TV SPIELFILM In "Best Exotic Marigold Hotel" spielen Sie eine Witwe, die gerade ihren Mann verloren hat. Sie entschließen sich, nach Indien zu gehen und stellen dort fest: Dieses Land ist ein Angriff auf alle Sinne. Haben Sie die Dreharbeiten dort auch so empfunden?

JUDI DENCH
Ich war das erste Mal in Indien und hatte vorher nie das Verlangen, dorthin zu fahren. Doch vom ersten Moment an hat mich das Land verzaubert und komplett in seinen Bann gezogen. Die Farben, Gerüche, Geräusche, Menschen - meine Sinne wurden komplett durcheinander gewirbelt. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt.

Standen Sie in der Zeit per Internet mit ihrer Familie und ihren Freunden zu Hause in Verbindung?

JUDI DENCH
Ich besitze nicht mal ein Bügelbrett, geschweige denn einen Computer.

Stimmt es eigentlich, dass Sie niemals die Drehbücher lesen, bevor Sie sich für eine Rolle entscheiden?

JUDI DENCH
Das stimmt. Entweder liest sich meine Tochter die Drehbücher durch oder ich lasse mir die Handlung erzählen. Die Geschichte eines Film ist für mich das Wichtigste. Das machen wir ja auch als Schauspieler: Wir erzählen dem Publikum eine Geschichte.
In dem Film treffen sich mehrere ältere Menschen aus England, die sich nicht damit abfinden können, von der Gesellschaft aufs Abstellgleis gestellt zu werden. Ist der Film ein Appell, ältere Menschen besser zu integrieren?

JUDI DENCH
Gerade in westlichen Gesellschaften sind ältere Menschen ja quasi unsichtbar. Man lässt sie einfach aus dem Blickfeld verschwinden, so dass sie nicht stören. In der Hinsicht muss eine Menge passieren. Warum werden ältere Menschen einfach in einen Raum gesteckt, um dort mit anderen abgelegten Menschen den ganzen Tag Fernsehen zu schauen und niemand redet mit ihnen? Das ist inakzeptabel und unmenschlich.

Alle Charaktere des Films offenbaren, das ein oder andere in ihrem Leben verpasst zu haben. Gilt das auch für die private Judi Dench?

JUDI DENCH
Ich wollte immer sechs Kinder haben, aber jetzt habe ich eine wunderbare Tochter und einen wunderbaren Enkel. Ich kann mich nicht beklagen.

Sie haben, genau wie ihre Filmfigur, Ihren Mann verloren. Hat Ihnen diese persönliche Erfahrung bei der Rolle geholfen?

JUDI DENCH
Sicherlich hat es geholfen, aber es ist natürlich nicht notwendig. Ich kann ja auch eine Lady Macbeth spielen, ohne jemanden um die Ecke gebracht zu haben.
Die Zusammenarbeit mit Regisseur John Madden war in der Vergangenheit immer ein gutes Omen für Sie und hat Ihnen für "Shakespeare in Love" einen Oscar und für "Ihre Majestät Mrs. Brown" eine Oscarnominierung eingebracht. Was bedeuten Ihen Preise und Ehrungen?

JUDI DENCH
Es ist eine nette Geste und ich freue mich natürlich über die Anerkennung. Aber die größte Auszeichnung für diesen Film ist die Tatsache, dass ich mitspielen und ein Teil der aufregenden Dreharbeiten sein durfte.

Bill Nighy fährt in der letzten Szene des Films mit Ihnen Motorrad durch die Straßen Indiens und hat zugegeben, dass es recht nervenaufreibend für ihn war...

JUDI DENCH
Für ihn? Was glauben Sie denn, wie es für mich war? Er hatte noch nie in seinem Leben ein Motorrad gefahren, und ich musste im Damensitz die Balance halten. Und dabei sollte er auch noch in die Kamera winken. Sie können mir glauben, wir sind beide richtig ins Schwitzen gekommen.

Sie selbst sind 77 Jahre alt. Überlegen Sie, sich als Schauspielerin langsam zur Ruhe zu setzen?

JUDI DENCH
Nein, und wenn ich das gefragt werde, tu ich immer so, als wüsste ich nicht, was "zur Ruhe setzen" bedeutet. Ich bin ein Energiebündel, das habe ich von meinen Eltern mit auf den Weg bekommen. Und solange ich Rollen bekomme und es mir Spaß macht, warum sollte ich aufhören?

2008 Sony Pictures Releasing GmbH

Bond in Berlin: Daniel Craig, "M"-Darstellerin Judi Dench und Regisseur Marc Forster (r.) bei der Präsentation von "James Bond 007 - Ein Quantum Trost"

Spaß zu machen scheint Ihnen ja auch ihre Rolle als "M" in den James Bond Filmen. Können Sie uns etwas über die Dreharbeiten zum neuen Bond-Streifen "Skyfall" verraten?

JUDI DENCH
Das darf ich natürlich nicht, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich die Arbeit sehr genieße, es ist ja mein inzwischen siebter Bond-Film.

Gibt es eigentlich Kollegen, mit denen sie unbedingt vor der Kamera stehen möchten?

JUDI DENCH
Die gibt es sicherlich. Und es lohnt sich! Elf Jahre, nachdem ich mit Johnny Depp in "Chocolat" gespielt habe, durfte ich zwei Minuten mit ihm in "Piraten der Karibik" mitspielen. Und das war himmlisch. Den ganzen Tag in London die Szene drehen, in der er in meine Kutsche fällt und mir am Ohr rumknabbert.

Interview: Henrik Hohl