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Lichtenfels:Weidenträume werden wahr!

Lichtenfels:Weidenträume werden wahr!
Wiege mit Fenster - Flechterin Andrea Mohr hat Gestaltungsideen und weiß auch einen Stand interessant aufzubauen. Fotos: Markus Häggberg

Sieben Stunden sind nahezu ein Arbeitstag. So viel Zeit war am Samstag Passanten und Besuchern gegeben, sich dem Flechthandwerkermarkt vor dem Rathaus anzunähern. Es war der fünfte seiner Art, der erste in diesem Jahr. Vor allem aber war er auch ein Ort für Begegnungen – mit Flechtern, ihren Waren und der Frage, was vom Wert der Arbeit mit den Händen zu halten ist.

Sympathisches Bild

Flechterin Theresia Asam sitzt herzig umschlossen auf dem Marktplatz. Das jedenfalls ist eine Frage der Perspektive, aber diese ergeben sich. Eine zur Skulptur geflochtene Weide, zwei Meter von ihr entfernt, bildet ein Herz. Blickt man dort hindurch, erhält man einen Teilausschnitt des Platzes, bestehend aus der Künstlerin samt ihrem grünen dreirädrigen Kleintransporter. Ein sympathisches Bild, spricht es doch von Arbeit als Lebensauffassung, vom Sinn für Schönes und von Verbindung zur Natur. „Ich finde es toll, dass ich damit mein Geld verdienen darf“, entgegnet die Frau der Frage, was sie vom Wert der Arbeit mit den Händen hält. Keine poetische Antwort, aber eine Antwort.

Poetischer geht es dafür bei Heinrich Geßlein zu. Der Mann, der auch Weidenanbau betreibt, hat einen Slogan samt Ausrufezeichen: Weidenträume werden wahr! Auf einem Korbhocker sitzt er leicht beschattet und flicht. Es hat so etwas von einer lebenden Werkstatt. Und mitunter bleiben Passanten bei ihm stehen, um zu schauen.

Vom Gesang angezogen

Auffällig viele Radfahrer sind darunter. In diesen Momenten stellt man fest, wie sehr der Marktplatz doch von Radtouristen durchfahren wird. Geßlein singt ein Lied – für sie, für sich und in Tenorlage. Zur Melodie von „Lass uns träumen am Lago Maggiore“ hat er einen eigenen Text verfasst. Das zieht Besucher an. Bald sind sie mit ihm in ein Gespräch verflochten.

Einem Besucher-Ehepaar erklärt er, dass Rattan in der Seefahrt als Ballast für Segelboote benutzt wurde. Das Paar dankt, grüßt und geht, wobei es noch einmal zu Geßlein hinter sich blickt. Er sitzt wieder auf dem Hocker und singt.

Und wie er nun so singt und man es gerade von der Seefahrt hatte, taucht dazu eine Frage auf: Wenn Seeleute Shanties zu ihrer Arbeit singen, um diese erträglicher zu machen, was singen dann Korbflechter? Geßlein weiß keine rechte Antwort auf so etwas wie ein Korbflechter-Liedgut. Aber ein Verdacht kommt in ihm auf: „Ich kann mir schon vorstellen, dass ich schneller flechte, wenn ich schneller singe.“ Was er noch weiß, ist, dass er heute „Begegnungen mit einer sozialen Komponente hatte, die man nicht hoch genug einschätzen kann“. Solche Begegnungen hält er dem Flechtmarkt auf dem Marktplatz zugute. Von 10 bis 17 Uhr lautet der zeitliche Rahmen für die Veranstaltung. Acht Stände sind hier aufgebaut, sie gehören Flechtern der Heimat.

Flechtphantasien

Eine von ihnen ist Andrea Mohr aus Redwitz. In ihrem Firmennamen spielt sie mit dem Wort Flechtphantasien, in dem sie es mit -ph schreibt. Ihr Stand gehört zu den auffälligsten an diesem Tag, steht vor ihm doch eine Wiege aus Weide. Auf einer Bank aus Weide sitzt sie unter einem weißen Zelt, vor sich einen Glastisch und auf diesem eine geflochtene Blumenvase. Ein irgendwie werbewirksames Bild, mutet die Blumenvase dadurch doch irgendwie frei schwebend an. „Es ist Werbung und Kontakt mit Kollegen“, befindet Mohr und versichert, sehr gerne dabei zu sein.

Entspannung und Freude

Auch sie kommt immer wieder mit Passanten ins Gespräch. Dann und wann geht es auch um Kommerz und Verkauf. Damit konfrontiert, dass Psychiater und Psychologen oft davon sprechen, dass Menschen, die mit ihren Händen arbeiten, oft weit glücklicher sind als andere, hält sie gedanklich inne und reflektiert zu sich selbst. Was dabei herauskommt, klingt nach einer Stützung dieser These: „Wenn ich in meiner Werkstatt sitze, ist es Entspannung für mich (…) und abends freue ich mich über die fertigen Stücke.“

Die fertigen Stücke – die sind der springende Punkt. Wer mit der Hand arbeitet, der sieht, was er geschaffen hat und darf sich als wirksam begreifen. Mit dem Begreifen beziehungsweise dem Greifen hat es auch Subhia Wawi. Die junge Frau im dritten Lehrjahr teilt sich mit einer Freundin einen Stand und hat Bälle aus Weidengeflecht geschaffen, die ob ihrer eingebauten Durchlässigkeiten Kleinkindern zum Erfolgserlebnis des Festhaltens verhelfen sollen.

Klein und gemütlich

Auch Wawi weiß von unterschiedlichen Reaktionen der Passanten. „Da ist sehr viel Faszination dabei, aber auch viele, die von Flechtwerk schon übersättigt sind und uns erzählen, dass sie nichts mehr brauchen.“ Laut der jungen Frau gibt es auch Menschen, die sich darüber wundern, dass man für dieses Handwerk eine Lehre braucht. Sie selbst findet diesen Markt, an dem Besucher auf Handwerk, geflochtenen Gartenschmuck, geflochtene Möbel und Unikate stoßen, von wunderbar entspannter Atmosphäre. „Er ist halt der Korbmarkt in klein und gemütlich.“

Reflektieren

Vom Wert des Arbeitens mit den Händen hält auch Wawi viel. Sie habe, so erzählt sie, Kulturanthropologie und Philosophie studiert und wollte nicht mehr so lange im Hörsaal rumsitzen. Die praktische Arbeit des Flechtens hielten als Mehrwert aber auch häufig die Möglichkeiten parat, „zu reflektieren, nachzudenken und Meinungen zu bilden“.

Für die Besucher und Passanten hielt der Markt auch jede Menge parat. So die Schüler der „Korbfachschule“, die sich mittels Pop-up-Flechtens gleichfalls über die Schulter schauen ließen und vor allem auch den Bäckerfachverein, der für Verköstigung sorgte.

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