Into the Wild | Kritik | Film | critic.de

Into the Wild – Kritik

Sean Penns Film über einen Aussteiger, der sich selbst und sein Glück in der Wildnis Alaskas sucht, geizt nicht mit wunderschönen Naturbildern und großartigen Schauspielern, aber auch nicht mit Pathos und Erlösungsmetaphorik.

Into the Wild

Christopher McCandless (Emile Hirsch) macht sich auf und davon, lässt das womöglich bequeme und gut abgesicherte Leben hinter sich, das seine Eltern (Marcia Gay Harden, William Hurt) ihm bieten, hinterlässt keine Spuren und vernichtet seine Ausweise, reist schließlich in die Wildnis von Alaska, ganz allein: Hier lebt jemand den Traum vom Aussteigen mit aller Konsequenz.

Chris sehnt sich nach dem einfachen Leben in der Wildnis, will sich in der Auseinandersetzung mit den Kräften der Natur von den Lebenslügen und dem Materialismus seiner Eltern lösen und „das falsche Wesen im Inneren töten“. Chris’ Inspiration liegt in der Literatur, und es ist sicherlich kein Zufall, dass er oft und gerne Henry David Thoreau zitiert.

Into the Wild

Es ist eine sehr amerikanische Form der Suche nach sich selbst und nach Reinheit, die diesen jungen Mann umtreibt, wie sie sich vielleicht auch bei Jack Kerouac und in tödlicher Konsequenz beim „Unabomber“ Ted Kaczynski (über den Lutz Dammbeck 2003 seinen beeindruckenden Dokumentarfilm Das Netz gedreht hat) finden lässt. Die Natur Nordamerikas bietet Weiten und abgelegene Orte, die einen Rückzug von der Zivilisation immer noch als Möglichkeit zulassen und zugleich die Illusion erlauben, sich einer unberührten Natur, fern von menschlichen Einflüssen, gegenüber zu sehen.

Sean Penn lässt seinen Helden Chris in Into the Wild nur kurz in wenigen Sätzen darüber reflektieren, wie sehr seine Sinnsuche vielleicht eine national geprägte ist. Stattdessen schwelgt er lieber selbst in Bildern der großartigen Natur, die entlang der Route zu sehen ist: über den Colorado River bis hin zum Golf von Kalifornien, durch die Getreidefelder South Dakotas. Natürlich bietet sich die Geschichte dieses Wanderers, dieses Getriebenen, besonders dazu an, sie so zu inszenieren: mit langen Totalen, mit Tierherden im Gegenlicht, mit Schwenks über weite Flächen scheinbar unberührten Landes, allenfalls noch von einer einsamen, staubigen Straße durchzogen.

Into the Wild

Immer wieder dazwischengesetzt sind Szenen von Chris’ Leben in Alaska, wo er sich in einem verlassenen Bus mitten in der Wildnis ein Lager eingerichtet hat – und auch dort überwiegt eine romantisierte, idealisierte Darstellung der Natur, deren Kräften sich Chris fast schutzlos ausliefert. Erst im letzten Drittel des Films wandelt sich das Bild ein wenig, und es gibt bedrohliche Momente, die schließlich ins tragische Finale münden.

Der Film beruht auf einer wahren Geschichte aus den frühen 1990er Jahren, die der Autor Jon Krakauer zunächst in einem Artikel für das Outside Magazine und dann in seinem Buch In die Wildnis (Into the Wild) beschrieben hatte. Es wirkt so, als wolle Penn dabei dem echten Christopher McCandless immer möglichst nahe bleiben – ein zu Beginn des Abspanns gezeigtes Originalfoto von McCandless dokumentiert nicht nur, wie sehr sich Hirsch mit Fusselbart und wirren Haaren dem „echten“ Chris äußerlich anzunähern versucht, sondern auch den Aufwand, mit dem der äußere Schauplatz, hier vor allem: der verlassene Bus in Alaska originalgetreu rekonstruiert wurde.

Into the Wild

Chris lernt auf seiner Reise durch die USA zahlreiche Menschen kennen, und Penn hat diese Figuren, die immer nur für Episoden unterschiedlicher Länge auftauchen, mit zum Teil großartigen Schauspielern besetzt. Insbesondere Catherine Keener, Hal Holbrook und Kristen Stewart verleihen ihren Figuren eine Tiefe, die spüren lässt, welche Wunden die Begegnung mit Chris bei ihnen aufbricht. Der von den Eltern wegstrebende junge Mann wird für seine Zufallsbekanntschaften zu einer Art Substitut für verloren gegangene Söhne – Jan (Keener), die als Althippie in einer Art Kommune lebt, hat seit zwei Jahren nichts von ihrem Sohn gehört, Ron (Holbrook) hat vor Jahrzehnten schon Frau und Kind verloren und ist nie darüber hinweggekommen.

Diese Geschichten, ebenso wie die zarte Romanze zwischen Chris und der jungen Tracy (Stewart), sind voll starker, emotionaler Szenen und zeigen, wie die Figuren in der Auseinandersetzung mit dem jungen Sinnsucher leiden und wachsen. Im Kontext des gesamten Films offenbaren sie aber, was Into the Wild zu einem etwas zwiespältigen Erlebnis macht. Denn der Effekt, den Chris auf die Menschen hat, ist immer das entscheidende bisschen zu positiv, nur Licht und kaum Schatten. Über weite Strecken präsentiert sich der Film so auch als fast religiös anmutende Geschichte über einen unter uns wandelnden Erlöser.

Das liegt auch daran, dass Hirschs Chris von all der Emotionalität weitgehend unberührt erscheint. Gewiss, er hat Verständnis für die Menschen und geht auch auf sie ein, seine Distanz zu ihnen kann er aber nie überwinden: Er bleibt in sich selbst gefangen. Natürlich ist, das macht der Film zum Schluss hin deutlich, genau dies die Tragik seiner Persönlichkeit; er bleibt uns dadurch jedoch weitgehend unzugänglich, so sehr Penn auch möchte, dass wir uns mit ihm identifizieren: Dafür hat dieser junge Mann zu wenig Persönlichkeit, zu wenig Kanten, zu wenig Angriffsfläche. „Die Zerbrechlichkeit von Kristall ist keine Schwäche, sondern Feinheit“, lässt das Drehbuch ihn einmal sagen und diskreditiert seine Hauptfigur fast mit solchen Kalenderblatt-Sinnsprüchen.

Sean Penn verpasst seinem Film von allem etwas zu viel: zu viel Pathos, zu viel tief empfundene Trauer, sogar zu viel Naturschönheit. Erst zum Ende dieser zweieinhalb Stunden währenden Selbstfindung, als Chris wieder zu Menschen zurückkehren will, zeigt die Natur, dass sie nicht immer nur eine Freundin des Menschen ist. Da hat sich der junge Mann, der sich auf seinen Reisen „Alexander Supertramp“ nannte und in der Wildnis wohl nur überleben konnte, weil da ein Bus für ihn bereit stand, bereits in eine Situation manövriert, aus der es kein Entkommen für ihn mehr zu geben scheint.

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Kommentare


Bandit

...Ich finde dass dieser Film überhaupt nicht zu viel von allem hat. Im Gegensatz,der Film bemüht sich sogar subtil zu bleiben. Und unter Pathos verstehe ich was anderes. Das Ende hat mich auch weggehauen "Happiness is real only shared" und dann stirbt er...dazu sag ich nur, verdammt gutes Kino,Sean Penn ist der Beste!


henry

erwähnt werden sollte in so einer rezension unbedingt auch der soundtrack (von eddie vedder), der den film und insbesondere die darin gezeigten naturbilder doch zu großen teilen begleitet und prägt.


Janic K.

Der langgezogene Film ist mit der Zeit sehr langweilig. Von mir aus geb ich dem Film drei Sterne von fünf. Allerdings ist ist der Film mit viel Traurigkeit überzogen, was mir nicht so gefiel. In einpaar Szenen ist der Film unlogisch und nicht nachvollziehbar, zum Beispiel hat er gesagt, dass er Angst vor Wasser hat und auf dem Anhieb plötzlich Schwimmen kann.
Fazit: Ich würde den Film nicht für Leute, die auf Abenteuer- und Actionfilme stehen, empfehlen.Ich selber fand den Film nicht unbedingt schlecht, trotzdem würde ich ihn nicht noch einmal anschauen.






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