Daniil Trifonov bringt den Gershwin-Groove in die Hamburger Elbphilharmonie

Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Daniil Trifonov, Klavier Jakub Hrůša, Dirigent  Elbphilharmonie Hamburg, 13. Mai 2024

Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia mit Jakub Hrůša; Foto Patrik Klein

Mit zweimal Gershwin, einmal Rachmaninow und dreimal Tanzstimmung sorgt das römische Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia auch in der Hamburger Elbphilharmonie für grenzenlose Begeisterung, die Euphorie des Publikums war selbst zwischen den Sätzen nicht aufzuhalten. Die Krone des Abends ging unangefochten an den Solo-Pianisten Daniil Trifonov, der mit einer souveränen Spitzenleistung den Saal zum  Schwingen brachte.

Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia
Daniil Trifonov, Klavier
Jakub Hrůša, Dirigent

Werke von George Gershwin und Sergej Rachmaninow

Elbphilharmonie Hamburg, 13. Mai 2024

von Johannes Karl Fischer

Ein bisschen jenseits der großen Standard-Konzerte – Rachmaninow, Tschaikowsky, Brahms – springt Daniil Trifonov auch mit George Gershwins Concerto in F über die höchste Latte der pianistischen Elite-Liga.

Flockig und furchtlos lässt er die lockeren Jazz-Melodien aus dem Flügel schwingen und versetzt den Saal in schwunghafte Tanzstimmung. Als würde er sich in der New Yorker Grand Central Station – ein mit der Elbphilharmonie vergleichbar prächtiger Bau – an ein dort zufällig in der Gegend rumstehendes Klavier setzen und die sommerliche Energie dieser wunderbar luftig-sonnigen Musik im ganzen Bahnhof strahlen lassen.

Völlig souverän erledigte er seine solistische Aufgabe, setzte sich einfach ans Klavier und spielte.  Genau wie die ganzen Jazz-Pianisten, nicht zuletzt Gershwin selbst. Die hammerschweren Läufe und auf Papier monumentalen Akkorde erledigte er mit links, er spielte eben nicht gegen, sondern mit dem Orchester – ganz, wie es sich für dieses jazzige Konzert gehört. Die Zugabe eine ebenso luftige Bach-Partita rundete wie ein musikalisches Sahnehäubchen auf einem Eisbecher das sommerlich-energetischen Gershwin-Programm ab und endete in furiosem Applaus.

Auch das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia ließ sich von Trifonovs Energie mitreißen und überzeugte mit einem sauberen, vielseitigen Klang. Die Begeisterung für diese Musik setzte sich vor allem in den Streichern bis zu dien letzten Pulten durch, einige Orchestermitglieder schienen mindestens genauso viel Swing draufzuhaben wie Jakub Hrůša am Pult. An einer Stelle setzte ein Trompeter seinem Instrument gar ein Cowboyhut auf dem Dämpfer. Eine witzige Geste, die aber absolut zur Stimmung passte!

Nach der Pause ging es ebenso begeisternd mit Rachmaninows Symphonischen Tänzen weiter. Mit kraftvollem Klang stürzten sie sich in den furiosen Kopfsatz, Trifonovs Gershwin-Euphorie schien diesem ebenfalls sehr bewegten noch einen Extra-Impuls gegeben zu haben.

War Gershwins Klavierkonzert ein Showpiece für den Pianisten, konnte hier das Orchester sich nochmal richtig austoben und an einigen Stellen seine lyrische Seele zum Strahlen bringen. Leider spielten sie ausgerechnet den sich immer mehr steigernden Schluss ein wenig wie mit angezogener Handbremse. Vielleicht war ich von dem bis dorthin souverän gelungen Konzert etwas verwöhnt, aber ich hatte ich das Gefühl, der letzte Meter wäre auch noch drin gewesen…

Womit ich bei meinem einzigen Kritikpunkt des Abends angekommen wäre… Jakub Hrůšas Dirigat, welches an der einen oder anderen Stelle durch teilweise leicht lässige Züge auffiel und besonders in der Gershwin-Hälfte die Zügel etwas zu lockerließ. Nun gut, da gab es eigentlich auch nicht viel zu dirigieren, das Klavierkonzert regelte Trifonov eh quasi im Alleingang und die zuvor gespielte Cuban Overture dauerte nur 10 Minuten.

Irgendwie blieb es aber doch hängen… anscheinend wollte er die rhythmuslastige Konzertouvertüre gemächlich dahin segeln lassen, während die nicht weniger als sechs SchlagwerkerInnen auf der Bühne eifrig versuchten, in diesem feurigen Werk den Turbo zu zünden. Auch der eigentlich furiose Start des Klavierkonzert-Finales klang ein wenig harmlos, da wäre mehr drin gewesen. Ein ganz wenig, als würde man allen New Yorker Taxen die Hupe ausbauen und den Motor mechanisch auf Tempo 30 beschränken. Naja, beim Rachmaninow in der zweiten Hälfe schien mir das wie fein weggeputzt.

Die beiden Smetana-Zugaben – wie Bruckner feiert der Tscheche dieses Jahr seinen 200. Geburtstag – nahmen dann allerdings nochmal ordentlich an Fahrt auf und brachten den Saal in furiose Feierstimmung. Ein krönendes Konzert verdient eben einen krönenden Abschluss!

Und das Fazit? Ein (in New York lebender) russischer Ausnahme-Pianist gibt über ein äußerst jazzig gespieltes Gershwin-Konzert einem Rachmaninow-Werk tänzerische Impulse… Russland und die USA sind musikalisch eben ein Herz und eine Seele!

Johannes Karl Fischer, 14. Mai 2024 für
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