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Wirtschaft Brigitte Zypries

Die effektive Verwalterin aus Schröders Geleitzug

Zypries als neue Wirtschaftsministerin vereidigt

Die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ist an die Spitze des Wirtschaftsressorts gewechselt. Die 63-jährige SPD-Politikerin übernahm das Amt von Sigmar Gabriel, der Frank-Walter Steinmeier als Außenminister abgelöst hat.

Quelle: N24/Sebastian Honekamp

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Brigitte Zypries ist die erste Bundeswirtschaftsministerin. Sie steht im Herbst ihrer Karriere – und hat komplizierte Aufgaben zu lösen. Zu Sigmar Gabriel hat sie eine besondere Verbindung.

Worum geht es

Berlin, ein Nachmittag vor einigen Jahren, ein Besuch bei Brigitte Zypries im Paul-Löbe-Haus, ihrem Bundestagsbüro. Die SPD ist gerade in der Opposition, Zypries stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Während des Gesprächs piepst permanent ihr Smartphone, das auf dem Schreibtisch liegt. Eine Weile ignoriert sie es, will das Gespräch nicht unterbrechen, irgendwann aber wird es ihr zu viel. Sie stapft zum Schreibtisch, guckt aufs Display, „Ach, Sigmar!“. Sigmar Gabriel ist damals noch SPD-Vorsitzender. „Bei jeder Idee, die er hat, bittet er mich um eine juristische Einschätzung“, sagt Zypries. Gabriel, muss man wissen, hat ziemlich viele Ideen.

In den vergangenen Tagen dürfte Zypries noch mehr Anrufe und SMS von Gabriel bekommen haben als sonst. Er vertraut ihr – und umgekehrt. Sie haben schon gemeinsam Tennis in Marbella gespielt. Sie mögen sich, sie kennen sich seit über einem Vierteljahrhundert. Damals, Anfang der 90er-Jahre, diente Zypries als Referatsleiterin in der niedersächsischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD). Gabriel war junger, aufstrebender und ehrgeiziger Landtagsabgeordneter. Sein Vorbild: Schröder.

Bei den nächsten Wahl tritt Zypries nicht an

Als in Berlin 1998 eine rot-grüne Regierung an die Macht kam, wechselte Zypries in die Bundespolitik. Gabriel blieb zunächst in Hannover, man verlor sich etwas aus den Augen. Doch seit auch er 2005 nach Berlin wechselte, machen die beiden zusammen Politik. Und nun ist Brigitte Zypries, 63, Bundeswirtschaftsministerin. Sie löst Gabriel als Chefin eines Ministeriums ab, in dem sie seit 2013 parlamentarische Staatssekretärin war. Sie hat wohl selbst nicht mehr damit gerechnet, als erste Frau in die Ahnenreihe von Ludwig Erhard, Karl Schiller und Gabriel zu treten. Denn Zypries steht im Herbst ihrer politischen Karriere, für den nächsten Bundestag wird sie sich nicht mehr zur Wahl stellen.

Zypries
Brigitte Zypries und Sigmar Gabriel kennen sich seit über 25 Jahren – jetzt ist sie Wirtschaftsministerin und er Außenminister
Quelle: dpa

Man mag annehmen, Zypries werde nur ein paar Monate im Amt sein, bis zum Ende der Legislaturperiode. Doch die Bildung der nächsten Regierung nach der Bundestagswahl am 24. September wird wohl einige Zeit beanspruchen. Gut möglich, dass Zypries noch ihr Ministerbüro mit einem Adventskranz wird schmücken können. Zudem hat sie als Bundeswirtschaftsministerin eine anspruchsvolle Agenda.

Da sind etwa die Unsicherheiten für die deutsche Wirtschaft im Umgang mit China und den USA, die G-20-Präsidentschaft, in diesem Rahmen eine Digitalministerkonferenz, Verhandlungen über den Emissionshandel in der EU. Dann ist da auch noch das Hauptsacheverfahren über die Klagen gegen das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta vor dem Bundesverfassungsgericht. Und, und, und.

Zypries ist in der SPD gut vernetzt

Mitstreiter beschreiben die neue Ministerin als durchsetzungsstark, selbstbewusst, tough, unprätentiös, manchmal auch etwas ungelenk. Unter Mitarbeitern gilt sie als angenehm. „Anständig, aber farblos“, sagt einer, wenn man nach ihren Schwächen fragt. Aus der Wirtschaft heißt es, Zypries agiere „unterstützend und industriefreundlich“. Von älteren, selbstgewissen Unternehmenschefs lasse sie sich nicht unterbuttern. Insbesondere als Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt habe sie sich sehr gut eingearbeitet. Ihrem Wahlkreis Darmstadt, wo unter anderem das Europäische Raumflugkontrollzentrum sitzt, hat das gewiss geholfen.

Eine große Rednerin ist Zypries nicht, dafür aber in der SPD vernetzt. Sie kommt nicht nur mit Gabriel aus, sondern auch mit dem künftigen Bundespräsidenten. Sie hat ihn entdeckt. Zypries hatte Frank-Walter Steinmeier kennengelernt, während sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Gießen war und er dort Jura studierte. Später lotste sie ihn als Medienreferent in die Staatskanzlei in Hannover, wo sie zur Staatssekretärin aufstieg. Sie gehört also, wie Steinmeier und Gabriel, zum alten Geleitzug Gerhard Schröders.

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Die neue Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wird von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vereidigt
Quelle: dpa

Am vergangenen Freitag, im Schloss Bellevue, schloss sich damit ein biografischer Kreis. Noch einmal ballt sich das politische Biotop Niedersachsen an der Macht: Bundespräsident Joachim Gauck überreichte seinem wahrscheinlichen Nachfolger Steinmeier die Entlassungsurkunde als Außenminister, ernannte Gabriel zum Außenminister – und Zypries zur Wirtschaftsministerin. Kurz darauf wurde sie im Parlament vereidigt und hielt Minuten später ihre erste Rede, zu Ceta.

Beliebt in der CDU – Skepsis in der SPD

Zypries’ Stärke ist ihre schnelle Auffassungsgabe und damit die Gabe, als Generalistin tätig sein zu können, was in dieser Weise vielleicht nur Juristen gegeben ist. Sie kommt gut mit starken Charakteren aus. Das hat sie als Staatssekretärin unter dem cholerisch-eigensinnigen Innenminister Otto Schily (SPD) bewiesen. Und als Justizministerin, nachdem Bundeskanzler Schröder sie 2002 ins Kabinett geholt hatte. Sie blieb in diesem Amt, als Angela Merkel (CDU) Kanzlerin wurde, in einer großen Koalition.

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Ihr gefiel Merkels Fähigkeit, Kabinettssitzungen klug, gewitzt und vergleichsweise uneitel zu leiten. Zypries kam auch bei der CDU gut an. „Brigitte ist ein echter Kumpeltyp“, sagte ein CDU-Rechtspolitiker damals. Mit ihr könne man „ein Bier trinken, auch wenn man in der Sache nicht einer Meinung ist“. Echte Fußspuren hinterließ Zypries, die effektive Verwalterin, jedoch nicht.

Mancher in der SPD rümpfte die Nase, als Gabriel sie 2013, nach vier Jahren in der Opposition, zur Staatssekretärin machte. „Ja, ich würde noch einmal Ministerin werden“, hatte sie im Wahlkampf gesagt. Dazu kommt es nun, und in der SPD-Fraktion sagen manche, die Partei hätte lieber einen aufstrebenden Abgeordneten nehmen sollen. Zypries wird ihr Ressort wohl mit zwei – statt bisher drei – beamteten Staatssekretären führen. Rainer Baake und vor allem der ihr gut bekannte Matthias Machnig werden dazugehören. Das ist, alles in allem, viel Erfahrung und wenig Neues.

Das Stühlerücken bei der SPD gefällt dem Wähler

Schon die Personalie Martin Schulz sorgt dafür, dass die Union an Zustimmung verliert. Diplomat Steinmeier zieht voraussichtlich ins Bellvue, übergibt den Staffelstab im Auswärtigem Amt an Gabriel.

Quelle: N24

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