsum nimmt üblicherweise einen von zwei Wegen. Der eine führt zu einer Übersättigung durch behäbige Variationen immer gleicher Prinzipien, deren Sensationswert sich irgendwann abnutzt. Der andere führt in der Regel tief ins Fandom, woraus entweder eine Liebe zu einer bestimmten Reihe, Künstler oder Genre entsteht, in der die Variationen nicht unbedingt erwünscht sind.
Meine Karriere auf diesem Gebiet führte nach anfänglichem Abenteuerdrang in den frühen 90ern mit der Kommerzialisierung durch Sailor Moon und Konsorten eher zu einer Übersättigung. Erst spät folgten immer wieder Versuche eines Revivals, wobei ich oft wieder bei den alten Sachen lande, da aktuelle Produktionen im Plastiktütenglanz von CGI schwelgen oder gleich wie eine Flash-Animation aussehen. Gyo – Der Tod aus dem Meer ist trotz jüngeren Datums nicht nur diesbezüglich eine Ausnahme. Obwohl komplexere Animationen mit ihrer künstlichen Wirkung klar aus dem Computer zu stammen scheinen, ist der allgemeine Look vor allem auch der Charakterdesigns doch erfreulich zeichnerisch gehalten.

Gyo ist das japanische Wort für Fisch. Der Titelzusatz verrät, daß sich bei Gyo – Der Tod aus dem Meer um etwas fischig-monströses handeln muß. Schnell läuft da ein mehrbeiniger Hai durchs Bild und die Vielzahl der Fischmutationen reisst nicht ab. Ob man den Zeichentrickfilm aufgrund dieser abstrusen Idee analog zu westlichen Kreationen sehen muß, die zumeist Asylum und Roger Corman auf den SyFy-Channel loslassen, sei mal dahingestellt. Gerade Japan ist schließlich in seiner Kaiju-Tradition und mit allerlei tentakel-belebten Hentai zu Recht für manch verrückte Einfälle berühmt-berüchtigt.
Gyo – Der Tod aus dem Meer fällt insofern durch seine Erzählweise auf, weil das narrative Stakkato stark am amerikanischen Teen-Horror orientiert ist, um dann die Mechanismen eines Katastrophenfilms anzunehmen. So geht es zunächst um drei Studentinnen, die ein Sommerhaus in Okinawa aufsuchen und dort auf die Fischmonster treffen. Neben dem bebrillten Pummelchen gibt es eine sexlustige Madame, die sich gleich zwei Kerle zu einem Dreier anlacht und die Protagonistin Kaori, die einem Final Girl würdig um das Wohl ihres Verlobten besorgt ist. Auf ihrem Weg zurück nach Tokyo lernt sie den Photographen Takeshi kennen, der sie durch das Chaos von Monsterattacken begleiten wird. Hierbei fühlte ich mich manchmal an Motive aus Gareth Edwards‘ Monsters und dem südkoreanischen Monsterfilm The Host erinnert.

Andrew Osmond beklagt in seiner Kritik für Anime News Network, daß vom surrealen Tiefgang und weiteren Qualitäten aus der mir unbekannten Mangavorlage von Junji Itô (Uzumaki, Tomie) nicht viel in der Adaption des ufotable Studios übrig geblieben sei. Gyo – Der Tod aus dem Meer erinnere ihn an die unzähligen Sex- und Gewaltorgien, die in den 90ern für den englischen Markt lizensiert worden seien.
Ganz widersprechen möchte ich ihm in diesem Punkt nicht. Genau das war ja die Zeit, zu der wir Teenager alles verschlungen haben, was auf möglichst skurrile Art und Weise ein paar Tropfen Blut ausgequetscht hat.
Gyo – Der Tod aus dem Meer wirkt im Gegensatz zu manchem Machwerk der damaligen Zeit trotz der abstrusen Umsetzung einer fehlgeleiteten Biowaffe auf mich einigermaßen strukturiert. Es mag daran liegen, daß mich die wenigen Hentai-Anleihen wenig überraschen und ich den abseitigen Film ausreichend studiert habe, um auch über von Körpergasen aufgedunsene Menschenleiber im Verlauf einer Infektion kaum mehr die Augenbraue zu heben.

Vor allem erscheint mir der Aufbau jedoch auch bewusst verwestlicht, wie ich es z.B. auch bei The Machine Girl empfunden habe. Gyo – Der Tod aus dem Meer überraschte mich mit späteren Zirkuseinlagen weit mehr als mit seinen flatulenzgeschwängerten Metamorphosen. Endlich schien man etwas anderes zu wagen, als nur kolportierte Fragmente von diesen bestimmten Szenen zusammen zu stückeln, von denen Leute gehört haben, die mal mit Menschen gesprochen haben, die jemanden kennen, der mal einen härteren Anime gesehen hat.
Die Charakterdesigns von Takuro Takahashi sind hierbei erstaunlicherweise nicht auf übertriebene Kulleraugen und Mimik getrimmt. Es wirkt fast naturalisisch, wie insbesondere Kaori deutlich japanische Züge trägt, während viele andere Figuren nicht wie eine Idealisierung des Westlichen, sondern in dieser schlichten Form einfach nur weniger asiatisch wirken.

Die Frage, die ich mir am Ende stelle ist daher, ob der Film so auf mich wirkt, weil das noch junge Studio kommerziellen Anschluß auf einem lukrativen Weltmarkt sucht oder ob es sich um einen repräsentativen Anime-Stil handeln soll. Natürlich haben frühere OVAs in ihrer knappen Stunde auch so ihre erzählerischen Nöte gehabt. Vom Geschehen packt Gyo – Der Tod aus dem Meer ja auch wirklich viel in einen Strang und bietet so weniger Leerlauf als ein Sharknado oder Sharktopus.
Sicher scheuten sich die Anime-Macher damals nicht, der Logik ihren Freigang zu gewähren, aber sie verharrten vor allem öfter auf dem Moment und auf bestimmten Details.
Wo früher ein Fokus auf diese Dinge gelegt wurde, in dem man sie stilisierte, in Standbildern oder Farbgebung betonte, da beschleunigt Gyo – Der Tod aus dem Meer eher noch mit dann billig wirkenden Computergrafiken.

Spätestens dort läßt mich die Fischsuppe kalt und ich frage mich, ob ich mir sowas noch geben muß. Ich bin gar nicht zu alt für diese Scheiße, sondern meine Ansprüche sind gewachsen. Vermutlich hätte ich als naiver Teenager die paar derben Szenen gefeiert. Heute ist es andersherum und ich kritisiere eher noch die Qualitäten der Animes der 80er und 90er, meiner goldenen Zeit. Ich habe die Wahl und einen Gyo – Der Tod aus dem Meer brauche ich nicht auch noch.

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