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Neuer Master-Studiengang: M.A. Literaturwissenschaft (Komparatistik | Germanistik | Romanistik | Slavistik) (120 LP)

Der interphilologische Master-Studiengang ist neu konzipiert und wird zum Wintersemester 2024-25  zum ersten Mal angeboten. Verschiedene literaturwissenschaftliche  Abteilungen, darunter die Komparatistik, haben sich zusammengeschlossen,  um ein  vielf�ltiges Angebot mit einer intensiven und individuellen  Betreuung zu  verbinden.

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Übersicht

Kurse und Vorlesungen in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft

Sommersemester 2024

Vorlesung: Mit der B�hne denken. Literatur und Theater / Prof. Dr. Daniel Weidner

Theater ist nicht nur eines der wichtigsten Medien von Literatur, sondern auch ein wichtiges Modell zum Verst�ndnis von Literatur, Gesellschaft und Leben, in dem wir alle unsere „Rolle spielen“, manchmal selbst „Tragisches“ erleben und h�ufiger „Zuschauer“ anderer Schicksale sind. Die Vorlesung gibt entlang von f�nf St�cken  -- Sophokles: Antigone, Shakespeare: Hamlet, Schiller: Wilhelm Tell, Brecht: Die  Heilige Johanna der Schlachth�fe, Beckett: Warten auf Godot – eine Einf�hrung in die Geschichte des Theaters von der griechischen Antike bis in die Gegenwart und er�rtert die wichtigen Konzepte und Kontroversen �ber Darstellung, Drama, Schauspieler, B�hne, Publikum, Zeit und Raum, Illusion, Entt�uschung und Verfremdung, Performanz, Postdramatik u.a. Die N�he des Theaters zum Ritual und zum Mythos, seine eminent politische Aufladung, sein Verh�ltnis zu anderen K�nsten und seine Ausweitung in Vorstellungen wie dem „Welttheater“ oder der soziologischen Rollentheorie werden ebenso thematisiert wie die Grundfragen der Analyse theatraler Texte. Zur Vorbereitung sei die Lekt�re der St�cke empfohlen (Sophokles, Shakespeare und Schiller bei  Reclam, Brecht bei Suhrkamp, Beckett auf StudIP. Erg�nzend auch: Manfred Brauneck: Europas Theater. 2500 Jahre Geschichte – eine  Einf�hrung. Reinbeck (Rowohlt) 2012 (dick, aber kann man drin schm�kern); sowie K. Lazarowicz, C. Balme (Hg.): Texte zur Theorie des Theaters, Stuttgart (Reclam) 1991.
NB: Wer Lust hat, geht am 13.4. gemeinsam im Neuen Theater in Sophokles Antigone!

Die Literatur und ihr Publikum / Prof. Dr. Daniel Weidner

Literatur besteht nicht nur aus B�chern, Texten oder AutorInnen, sondern braucht auch ein Publikum – gerade das macht sie unmittelbar politisch und stellt sie ins Zentrum gemeinsamen Wollens und Handelns. Dabei ist die uns gewohnte Konstellation einer literarischen ‚�ffentlichkeit‘ relativ neu: Sie bildet sich im Laufe des 18. Jahrhunderts heraus, wird  dann immer mehr durch den literarischen Markt bestimmt und scheint sich in der Gegenwart durch den Einfluss neuer Medien und Kommunikationsformen zunehmend aufzul�sen. Das Seminar untersucht die Konstitution und den Wandel des literarischen Publikums anhand von Quellen und Forschung zur Geschichte der literarischen und politischen �ffentlichkeit. Nach kurzem R�ckblick auf die Funktionsweisen vormoderner Literatur wird der Schwerpunkt im 18. Jahrhundert liegen (mit Kritiken, Manifesten, Satiren, Projekten, St�cken u.a.  von Lessing, Herder, Wieland, Schiller). Im Anschluss besch�ftigen wir uns mit der Entwicklung des literarischen Marktes im 19. Jahrhundert und dessen Krisen im 20. Jahrhundert. Das Seminar versteht sich gleichzeitig als Einf�hrung in die Literatursoziologie, gerne k�nnen nach Interessen der TeilnehmerInnen Schwerpunkte gesetzt werden. Zur Vorbereitung der ersten Sitzung lesen Sie bitte den Textausschnitt von Peter Handke: Publikumsbeschimpfung auf StudIP.

M�gliche Hintergrundlekt�re: Carolin Amlinger: Schreiben. Eine  Soziologie literarischer Arbeit. Frankfurt a.M. 2021. C. und P. B�rger, J  Schulte-Sasse (Hg.) Aufkl�rung und literarische �ffentlichkeit,  Frankfurt a.M. 1980. James van Horn Melton: The Rise of the Public in Enlightenment Europe, Cambridge 2001.

Der B�rger in der Literatur � Thomas Manns Buddenbrooks / Neela Janssen

In diesem Lekt�reseminar wollen wir gemeinsam Thomas Manns klassischen  Gesellschaftsroman von 1901 lesen. Als roter Faden begleiten uns die Fragen nach B�rgerlichkeit und dem B�rger in der Literatur, wir werden  aber im Verlauf des Semesters ganz unterschiedliche Perspektiven und  Herangehensweisen an den Text erproben, um diesen Fragen auf die Spur zu kommen. Ausgehend von unseren Lekt�reeindr�cken soll es um eine  Einordnung in den (literatur-)historischen Kontext ebenso gehen wie um Fragen nach M�nnlichkeit und Klasse, aber auch um den Blick auf stilistische Auff�lligkeiten und das Nachdenken �ber (b�rgerliche) Leitmotive und die Vielstimmigkeit der Erz�hlung. Nicht zuletzt geht es dabei immer auch um Fragen nach �bertragbarkeit und Aktualit�t: In welcher Form begegnet uns B�rgerlichkeit in Manns Roman? Auf welchen Ebenen, mit welchen Konnotationen? Wie l�sst sich B�rgerlichkeit allgemeiner fassen, wie wird sie literarisch verhandelt? Welche alternativen Narrative und Ausformulierungen lassen sich finden? Und was l�sst sich daraus nicht nur f�r die Literatur des 20., sondern auch des 21. Jahrhunderts lernen? Welche thematischen Aspekte, welche Spuren eines b�rgerlichen Stils k�nnen wir mit unserem gesammelten Wissen in gegenw�rtiger Literatur entdecken? Wie aktuell sind der B�rger und B�rgerlichkeit als Konzepte in der (Literatur-)Wissenschaft heutzutage �berhaupt noch – oder anders gefragt: wie und warum lassen sie sich vielleicht gerade heute wieder produktiv machen?

Inwieweit wir unsere Sitzungsdiskussionen um Sekund�rliteratur erweitern oder uns beispielsweise im Sinne eines Close-Readings einzelnen Szenen widmen werden, h�ngt auch von Ihrem Interesse ab; Sie werden zu Beginn des Semesters die M�glichkeit haben, das Grundger�st des Seminarplans um eigene Impulse zu erweitern und Schwerpunkte zu setzen. Die Bereitschaft, das Buch aufmerksam in seiner Gesamtheit zu lesen und sich aktiv an den Seminardiskussionen zu beteiligen, wird dabei vorausgesetzt.

Zur Vorbereitung empfiehlt sich nat�rlich ein Blick ins Buch.

Intersexfiguren von der Antike bis heute / Dr. Claudia Hein

Gender und Begehren fluide zu denken ist fast schon Mainstream, aber was  ist mit der biologisch gedachten Kategorie Sex? XXY-Chromosomen, uneindeutige Genitalien oder eindeutige Geschlechtsmerkmale, bei ebenso eindeutig kontr�rem Chromosomensatz – Intersex hinterfragt die Geschlechter-Dichotomie aus der Biologie selbst heraus, und dies auf genetischer, biochemischer wie physiologischer Ebene. Gemeinsame  Grundlage ist dabei gerade die Unm�glichkeit der Klassifizierung als weiblich oder m�nnlich.
Intersex ist Seinsmodus, Forschungs- und juristisches  Klassifizierungs-Objekt ebenso wie Ausgangspunkt avancierter genderkritischer Theorie (Anne Fausto-Sterling). Vom antiken Mythos (Hermaphroditos, Kugelmenschen) bis zur Science-Fiction (Melissa Scott, Octavia Butler) dient die Literatur als Spiegel und experimentelle Form des Weiterdenkens dieser biologischen Unsch�rfe.
Wir wollen im Seminar schlaglichtartig auf die lange Geschichte dieser Schnittstelle eingehen und dabei ein besonderes Augenmerk auf einen f�r die Debatte zentralen historischen Text aus der Feder einer  Intersex-Person legen: Lesen werden wir die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Lebenserinnerungen Herculine Barbins, die Foucault erst 1980 einer gr��eren �ffentlichkeit pr�sentiert und mit der Frage flankiert hat: �Brauchen wir wirklich ein wahres Geschlecht?� Kritisch auseinandersetzen werden wir uns des Weiteren mit dem Bestsellerroman �Middlesex� von Jeffrey Eugenides aus dem Jahr 2002. Dieser Text scheint k�rperlich auszubuchstabieren, was bei Herculine Barbin gerade nicht zur Sprache kommt: der (h�ufig voyeuristisch betrachtete) intersexuelle  K�rper. Ein dritter Text, der im Zentrum des Seminars stehen wird, ist der 2021 erschienene Roman �Sorrow Land� von Rivers Solomon, der sich auch auf Gattungsebene (Science Ficition, Gothic, magischer Realismus) in einem postkolonial-queeren Zwischenraum bewegt und nicht nur die Grenze zwischen geschlechtlichen K�rpern, sondern auch die zwischen Menschen und anderen Lebensformen aufbrechen l�sst.
Die grundlegende Frage, die uns, u.a. ausgehend von Judith Butler  (Undoing gender), umtreiben wird, ist die nach der Provokation, die  Intersex bedeutet, und zwar nicht nur f�r ein biologisch-essentialistisches, sondern ebenso f�r ein  sozial-konstruktivistisches Denken von Geschlecht.

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ZUR VORBEREITUNG:

F�r einen ersten Einblick in die Thematik empfehle ich dieses 1996 beim  ersten Treffen der Intersex Society of North America entstandene Video:
https://www.youtube.com/watch?v=1sf7l1GKGgw   

Bitte besorgen Sie sich zudem folgende Texte (die z.T. auch sehr gut  antiquarisch zu bekommen sind) und beginnen Sie idealerweise schon in  den Semesterferien mit der Lekt�re:
- Herculine Barbin, Michel Foucault: �ber Hermaphrodismus
(https://www.suhrkamp.de/buch/ueber-hermaphrodismus-t-9783518117330   )
- Jeffrey Eugenides: Middlesex
(wir werden den Roman in Ausz�gen lesen; Lekt�re auf engl. oder dt.)
- Rivers Solomon: Sorrow Land
(https://www.penguin.co.uk/books/441803/sorrowland-by-solomon-rivers/9781529118759;    nur auf engl. verf�gbar)
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Diese Lehrveranstaltung ist im Studienbegleitprogramm von gender*bildet (Zertifikat Gender Studies) anrechenbar.

Zeitgeist und Zeitgef�hl im Roman / Dr. Robert Buch

Es gibt eine Art von B�chern, mit denen sich Leserinnen und Leser emphatisch identifizieren. Es sind Werke, so sagt man, die nicht nur zu,  sondern f�r ihre Leserschaft sprechen. Damit scheinen sie einen alten Traum der Literatur zu erf�llen, n�mlich ihre Rezipienten zu ergreifen, deren Lebensgef�hl irgendwie auf den Punkt zu bringen, sie dabei aber auch zu transformieren. Es gibt eine Zeit vor und nach der Begegnung mit solchen B�chern, die die Perspektive auf die Welt und auf das Selbst zugleich best�tigen und neu ausrichten, und zwar nicht nur bei vereinzelten Lesern, sondern f�r ganze Generationen. Offenbar gelingt es  diesen Werken auf einmalige Weise, Zeitgeist und Zeitgef�hl einer Epoche zu reflektieren, auch wenn es mitunter erst eine sp�tere Generation ist, die sich in diesen Werken entdeckt. Ein Name f�r diese Art von Werk ist Kultbuch. Kultb�cher sind Objekte der Verehrung und der intimen Vertrautheit – bis hin zur Nachahmung ihrer Figuren und deren Habitus. In der europ�ischen Tradition steht daf�r exemplarisch Goethes Werther, mit dem wir uns am Anfang des Kurses besch�ftigen werden. Die  folgenden Sitzungen widmen sich dann einer Reihe einschl�giger Kultb�cher des 20. und 21. Jahrhunderts wie beispielsweise Hermann Hesses Steppenwolf, Ernest Hemingways The Sun Also Rises oder J. D. Salingers The Catcher in the Rye, Fran�oise Sagans Bonjour Tristesse, Elena Ferrantes Neapolitanische Roman-Tetralogie oder Sally Rooneys Normal People, um nur einige solcher Werke zu nennen. Nicht wenige dieser Romane erz�hlen Coming-of-Age-Geschichten und so pr�gen sie oft besonders jugendliche Lesebiographien. In dem Kurs wird es zum einen darum gehen zu verstehen, ob es bestimmte Merkmale sind, welche die emphatische Rezeption dieser Werke erm�glichen, zum anderen aber auch  darum, nach ihrer Aktualisierbarkeit und Aneignung durch immer neue Generationen von Leserinnen und Lesern zu fragen.

Voraussetzung der Teilnahme ist die Bereitschaft zur Lekt�re l�ngerer Texte, regelm��ige und aktive Mitarbeit sowie die �bernahme eines Impulsreferats und der Moderation der anschlie�enden Diskussion. Erwartet wird au�erdem die F�higkeit, ein oder zwei der Werke, die wir  diskutieren werden, im englischen Original zu lesen.

Zur Einf�hrung: Heiko Christians, ",Werthers Br�der’ oder Was ist ein Kultbuch?", Wirkendes Wort, 55, 2005, 15-27.

Literarischer Abfall / Leon Bertz

M�ll ist ein unangenehmes Thema. Das hindert die Literatur aber nicht,  sich trotzdem auf solche Stoffe einzulassen, die man ansonsten buchst�blich nur ‚mit der Zange‘ ber�hrt. M�ll, Unrat, Schmutz, Schrott, Rest, Plunder oder Abfall: Die Begrifflichkeiten f�r ein Ph�nomen, das eigentlich unsichtbar au�erhalb der ‚sauberen‘ Kultur existiert, sind auff�llig vielf�ltig. Dabei bleibt unklar, auf was sich die Ausdr�cke eigentlich beziehen, denn ‚M�llsein‘ ist keine physikalische Eigenschaft, sondern soziale Zuschreibung. So lassen sich anhand der Kategorie ‚Abfall', die ein ganzes Spektrum zwischen Haus- und Atomm�ll umfasst, zentrale kulturelle Wertkonstruktionen sowie Verhaltensweisen untersuchen und �berlegungen anstellen, inwiefern (gesellschaftliche) Ordnung tats�chlich erst durch die Verbannung des (vermeintlich) Unordentlichen entsteht.
Im Seminar wollen wir uns damit besch�ftigen, welche Funktion der Abfall  in literarischen Texten und f�r literarische Texte aus�bt. Wie verh�lt  sich Literatur zum M�ll, in welchen thematischen und formalen Konstellationen tritt der Abfall auf, zu welchen Reflexionen motiviert Unrat, wie weit �hnelt das Archiv der M�lldeponie und was hei�t es, dass Kunst m�glicherweise selbst erst aus chaotischer Unordnung entsteht? �ber eine komparatistisch orientierte Textauswahl bekannter ‚M�lltexte‘ aus verschiedenen L�ndern vom (magischen) Realismus bis zur Science-Fiction-artigen Dystopie wollen wir uns dieser Thematik n�hern. Historisch konzentrieren wir uns auf Zeugnisse seit dem letzten Jahrhundert, denn Entsorgungsprobleme nehmen mit dem Aufkommen der Konsumgesellschaft radikal zu und K�nstler:innen widmen sich vermehrt dieser dr�ngenden Problematik, sodass man sogar „eine Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts als Abfall-Geschichte schreiben“ (K�mpf-Jansen) k�nnte.

Kulturelle Differenz in der Gegenwartsliteratur / Prof. Dr. Daniel Weidner

Mit einiger Versp�tung werden auch in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur „Race, Class und Gender“ in den letzten Jahrzehnten zunehmend wichtig. Das Seminar diskutiert anhand ausgew�hlter Texte der  letzten Jahrzehnte, wie neue „Identit�ten“ und „Zugeh�rigkeiten“ – Frauen, MigrantInnen, Nicht-Wei�e, „Unterschichten“, Marginalisierte – zur Sprache kommen und zu welchen Darstellungsformen dazu gegriffen wird. Zugleich lesen wir theoretische Texte (Stuart Hall, Judith Butler,  Homi Bhabba) dar�ber, was diese Differenzen eigentlich sind, wie sie sich in der Literatur niederschlagen und wie sie sich analysieren lassen. In der ersten H�lfte des Seminars lesen wir gemeinsam ein paar klassische Textausschnitte (Emine �zdamar, Feridun Zaimoglu), zwei Romane komplett (Fatma Aydemir:  Dschinns (2022), Shida Bayzar: Drei Kameradinnen (2021) sowie theoretische Texte. In der zweiten Seminarh�lfte w�hlen Sie je nach Interesse (gerne auch in Gruppe) Texte  aus und stellen Sie dann (mit gemeinsam gelesenen Textausschnitten) im  Seminar vor. In Frage kommen u.a. Texte von Lena Gorelik, Dilek G�ng�r,  Dincer G�cyeter, Lin Hierse, Kim De L'Horizon, Deniz Ohde, Yasemin �nder, Sharon Dodua Otoo, Katja Petrowskaja, Doron Rabinovic, Mithu Sanyal, Anna Yeliz Schentke, Vladimir Vertlieb, Hengameh Yaghoobifarah, weitere  Vorschl�ge sind willkommen.
Zur Vorbereitung lesen Sie bitte den Roman von Fatma Aydemir.

Literatur als Provokation / Dr. Robert Buch

Den Prinzipien der klassischen Rhetorik zufolge geh�rt es zu den unabdingbaren Voraussetzungen erfolgreicher Rede, ob literarischer oder nicht literarischer Art, das Publikum f�r sich einzunehmen. Der rhetorische Ausdruck daf�r lautet captatio benevolentiae, Gewinnung des Wohlwollens. Nun ist die moderne Literatur reich an Beispielen f�r das  Gegenteil, also an Texten, die ihre Leserschaft vor den Kopf sto�en, deren Erwartungen entt�uschen, das Publikum aus der Fassung bringen. Das Seminar besch�ftigt sich mit einer Reihe von Werken, die in dieser Tradition stehen. Dabei wollen wir fragen, auf welche Art und Weise  diese literarischen agents provocateurs uns irritieren, herausfordern, ja gelegentlich auch �berfordern, aber auch, inwiefern der Einsatz von Provokation ein Spiel ist, integraler Bestandteil moderner �sthetik, oder, ob es umgekehrt darum geht, ganz bewusst und in durchaus  ernsthafter Absicht unsere moralischen und politischen Affekte zu mobilisieren. Zu den m�glichen Autoren und Autorinnen, mit denen wir uns  auseinandersetzen werden, geh�ren Charles Baudelaire, Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek, �gota Krist�f, Heiner M�ller, Jonathan Littell und Michel Houellebecq.

Voraussetzung der Teilnahme ist die Bereitschaft zur Lekt�re l�ngerer  Texte, regelm��ige und aktive Mitarbeit sowie die �bernahme eines  Impulsreferats und der Moderation der anschlie�enden Diskussion.

Werkstatt Zeitschriften-Redaktion / Dr. Claudia Hein

Die an der MLU angesiedelte �Zeitschrift studentischer Beitr�ge� geht in ihren 3. Jahrgang – und daf�r brauchen wir Ihre tatkr�ftige Unterst�tzung!
Wollen Sie wissen, wie es ist, eine Zeitschrift wirklich selbst zu gestalten und herauszubringen? Haben Sie Lust, als Redakteur:innen in einem studentischen Team t�tig zu werden? Und dabei den Entstehungsprozess einer Zeitschrift von der Textakquise �ber die  Begutachtung und Diskussion der Zusendungen, �bermitteln des Feedbacks an die Autor:innen bis hin zu Textlektorat und Korrekturlesen von Fahnen kennenzulernen? Oder ganz grundlegend gefragt: Arbeiten Sie gerne an eigenen und fremden Texten, um diese noch weiter zu verbessern?
Dann sind Sie im Werkstattseminar genau richtig! In der Lekt�re und Diskussion von studentischen Texten wollen wir gemeinsam herausfinden, was gut funktionierende Texte auszeichnet, wie sich Fragestellungen und Argumentationen sch�rfen lassen und wie man das Erarbeitete klar und gut lesbar vermitteln kann. Entscheidend dabei ist es, die Erfahrung zu machen, dass eben solche ›guten‹ Texte meist nicht vom Himmel fallen, sondern erst in einem Prozess redaktioneller �berarbeitung entstehen.
In der Arbeit an unserem Zeitschriftenheft bietet sich Ihnen die Gelegenheit, potentielle Arbeitsfelder, in denen Sie nach Studienabschluss t�tig werden k�nnen, in einem realen Setting zu erkunden.

Voraussetzung f�r die Teilnahme am Seminar ist die Bereitschaft, eigene Texte zur Diskussion zu stellen und sich intensiv und eigenst�ndig mit fremden Texten auseinanderzusetzen und mit den Autor:innen gemeinsam an diesen zu arbeiten. Sie sollten sich zudem darauf einstellen, dass im Seminar m�glicherweise ein hohes Lesepensum an uns zugesandten studentischen Texten zu bew�ltigen sein wird.

Kolloquium: Forschungskolloquium Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft / Prof. Dr. Daniel Weidner

Das Forschungskolloquium dient der Vorbereitung und Begleitung der Masterarbeit: Die TeilnehmerInnen  entwickeln ihre thematischen Interessen, ihre Fragestellung und die  Konzeption Ihrer Arbeit und stellen das jeweils zur Diskussion. Dar�ber hinaus dient das Kolloquium zur Auseinandersetzung mit neueren Ans�tzen  der Forschung, die Auswahl richtet sich hier ebenfalls nach den Interessen der Teilnehmerinnen. Auch allgemeine Fragen zur Schreib- und Arbeitspraxis sowie zum wissenschaftlichen Selbstverst�ndnis k�nnen hier diskutiert werden – in diesem Zusammenhang k�nnen etwa auch grundlegende Texte �ber Literaturwissenschaft lesen. Und in der letzten  Sitzung lesen wir gemeinsam einen frei gew�hlten literarischen Text.

Wintersemester 2023-24

Texte – Lekt�ren – Theorien f�r Fortgeschrittene. Einf�hrung in das Masterstudium der Literaturwissenschaft / Dr. Claudia Hein

Was macht mich eigentlich zur Literaturwissenschaftlerin/zum Literaturwissenschaftler, wie lese ich, welche Fragen stelle ich, wie denke ich �ber Texte nach, wie schreibe ich �ber sie? Als beginnende Masterstudierende lohnt es, auf die Grundlagen des eigenen Arbeitens zur�ckzublicken, diese zu reflektieren, sich potentielle Unsicherheiten bewusst zu machen, sie zu l�sen und dabei die eigenen Lekt�re- und Scheibkompetenzen zu vertiefen.

Zun�chst wollen wir eine solche Selbstverst�ndigung anhand aktueller Forschungsliteratur in Angriff nehmen. Lesen werden wir J�rgen Brokoffs Studie "Literaturstreit und Bocksgesang" (2021) zum Zusammenhang von Literatur und �ffentlichkeit sowie die dort verhandelten Texte von Christa Wolf und Botho Strau�. Im Anschluss an unsere Lekt�ren werden wir die Gelegenheit nutzen und unsere Fragen mit dem Autor pers�nlich bei einem Gespr�ch im Literaturhaus diskutieren.

In einem zweiten Schritt werden wir uns mit dem/der diesj�hrigen Nobelpreistr�ger:in f�r Literatur (Bekanntgabe im Oktober) besch�ftigen und dabei auf die Nobelpreistr�ger:innen der letzten Jahre wie auf Fragen nach Auswahlkriterien, Kanonisierung, Weltliteratur etc. zu sprechen kommen. Zentrale Herausforderung wird es sein, sich in kurzer Zeit Zugang zu bis dato m�glicherweise unbekannten Autor:innen zu verschaffen und kleinere Texte zu diesen zu verfassen (Essay, Rezension, Handbuch-/Lexikonartikel).

Abschlie�end werden wir uns mit bereits von Ihnen verfassten Texten (Hausarbeiten) besch�ftigen, diese wechselseitig lesen, diskutieren und gegebenenfalls lektorieren. Hierbei wollen wir �ber Fragen der Themenfindung ins Gespr�ch kommen, �ber das Entwickeln geeigneter Fragestellungen, �ber Schreib- und �berarbeitungsstrategien, �ber potentielle Schwierigkeiten mit dem wissenschaftlichen Schreiben. Ziel ist es, das wissenschaftliche Schreiben auch gr��erer Arbeiten handhabbar zu machen und sich als Literaturwissenschaftler:in kompetent zu f�hlen.

VORBEREITUNG
Lekt�re der beiden im Zentrum von Brokoffs Studie stehenden Texte, die da w�ren:
Christa Wolf: "Was bleibt"
Botho Strauss: "Anschwellender Bocksgesang"
Informieren Sie sich zudem bitte zum deutsch-deutschen Literaturstreit.

TERMIN
Bitten planen Sie den 25. Oktober, 19 Uhr, f�r den Besuch des Gespr�chs mit J�rgen Brokoff im Literaturhaus ein: "Literatur im Widerstreit. �ffentlichkeit und literarische Intervention, damals und heute"   .

�bertragung schreiben: Epidemie und Literatur / Dr. Sergej Liamin

Die europ�ische Literatur beginnt mit einer Epidemie: die antike mit der Pest im Lager der Griechen vor Troja, in der �Ilias� von Homer, und die moderne mit der Pest in den Gassen von Florenz, im �Decamerone� von Giovanni Boccaccio. Dieses auch metaphorisch und allegorisch lesbare Szenario einer Destabilisierung und Restabilisierung der menschlichen Gemeinschaft einschlie�lich der dazugeh�rigen Massenph�nomene z�hlt zum festen thematisch-motivischen Repertoire auch der neueren Literatur, von Alexander Puschkin und Adalbert Stifter �ber Thomas Mann und Albert Camus bis Philip Roth und Juli Zeh. Das Seminar befragt eine Folge von kanonischen Texten auf ihre vermeintliche oder tats�chliche Aktualit�t vor dem Hintergrund der Ereignisse der j�ngsten Vergangenheit. Der Durchgang durch eine solche semi-identifikatorische Lekt�re der inneren und �u�eren Ausnahmezust�nde zielt jedoch auf eine zweifache poetologische Reflexion: zum einen auf die M�glichkeiten einer �infekti�sen� Schreibweise, die sowohl die Sprache wie auch den Leser affiziert, und zum anderen auf die Bedingungen einer Literatur, deren heilende Kr�fte gegen traumatische Epidemie-Erfahrungen immun machen. Die Arbeit an den Texten wird durch die Analyse von ausgew�hlten Beispielen aus Bildenden K�nsten und Film flankiert. Auf dem Programm stehen u.a.: Adalbert Stifter: �Granit� (1853); Thomas Mann: �Der Tod in Venedig� (1912); Leo Perutz: �St.-Petri-Schnee� (1938); Albert Camus: Die Pest� (1947).

Der Wille zur Ohnmacht. Nihilismus und Komik in der Literatur der Moderne / Dr. Robert Buch

�I would prefer not to�, so lautet der ber�hmte Satz von Bartleby, der Hauptfigur der gleichnamigen Erz�hlung Herman Melvilles. In ihm k�ndigt sich eine moderne Poetik an, die Nihilismus und Komik auf eigent�mliche Weise zu verbinden scheint. In Texten von Fernando Pessoa, Robert Walser, Franz Kafka und Samuel Beckett geht es um ausbleibende Ereignisse und vergebliches Warten, um die Nichtsw�rdigkeiten und Trivialit�ten des Alltags, um den Wunsch, zu verschwinden, sich klein zu machen und sich aufgeben zu d�rfen, um Verweigerung und Passivit�t. Es sind Texte, die traurig und komisch zugleich sind, zutiefst pessimistisch, ja nihilistisch einerseits, ironisch und oftmals von aberwitziger Exzentrik, ja Heiterkeit andererseits. Im Mittelpunkt des Kurses stehen, neben einigen k�rzeren Werken der genannten Autoren, drei Romane: Walsers Jakob van Gunten, Kafkas Das Schlo� und Becketts Molloy. Wir wollen fragen, wie die Texte ihre paradoxalen Effekte erzielen und wie in ihrer Rezeption mit der Spannung zwischen metaphysischem Ernst und metaphysischer Komik umgegangen worden ist. -- Voraussetzung der Teilnahme ist die Bereitschaft zur Lekt�re l�ngerer Texte, regelm��ige und aktive Mitarbeit sowie die �bernahme eines Impulsreferats und der Moderation der anschlie�enden Diskussion.

Vergangene Zuk�nfte (Blockseminar) � in Kooperation mit der Stadt Halle / Dr. Claudia Hein

"Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war." (Yogi Berra) – Unser Denken und Sprechen �ber Zukunft ist gepr�gt von einer vertrackten Zeitlichkeit. Aus Zukunftssehns�chten spricht vor allem die Gegenwart, Zukunftsprognosen ver�ndern die Zukunft, die sie voraussagen (Pr�ventionsparadox), wirklich greifbar wird die Zukunft vor allem als vergangene Imagination. Als Literaturwissenschaftler:innen sind wir Expert:innen eines solchen Imagin�ren und wollen uns im Seminar auf die Suche nach Texten und Materialien begeben, in denen greifbar wird, wie in der Vergangenheit Zuk�nfte imaginiert wurden; vielleicht l�sst sich auf diese Weise ein Verst�ndnis f�r das entwickeln, was auch gegenw�rtige Zukunftsbilder und -erz�hlungen konditioniert. Im Zentrum des Seminars wird dabei ein ganz bestimmter Ort stehen, und zwar Halle-Neustadt – ein Raum, der Zukunftsvision und Vergangenheit paradigmatisch miteinander verschr�nkt.

In intensiver eigenst�ndiger Recherche der Teilnehmenden wollen wir ein facettenreiches "Archiv der Zuk�nfte" zusammenstellen, das unter Einbezug der Stadt�ffentlichkeit in einem noch zu entwickelnden Format pr�sentiert werden soll. Geplant ist eine interaktive Veranstaltung vor Ort, bei der idealerweise weitere aktuelle oder vergangene Zukunftsperspektiven gesammelt und in unser Archiv integriert werden.

Das Seminar ist Teil einer gr��er angelegten Zusammenarbeit von Universit�t und Stadt (Transformationslabor Imaginationen der Zukunft) und versteht sich als Ein�bung in potentielle Arbeitsfelder von Geisteswissenschaftler:innen: Die Teilnehmenden werden zu Kurator:innen, Redakteur:innen, Projektmanager:innen an der Schnittstelle von Kultur, Wissenschaft und �ffentlichkeit.

TEILNAHME
Aufgrund der partizipativen Anlage des Seminars ist eine Teilnahme an allen Sitzungen entscheidend!

„Literatur der Angst“: Horror, Gothic und Weird Fiction / Leon Bertz

Die �lteste und st�rkste menschliche Gef�hlsregung ist die Angst. Das zumindest behauptete H.P. Lovecraft 1927, um seinen skeptischen Zeitgenoss:innen den zeitlos hohen Rang der �unheimlich-�bernat�rlichen Horrorerz�hlung� zu belegen. Knapp 100 Jahre sp�ter ist der Horror aus unserer medialen Unterhaltungswelt nicht mehr wegzudenken. Filme, Serien, B�cher und Videospiele sind bev�lkert von zwielichtigen Gestalten und drastischen Darstellungen. Doch woher kommt das Genre eigentlich, was hat es mit der Gotik auf sich und aus welchen literarischen Abgr�nden entstiegen einmal Vampire, Untote oder Gespenster, die heute oft zum wenig unheimlichen Klischee geworden sind? Im Seminar wollen wir anhand einer Reihe bedeutender Horrorerz�hlungen untersuchen, welche �sthetischen Programme der �Literatur der Angst�, der �bernat�rlichen Erz�hlung oder dem Schauerroman zugrunde liegen. Warum und wie wird Angst literarisch erzeugt und mit welchen erz�hlerischen Tricks arbeiten Autor:innen, wenn sie das Unheimliche darstellen? Vom Gothic Novel der Aufkl�rung �ber die schwarze Romantik bis zur modernen Weird Fiction reflektieren wir die Entwicklung des Horrors und seiner Motive, sein Verh�ltnis zur jeweiligen zeitgen�ssischen Gesellschaft, ihrem Wissen und die philosophische Faszinationskraft der �sublimen� Angst. Mit einer komparatistisch angelegten Auswahl aus europ�ischer und amerikanischer Literatur thematisieren und diskutieren wir �bergreifende Strukturen des Genres, in denen sich Grundfragen menschlicher Existenz und Erkenntnis spiegeln. Nicht zuf�llig sto�en wir dabei auch auf rassistische und sexistische Tendenzen der westlichen Horrorerz�hlung, die mit der �Angst vor dem Unbekannten� gerne aus eurozentrischer Sicht �exotisch� gelesene Orte und Figuren zu Schaupl�tzen und Protagonisten bestimmt. Die Bereitschaft zu intensiver Lekt�re und Diskussion wird vorausgesetzt.

Weisheitsliteratur. Exploration eines Genres I (Antike) / Dr. Na Sch�dlich

Im Seminar lesen wir Literatur, die �Weisheit vermittelt�, aus der griechischen, der judeo-christlichen und der chinesischen Antike und wollen auch �ber sie reden. Das gesamte Programm steht notwendig im Zeichen einer Exploration, denn sogleich am Ausgangspunkt begegnen wir, beispielsweise, der Frage, was das deutsche Wort �Weisheit� denn bezeichnen und was unter das Genre der antiken �Weisheitsliteratur� fallen kann. Auf den ersten Blick w�rde man meinen � so ist man schon auf einer Erkundungsreise �, dass das Wort �Weisheit� der griechischen φιλοσοφία, der lateinischen sapientia (das dem einschl�gigen biblischen Korpus gilt) und dem chinesischen zhe-xue eine Entsprechung biete. Handelt es sich so um eine ��bersetzung� zwischen dem Deutschen und anderen Sprachen, so w�re es jedoch �weise�, auch dies zu �wissen�: Die drei fremdsprachigen W�rter entstanden selbst zu sehr unterschiedlichen Zeiten, doch ein komplexer �bersetzungszusammenhang hat versucht, die zeitliche Distanz zu �berwinden und zugleich � historistisch � die sog. kulturelle Individualit�t zu bewahren. Zhe-xue ist z.B. ein erst um 1900 erfundener Begriff, und zwar nach dem Vorbild des europ�ischen, �modernen� Diskurses �ber die �antike� Weisheitsliteratur, der wiederum in der Epoche der Aufkl�rung entstand.

Das obige Beispiel soll vorerst blo� darauf hinweisen, auf welchem Boden von Fragen und Problemen stehend wir uns den Texten zuwenden. Ein Reader, bestehend aus Ausz�gen aus �Shang-shu� (der �ltesten �berlieferung im chinesischen Kanon), Platons Dialogen und der Heiligen Schrift, wird zur Verf�gung gestellt. Die chinesischen Texte lesen wir in englischer �bersetzung.

Vier zusammenh�ngende Sitzungen sind eigens geplant zu der Problematik, was eine Rede �ber �Weisheit� und �Weisheitsliteratur� in anderen Kulturen als der, in der wir heute leben, voraussetzt. Sie finden montagabends am IZEA (Interdisziplin�ren Zentrum f�r die Erforschung der Europ�ischen Aufkl�rung) statt (s. oben die Termine).

Voraussetzung f�r den Erwerb der Scheine ist ein kleiner Essay auf der Grundlage der IZEA-Sitzungen.

Faszination des B�sen / PD Dr. Peter Waldmann

Forschungskolloquium Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft / Dr. Robert Buch

Das Forschungskolloquium dient der Vorbereitung und Begleitung der Masterarbeit: Die TeilnehmerInnen entwickeln ihre thematischen Interessen, ihre Fragestellung und die Konzeption ihrer Arbeit und stellen das jeweils zur Diskussion. Dar�ber hinaus dient das Kolloquium zur Auseinandersetzung mit neueren Ans�tzen der Forschung. Auch allgemeine Fragen zur Schreib- und Arbeitspraxis sowie zum wissenschaftlichen Selbstverst�ndnis k�nnen hier diskutiert werden – in diesem Zusammenhang k�nnen etwa auch grundlegende Texte �ber Literaturwissenschaft gelesen werden.
Was aktuelle Forschungsans�tze betrifft, so werden wir uns gleich zu Anfang des Semesters mit zwei Texten besch�ftigen, die zu ihrer Zeit erhitzte Debatten ausgel�st haben: Christa Wolfs Erz�hlung "Was bleibt" und Botho Strau�' Essay "Anschwellender Bockgesang". Am 25. Oktober findet im Literaturhaus Halle eine Veranstaltung mit Prof. Dr. J�rgen Brokoff von der FU Berlin statt: "Literatur im Widerstreit. �ffentlichkeit und literarische Intervention, damals und heute"   . Dort werden wir mit Herrn Brokoff sein Buch �ber Literaturdebatten diskutieren, in dessen Mittelpunkt die beiden erw�hnten Texte stehen. -- Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Forschungskolloquiums sollten diesen Termin fr�hzeitig in ihr Semester einplanen.

Sommersemester 2023

Vorlesung: Mythos und Weltliteratur / Prof. Dr. Daniel Weidner

Bis in die Gegenwart erz�hlen literarische Texte immer wieder Mythen nach und neu: Geschichten von G�ttern und Helden, von Anf�ngen und Katastrophen, Gr�ndungen und Trickstern, die aus der klassischen griechisch-r�mischen G�tterwelt, aber auch aus den Geschichten anderer Kulturen stammen. Gerade die heute viel gelesene Fantasy- und Science-Fiction-Literatur ahmt oft ganz bewusst Mythen nach. Mythen sind dabei auch selbst h�chst aufschlussreich, um Literatur zu verstehen: Man sieht an ihnen, warum Menschen erz�hlen und Geschichten erfinden und wie man solche Geschichten beschreiben kann. Und am Mythos und seinem Verh�ltnis zu L�ge und Wahrheit ist immer schon verhandelt worden, was eigentlich das Spezifische von Literatur ausmacht. Mythen sind daher nicht nur Stoff f�r die Weltliteratur, sondern selbst weltliterarisch: Sie zirkulieren oft zwischen verschiedenen Kulturen und artikulieren deren Probleme – wer geh�rt dazu, wer nicht, wie sind die fundamentalen Unterscheidungen? was ‚glaubt‘ eine Gesellschaft und wie kann man dar�ber reden? – und das gilt auch und gerade f�r die modernen Mythen. Die Vorlesung gibt eine �bersicht �ber verschiedene Mythen aus Vergangenheit und Gegenwart, diskutiert exemplarisch deren Rezeptionsgeschichte und die verschiedenen Formen ihrer literarischen Verarbeitung und f�hrt in verschiedene (anthropologische, religionshistorische, literaturwissenschaftliche) Theorien des Mythos ein.

Zur Vorbereitung: Mythen lesen!

Robert A. Segal: Mythos. Eine kleine Einf�hrung. Reclam 2007 (antiquarisch).

Wilfried Barner u.a. (Hg.): Texte zur modernen Mythentheorie, Reclam 2003.

Literaturtheorie und Kulturtheorie. Walter Benjamin und Roland Barthes / Prof. Dr. Daniel Weidner

Walter Benjamin und Roland Barthes geh�ren nicht nur zu den einflussreichsten Literaturtheoretikern des 20. Jahrhunderts, sie haben auch aus der Literaturwissenschaft heraus weitreichende Analysen der Gegenwart entwerfen k�nnen: sei es als Flaneur in der modernen Gro�stadt, sei es als Analytiker moderner Mythen. Sie er�ffnen Einblicke in zwei zentrale Theoriezusammenh�nge des 20. Jahrhunderts: die kritische Theorie und den (Post)Strukturalismus, wo ihre pointierten Reflexionen und Bemerkungen oft ganze Lehrb�cher ersetzen k�nnen. An der Besch�ftigung mit Benjamin und Barthes kann man lernen, wie man (mit) Literatur denken kann, welche eigene und spezifische Erkenntnisweise die Literaturwissenschaft hat und welche Schreibweisen und Stile das er�ffnet. Das Seminar versteht sich  als Einf�hrung in und als �berblick �ber das Werk dieser beiden Theoretiker, als Er�ffnung eines Zugangs zur ‚gro�en‘ Theorie des 20. Jahrhunderts und als Ausblick auf weitere Entwicklungen. Wir lesen und diskutieren ausgew�hlte Texte der beiden Theoretiker und diskutieren, was man mit solchen Theorien machen kann. TeilnehmerInnen sollten sich in einzelnen Sitzungen engagiert einbringen (Impulsreferat, Moderation) und verschiedene Formen des eigenen theoretischen Schreibens erproben (Kurzkritik, Denkbild, Expose, Strukturale Analyse). Bei der Schwerpunktsetzung werden Interessen der TeilnehmerInnen gerne ber�cksichtigt.

Bitte schaffen Sie an: Walter Benjamin: Illuminationen. Ausgew�hlte Schriften 1 (enth�lt fast alle hier behandelten Texte), Suhrkamp 2001. Die Texte von Roland Barthes sind verstreut publiziert und werden z.T. als pdf zur Verf�gung gestellt, zur Anschaffung empfohlen: Roland Barthes: Mythen des Alltags, Suhrkamp 2012, ders.: Die helle Kammer, Suhrkamp 1989.

Kontrafakturen � postkoloniale, feministische und queere Umschriften von Robinson Crusoe / Dr. Claudia Hein

Daniel Defoes 1719 ver�ffentlichter Roman Robinson Crusoe ist mit ca. 1,2 Milliarden gedruckten Exemplaren eines der meistpublizierten B�cher weltweit und vielleicht (neben Bibel und Koran) sogar das meist gelesene. Hier beginnt der moderne europ�ische Roman als die erfolgreichste Gattung literarischen Schreibens bis heute. F�r Jean-Jacques Rousseau ist das Buch �die beste Abhandlung �ber die nat�rliche Erziehung� und Samuel Taylor Coleridge erkennt in Robinson �a representative of humanity in general�.

Zugleich ist Defoes Roman zutiefst gepr�gt vom kolonialen Selbstverst�ndnis der Zeit. Robinson ist Plantagenbesitzer und Sklavenh�ndler; gestrandet auf einer einsamen Insel, auf der sich alles �ndert, wird er dennoch mit gr��ter Selbstverst�ndlichkeit zum Herrn seines einzigen, von ihm nach einem Wochentag benannten Gef�hrten. Frauen sind auf der Insel notorisch abwesend, die geradezu gen�sslichen Beschreibungen der � nat�rlich �kannibalischen Wilden umgekehrt allpr�sent.

Was tun mit diesem Buch � einem der zentralen Texte der Weltliteratur, Geburtsstunde des realistischen Romans, der doch untrennbar verbunden ist mit demjenigen kolonialen Denken und Handeln, das als schwere Hypothek bis heute auf unserm Weltgef�ge lastet?

Wir wollen ihn zun�chst einmal wirklich lesen, verstehen, einordnen. Sodann werden wir uns damit besch�ftigen, wie in der Literatur mit diesem Text umgegangen wurde, welche Widerst�nde sich herauskristallisieren, wie gegen den Roman angeschrieben, wie er neu- und umgeschrieben wurde. Konzentrieren wollen wir uns dabei auf Kontrafakturen des 20. Jahrhunderts mit postkolonialem (J.M. Coetzees, Foe [1986]), feministischem (Marianne Wiggins John Dollar [1989]) sowie queerem Fokus (Michel Tourniers Vendredi ou la vie sauvage [1971]; dt. Freitag oder das Leben in der Wildnis).

In der Auseinandersetzung mit diesen Umschriften bewegen wir uns hinein in die Trias von race-class-gender, die es auch theoretisch zu unterf�ttern gilt; dabei werden wir uns mit Fragen der Kanonisierung, der Intertextualit�t und mit den in der postkolonialen Theorie zentralen Konzepten des Rewriting oder Writing Back besch�ftigen.

Krieg erz�hlen. Komparatistische Perspektiven auf Literatur �ber Russlands Krieg gegen die Ukraine / Dr. Jana Mende

Nachdem am 24. Februar 2022 der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begann, begannen auch Erklärungsversuche und Positionierungen in Politik, Kultur und Gesellschaft zum Krieg. Innerhalb kurzer Zeit erschienen in Deutschland offene Briefe für und wider Waffenlieferungen an die Ukraine, die auch von namhaften Autoren und Autorinnen wie Juli Zeh, Martin Walser und Emine Sevgi Özdamar auf der einen Seite, Herta Müller, Maxim Biller oder Wladimir Kaminer auf der anderen Seite unterschrieben und unterstützt wurden.

Es folgten literarische Werke in verschiedenen Sprachen, die sich mit dem Krieg auseinandersetzten: Dabei dominieren Tagebücher, Gedichte, Essays, Facebook-Posts die Möglichkeit des literarischen Schreibens im Krieg ist begrenzt.

Wir werden uns im Seminar mit unterschiedlichen (literarischen) Textsorten beschäftigen, die den Krieg dokumentieren wie Yevgenia Belorusets� Tagebücher � darüber reflektieren Gedichte z.B. von Ilma Rakusa informieren, appellieren und verurteilen wie die Facebook-Posts von Serhij Zhadan oder Hintergründe erklären wie die Essays von Oksana Sabuschko.

Texte aus der ukrainischen, polnischen, deutschen, französischen Literatur konstruieren jeweils unterschiedliche Narrative, die bestimmte Lesarten des Kriegs ermöglichen oder verunmöglichen. Im Seminar beschäftigen wir uns mit diesen Narrativen, wie sie literarisch konstruiert werden, wie sie sich unterscheiden lassen und weiterentwickelt werden.

Alle fremdsprachigen Texte können auch in Übersetzung gelesen werden, Kenntnisse des Englischen sind von Vorteil, Ukrainischkenntnisse sind gerne gesehen.

Literatur und Zeitgeschehen im 19. Jahrhundert. Texte, Medien, Netzwerke / Dr. Kevin Drews

Journalismus, so formulierte es Robert Prutz 1845, sei wie ein Tagebuch, in dem die Gegenwart ein Selbstgespr�ch f�hrt und �ihre laufende Geschichte in unmittelbaren, augenblicklichen Notizen eintr�gt.� Mit dem Zeitschriftsteller tritt im 19. Jahrhundert ein neuer Autorentypus auf, der dieses �ffentliche Gespr�ch forciert. Schriftsteller wie Heinrich Heine oder Ludwig B�rne widmen einen Gro�teil ihrer Zeit der Produktion journalistischer Texte, wobei die Grenzen zwischen literarischer und politischer Publizistik flie�end sind. Dabei beanspruchen sie, Repr�sentanten einer neuen literarischen Epoche in Abgrenzung von Klassik und Romantik zu sein, was bis heute in literaturgeschichtlichen Epochenkonstruktionen nachwirkt.

Das Seminar bietet einen �berblick �ber verschiedene gegenwartsbezogene Schreibweisen und fragt: Welche Schreibverfahren wenden die Autoren f�r ihre kritischen Gegenwartsdiagnosen an? Welches Zeitbewusstsein artikulieren sie dabei? Wie beschreiben sie die stark beschleunigten Modernisierungsprozesse, die im 19. Jahrhundert alle Lebensbereiche betreffen? Wie positionieren sie sich zu ereignisgeschichtlichen Z�suren wie Revolutionen oder Kriegen, zum industriellen Strukturwandel, zur Arbeiter- und Frauenbewegung? Im Mittelpunkt des Seminars stehen kleine, oft seriell verfahrende Textformen, die in Episoden von der Gegenwart erz�hlen und sie deuten, wie der Brief, das Reisetagebuch, der Zeitungsartikel, die Theaterrezension, das essayistische Zeitbild oder der Feuilletonroman.

In der ersten H�lfte des Seminars besch�ftigen wir uns mit Autoren des �Vorm�rz� (H. Heine, L. B�rne, C.D. Grabbe). In der zweiten H�lfte widmen wir uns Texten aus exemplarischen Zeitschriften im Umfeld des b�rgerlichen Realismus (Die Grenzboten, Die Gartenlaube). Das Seminar setzt die Bereitschaft zur engagierten Lekt�re unterschiedlicher literarischer Texte voraus. F�r die einzelnen Sitzungen werden Expertengruppen gebildet, die sich vertiefend mit dem jeweiligen Thema auseinandersetzen und die Sitzungen moderieren.

Lekt�re zur Vorbereitung: J�rgen Habermas: Zeitgenosse Heine. Endlich ist er �unser� � aber was sagt er uns noch? [Dankrede anl�sslich der Verleihung des Heinrich-Heine-Preises der Stadt D�sseldorf 2012, siehe Stud.IP]

Figuren der Wanderung in der europ�ischen Literatur. Streifz�ge von Homer bis in die Moderne / Dr. Na Sch�dlich

Als Kant, Philosoph der �Kritik der reinen Vernunft� (1781), �ber die Unterscheidung zwischen Phenomena und Noumena lehrte, begann er mit einer Allegorie, welche f�r das moderne poetische und philosophische Schreiben nach ihm ein geradezu klassisches Motivbild werden sollte: �Wir haben jetzt das Land des reinen Verstandes nicht allein durchreiset [...] Dieses Land aber ist eine Insel, und durch die Natur selbst in unver�nderliche Grenzen eingeschlossen. Es ist das Land der Wahrheit (ein reizender Name), umgeben von einem weiten und st�rmischen Ozeane, dem eigentlichen Sitze des Scheins, wo manche Nebelbank, und manches bald wegschmelzende Eis neue L�nder l�gt, und indem es den auf Entdeckungen herumschw�rmenden Seefahrer unaufh�rlich mit leeren Hoffnungen t�uscht, ihn in Abendteuer verflechtet, von denen er niemals ablassen, und sie doch auch niemals zu Ende bringen kann.� F�r Kants Zeitgenossen war das Bild der suchenden Seefahrt, auch ohne an Kolumbus denken zu m�ssen, bereits ziemlich bekannt: Es entstammt einer gro�en literarischen Tradition, an deren Anfang die Argonautensage der antiken Griechen und Homers �Odyssee� stehen.
Figuren der Wanderung pr�gen die Darstellungs- und Vermittlungssprachen der europ�ischen religi�sen, poetischen und philosophischen Literatur. Sei es auf Land-, Wasser- oder Luftwegen, himmelw�rts oder abgrundw�rts, allein oder in einer Gesellschaft: Immer wieder scheint es, dass im Gehen und Bewegen das Subjekt erst denkt, spricht, lebt und ein Geschehnis erst zum Ereignis wird. Die Beliebtheit oder aber auch die Konventionalit�t dieser Denkfigur(en) des Wanderns ist allerdings nicht ganz selbstverst�ndlich. Ein komparatistischer Blick w�rde sie z.B. in der traditionellen chinesischen Literatur nicht wiederfinden.
In diesem Sinn will das Seminar Figuren der Wanderung in ausgew�hlten Texten als eben K�NSTLICHES Mittel der Darstellung und Vermittlung, der Rhetorik und der Dialektik, ins Auge fassen. Ein Reader, bestehend aus Ausz�gen von Homer, Dante, der Bibel, Rousseau, Nietzsche, Goethe, Rilke, Celan etc., wird bereitgestellt. Lesearbeit und aktive Reflexion der Lekt�ren von Seiten der TeilnehmerInnen sind gefragt, denn diese Auseinandersetzung mit der figurativen Sprache soll auch als ein Selbst-Hilfsmittel f�r das literaturwissenschaftliche Studium im Allgemeinen erschlossen werden.

Theorien der Lyrik / Dr. Robert Buch

Der heutige Status der Lyrik ist zwiesp�ltig. Ihr Anteil an der j�hrlichen literarischen Produktion ist geringf�gig; die Zahl derjenigen, die sich f�r sie interessieren, �berschaubar. Zwar vermag sie zuweilen immer noch Skandale auszul�sen, wie die Kontroverse um die Verleihung des Peter-Huchel-Preises an Judith Zander im Februar dieses Jahres bezeugt, aber ihre randst�ndige Position im literarischen System wird kaum jemand bestreiten. Zugleich bildet sie erstaunlicherweise die Textsorte, die wie keine andere auch von Nicht-Profis praktiziert wird. Mit anderen Worten so marginal Dichtkunst gesellschaftlich ist, so weit verbreitet bleibt sie als Praxis, auch wenn dies eine Praxis ist, die weitgehend unterhalb der �ffentlichen Aufmerksamkeit verbleibt.

Auf ein andere Art des Nach- und Fortlebens der Lyrik, als Praxis, hat vor wenigen Jahren die Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan aufmerksam gemacht. Ob in Rhythm and Blues, Hip Hop oder Rock, hier begegnet uns ein lyrisches Sprechen von ungleich gr��erer Reichweite und Resonanz als jegliche andere Literaturgattung der Gegenwart. Ein anderes Indiz daf�r: seit geraumer Zeit gibt es im Feuilleton der Frankfurter Allgemeine Zeitung neben ihrer renommierten, der Lyrik gewidmeten Rubrik ›Frankfurter Anthologie‹ eine ›Pop Anthologie‹, die Kommentare und Interpretationen von Pop Songs bietet.

Lyrik ist uns aus unterschiedlichen Kontexten vertraut und sie bleibt uns doch oft fremd. Ihr Potential, uns anzusprechen und zu ber�hren, und ihre vermeintliche Unzug�nglichkeit und Verschlossenheit scheinen Hand in Hand zu gehen. Der Kurs n�hert sich der mehrfachen Ambivalenz der Lyrik nicht �ber einzelne Gedichte oder bestimmte Autoren, sondern �ber eine Reihe theoretischer Auseinandersetzungen und exemplarischer Lekt�ren, die uns dazu anregen, �ber die Voraussetzungen und Eigenart von Lyrik, ihre Mittel und ihren Zweck nachzudenken. Die Ans�tze, denen wir uns daf�r zuwenden, reichen von philosophischen Ann�herungen wie Adornos kritischer Bestandsaufnahme in seiner �Rede �ber Lyrik und Gesellschaft� oder Gadamers hermeneutischen Reflexionen �ber das Verh�ltnis von �Gedicht und Gespr�ch� �ber einschl�gige �ltere literaturwissenschaftliche Beitr�ge wie K�te Hamburgers �Logik der Dichtung� oder Hugo Friedrichs �Die Struktur der modernen Lyrik� bis hin zu vergleichsweise neueren theoretischen Arbeiten wie Julia Krist�vas (post-)strukturalistische �Revolution der poetischen Sprache� oder Marjorie Perloffs Engf�hrung von moderner Lyrik und Wittgensteins Sprachphilosophie.

Voraussetzung f�r die Teilnahme ist neben Interesse an Lyrik, die Bereitschaft, sich auf theoretische Texte einzulassen, sowie keine Scheu davor, auch englischsprachige Forschungsliteratur zu lesen.

Lekt�reempfehlungen:

Heinz Schlaffer, Geistersprache. Zweck und Mittel der Lyrik, Reclam, 2015.

Jonathan Culler, Theory of the Lyric. Cambridge, Harvard UP, 2015.

Essays der Aufkl�rung: Hume, Diderot, Herder / Prof. Dr. Daniel Weidner

Die Aufkl�rung ist ein essayistisches Unternehmen.  Sie versucht, die Philosophie in die Welt zu bringen und eine neue Form von �ffentlichkeit zu produzieren, indem sie die Diskurse vermischt – die Philosophie und Gelehrsamkeit mit der Historie, die Kunstkritik mit der Theorie, den Dialog mit der Abhandlung. Die AutorInnen der Aufkl�rung gehen experimentell vor, arbeiten an den Grenzen etablierter Forschungsfelder und inszenieren sich zugleich auch selbst: entwerfen Schreibszenen, bringen ihr subjektives Urteil ein und nutzen die Rhetoriken des self-fashioning, um die eigene Autorit�t zu behaupten und neue kommunikative Verbindungen herzustellen. Dabei verl�uft die Grenze von Literatur, Philosophie, Wissenschaft, Publizistik anders als wir das �blicherweise erwarten – schon das ist essentiell f�r das Verst�ndnis der Epoche –; auch Kritik, ein Grundgesch�ft der Aufkl�rung, hat immer auch den Charakter der Probe, des Experiments – eben des Essays. Das Seminar f�hrt an drei Autoren – Hume, Diderot und Herder – in das essayistische Schreiben der Aufkl�rung ein und wirft auch einen Blick in die historischen Kontexte (Montaigne, Bacon, Moral weeklies) und theoretischen Bestimmungen (Adorno, Parr u.a.) essayistischen Schreibens, weitere Themen sind je nach Interesse m�glich

Bitte anschaffen: David Hume: Selected Essays. Oxford World Classics, 2008. Denis Diderot: Erz�hlungen und Gespr�che. Aus dem Franz�sischen �bertragen von Katharina Scheinfu�. Mit einer Einf�hrung von Victor Klemperer (div. Ausgaben, antiquarisch). Herder m�ssen wir verstreut aus Pdfs lesen. Zur Einf�hrung: Christian Sch�rf: Geschichte des Essays - Von Montaigne bis Adorno, Vandenhoeck & Ruprecht, 1999.

Schwache M�nner? Fiktionen des Niedergangs im Gegenwartsroman / Neela Janssen

�Ich  bin schon als Schw�chling auf die Welt gekommen und meine Privilegien  haben mich nur noch weiter geschw�cht�, stellt der Erz�hler in Simon  Strauߒ 2017 erschienenem Text Sieben N�chte fest und ruft damit  ein Motiv auf, das sich in der aktuellen Gegenwartsliteratur gro�er  Resonanz erfreut: das Bild des schw�chelnden Mannes. Positioniert  inmitten einer von Individualismus und Dekadenz gepr�gten westlichen  Gesellschaft scheint der Mann all seine vitalen Kr�fte verloren zu  haben. Dieser Imagination wollen wir im Seminar folgen: Wie wird in  gegenw�rtigen Fiktionen eine Geschichte des Niedergangs erz�hlt? Welche  Rolle spielen dabei die m�nnlichen Figuren? Und wie kn�pfen diese  Narrative an Dekadenz-Diskurse des 19. und 20. Jahrhunderts, aber eben  durchaus auch an neurechte Klagen des Verfalls an?

Wir werden daf�r im Verlauf des Seminars drei Texte intensiv besprechen: Michel Houellebecqs Unterwerfung (2015), Simon Strauߒ Sieben N�chte (2017) und Monika Marons Artur Lanz (2020). Anhand dieser drei Lekt�ren (erg�nzt durch Sekund�rliteratur  und Texte zur Rezeption) machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach  Erz�hlungen von (schwacher) M�nnlichkeit in der Gegenwart und befragen  diese Erz�hlungen auf ihre Vorannahmen, Implikationen und L�cken. Die  gr�ndliche Lekt�re der Romane sowie der Sekund�rtexte wird  vorausgesetzt, ebenso wie die Bereitschaft, sich aktiv an den  Seminardiskussionen zu beteiligen.

Literary Landscapes / Dr. Jana Mende

Literary Landscaping � die Entdeckung und Vermessung von Literatur im Raum einer Landschaft oder Stadt - verbindet verschiedene Sichtweisen auf Literatur in der �ffentlichkeit: Es verzeichnet reale und fiktive Orte der Literatur, bildet Textr�ume und geographische R�ume aufeinander ab, beschreibt wie Menschen diese R�ume benutzen und sich diese erz�hlen lassen. Das hilft uns, Texte besser zu verstehen und zu vermitteln � etwa im Literaturtourismus, wo literarische Schaupl�tze zu beliebten Reisezielen werden und Leser*innen dann in die Welt �ihrer� Autor*innen eintauchen � ob am Gleis 9 � in London, in Kafkas Prag oder auf den Spuren des �dritten Manns� durch die Stadt Wien. Immer geht es darum, in den �ffentlichen Raum hineinzugehen und Literatur mit der allt�glichen Lebenswelt zu verkn�pfen. Ein � allerdings sehr fortgeschrittenes Beispiel � findet man hier: Europ�ischer Literaturatlas: https://www.literaturatlas.ethz.ch/   

Wir wollen in dem Seminar praktisch und kreativ mit solchen in der Literaturwissenschaft ungewohnten Verfahren ein Projekt zur Literaturlandschaft in Halle erarbeiten. Im Format des Design-Sprints entwirft das Seminar-Team das Konzept und eine erste Realisierung eines solchen Projektes � sei es eine Karte, ein literarischer Wegweiser, eine App, ein Stadtspaziergang � Was genau daraus entsteht, wie es aussieht und funktioniert, wird gemeinsam im Team entwickelt, das Produkt werden wir gemeinsam testen und vorstellen.

Das Seminar ist ausschlie�lich f�r Masterstudierende bestimmt. Aufgrund der besonderen Anlage des Projektseminars ist es notwendig, an allen Terminen des Blockseminars (siehe oben) teilzunehmen.

Nachfragen bitte an

Das Irrationale in der Romantik / Dr. des. Marcel Matthies

Die Romantik entdeckt das Irrationale. Doch was ist eigentlich das Irrationale? Wie wird dar�ber erz�hlt? Wie sehr wird die menschliche Natur von irrationalen Kr�ften beherrscht? Woraus speist sich die Faszinationskraft des Irrationalen? Durch welche Themenfelder wird die Nachtseite der Vernunft in den literarischen Texten inszeniert? In welchem Verh�ltnis steht das Irrationale zum Herrschaftsanspruch der vernunftgeleiteten Aufkl�rung? Und wie l�sst sich etwa die f�r diese Literatur typische Hinwendung zu einem magisch-d�monischen Weltbild einordnen?
Nach 1945 war die deutsche Romantik zun�chst weitgehend diskreditiert: Laut Thomas Mann ist sie durch ihre Hingabe an das Irrationale und die Vergangenheit ihrem innersten Wesen nach Verf�hrung zum Tode. Der deutsche Romantizismus sei in hysterische Barbarei ausgebrochen und habe in der nationalen Katastrophe sein schauerliches Ende gefunden. Auch andere Intellektuelle zogen in der Nachkriegszeit eine Verbindungslinie zwischen der deutschen Romantik und dem Nationalsozialismus. In der ersten Sitzung am 12.04. werden wir auf der Grundlage des 21. Kapitels aus Victor Klemperers LTI dar�ber diskutieren. Weiterhin werden wir Texte von Achim von Arnim, Clemens Brentano, Adelbert von Chamisso, Annette von Droste-H�lshoff, Joseph von Eichendorff, Friedrich de la Motte Fouqu�, Wilhelm Hauff, E.T.A. Hoffmann, Mary Shelley, Ludwig Tieck, Horace Walpole und den Br�dern Grimm lesen.

Werkstatt Zeitschriftenredaktion / Dr. Claudia Hein

Im Seminar wollen wir gemeinsam ein Heft einer wissenschaftlichen Zeitschrift zusammenstellen und zu Publikationsreife bringen. Die Teilnehmenden sollen Einblicke in die Werkstatt einer Zeitschriftenredaktion bekommen und dabei selbst als Redakteur:innen und Autor:innen t�tig werden.

Arbeitsgrundlage sind von Studierenden im universit�ren Kontext verfasste Texte, also etwa Hausarbeiten oder Essays, vielleicht Rezensionen. F�r unsere Zeitschrift werden wir Beitr�ge akquirieren, in gemeinsamen Redaktionssitzungen besprechen und die Texte ausw�hlen, die f�r eine Publikation in Frage kommen; Kritikpunkte und �berarbeitungsw�nsche gilt es den Autor:innen gewinnbringend zu kommunizieren; nach der �berarbeitung geht es um ein inhaltliches und stilistisches Lektorat der Beitr�ge; danach folgt die professionelle Fahnenkorrektur.

Die leitende Frage des Seminars ist die nach der �Gemachtheit� wissenschaftlicher Texte. Gute und �berzeugende Texte fallen in den seltensten F�llen vom Himmel, sie sind meist Ergebnis konzentrierter Arbeit mit und an Geschriebenem. Aber was macht einen Aufsatz zu einem guten wissenschaftlichen Text? Wie lassen sich Fragestellungen und Argumentationen sch�rfen? Und wie kann man Erarbeitetes klar, verst�ndlich und gut lesbar vermitteln? Mit diesen Fragen wollen wir uns anhand schon geschriebener Text auseinandersetzen und diejenigen Werkzeuge kennenlernen und ein�ben, die f�r die eigene Textproduktion ebenso entscheidend sind wie f�r eine sp�tere potentielle T�tigkeit in den geisteswissenschaftlichen Berufsfeldern von Textredaktion oder Lektorat.

Alfred D�blin: Berlin Alexanderplatz / Dr. Robert Buch

D�blins Berlin Alexanderplatz (1929) ist viele verschiedene Dinge auf einmal. Ein modernes Epos und ein Gro�stadtroman; ein Buch, das Massenmedien und Massenkultur in sich aufgenommen hat; ein virtuoses Spiel mit mythologischen Narrativen und Figuren; eine Art medizinisch-psychiatrische Fallstudie. Die Vielfalt des Werks spiegelt sich auch in den vielen verschiedenen Diskursen und Sprachregistern, die im Roman zum Einsatz kommen. Wir h�ren die Stimmen der Wissenschaft, der Justiz und Verwaltung, von Politik und Kommerz, der Reklame, des Kinos und der Schlagermusik; wir h�ren das Berlinerisch der Proletarier und Kleinb�rger, das Argot des Nachtlebens und des kriminellen Milieus, in das Franz Biberkopf, die Hauptfigur, hineinger�t, und schlie�lich sind da die traumatisierten Stimmen des Ersten Weltkriegs, die in Franz’ Kopf herumgeistern.

Berlin Alexanderplatz ist von epischer Breite und sein Ehrgeiz besteht in nichts weniger, als ein literarisches Panorama der Gro�tstadt vor uns auszubreiten. Aber einem solch vermeintlichen Anspruch auf Totalit�t und Ganzheit steht die polyphone und kaleidoskopische Struktur des Werks entgegen, die die besondere Faktur des Romans ausmacht und ma�geblich zu seiner Wirksamkeit beitr�gt. Das Werk gilt als ›Klassiker‹ der Moderne, partizipiert aber wie sein Autor gleich an mehreren �sthetischen Programmen. D�blin stand urspr�nglich dem Naturalismus nah; er trug wesentlich zur Verbreitung des italienischen Futurismus in Deutschland bei; seine Arbeit wurde dem literarischen Expressionismus und dem Dadaismus zugeordnet, er selbst bekannte sich zu einem Schreiben im Zeichen der Neuen Sachlichkeit, zwischen Dokumentation und Fiktion. Zudem wurde Berlin Alexanderplatz insbesondere in die N�he von James Joyce’ Ulysses, aber auch von John Dos Passos’ Manhattan Transfer ger�ckt.

Im Mittelpunkt des Kurses steht die Lekt�re des Romans. Wir lesen au�erdem einschl�gige poetologische Beitr�ge D�blins sowie eine Reihe literaturwissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit dem Roman.

Berlin Alexanderplatz wurde mittlerweile dreimal als Film adaptiert. Das erste Mal schon 1931, dann 1980 als Fernsehserie von Rainer Werner Fassbinder und zuletzt 2020 von Burhan Qurbani, einem deutschen Regisseur afghanischer Herkunft, der das Geschehen in die Gegenwart versetzt und den Part von Franz Biberkopf von einem afrikanischen Fl�chtling, Francis, �bernehmen l�sst. Je nach Interesse und verf�gbarer Zeit werden wir uns auch mit diesem filmischen ›Nachleben‹ des Romans besch�ftigen.

Auschwitz als Tatort und Erinnerungsort im Spiegel der Literatur / Dr. des. Marcel Matthies

Die Vergangenheit ver�ndert sich fortlaufend. Was das hei�t, wird am Wandel im Umgang mit der Erinnerung an Auschwitz deutlich. In der Veranstaltung wollen wir vor allem literarische Texte �ber Besuche des Museums Auschwitz-Birkenau zum Gegenstand der Untersuchungen machen, um an individuellen Auseinandersetzungen mit dem Extrem-Ereignis die Grenzen des Verstehens auszuloten. Wir werden dabei auch auf verschieden ausgerichtete Horizonte historischen Bewusstseins sto�en und an ihnen zu erschlie�en versuchen, inwiefern die individuelle Wahrnehmung des Erinnerungsortes durch offizielles und �ffentliches Erinnern beeinflusst wird. Um die Diskrepanz zwischen Tatort und Erinnerungsort besser nachvollziehen zu k�nnen, werden wir auch wenige, von Augenzeugen geschriebene Texte �ber das Geschehen am Tatort lesen.
Wie wird im Text der Ausstellungscharakter des Erinnerungsortes reflektiert? Inwiefern thematisiert der Text das Verh�ltnis zwischen Authentizit�tsanspruch und Musealisierung? Welche Folgen hat die Musealisierung von Auschwitz-Birkenau? L�sst sich der Anspruch �berhaupt erf�llen, die Monstrosit�t des Verbrechens nachtr�glich durch den Besuch des Erinnerungsortes zu dokumentieren? Was sagt uns der Aussagegehalt des jeweiligen Texts �ber millionenfaches Morden, das sich trotz des zunehmenden zeitlichen Abstands wohl kaum fassen, geschweige denn bew�ltigen l�sst? Wie werden Reisen an den Erinnerungsort �sthetisch inszeniert? Womit konfrontiert uns die jeweilige literarische Darstellung des Erinnerungsortes? Wie h�ngen Erz�hlen, Geschichtsbewusstsein und Sinnkonstruktion zusammen? Wird das historische Geschehen im Text sinngebend gedeutet? Wie l�sst sich �berhaupt �ber das Nicht-Erz�hlbare erz�hlen? Diesen Fragen wollen wir an Texten von G�nther Anders, Maxim Biller, Peter Edel, Erich Fried, Iris Hanika, Stephan Hermlin, Ruth Kl�ger, Hans Mayer, Primo Levi, Tadeusz R�żewicz, Rolf Schneider, Peter Weiss und anderen nachgehen.

Forschungskolloquium Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft / Prof. Dr. Daniel Weidner

Das Forschungskolloquium dient der Vorbereitung und Begleitung der Masterarbeit: Die TeilnehmerInnen entwickeln ihre thematischen Interessen, ihre Fragestellung und die Konzeption Ihrer Arbeit und stellen das jeweils zur Diskussion. Dar�ber hinaus dient das Kolloquium zur Auseinandersetzung mit neueren Ans�tzen der Forschung, die Auswahl richtet sich hier ebenfalls nach den Interessen der Teilnehmerinnen. Auch allgemeine Fragen zur Schreib- und Arbeitspraxis sowie zum wissenschaftlichen Selbstverst�ndnis k�nnen hier diskutiert werden � in diesem Zusammenhang k�nnen etwa auch grundlegende Texte �ber Literaturwissenschaft lesen. Und in der letzten Sitzung lesen wir gemeinsam einen frei gew�hlten literarischen Text.

Wintersemester 2022-23

Ringvorlesung: Wie wir lesen – und wozu. Wege, Praktiken und Formen der Lekt�re / Prof. Dr. Daniel Weidner et al.

Wie lesen wir eigentlich und was versprechen wir uns davon? Welche Art der Erkenntnis l�sst sich an Literatur im engeren oder im weiteren Sinn gewinnen, und wie gehen wir vor, um diese Erkenntnis zu sichern und zu vermitteln? Welche Formen k�nnen Lekt�ren annehmen, welche Rolle spielen sie in individuellen und kollektiven Lebenszusammenh�ngen? Wie f�gen sich bestimmte Lekt�ren in historische und biographische R�ckblicke oder prospektive Lebensentw�rfe ein? Ausgehend von diesen grunds�tzlichen Fragen m�chte die Ringvorlesung die verschiedenen Philologien der MLU vorstellen und ins Gespr�ch bringen, sowohl untereinander als auch mit anderen F�chern.

Nach dem Lesen fragen – das zielt weder auf eine Methodendiskussion, noch auf eine Rechtfertigung des ‚alten‘ Mediums Literatur im digitalen Zeitalter oder der Literaturwissenschaft im Zeichen ihrer notorischen Krisen. Die Ringvorlesung will vielmehr von der konkreten Leistung der jeweiligen Philologie her �ber das Lesen als vielf�ltige kulturelle Praxis nachdenken. Was k�nnen die Literaturwissenschaften, wie leisten sie das, was sie k�nnen? Wie verh�lt sich literaturwissenschaftliches Lesen zum Lesen �berhaupt: Zehrt die Wissenschaft von der naiven Lekt�re, korrigiert sie diese, beobachtet sie, leitet sie an, ‚bildet‘ sie gar? Und allgemeiner: wo und wann wird was �berhaupt gelesen? Was macht eine gelungene Lekt�re aus? Wo hat man selbst wirklich etwas gelernt?

Solche Fragen richten sich nicht nur an die Gegenwart, denn das Lesen hat seine eigenen Geschichten: Warum, mit welcher Wirkung und zu welchem Zweck haben sich manche Leseerlebnisse ins Ged�chtnis eingepr�gt und andere nicht? Welche Rolle spielen etwa identifikatorische Lekt�ren der Kindheit und Jugend, das Ein- und Abtauchen in Texte, die Erinnerung an Lekt�ren, deren Intensit�t nicht wiederholbar scheint? Und was lesen wir eigentlich wie: M�ssen literarische Texte anders gelesen werden als solche der Geschichte, der Philosophie, der Religion etc., oder lassen sich literaturwissenschaftliche Lekt�ren auch auf andere Texte �bertragen? Welche Ans�tze erweisen sich dabei als besonders produktiv – und wie genau machen sie das?

Antwortversuche auf diese und andere Fragen ber�hren auch das f�r die Literaturwissenschaft grundlegende Problem der unterschiedlichen Positionierungen und Funktionen literarischer Texte: Kreisen sie um die immer gleichen Fragen oder faszinieren sie, weil sie in der Lage sind, neue Themen zu benennen und durchzuspielen? Betrachtet Literatur kulturelle und gesellschaftliche Konflikte vom Rand her und kann so marginalisierten Positionen eine Stimme geben? Oder steht sie f�r das Zentrum, f�r die wesentlichen und oft nicht bewussten Tropen und Phantasmen, �ber die die Gesellschaft sich selbst denkt? Wo finden wir �berhaupt die Texte, die wir gelesen haben, lesen wollen oder gerne lesen w�rden? Am Rand oder im Zentrum des Kanons? Im Archiv? Im Nicht-Gelesenen? Im Beiwerk?
Anstatt abstrakte Diskussionen um die ‚angemessene‘ Form der Lekt�re zu f�hren, mag es auch hier fruchtbarer sein, sich dar�ber klar zu werden, welche Lekt�re was genau leisten kann. Denn jede(r), die oder der das Lesen zu ihrem bzw. seinem Beruf gemacht hat, wei�, dass es bei dieser T�tigkeit auch Momente jenseits (oder diesseits?) der Methode gibt: den richtigen Moment, einen bestimmten Rhythmus oder Takt in der Lekt�re, die �berraschung, weil etwas ganz Neues, Unbekanntes entdeckt wird. Welchen eigenen Weg nimmt man durch das Dickicht der Texte, welche Interessen und W�nsche verbinden sich mit dem Lesen? Alle teilnehmenden Kolleg*innen sind aufgefordert, auch subjektive Momente zu thematisieren: den eigenen Standpunkt, die eigenen Erfahrungen und Praktiken – um so den vielen ‚L�sten‘ (plaisirs) der Literatur Raum zu geben, die sich nicht auf die eine Lust am Text reduzieren lassen. Gerne k�nnen auch exemplarische Lekt�ren vorgestellt werden, die die St�rken des jeweiligen Zugriffs und zugleich die Besonderheiten der verschiedenen Philologien oder Fachdisziplinen verdeutlichen k�nnen.

Texte – Lekt�ren – Theorien f�r Fortgeschrittene. Einf�hrung in das Masterstudium der Literaturwissenschaft / Prof. Dr. Daniel Weidner

Dieses Seminar dient als Einf�hrung in die literaturwissenschaftlichen Masterstudieng�nge, kann aber auch von LA Mastern und Fortgeschrittenen Masterstudierenden besucht werden, die ihr Fach besser kennenlernen wollen. Sie sollen darin ihre Lekt�rekompetenzen und Theoriekenntnis vertiefen und in die Lage versetzt werden, selbst�ndig zu forschen. Wir blicken auf das bereits Gelernte zur�ck und pr�fen durch gemeinsame Textarbeit unsere Lekt�re- und Interpretationspraxis. Wir besch�ftigen uns mit den Geschichten der jeweiligen F�cher und stellen einander in einem parcours die grundlegenden Theorien und (je nach Interesse) neue Forschungsfragen vor. Wir �ben das Schreiben, indem wir miteinander schon geschriebene Hausarbeiten diskutieren, Essays schreiben und wechselseitig redigieren, Strategien zur Themenfindung und Disposition entwickeln und uns �ber typische Probleme wissenschaftlichen Schreibens (Zitateinbettung, Literaturverwendung, Arbeits�konomie etc.) austauschen.

Vorbereitung: Sie k�nnen sich ein (oder mehrere) Einf�hrungsbuch in Ihr Fach ansehen und �berlegen, was Sie darin finden und was darin fehlt. Bringen Sie das in die erste Sitzung mit.

Zergliedern – verschieben – arrangieren: Verfahren der Montage in der Literatur des 20. Jahrhunderts / Kevin Drews

Montagetechniken spielen in vielen Kunstbereichen im 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle und wir begegnen ihnen beispielsweise im Film, in der Malerei, der Fotografie oder der Musik. W�hrend sie im Film zun�chst ein technisches Verfahren zur Erzeugung von Bewegung darstellt, besteht die Montage als literarisches Verfahren darin, heterogene Materialien aus verschiedenen Bereichen zu sammeln und in neue Kontexte zu versetzten. Das betrifft sowohl die literarische Arbeit mit unterschiedlichen (fremden) Texten als auch die Integration von Bildern, Fotos, Zeitungsartikeln, Reklame oder anderen allt�glichen Textformen. Manchmal agiert die Montage dabei verdeckt, h�ufig wird sie aber als Konstruktionsprinzip des literarischen Werkes demonstrativ zur Schau gestellt. Die Montage kann z.B. dazu dienen, Einschnitte oder Br�che zu markieren, eine fragmentierte Lebenswirklichkeit vorzustellen, narrative Sinnzusammenh�nge zu unterbrechen oder aber eine multiperspektivische Wahrnehmungsweise zu bef�rdern.

Der Schwerpunkt des Seminars liegt auf der Besch�ftigung mit konkreten Montagepraktiken (zergliedern, herausrei�en, verschieben, neu zusammenf�gen) und ihren Funktionen sowohl auf produktions- als auch auf rezeptions�sthetischer Ebene. Seminarleitende Fragen sind: Worauf reagiert der Einsatz von Montagetechniken? Was versprechen sich unterschiedliche Autor:innen von der Montage? Wie wird mit verschiedenen Materialien umgegangen? Wie ver�ndern sich Begriffe wie �Autorschaft�, �Werk� oder �Originalit�t� durch Praktiken der Kombination/Konfrontation/Reihung heterogener Materialien? Dabei besch�ftigen wir uns u.a. mit der Lyrik des Dadaismus, dem Roman (Alfred D�blin, John Dos Passos), dem Drama (Erwin Piscator, Bertolt Brecht), der �Cut-up�-Poetik der Beat-Generation und der fr�hen �Pop�-Literatur (Hubert Fichte, R. D. Brinkmann). Ziel des Seminars ist es, einen �berblick �ber die vielf�ltigen Einsatzformen der Montage in der Literatur des 20. Jahrhunderts zu gewinnen. Das Seminar setzt die Bereitschaft zur engagierten Lekt�re unterschiedlicher literarischer Texte voraus. F�r die einzelnen Sitzungen sollen Expertengruppen gebildet werden, die sich vertiefend mit dem jeweiligen Gegenstand auseinandersetzen, um so die Sitzungen moderieren zu k�nnen.

++ Es wird empfohlen, die Romane �Berlin Alexanderplatz� (D�blin) und �Manhattan Transfer� (Dos Passos) bereits vor Semesterbeginn zu lesen. ++

Lekt�re zum Einstieg:

�megač, Viktor: �Montage/Collage�. In: Moderne Literatur in Grundbegriffen, hg. v. Dieter Borchmeyer/ders., Berlin/Boston 2013, S 286-291.

Klotz, Volker: Zitat und Montage in neuerer Literatur und Kunst. In: Sprache im technischen Zeitalter 60 (1976), S. 259�277.

Mehrsprachige Lyrik / Dr. Jana Mende

„Das Gedicht ist in einer Sprache geschrieben.

Das Gedicht ist niemals in einer Sprache geschrieben.

Das einsprachige Gedicht spricht mehr als eine Sprache.

Das mehrsprachige Gedicht spricht als Sprache.“

Uljana Wolf, Etymologischer Gossip, Essays und Reden, 2020, S. 127.

Mehrsprachigkeit findet sich in der Lyrik in vielfacher Form: im Reimschema und der metrischen Struktur von Gedichten, als semantische Entlehnungen auf der Wort- oder Satzebene, als latente oder manifeste Mehrsprachigkeit im Versbau. Nicht nur die Form, auch die Sprachwahl sind dabei bedeutsam: verschiedene Sprachen erf�llen dabei unterschiedliche poetische Funktionen.

Im Seminar befassen wir uns zun�chst mit einem historischen �berblick �ber mehrsprachige Dichtung von makkaronischen Versen bis zur postmodernen multilingualen Lyrik. Wir werden uns mit verschiedenen theoretischen Konzepten von Mehrsprachigkeit in der Literatur besch�ftigen: mit der individuellen Mehrsprachigkeit von Autor*innen, mit Mehrsprachigkeit in der Gesellschaft und mit poetischen Formen von Mehrsprachigkeit. Danach werden wir anhand einzelner Gedichte und Autor*innen verschiedene Formen und Funktionen mehrsprachiger Lyrik besprechen. Wir besch�ftigen uns u.a. mit Uljana Wolf, Friederike Mayr�cker, Theresa Hak Kyung Cha, Dagmara Kraus, es wird aber auch Gelegenheit zur eigenst�ndigen Schwerpunktwahl geben.

Voraussetzungen: Wir werden im Seminar Texte in verschiedenen Sprachen (Englisch, Franz�sisch, Deutsch, Polnisch, Russisch u.a.) lesen, Sprachkenntnisse sind dabei von Vorteil, werden aber nicht erwartet. Eine generelle Bereitschaft, sich mit schwer verst�ndlichen Texten zu befassen, wird angenommen.

Der Blick des Flaneurs – Gro�stadtliteratur der 1920er Jahre / Neela Janssen

Am Beispiel der Stadt Berlin und ihren literarischen Beschreibungen aus den 1920er Jahren werden wir uns in diesem Seminar ausf�hrlich mit der Figur des Flaneurs als Autor und Beobachter der Gro�stadt besch�ftigen. Es gilt, den spezifischen Blick des Flaneurs auf seine Umwelt zu untersuchen und zu den literarischen Formen in Beziehung zu setzen, in denen er seine Eindr�cke auf Papier zu bannen versucht: Was genau passiert in diesen h�ufig in Form des Essays oder der Zeitungskolumne gehaltenen Texten? Von was berichten sie? Was versuchen sie zu vermitteln? Mit Miniaturen und Ausz�gen von Franz Hessel, Siegfried Kracauer, Walter Benjamin, Georg Simmel, Erich K�stner u.a. begeben wir uns auf eine literarische und literaturwissenschaftliche Spurensuche in das Berlin der 1920er Jahre.

Im zweiten Teil des Seminars werden wir uns aber auch mit den Leerstellen, den blinden Flecken dieser Texte auseinandersetzen: Welchen Fokus hat der Blick des Flaneurs, was bleibt ihm verborgen? Welche b�rgerlichen, m�nnlich-codierten Stimmen sprechen aus den behandelten Beispielen? Zum Abschluss wagen wir uns dann an eine Aktualisierung f�r die Gegenwart: Wie wird im 21. Jahrhundert �ber die Gro�stadt geschrieben? Was pr�gt den literarischen Blick auf die Stadt und ihre Gegenwart heute? Und was ist aus der Praxis des (literarischen) Flanierens geworden?

Die B�cher und das Buch: Einf�hrung in die literarische Rezeption biblischer Stoffe, Figuren und Formen / Prof. Dr. Daniel Weidner

Bis in die Gegenwart beziehen sich zahlreiche literarische Texte auf Geschichten und Figuren aus der Bibel, und die Bibel ist selbst einer der wichtigsten Texte der Weltliteratur, der bis in die Neuzeit hinein bestimmt, was man sich unter einem Buch vorstellt. Das Seminar versteht sich als Einf�hrung in diese Beziehung und zugleich in die allgemeinen Fragen literarischer Rezeption und der Beziehung von Literatur und Religion. Zun�chst lesen wir verschiedene biblische Texte und besch�ftigen uns mit deren literarischen Formen. Wir diskutieren Praktiken wie Kommentar, Interpretation und �bersetzung biblischer Texte und werfen einen Seitenblick auf den Umgang mit der Bibel in Judentum und Islam. Anschlie�end untersuchen wir an verschiedenen Beispielen aus der Literaturgeschichte (Interessen der Studierenden werden gerne ber�cksichtigt), wie literarische Texte mit biblischen Stoffen und Formen umgehen. Das reicht von geistlichen Gedichten oder Bibeldramen �ber die kreative Nacherz�hlung biblischer Stoffe bis zu Zitaten biblischer Texte oder zu Anspielung auf biblische Figuren und Motive in Texten mit ganz anderer Thematik. Bei Interesse k�nnen auch andere Medien wie Malerei und Film einbezogen werden. Dabei entwickeln wir eine Typologie literarischer Rezeption und besch�ftigen uns auch mit den ideologischen Konflikten �ber Religion, Gender, Herrschaft etc., die in solchen Rezeptionen mitschwingen.
Vorbereitung: Lesen Sie in der Bibel! Besonders Genesis, Exodus, 1. und 2. Samuel, Markusevangelium

Ann�herungen an k�nstliche Paradiese. Literatur, Sucht und Rausch / PD Dr. Peter Waldmann

In diesem Seminar wird nicht nur die literarische Darstellung von Drogenerfahrungen untersucht, sondern auch eine Kulturgeschichte des Rausches umrissen. �berspitzt kann man sagen, dass es erst die Erfahrung des Rausches war, wie er in den antiken, dionysischen Festen der �berschreitung erlebt wurde, die am Beginn der abendl�ndischen Zivilisation die tragische Kunst �berhaupt erm�glichte. Die tragische Kunst fand in den dionysischen Festlichkeiten ihr Motiv, weil, wie Nietzsche anmerkt, der Mensch im Rausch selbst zum Kunstwerk wird. Denn �hnlich der Kunst und der Literatur sind es ja die Drogen, die, wie Huxley betont, die Pforten der Wahrnehmung aufbrechen, ja sprengen. Diese andere Sicht auf die Dinge zeigt Alternativen zur festgef�gten Welt des Alltags auf. Der Rausch als eine Form der profanen Erleuchtung kann also, wie Benjamin und die Surrealisten glaubten, wie die Kunst f�r die Revolution nutzbar gemacht werden. Gleichzeitig steht jedoch der Rausch – und darauf machen Nietzsche wie auch Baudelaire (in seinen Reflexionen zum Haschisch) aufmerksam – dem k�nstlerischen Prinzip der formalen Gestaltung diametral entgegen. F�r Lacan, der die strukturalistische Psychoanalyse begr�ndet hat, sind es ja die psychotischen Halluzinationen des Deliriums, die als Symptom vom Zusammenbruch jeglicher symbolischen Ordnung und damit jeglichem Gestaltungsprinzip k�nden. Die sprachliche Ordnung sichert jedoch erst die Stabilit�t eines Individuums. Die paranoide Rauscherfahrung zeigt also den S�chtigen in seiner tragischen Existenz, dem in seinem Ausgeliefertsein durch einen tiefgreifenden Kontrollverlust die Zerst�rung droht. Der S�chtige wird also in der Literatur der Moderne zu einer wichtigen Gestalt, der wie auch der Wahnsinnige provoziert, weil er die ersch�tternde Wahrheit �ber unsere Gef�hrdung als Subjekt zeigt, die wir allzu gerne ausblenden und verdr�ngen wollen.

Behandelt werden in diesem Seminar folgende Autoren: Euripides, Nietzsche, Poe, De Quincey, Baudelaire, Benn, Trakl, Rheiner, Fallada, J�nger, Roth, Huxley, Pitigrilli, Benjamin, Breton, Lowry, Burroughs, Fauser und Cailloux.

Zur Vorbereitung auf das Seminar empfehle ich: Alexander Kupfer: Die k�nstlichen Paradiese. Rausch und Realit�t seit der Romantik. Ein Handbuch. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, 2006.

Literatur im Zeichen von Flucht und Exil / Dr. des. Marcel Matthies

Im Seminar wollen wir der Frage nachgehen, wie Fluchterlebnisse und Exilerfahrungen literarisch verarbeitet werden. Welcher Sprache bedient sich die Darstellung von Flucht (infolge von Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Umsiedlung oder anderer Notlagen)? Wie wirkt sich das Verlassen der vertrauten Umgebung auf das Identit�tsgef�hl eines Menschen aus? Welche erz�hlerischen Strategien werden angewandt, um Verlust und Verzweiflung im Exil darzustellen? Inwiefern unterscheidet sich Flucht von Migration? Welche Bedeutung hat die Exilerfahrung im kulturhistorischen Kontext j�discher Kultur und Geschichte?

Gemeinsam werden wir m�glichst dicht am jeweiligen Text diskutieren, wie die Themen Flucht und Exil in den Erz�hlungen, Kurzgeschichten, Essays und einem Roman gestalterisch vermittelt werden. Zur ersten Sitzung (am 14.10.) ist Doron Rabinovicis Rede „Das Versagen der Heimat“ kritisch zu lesen, die er am 8. M�rz 2018 anl�sslich der Er�ffnung der Dauerausstellung „Exil. Erfahrung und Zeugnis“ in Frankfurt a. M. hielt (abrufbar im Stud.IP). Wir werden Texte von Jean Am�ry, Hannah Arendt, Rose Ausl�nder, Maxim Biller, Mascha Kal�ko, Elisabeth Pfeil, Joseph Roth, Edward Said, W.G. Sebald, Ece Temelkuran, Artem Tschapa, Serhij Žadan und anderen lesen. Die regelm��ige Teilnahme, die Lekt�re der Texte, die �bernahme eines Impulsreferats und die Anschaffung der Taschenbuchausgabe (Fischer Verlag, 11€) von Maxim Billers �Sechs Koffer� werden vorausgesetzt.

Digitale Literaturgeschichte: Netze, Knoten und Kanten / Dr. Jana Mende

Digitale Ans�tze der Literaturgeschichte analysieren gro�e Korpora literarischer Werke und beschreiben Muster und Strukturen, die in diesen sichtbar werden. Netzwerke und die darin enthaltenen Knoten und Kanten, die das Netzwerke bilden, sind ein zentrales Modell dieser quantitativen Ans�tze. So hei�t es in der bis jetzt einzigen Digitalen Literaturgeschichte von Thomas Weitin: �Netzwerkanalyse ist also f�r uns keine Methode unter anderen, wir verwenden sie als �bergeordnetes Modell, weil es uns auf die Position einzelner Texte und Textgruppen innerhalb gr��erer Gesamtheiten ankommt. Anders gesagt, wir halten Netzwerke f�r ein besonders angemessenes Instrument der literaturwissenschaftlichen Korpusanalyse� (Weitin 2021, S. 23).

Texte und Textgruppen entlang von Epochen, Epochengrenzen, literarischen Str�mungen und Bewegungen zu modellieren und als stilometrische, inhaltliche oder soziale Netzwerke zu visualisieren, ist das Ziel dieses Seminars. Dazu lernen Sie Grundlagen der literaturwissenschaftlichen Netzwerktheorie kennen, befassen sich mit aktuellen Forschungen zur literaturwissenschaftlichen Netzwerktheorie und �ben, selbst mit verschiedenen Netzwerktools Netzwerke zu erstellen.

Teilnahmevoraussetzungen:

Bitte stellen Sie sicher, dass Sie an m�glichst allen Terminen teilnehmen k�nnen. Da wir f�r die Arbeit mit den verschiedenen Programmen viel Zeit ben�tigen, findet die Veranstaltung geblockt statt.

Es sind keine technischen Vorkenntnisse n�tig.

Literatur (Auswahl):

Eder, Maciej (2017): Visualization in stylometry: Cluster analysis using networks. In: Digital Scholarship in the Humanities 32 (1), S. 50�64. DOI: 10.1093/llc/fqv061.

Ivanovic, Christine (2017): Die Vernetzung des Textes: Im M�glichkeitsraum digitaler Literaturanalyse. In: Zeitschrift f�r digitale Geisteswissenschaften. DOI: 10.17175/2016_010.

Thomalla, Erika; Spoerhase, Carlos; Martus, Steffen (2019): Werke in Relationen. Netzwerktheoretische Ans�tze in der Literaturwissenschaft. Vorwort. In: Zeitschrift f�r Germanistik 29 (1), S. 7�23. Online verf�gbar unter https://pub.uni-bielefeld.de/record/2943601.   

Trilcke, Peer; Fischer, Frank; G�bel, Mathias; Kampkaspar, Dario: Theatre Plays as ,Small Worlds�? Network Data on the History and Typology of German Drama, 1730�1930. In: Digital Humanities 2016: Conference Abstracts. Jagiellonian University & Pedagogical University, Krak�w, S. 385�387. Online verf�gbar unter https://dh2016.adho.org/abstracts/360,    zuletzt gepr�ft am 11.11.2021.

Weitin, Thomas (2021): Digitale Literaturgeschichte. Eine Versuchsreihe mit sieben Experimenten. 1. Aufl. 2021. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg (Digitale Literaturwissenschaft). Online verf�gbar unter http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:31-epflicht-1967367.   

Georg B�chner. Lekt�ren / Dr. des. Na Sch�dlich

Georg B�chner (1813-1837) gilt nach der literarhistorischen Periodisierung als einer der bedeutendsten Autoren des Vorm�rz. Dar�ber hinaus besitzt sein schmales aber facettenreiches Oeuvre jedoch eine solch bestechende Wirkkraft, die �ber die Epoche der Moderne auch noch weiterhin das literarische (Selbst-)Bewusstsein unserer Gegenwart begleitet bzw. u.a. mittr�gt. Davon zeugt, um nur ein Beispiel zu nennen, die seit 70 Jahren bestehende, von der Deutschen Akademie f�r Sprache und Dichtung gepflegte Tradition der B�chnerpreisrede.
Im Seminar wollen wir der eben angedeuteten literarischen Kraft von B�chners Werk nachgehen. Ziel ist es, durch intensive Lekt�re und Diskussion sowie mithilfe von ausgew�hlter Forschungsliteratur einen eigenen Zugang dazu zu erschlie�en. Dabei nehmen wir sowohl die kulturellen Problemkomplexe und Themenfelder, auf die die Texte auf reflexive Weise Bezug nehmen, als auch deren poetische Verfahrensweisen in den Blick.

Gearbeitet wird mit der folgenden Ausgabe, die ich zu erwerben empfehle:
Georg B�chner, S�mtliche Werke und Briefe, hg. von Ariane Martin, Reclam 2012, 821 Seiten (9,95 Euro). ISBN 9783150108208
Ein sprechender Vorteil dieser Ausgabe besteht in ihrem umfangreichen Stellenkommentar zu den Werken.

F�r das Selbststudium au�erhalb der Seminarstunden ist das sorgf�ltig anleitende B�chner-Handbuch geradezu unverzichtbar:
Roland Borgards/Harald Neumeyer (Hgg.), B�chner Handbuch. Leben - Werk - Wirkung, Metzler 2015.

Die fr�he Pop- und Undergroundliteratur in Deutschland / Leon Bertz

Die Anf�nge einer sogenannten „Pop-" und „Undergroundliteratur" in Deutschland werden in der Regel auf die sp�ten 1960er Jahre datiert. Im Seminar wollen wir diese Phase sowie die darauffolgende Entwicklung in den 1970ern genauer in den Blick nehmen und versuchen, Schreibweisen, Themen, Motive, Formen sowie Intentionen der entsprechenden Texte zu beschreiben. Dabei widmen wir uns insbesondere solchen Arbeiten, die sich auszeichnen durch Selbst- und Fremdpositionierungen ihrer Autoren als widerst�ndige Nonkonformisten innerhalb einer literarischen Hochkultur. Der Fokus des Seminars liegt also auf den subversiven Anteilen des fr�hen "Pops" und richtet bestimmte Fragen an die zu untersuchenden Texte: Wie verbinden sich Poetik und Subkultur (Hubert Fichte)? Auf welche Weise artikuliert sich literarisches Au�enseitertum (J�rg Fauser, J�rgen Ploog)? Was kann der Text als Kunstwerk, Archiv oder utopisch-revolution�rer Gegenstand leisten? (R. D. Brinkmann)

Diese Richtung erm�glicht auch den Kurzschluss zwischen „Pop" und „Underground", deren h�ufige Gleichstellung auf jene subversiven Gemeinsamkeiten zur�ckgreift, insbesondere aber thematische Unterschiede gerne au�er Acht l�sst. Als Ph�nomen innerhalb der deutschen Literatur wird der beschriebene Komplex besonders interessant durch seine behauptete Traditionslosigkeit bei gleichzeitig angestrengt vorgetragenem Anschluss an die Formen US-amerikanischer Beat-Literatur. Damit betrachten wir in diesem Seminar eine ungleichm��ige Str�mung, die als vermeintlich kulturelles Importprodukt avantgardistische Tendenzen wiederentdeckt und einer Form des Schreibens den Weg zu bahnen versucht, die sich zwischen spielerischer Provokation und tiefernstem Anliegen selbst nicht eindeutig zu entscheiden wei�.

Literatur und Kindheit / Dr. Robert Buch

Der franz�sische Kulturhistoriker Philippe Ari�s verortet die ›Entdeckung der Kindheit‹ in der Fr�hen Neuzeit. Sie wird von da an als Lebensalter sui generis verstanden und nicht mehr nur als �bergang zum Erwachsensein. Ari�s entwickelt seine These anhand der sich wandelnden Ikonographie des Kindes sowie in Hinblick auf das philosophische und p�dagogische Interesse, das dem Kind ab dem 17. Jahrhundert verst�rkt zuteil wird. In den Mittelpunkt literarischer Werke treten Kinder erst um 1800.

Die literarische Arbeit am Bild der Kindheit im 19. und vor allem im 20. Jahrhundert ist Thema dieses Seminars. Welche Topoi und narrativen Muster bem�hen literarische Texte, um Kindheit und Kinder darzustellen? Welche erz�hlerischen M�glichkeiten bietet das Thema Kindheit der Literatur? Inwiefern wird Kindheit kritisch, inwiefern wird sie affirmativ eingesetzt? Der Topos Kindheit ist bereits vor seiner Entdeckung durch Theologen und P�dagogen utopisch aufgeladen -- Kindheit als verlorenes Paradies -- aber der Schritt, umgekehrt im Kind die Verk�rperung ungeb�ndigter und bedrohlicher Wildheit -- das ›b�se‹ Kind -- zu sehen, ist nicht weit. Auf der einen Seite also die Unschuld und Unbefangenheit des kindlichen Blickes, auf der anderen Seite die vermeintliche Amoralit�t und Widerspenstigkeit kindlicher Subjekte. Kindheit kann als Gegenbild zu den Zwangsmechanismen und Formatierungen moderner Zivilisation entworfen werden, als Inbegriff von Alterit�t und Devianz, aber auch als Paradigma der emanzipativen Versprechen der Moderne.

Wir n�hern uns dem Thema vor allem �ber Erz�hlungen, Romane und autobiographische Texte. Zu den m�glichen Autorinnen und Autoren, die wir behandeln wollen, geh�ren Adalbert Stifter, Gottfried Keller, Ellen Key, Marcel Proust, Walter Benjamin, Christine Lavant, Natalie Sarraute und Ingeborg Bachmann.

Bedingung f�r die Teilnahme ist die Bereitschaft zu regelm��iger und aktiver Mitarbeit, die die sorgf�ltige Lekt�re der Texte voraussetzt, sowie die �bernahme einer Sitzungsmoderation.

Zur Einf�hrung: Philippe Ari�s, Geschichte der Kindheit, M�nchen: Hanser 1975.

Forschungskolloquium Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft / Prof. Dr. Daniel Weidner

Das Forschungskolloquium dient der Vorbereitung und Begleitung Ihrer Masterarbeit: Sie entwickeln ihre thematischen Interessen, erarbeiten ihre Fragestellung und die Konzeption Ihrer Arbeit und stellen das jeweils zur Diskussion. Je nach Wunsch und Interesse der Teilnehmenden besch�ftigen wir uns auch mit bestimmten Theoriezusammenh�ngen und allgemeinen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens wie der Nutzung von Forschungsltieratur, der Disposition, Zitateinbettung etc.

Sommersemester 2022

Vorlesung: Literatur und das Nachleben der Religion / Prof. Dr. Daniel Weidner

Literatur und Religion haben ein enges Verh�ltnis. Viele literarische Formen und Gattungen haben einmal religi�se Urspr�nge gehabt, Literatur ist lange in religi�sen Kontexten gepflegt worden, bis in die Gegenwart hinein verhandeln literarische Texte oft religi�se Fragen und Probleme, manchmal �bernimmt Literatur auch Funktionen der Religion. All diese Momente pr�gen auch in modernen Gesellschaften, in denen Religion zumindest auf den ersten Blick keine zentrale Funktion mehr hat, unser Verst�ndnis von Literatur � sie zu kennen ist daher wichtig, um Literatur im umfassenden Sinne zu verstehen. Die Vorlesung entwirft an ausgew�hlten Beispielen aus der langen europ�ischen Literaturgeschichte einen Blick auf einige dieser Konstellationen: Wie Hymne und Trag�die aus dem religi�sen Ritual hervorgehen, wie Literatur mit dem Mythos umgeht und in mythischen Elementen Religi�ses auch in der �entzauberten� Welt fortlebt, welche Rolle Heilige Texte f�r die Literatur spielen und wie sich an ihnen so etwas wie Hermeneutik ausbildet, wie Literatur sich von Passion, Opfer, Mystik faszinieren l�sst, wie Autobiographien die Frage der Seele und Romane das Thema der Providenz verhandeln, wie religi�ses Theater die Welt auf die B�hne bringt, wie verschiedene Religionen jeweils neue Literaturformen hervorbringen und wie religi�se Spannungen und Konflikte literarisch ausgetragen werden.

Zur Einf�hrung: Daniel Weidner (Hg.): Handbuch Literatur und Religion, Metzler 2016 (online)

Werkstatt Publizistik Weimarer Republik / Dr. Claudia Hein und Prof. Dr. Daniel Weidner

Die Weimarer Republik ist die gro�e Zeit der Publizistik. Walter Benjamin, Gottfried Benn, Alfred D�blin, Hugo von Hofmannsthal, Irmgard Keun, Thomas und Heinrich Mann, Robert Musil, Josef Roth, Ernst Toller, Franz Werfel, Arnold Zweig etc. � all diese wichtigen Autoren der Zeit ver�ffentlichten in Zeitschriften. �Die literarische Welt�, �Die Neue Rundschau�, �Das Tagebuch� oder �Die Weltb�hne� � so die sprechenden Namen einiger dieser ber�hmt gewordenen Publikationsorgane, die literarisch-kulturell, aber ebenso politisch orientiert waren. Die Zeitschriftenlandschaft ist weit, die Themen sind vielf�ltig, dabei noch wenig erforscht. Geschrieben wird �ber Literatur, den Kunstmarkt, Theaterskandale, das neue Medium des Films wie �ber die Jugendbewegung oder �ber Genderfragen; �Unsere armen W�rter� kommen gleicherma�en zur Sprache wie die �Geschlechtsk�lte der Frau�, diskutiert wird �ber das m�nnliche Pendant der Maitresse oder �ber die Frage, ob �ein Museum eine T�r haben� soll.
Wir wollen uns im Seminar praktisch mit der Publizistik der Weimarer Republik befassen und dabei alternative und f�r die Literaturwissenschaft ungewohnte Arbeitsformen ausprobieren. Die Teilnehmer:innen werden gemeinsam eine digitale Anthologie publizistischer Texte erarbeiten. Mit dem Format eines Design-Sprints entwirft das Team eine Konzeption und entwickelt einen Prototyp, der dann � vermutlich? � Grundlage eines Blogs wird. Es geht im Seminar darum, gemeinsam und in intensiver Teamarbeit wirklich an und mit dem Material zu arbeiten und ein reales Produkt zu erstellen.

Schreiborte – Writing Places / Dr. Jana Mende

Das Seminar nimmt den Prozess und Ort des literarischen Schreibens in den Fokus: Wo entstanden und entstehen eigentlich literarische Texte? Wie beeinflusst die �u�ere Umgebung den Schreibprozess, die Schreibenden und die Werke: der Schreibtisch von Kafka, der K�chentisch von Agatha Christie, Marcel Prousts Bett, das Arbeitszimmer von Friederike Mayr�cker, Goethes Gartenhaus, Thomas Manns H�user in Werk und Leben, Berlin, Paris, London, oder Istanbul als Literatur- und Schreiborte. Schreiborte beginnen im privaten Umfeld des eigenen Zimmers, der Wohnung, im Haus und Garten und gehen �ber in �ffentliche R�ume des Alltags, im Caf�, auf der Stra�e, in der Stadt.

Wir besuchen Friederike Mayr�cker in ihrer Wohnung, gehen mit Lenka Reinerov� in das Traumcaf� einer Pragerin, spazieren durch Johann Friedrich Reichardts Garten, der Herberge der Romantik, in Halle und erkunden verschiedene St�dte als Schreiborte der Literatur(geschichte).

Dazu werden Sie verschiedene Theorien der Literaturgeographie und Literaturtopographie kennenlernen und verschiedene Methoden zur Darstellung und Analyse von Schreiborten wie Cartopology, narrative Mapping oder Stadterz�hlungen/Urbanarrative verwenden, um Texte der Autor*innen und Ortsbez�ge zu analysieren. Diese Analysen werden wir in Blogeintr�gen dokumentieren. Wir werden uns auch damit besch�ftigen, wer zu welcher Zeit welche R�ume zur Verf�gung hatte und wie sich diese Beschr�nkungen auf die Literatur auswirken.

Unser Material besteht aus Texten, Textausz�gen, Fotographien der Schreibtische, Arbeitszimmer, H�user, Karten der Schreiborte, der St�dte und Landschaften, Filmen.

Das Seminarprogramm umfasst eine Miniexkursion in Reichardts Garten, der �Herberge der Romantik�  in Halle, der u.a. Teile der Sammlung Des Knaben Wunderhorn entstanden sind (voraussichtlich im Mai).

Zum Draufklicken:

Literaturatlas: Piatti, Barbara: Interaktive Visualisierungs- und Analyseinstrumente f�r die Geographie der Literatur. Online verf�gbar unter http://www.literaturatlas.ethz.ch/project/index.html   . (Video zur Projektdarstellung Atlas europ�ischer Literatur).

Methoden: Writingurbanplaces WG3: Repository of Methods. Online verf�gbar unter https://padlet.com/repositoryofmethods/methods   , zuletzt gepr�ft am 07.03.2022.

Literatur:

Woolf, Virginia: A Room of One�s Own. https://gutenberg.ca/ebooks/woolfv-aroomofonesown/woolfv-aroomofonesown-00-h.html    (zuletzt abgerufen am 7.3.2022) (Bitte bis zur 3. Sitzung lesen)

Weitere Literatur wird im Seminar bekanntgegeben und zur Verf�gung gestellt.

Einf�hrung in die deutsch-j�dische Literatur / Prof. Dr. Daniel Weidner

Die Frage nach der �Identit�t� und �Zugeh�rigkeiten� von Minderheiten ist nicht neu in der Literatur. Im deutschen Sprachraum l�sst sie sich vor allem an j�dischen AutorInnen untersuchen, die seit der Emanzipation am Ende des 18. Jahrhunderts auf Deutsch schreiben, aber als Juden gelesen werden. Ihre Texte dr�cken die schwierige und prek�re Stellung der Juden in Deutschland w�hrend des 19. und fr�hen 20. Jahrhunderts aus, reflektieren �ber komplexe und oft widerspr�chliche kulturelle Zugeh�rigkeiten und Subjektkonzepte und zeigen , wie sich komplexe Aushandlungen von Selbst- und Fremdzuschreibungen gerade in der literarischen Form vollziehen.

Anhand von f�nf Prosatexten bzw. Ausz�gen f�hrt das Seminar in die deutsch-j�dische Literatur vom sp�ten 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Die Arbeit im Seminar besteht vor allem aus gemeinsamer Textarbeit, die von Gruppen vorbereitet und angeleitet wird. Mitarbeit in einer der f�nf Vorbereitungsgruppen ist obligatorisch.

Texte: Salomon Maimon: Lebensgeschichte, von ihm selbst erz�hlt (J�discher Verlag 2019); Rahel Varnhagen: Briefe und Aufzeichnungen (in Ausz�gen, Insel 1986); Heinrich Heine: Der Rabbi von Bacherach (Reclam 1983); Karl Emil Franzos: Der Pojaz (Rotbuch Verlag 2005); Joseph Roth: Hiob (Fischer 2005).
Zur Einf�hrung: Hans Otto Horch (Hg.): Handbuch der deutsch-j�dischen Literatur (2016) (online); Hans Sch�tz: Juden in der deutschen Literatur. Eine deutsch-j�dische Literaturgeschichte im �berblick (Piper 1992).

Kulturgeschichte der Klage / Neela Janssen

�Es wecke die Klage / Den Todten nicht auf, / Das s��este Gl�ck f�r die traurende Brust, / Nach der sch�nen Liebe verschwundener Lust, / Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.� -- So schreibt Friedrich Schiller 1798 in Des M�dchens Klage und wirft bereits in diesen wenigen Zeilen einige Fragen auf, die uns durch das Semester begleiten werden: Was bedeutet es, �ber Verlorenes zu sprechen? Welche Rolle spielt das Abwesende? Wie wird es in den Texten jeweils literarisch anwesend gemacht? Welche Funktionen erf�llt die Klage, ihre literarische Inszenierung und sprachliche Performance? Welches Potential f�r Individuum und Gesellschaft steckt in ihr?
Dabei werden wir uns ausgehend von Schiller und Autoren wie Heinrich Heine und Rainer Maria Rilke bis Bertolt Brecht im Verlauf des Seminars auch in weiter entfernte historische Tiefen vorwagen: Mittelalterlicher Minnesang wird uns neben der Elegie ebenso interessieren wie antike Klageweiber, die Totenklage und biblische Lamentation. Die Besch�ftigung mit diesen Traditionen soll stets auch den Blick auf das 21. Jahrhundert erhellen: Welche Spuren der Klage finden sich in gegenw�rtiger Literatur und Lyrik? Welche Konstellationen von Trauer, Geschlecht und Kulturkritik finden sich in diesen Beispielen wieder? Und wie lassen sich kontempor�re Ausdrucksformen von Schmerz und Verlust, gerade auch in Zeiten des Krieges, in diese europ�ische Kulturgeschichte der Klage einordnen?

Kafka & Co. / Dr. Robert Buch

Franz Kafka l��t sich zwar in die literaturhistorischen Koordinaten seiner Zeit eintragen, gilt aber gleichwohl als singul�re Erscheinung. Zu den m�glichen Richtungen, die sich in Kafkas Werk finden, z�hlen der Symbolismus und die Dekadenz des Fin de si�cle, ein an Bewussteinsprozessen und Wahrnehmung interessiertes, impressionistisches Schreiben in der fr�hen Prosa, sp�ter dominieren expressionistische Themen und Verfahren sowie eine neusachliche Faszination f�r Technik und b�rokratische Rationalit�t. Trotz dieser vielf�ltigen Bez�ge besteht, wie gesagt, eine Tendenz, Kafka als Solit�r, als einziges Exemplar eines Schreibens sui generis zu betrachten. Dieser vermeintlichen Ausnahmestellung soll hier aus einer anderen Richtung entgegengearbeitet werden. Denn �Kafka�, der Name und das Werk, stellt ein Paradigma f�r das Verst�ndnis moderner und sp�tmoderner Literatur �berhaupt dar, dessen Charakteristika in zahlreichen Auspr�gungen zu finden sind. Der Kurs stellt sich die Aufgabe, dieses Paradigma, seine Abwandlungen und Anverwandlungen, n�her zu bestimmen. Dabei wechseln wir zwischen Lekt�ren einiger einschl�giger Erz�hlungen Kafkas und seiner Kurzprosa und derjenigen einer Reihe von Vorwegnahmen, Parallelen und Reprisen. Zu den m�glichen Vorl�ufern geh�ren die Russen Nicolai Gogol und Anton Čechov der d�nische Schriftsteller S�ren Kierkegaard und der Amerikaner Herman Melville; zu den Zeitgenossen z�hlen beispielsweise der Schweizer Robert Walser, der Chinese Lu Xun oder der Portugiese Fernando Pessoa. Hier wie auch bei den nachfolgenden �Erben� Kafkas soll es jedoch keineswegs, das sei ausdr�cklich betont, um belegbare Einfl�sse oder Filiationen gehen, sondern um eine Familien�hnlichkeit, die mit den Schlagw�rtern kafkaesk oder absurd nur bedingt erfasst wird. Zu den anderen m�glichen �Verwandten� und Nachfahren Kafkas sind, um nur einige prominente Beispiele zu nennen, der Ire Samuel Beckett, der Argentinier Jorge Luis Borges, die �sterreicherin Ilse Aichinger, der s�dafrikanische Literaturnobelpreistr�ger J. M. Coetzee sowie die US-amerikanerische Autorin Lydia Davis zu rechnen. Aus Zeitgr�nden werden wir uns auf eine begrenzte Auswahl aus dieser vielk�pfigen �Company� beschr�nken.

Gender-Fluidit�ten / Dr. Claudia Hein

�Brauchen wir wirklich ein �wahres� Geschlecht? Mit einer Beharrlichkeit, die an Starrsinn grenzt, haben die Gesellschaften des Abendlandes dies bejaht.� An dieser Diagnose, die Michel Foucault vor mehr als vierzig Jahren stellte, scheint sich bis heute nicht viel ge�ndert zu haben. Die Annahme einer grundlegend bin�ren Struktur von biologischem Geschlecht wie sozio-kulturellem Gender, mit der dazugeh�rigen Notwendigkeit, sich einer der beiden Seiten klar zuzuordnen, ist im Mainstream der westlichen Kultur nach wie vor fest verankert.
Wir wollen im Seminar dementgegen literarische und theoretische Texte diskutieren, die M�glichkeiten ausloten, Sex, Gender und Begehren anders zu denken. Texte, die R�ume er�ffnen, in denen Bewegungen zwischen den Dichotomien des Weiblichen und M�nnlichen denkbar werden (crossdressing, sexchange, transgender), in denen sich ein Jenseits des Bin�ren abzeichnet (intersex, nichtbin�re Transidentit�t, genderqueer) oder in denen der Versuch unternommen wird, geschlechtliche Codierung g�nzlich zu verabschieden (postgender).
Zum einen soll es darum gehen, Einblicke in die Geschichte der transgender- und queerstudies zu gewinnen, die selbst aus Konflikten und Synergien von Feminismus, lesbian-, gaystudies entstanden sind. Einen Fokus wollen wir dabei auf nichtbin�re Theoretiker:innen legen � wie Kate Bornstein (�Gender Outlaw�, 1994), Leslie Feinberg (�Transgender Warriors�, 1996) und Judith Butler (�Undoing Gender�, 2004), die mit Ihren oft sehr pers�nlichen Texten ein ganz eigenes Vokabular entworfen haben.
Zum anderen wollen wir uns genderfluide Weltentw�rfe ansehen, wie sie die Literatur des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Virginia Woolfs �Orlando� (1928) umkreist eine Figur, die durch die Jahrhunderte wandert, die erst Mann, dann Frau ist. Der Text ist h�chst parodistisch, zugleich eine Hommage an Woolfs Geliebte Vita Sackville-West, in Rosi Braidottis Worten, eine der gr��ten postgender Liebesgeschichten. Jackie Kays �The Trumpet� (1998) erz�hlt die Geschichte eines Jazztrompeters, dessen m�nnliche Identit�t erst nach seinem Tod durch den weiblichen K�rper seiner Leiche in Frage gestellt wird, was die Rollenbilder aller ihn umgebenden Personen ins Wanken bringt. Radikal performativ gedachte Identit�t trifft hier auf gleicherma�en radikal vorhandene K�rperlichkeit. Abschlie�end wollen wir einen Blick in den f�r Transgender-Fragen �u�erst ergiebigen Bereich der Science-Fiction werfen. Octavia Butler entwirft in Ihrem Roman �Imago� (1989) eine aus drei Geschlechtern bestehende au�erirdische Spezies, die sich in einem Genhandel mit den Menschen verbindet. Queerness wird hier zur Essenz des Daseins; das Begehren des Anderen schafft erst die jeweilige fluide Form der K�rper. Der Text wirft die Frage nach der menschlichen Identit�t selbst auf. Wie l�sst sich ein von Gender und Sex losgel�stes Begehren denken? Was hei�t es, wirklich in ein Jenseits von abgegrenzten Identit�ten einzutreten, in einen Bereich queerer �Hybridit�tspolitik�?

Zeitgeschichte aufschreiben. Literatur als Chronik / Prof. Dr. Daniel Weidner

AutorInnen der Gegenwartsliteratur bezeichnen sich oft als �ChronistInnen�, die � �hnlich den mittelalterlichen Chronisten � verzeichnen, was um sie herum geschieht. Unter R�ckgriff auf diaristische und dokumentarische Schreibweisen suchen sie nach alternativen Darstellungsformen, welche die Welt und vor allem die Geschichte nicht einfach fiktional �nacherfinden�, sondern anders erfahrbar machen. Da wird eher aufgez�hlt als erz�hlt, oft in Verbindung mit anderen Medien wie der Photographie, oft im Bewusstsein einer Moderne, in der die Literatur l�ngst nicht mehr Leitmedium ist, sondern mit dem Kino, der Zeitung, dem Netz um Aufmerksamkeit konkurriert. Wie kann man eigentlich noch schreiben (und was ist Geschichte) in einer sich rasend ver�ndernden Gegenwart?
Das Seminar diskutiert anhand von fiktionalen und theoretischen Texten des 20. Jahrhunderts die Grundlinien dieser Schreibweise, die in der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit zun�chst stark mit der Auseinandersetzung mit der Nachgeschichte des Nationalsozialismus verbunden ist, sp�ter aber auch zu einer wichtigen Reflexionsinstanz der Gegenw�rtigkeit von Literatur wird. Ausgehend von allgemeinen �berlegungen �ber das Verh�ltnis von Literatur und Geschichte lesen wir Texte u.a. von Alfred D�blin, Walter Benjamin, Irmgard Keun, Rudolf Brunngraber, Alexander Kluge, Uwe Johnson, Christa Wolf, Walter Kempowski, Rainald Goetz, Kathrin R�ggla, Annie Ernaux, Svetlana Alexijewitch.

Auschwitz in der europ�ischen Literatur / Marcel Matthies

Der Ortsname Auschwitz (Oświęcim) ist nach 1945 allm�hlich zur Metapher f�r einen Geschichtsbruch geworden. In den literarischen Texten �ber das Katastrophengeschehen verdichtet sich der Verlust �bergeordneter Sinnzusammenh�nge wie unter einem Brennglas. Was l�sst sich �ber den kollektiven Vernichtungsvorgang erz�hlen? Wie wird der allgegenw�rtige Tod literarisch verarbeitet? Welcher Sprache bedient sich die literarische Darstellung des Menschen in der Barbarei? Mit welchen Gestaltungsmitteln l�sst sich das Erleben der Katastrophe zum Ausdruck bringen?

Diese und andere Fragen werden wir gemeinsam m�glichst dicht am jeweiligen Text diskutieren. Was in den Texten wie vermittelt wird, steht als Schl�sselfrage im Zentrum der Veranstaltung. Zur ersten Sitzung am 8. April sind zwei kurze Textausz�ge von Grete Salus und Albert M�nach� �ber die Ankunft in Auschwitz zu lesen, die im Stud.IP zug�nglich sein werden. Weiterhin werden wir Texte von Jean Am�ry, Tadeusz Borowski, Imre Kert�sz, Ruth Kl�ger, Primo Levi, Liana Millu und Peter Weiss lesen. Auch ein Filmabend mit Ausschnitten aus Claude Lanzmanns �Shoah� ist geplant. Ein Besuch der von Professor Stephan Pabst angebotenen Vorlesung zur Lagerliteratur (dienstags 12-14 Uhr) empfiehlt sich, ist aber keine zwingende Voraussetzung. Die regelm��ige Teilnahme, die Lekt�re der Texte, die �bernahme eines kurzen Impulsreferats und die Anschaffung der Taschenbuchausgabe von Primo Levis �Ist das ein Mensch?� (dtv 11�) werden indessen vorausgesetzt.

R�uber und Sozialrebellen in der Literatur / PD. Dr. Peter Waldmann

Die gro�e Epoche der ber�chtigten R�uberbanden in Mitteleuropa f�llt in die Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts. Diese R�uberbanden der Neuzeit sind mit den legend�ren Namen ihrer Hauptm�nner und Anf�hrer verbunden, als da w�ren: Schinderhannes, Nickel List, Lips Tullian, Krummfingers-Balthasar oder Picard, der die gef�rchtete Niederl�ndische Bande f�hrte und seine Raubz�ge planm��ig organisierte. Mit dem 19. Jahrhundert kam das Bandenwesen, das eine eigene Sprache, das Rotwelsch, besa�, zu einem vorl�ufigen Ende. Mit der Entwicklung zum modernen Staat wurde auch der Polizeiapparat effizienter. Staatlichen Institutionen gelang es immer besser, auch abgelegene Territorien zu kontrollieren und zu �berwachen. Ab diesem Zeitpunkt wurden die R�uber, die es im klassischen Sinne nicht mehr gab, zu einem weitverbreiteten Sujet innerhalb der Literatur. Es war auch die Literatur, die aus R�ubern bewunderte Sozialrebellen machte. Die Menschen, die in den st�hlernen Geh�usen der Rationalit�t moderner Staaten existierten, identifizierten sich als Leser von Literatur mit realen wie imagin�ren R�ubern und Verbrechern, die f�lschlicherweise als Sozialrebellen verstanden wurden. So wurde z.B. Robin Hood wie auch die Mafia mit all ihren Morden zum Mythos und Sinnbild eines befreiten Lebens.

In diesem Seminar werden folgende Autoren behandelt: Schiller, Goethe, Br�der Grimm, Kleist, E.T.A. Hoffmann, Puschkin, Karl May, Geoffrey Trease, Zuckmayer, Babel, Mario Puzo, Fritz Heymann, Michael Balin, Boris Sawinkow, Hobsbawn, Otfried Preu�ler, Agamben und Bernd Roeck.

Aus dem Innern der Unruhe. Psychologisches Erz�hlen in der Moderne / Dr. Robert Buch

Der Schauplatz modernen Erz�hlens, so k�nnte eine These lauten, ist das Bewusstsein – dieses so umfassende wie allgegenw�rtige und doch so schwer beschreibbare Medium unseres Weltzugangs. Die Beschreibbarkeit von Bewusstsein war das gro�e Thema der um die Jahrhundertwende entstehenden Ph�nomenologie. Mit den Schwierigkeiten und Herausforderungen einer solchen Beschreibung besch�ftigen sich etwa zur selben Zeit eine Reihe von Werken, die zu Klassikern der Moderne avancieren sollten. Ihr Interesse an der Darstellung von Bewusstseins- und Wahrnehmungsprozessen �berschreitet und entgrenzt die Koordinaten romanhaften Erz�hlens. Radikaler wird diese Bewegung noch dadurch, dass die Literatur, anders als ph�nomenologische Beschreibungsversuche, mit dem Bewusstsein auch das Unbewusste in den Blick nimmt, das etwa zur gleichen Zeit von der neuen Wissenschaft der Psychoanalyse erkundet wird. Nicht zuf�llig bildet das Syndrom der inneren Unruhe den gemeinsamen Nenner einer Vielzahl von Romanen und Erz�hlungen, von denen wir eine kleine Auswahl in diesem Kurs lesen und diskutieren werden, darunter beispielsweise Robert Musils Die Verwirrungen des Z�glings T�rle� (1906), Marcel Prousts Eine Liebe von Swann (1913), Arthur Schnitzlers �Fr�ulein Else� (1924), Franz Kafkas �Der Bau� (1928), William Faulkners As I Lay Dying (1930) und Irmgard Keuns Das kunstseidene M�chen (1932).

Zur Einf�hrung:

++Lydia Ginzburg, On Psychological Prose. Princeton, NJ: Princeton UP, 1991.

++Dorrit Cohn, Transparent Minds. Narrative Modes for Presenting Consciousness in Fiction. Princeton, NJ: Princeton UP, 1978.

Kriegsdarstellungen in der Literatur des 20. Jahrhunderts / Kevin Drews

Zur Literatur des 20. Jahrhunderts geh�rt unweigerlich die Auseinandersetzung mit dem Krieg und seiner literarischen Darstellbarkeit. Das Spektrum literarischer Bearbeitungen von Kriegserlebnissen (�Fronterlebnis�) reicht von eher konventionell gestalteten Berichterstattungen und Dokumentationen bis hin zu unterschiedlichen literarischen Experimenten, die den neuartigen Formen der Kriegsf�hrung gerecht zu werden versuchen. Denn der Unterschied zu literarischen Kriegsdarstellungen aus fr�heren Jahrhunderten besteht sowohl in den neuen Kriegstechniken (�industrialisierter Krieg�, �Materialschlachten�, �Massenmobilisierung�) als auch in den ver�nderten medialen Aufzeichnungsm�glichkeiten, auf die auch die Literatur reagiert. Die Literatur ist mit ver�nderten Wahrnehmungsvoraussetzungen konfrontiert und wird dadurch zur Suche nach neuen Beschreibungs- und Darstellungsweisen herausgefordert. Mit dem Blick auf die literarische Verarbeitung insbesondere der beiden Weltkriege r�ckt vor allem die Frage in den Mittelpunkt, welche �sthetischen Strategien gew�hlt werden, um den Krieg darstellbar, erz�hlbar, erfahrbar und deutbar zu machen. Welche Motive, Bilder, Ausdrucksformen, Schreibverfahren werden hierzu eingesetzt? Diese Fragen sollen im Seminar anhand unterschiedlicher literarischer Kriegsdarstellungen aus dem 20. Jahrhundert diskutiert werden.Dabei widmet sich das Seminar den unterschiedlichen intellektuellen und literarischen Wahrnehmungen und Deutungen des Krieges in verschiedenen Gattungen (Roman, Kriegslyrik, Reden, �Weltanschauungsessayistik�). Au�erdem besch�ftigen wir uns auch mit Ph�nomenen wie Kriegspropaganda und Kriegskritik, �sthetisierung von Gewalt, Emotionalisierungsstrategien und Affektpolitiken, Erinnerungsarbeit und Erfahrungsverarbeitung. Im Seminar werden Texte u.a. von Ernst J�nger, Edlef K�ppen, Jaroslav Ha�ek, John Dos Passos, Alexander Kluge, Heiner M�ller, Elfriede Jelinek gelesen. Ziel des Seminars ist es, einen �berblick �ber die Spannbreite des literarischen Umgangs mit dem Krieg im 20. Jahrhundert zu verschaffen. Das Seminar setzt die Bereitschaft zur Lekt�re unterschiedlicher literarischer Texte voraus. F�r die einzelnen Sitzungen sollen Expertengruppen gebildet werden, die sich vertiefend mit dem jeweiligen Gegenstand auseinandersetzen, um so die Sitzungen moderieren zu k�nnen.

Literatur zur Einf�hrung:

  • Thomas Anz/Joseph Vogl (Hg.): Die Dichter und der Krieg: Deutsche Lyrik 1914-1918. Stuttgart 2014.
  • Matthias Sch�ning: Versprengte Gemeinschaft. Kriegsroman und intellektuelle Mobilmachung in Deutschland 1914�33. G�ttingen 2009.

Literarische Vergleiche digital modellieren / Dr. Jana Mende

Der digitale Vergleich zwischen verschiedenen Autor*innen, Texten, Literaturen, Sprachen, Motiven, Konzepten usw. ist das Kerngesch�ft der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Wie dieser Vergleich dabei vonstattengeht, bleibt oft im Dunkeln - im Kopf der einzelnen Literaturwissenschaftlerin verborgen - sichtbar wird nur das Ergebnis der Analyse.

Digitale Methoden k�nnen Vergleiche von Texten und Korpora unterst�tzen und visualisieren. Dazu muss aber die Arbeit im Kopf - die Suche nach Kriterien und Kategorien, das Tertium Comparationis - explizit gemacht werden, damit sie in das Modell der digitalen Visualisierung aufgenommen werden kann. Aus diesen Schritten besteht die gemeinsame Arbeit im Seminar: Zun�chst werden wir gemeinsam erarbeiten, was wir tun, wenn wir literarische Texte vergleichen. Ausgehend davon werden wir verschiedene Vergleichskategorien entwickeln, die wir mit digitalen Tools untersuchen k�nnen. Wir werden Einzeltexte und gr��ere Textkorpora sowie andere Medien in Bezug auf verschiedene Kategorien wie Sprachgebrauch, Epochenzugeh�rigkeit, Themen und Gender vergleichen und diese Vergleiche digital modellieren (u.a. durch stilometrische Vergleiche, Topic Modeling und manuelle Textannotation). Als Fallbeispiele werden wir Werke der deutschen und englischen Literatur der Moderne verwenden, die komplexe Textvergleiche erlauben. Im Seminar erlernen wir den routinierten Umgang mit verschiedenen, anspruchsvollen digitalen Tools, Grundlagen und Theorie der vergleichenden Textanalyse und Visualisierung der Analyseergebnisse.

Vorkenntnisse: Es sind keine Vorkenntnisse zur Verwendung digitaler Methoden notwendig, eine generelle Bereitschaft zum Umgang mit digitalen Tools und Programmen wird vorausgesetzt, bitte bringen Sie einen Laptop mit und nehmen Sie regelm��ig und kontinuierlich an den Sitzungen teil (wenn Sie �ber kein passendes Ger�t verf�gen, wenden Sie sich bitte an mich).

Zum vorher Anklicken: Digitaler Textvergleich, ein Beispiel: Fortext: Konstellationen bei Goethe und Plenzdorf https://youtu.be/AZI87GOzNJQ    (zuletzt abgerufen am 23.02.2022).

Literatur: Sommers Weltliteratur to go: Orlando von Virginia Woolf: https://www.youtube.com/watch?v=GyQpjEifE_s    (zuletzt abgerufen am 23.02.2022).

Lekt�re:  Prim�rliteratur (bitte bis zur 3. Einheit lesen): Virginia Woolf (1923). Orlando. A Biography, 1928: https://gutenberg.net.au/ebooks02/0200331.txt    (zuletzt abgerufen am 23.02.2022).

deutsche �bersetzung: Virginia Woolf: Orlando. Eine Biographie. Aus dem Englischen �bertragen von Karl Lerbs, 1929: https://www.projekt-gutenberg.org/woolf/orlando/orlando.html    (zuletzt abgerufen am 23.02.2022).

Sekund�rliteratur (Auswahl):

Erlin, Matt; Piper, Andrew; Knox, Douglas; Pentecost, Stephen; Drouillard, Michaela; Powell, Brian; Townson, Cienna (2021): Cultural Capitals: Modeling Minor European Literature. In: Journal of Cultural Analytics 6 (1), S. 40-73. DOI: 10.22148/001c.21182.

Presner, Todd (2011): Comparative Literature in the Age of Digital Humanities: On Possible Futures for a Discipline. In: Ali Behdad und Dominic Thomas (Hg.): A Companion to Comparative Literature. Hoboken: John Wiley, S. 193–207.

Forschungskolloquium / Prof. Dr. Daniel Weidner

Das Forschungskolloquium dient der Vorbereitung und Begleitung der Masterarbeit: Die TeilnehmerInnen entwickeln ihre thematischen Interessen, ihre Fragestellung und die Konzeption ihrer Arbeit und stellen das jeweils zur Diskussion. Dar�ber hinaus dient das Kolloquium zur Auseinandersetzung mit neueren Ans�tzen der Forschung, die Auswahl richtet sich hier ebenfalls nach den Interessen der Teilnehmerinnen. Auch allgemeine Fragen zur Schreib- und Arbeitspraxis sowie zum wissenschaftlichen Selbstverst�ndnis k�nnen hier diskutiert werden � in diesem Zusammenhang werden wir auch einige grundlegende Texte �ber Literaturwissenschaft lesen.

Wintersemester 2021-2022

Einf�hrung in die Komparatistik / Prof. Dr. Daniel Weidner

Die Lehrveranstaltung f�hrt in das Arbeitsgebiet der Komparatistik ein und erarbeitet die fachlichen Grundlagen, die f�r die eigenst�ndige Arbeit entscheidend sind. Sie stellt wichtige Konzepte, Methoden und typische Fragestellungen vor, macht mit der Geschichte der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft sowie mit den wichtigsten Richtungen des Fachs vertraut und gibt damit auch Anregungen, sich selbst�ndig weiter mit dem Fach zu besch�ftigen. Zugleich soll intensiv dar�ber reflektiert werden, was, wie und wonach man komparatistisch fragen kann bzw. welche komparatistischen Themen, f�r die man sich interessiert und mit denen man sich schon besch�ftigt hat, Potential haben. Das Seminar richtet sich an Studierende im ersten Semester des Masterstudiums (diese sollten es unbedingt belegen), an fortgeschrittene Studierende der Komparatistik, die �ber ihr eigenes Fach nachdenken wollen und an Interessierte anderer Studieng�nge, die wissen wollen, was Komparatistik ist.

Literatur: R�diger Zymner, Achim H�ller (Hrsg.): Handbuch Komparatistik.Theorien, Arbeitsfelder, Wissenspraxis, Stuttgart 2013. Angelika Corbineau-Hoffman: Einf�hrung in die Komparatistik, Berlin 2013.

Vorlesung:  Literatur im Streit. Kampf, Polemik und Politik in der
literarischen �ffentlicheit / Prof. Dr. Daniel Weidner

Literatur ist nicht immer eine friedliche Angelegenheit. An ihren Anf�ngen besch�ftigt sie sich oft mit Kampf und Krieg; Satire und Polemik waren und sind wichtige literarische Schreibweisen; die Selbstverst�ndigung dar�ber, was Literatur ist, kann und soll, findet oft in Kontroversen und „Literaturstreits“ statt. Die Vorlesung besch�ftigt sich mit dem agonalen Moment der Literatur: mit der Art, wie Literatur Konflikte darstellt, selbst in Konflikten steht oder sie anzettelt – damit auch mit dem Politischen der Literatur, die gerade im Modus des Streits gesellschaftliche Normen und Werte verhandelt. Gerade heute, angesichts einer Krise demokratischer �ffentlichkeit im Zeichen von Bilderflut, fake news, Filterblasen und zunehmender Polarisierung, muss man �ber die Bedingungen und Formen �ffentlicher Debatten und die Rolle der Literatur in diesen nachdenken. Diskutiert werden an exemplarischen Stationen der europ�ischen Literaturgeschichte u.a. wichtige Texte der klassischen und modernen Kriegsliteratur; Streitschrift, Satire und Karikatur; Theorie und Praxis von Polemik und Kulturkritik; Kontroversen �ber Sinn und Funktion von Literatur und den Zusammenhang von Literatur, Literaturkritik und �ffentlichkeit; Theorien des Konflikts, des Politischen und der symbolischen Gewalt.

Literatur zur Einf�hrung: Jan Assmann, Dietrich Harth (Hg): Kultur und Konflikt, Frankfurt a.M. 1990. Dirk Rose: Polemische Moderne. Stationeneiner literarischen Kommuniaktionsform vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, G�ttingen 2020.

Postkoloniale Literatur / Dr. Claudia Hein

�[F]or the problem of the Twentieth Century is the problem of the color-line�, mit dieser weitsichtigen Diagnose beginnt der amerikanische Soziologe W.E.B. Du Bois seine 1903 erschienen Studie �The Souls of Black Folk�, die zu einem wichtigen Referenztext der sp�teren postcolonial studies werden sollte. Was hei�t ›postkolonial‹, was ist postkoloniale Literatur und was macht diese zu einer so entscheidenden Stimme, dass sie als ›die‹ Weltliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts angesehen werden kann?

Kolonialismus ist eine der gro�en Hypotheken der Gegenwart. Seine konkreten Folgen sind die uns bedr�ngenden Probleme und Herausforderungen wie Migration, Rassismus, Multikulturalismus, aber auch Fragen nach dem Status westlicher Kultur und von Kultur �berhaupt. Der Kolonialismus war nicht allein ein milit�risches und wirtschaftliches Unternehmen, seine Folgen sind nicht nur historisch, politisch, sozial und �konomisch, sondern auch kulturell und mental; er hatte (und hat) eine symbolische Dimension, die die westlichen Vorstellungen des ›Anderen‹ bis heute pr�gt. Postkoloniale Literatur ist eine Auseinandersetzung mit diesen Hypotheken. Auf die hegemonialen, hierarchisierenden und stereotypisierenden Effekte des kolonialistischen Diskurses antwortet postkoloniale Literatur mit Strategien der Ambiguisierung, der Subversion und der Kontrafaktur, um nur einige zu nennen.

�ber den Fokus der Ambivalenz wollen wir uns im Seminar mit postkolonialen literarischen Texten in ihrer historischen und kulturellen Diversit�t und Bandbreite besch�ftigen, wobei der Schwerpunkt auf dem sp�teren 20. Jahrhundert liegen wird. Lesen werden wir Joseph Conrads �Heart of Darkness�, Nadine Gordimers �July’s People�, Toni Morrisons �Beloved�, Michelle Cliffs �A Woman Who Plays Trumpet Is Deported�, Isabela Figueiredos �Caderno de Mem�rias Coloniais� [Roter Staub]. Wir werden uns zudem Konzepten postkolonialer Theorien zuwenden, die Dichotomien und ambige Zwischenr�ume ins Zentrum stellen (W.E.B. Du Bois’ ›double consciousness‹, Edward Saids ›orientalism‹, Gayatri Spivaks ›can the subaltern speak‹, Homi Bhabhas ›third space‹, Paul Gilroys ›black atlantic‹).

Methoden digitaler Literaturwissenschaft: Einf�hrung und Experimente / Dr. Jana Mende

Digitale Textbearbeitung, -erstellung und -analysen geh�ren zum (literatur-)wissenschaftlichen Alltag. Die digitalen Geisteswissenschaften besch�ftigen sich mit allen Formen digitaler Forschung in unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen wie Arch�ologie, Geschichtswissenschaften, Computerlinguistik oder Einzelphilologien. Auch die Literaturwissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten ihr Repertoire um digitale oder digital unterst�tzte Methoden erweitert.

In diesem Seminar werden wir uns zun�chst ansehen, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es zwischen digitalen und nicht-digitalen literaturwissenschaftlichen Methoden gibt. Wir beginnen mit Grundbegriffen der Literaturwissenschaft wie Text, Literatur, Edition und schauen uns an, wie sie sich in einem digitalen Kontext ver�ndern. Fragen dazu sind: Wie unterscheiden sich digitale Texte von gedruckten Texten, welche zus�tzlichen Informationen haben Texte in den verschiedenen Formaten, wie funktioniert die digitale Aufbereitung von Texten? Dabei werden wir uns auch einf�hrend mit Dateiformaten und Mark-Up-Sprachen besch�ftigen.

Im zweiten Teil analysieren wir gemeinsam literarische Texte mit digitalen Mitteln. Hier fragen wir uns, welchen Mehrwert die digitalen Methoden f�r literaturwissenschaftliche Fragestellungen haben k�nnen. Dazu lernen wir Werkzeuge zur digitalen Textanalyse kennen und experimentieren an unterschiedlichen Textgattungen (Roman, Drama, Erz�hlung). In diesen Experimenten probieren wir z.B. aus, wie wir die Erz�hlperspektiven und Figurenkonstellationen analysieren und visualisieren k�nnen (z.B. mit dem Programm CATMA oder atlas.ti). Wir erproben unterschiedliche digitale Werkzeuge, analysieren Texte mittels Annotation und vergleichen die Ergebnisse. Schlie�lich reflektieren wir gemeinsam �ber den Einsatz dieser Werkzeuge.

"Aufrecht und mit wenig Ausstrahlung". Geschlechterverh�ltnisse in der Israelischen Literatur / Dr. Tom Kellner

In diesem Seminar werden wir die Darstellung von Geschlecht und Geschlechterrollen in ausgew�hlten Werken israelischer Prosa, in deutscher �bersetzung, untersuchen. Durch textnahe und vergleichende Lekt�ren verschiedener literarischer Werke werden wir die Art und Weise diskutieren, in der Geschlecht, Sex und Sexualit�t die Erz�hlungen pr�gen und unsere eigenen Lesarten und Interpretationen beeinflussen. In unserer Untersuchung von Geschlechterdarstellungen in der israelischen Literatur werden wir Werke von Autoren wie Samuel Joseph Agnon, Zeruya Shalev, Amos Oz, Orly Castel-Bloom, Michal Zamir und Dorit Rabinyan lesen.

Unsere Lekt�re israelischer Prosa in Hinblick auf Geschlecht und Geschlechterrollen wird auf eine Vielzahl kritischer feministischer Theorien und feministischer Auseinandersetzungen mit Literatur und Lekt�re zur�ckgreifen. Dabei soll ein besonderer Schwerpunkt auf dem amerikanischen Second-Wave-Feminismus liegen, der die feministischen Bewegungen und Diskurse in Israel ab den 1970er Jahren stark beeinflusst hat.

F�r eine einf�hrende Lekt�re �ber den Feminismus der zweiten Welle und feministisches Lesen: Audre Lorde, “The Master's Tools Will Never Dismantle the Master's House" [Die Werkzeuge des Herrn werden niemals das Haus des Herrn niederrei�en], in Sister Outsider: Essays and Speeches, pp. 110- 114, California: Crossing Press, 1984; Sandra M. Gilbert and Susan Gubar, “The Queen’s Looking Glass: Female Creativity, Male Images of Women, and the Metaphor of Literary Paternity”, in: The Madwoman in the Attic: The Woman Writer and the Nineteenth-Century Literary Imagination, pp. 3-44, New Haven: Yale University Press, 1984.

Das Seminar wird auf Englisch abgehalten, f�r eine Modulleistung ist eine studentische Pr�sentation (10-20 Min.) sowie eine Hausarbeit erforderlich.

Identit�t im Gegenwartsroman / Neela Janssen

�Identit�tsk�mpfe sind K�mpfe um Fiktionen in der Wirklichkeit�, bemerkt Mithu Sanyal im Nachwort ihres 2021 erschienenen Romandeb�ts Identitti und weist damit auf die regen gesellschaftlichen Debatten hin, die seit einiger Zeit um Fragen von Zugeh�rigkeit, Selbstbestimmung, (gesellschaftlicher) Inklusion und Exklusion und der sie strukturierenden Machtverh�ltnisse kreisen.
Im Seminar wollen wir uns diesen Fragen n�hern, indem wir zeitgen�ssische fiktionale Texte dazu befragen, wie Identit�t in ihnen erz�hlt und imaginiert wird: Welche Narrative von Zugeh�rigkeit werden aufgerufen und in welcher Beziehung stehen sie zu Kategorien wie race/class/gender? Wie werden �ber literarische Figuren Identit�ten entworfen und/oder in Frage gestellt? Und in welches Verh�ltnis lassen sich diese (Erz�hl-)Figuren zu ihren Autor:innen setzen?
Ausgehend von Sanyals Identitti werden wir uns im Verlauf des Semesters mit drei bis vier weiteren Romanen besch�ftigen, die in den letzten Jahren erschienen sind und sich explizit oder implizit mit den aufgeworfenen Fragen literarisch auseinandersetzen. In den ersten Sitzungen gilt es gemeinsam Perspektiven zu entwickeln, unter denen die einzelnen Romane diskutiert werden k�nnen. Die Auswahl der konkreten Titel, mit denen wir uns jeweils �ber mehrere Wochen auseinandersetzen werden, wird im Verlauf der n�chsten Wochen bekannt gegeben. Die Bereitschaft zur gr�ndlichen Lekt�re der Romane sowie punktueller Sekund�rtexte wird vorausgesetzt, ebenso wie die Bereitschaft, sich aktiv an den Seminardiskussionen zu beteiligen.

Erinnerungskonflikte zwischen Juden und Nicht-Juden in der deutschsprachigen Literatur nach 1945 / Marcel Matthies

In der deutschsprachigen Literatur nach 1945 verdichtet sich der Verlust �bergeordneter Sinnzusammenh�nge wie unter einem Brennglas. Wie l�sst sich �ber das anonyme Sterben erz�hlen? Welcher Sprache bedient sich die literarische Darstellung des Massenmords? Wie wird der allgegenw�rtige Tod literarisch verarbeitet? �Wo bleibt in der Gaskammer oder im Luftschutzraum noch Raum f�r die erhabene Gestalt im schwarzen Mantel?� (H.E. Nossack) Was wird in den zu behandelnden Texten wie und warum erinnert? Diese und andere Fragen wollen wir im Seminar m�glichst dicht am jeweiligen Text diskutieren.

Zudem setzt sich die mit den N�rnberger Gesetzen eingeleitete Trennung von Juden und Nicht-Juden auch im Schreiben in der Nachkriegszeit fort. Urs�chlich f�r die auff�llige Diskrepanz im Umgang mit der Erinnerung an die Geschehnisse aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ist der Kampf um die Frage, welche Bedeutung der einst zum Selbstzweck gewordene Massenmord im �ffentlichen Bewusstsein nach 1945 einnehmen w�rde. W�hrend Vertreter der Kahlschlagliteratur das Leid meist noch unterschiedslos verallgemeinern, l�sen der Jerusalemer Eichmann-Prozess und die Frankfurter Auschwitz-Prozesse in den 1960er Jahren auch im Medium der Literatur einen paradigmatischen Bewusstseinswandel aus. Aufgrund von Auschwitz wird deutschsprachige Literatur wieder zum Artikulations- und Reflexionsort j�discher Erfahrungen. Juden und Nicht-Juden bleiben in Deutschland und �sterreich zwar in ihrem jeweiligen Selbstverst�ndnis wegen der Geschichte unwiderruflich voneinander getrennt, jedoch sind sie trotz dieser gegenl�ufigen Ged�chtnisformationen zugleich direkt aufeinander bezogen. In welcher Weise die �negative Symbiose� (D. Diner) von Deutschen und Juden sowie deren �Erinnerungsdifferenz� (S. Braese) in literarischen Texten thematisiert und gestaltet ist, steht als Schl�sselfrage im Zentrum der Veranstaltung.

Zur ersten Sitzung ist die im Jahr 2006 in der Zeitung Die Welt ver�ffentlichte Rede �Dresden �45 � Tod ist nicht gleich Tod� von Dan Diner zu lesen.

Romantik und Mehrsprachigkeit: Komparatistische Perspektiven / Dr. Jana Mende

Die Romantik gilt als Zeit des Nationalismus in der Kultur, Literatur und Sprache. Einsprachigkeit als gemeinsame Klammer der Kulturnation, der deutschen Nationalliteratur und deutschen Nationalsprache ist der Standard. Im deutschsprachigen Raum und noch deutlicher in Europa wurde zwar dieses einsprachige Ideal angestrebt, allerdings sah der sprachliche und literarische Alltag vieler Autor*innen anders aus: Mehrsprachigkeit war h�ufig ein notwendiger und normaler Teil des t�glichen Lebens und des literarischen Schaffensprozesses.

Die einzelphilologische Forschung in Germanistik, Romanistik oder Slawistik besch�ftigt sich schwerpunktm��ig mit den einzelsprachlichen romantischen Str�mungen. Ein komparatistischer Ansatz der Romantikforschung geht den mehrsprachigen Konstellationen innerhalb europ�ischen Romantiken nach. Diese mehrsprachige Perspektive auf die Romantik jenseits nationalphilologischer Zuschreibungen wollen wir im Seminar einnehmen. Mehrsprachigkeit entstand durch unterschiedliche Sprachen in der Familie oder in der Umgebung (z.B. in mehrsprachigen St�dten), Migration in einen anderen Sprachraum oder durch den bewussten Erwerb von Sprachkenntnissen. Diese elit�re Form der Mehrsprachigkeit mit den Bildungssprachen Latein, Griechisch, eventuell noch Franz�sisch ist typisch f�r den Gro�teil romantischer Autoren. Im Seminar werden wir zun�chst rekonstruieren, in welchen Zusammenh�ngen Mehrsprachigkeit in der Romantik vorhanden ist. Dabei werden wir uns anhand von Beispielen drei Formen von Mehrsprachigkeit ansehen: wir betrachten individuelle F�lle mehrsprachiger Autor*innen (z.B. Rahel Varnhagen mit Deutsch, Jiddisch, Hebr�isch und Franz�sisch), soziale Formen der Mehrsprachigkeit durch Migration (z.B. Heinrich Heine in Frankreich) und textuelle Formen der Mehrsprachigkeit (z.B. die Shakespeare-�bersetzungen von Ludwig Tieck, A.W. Schlegel, Dorothea Tieck und Wolf Heinrich von Baudissin).

Wort und Bild. Literatur und Kunst, ein intermedialer Vergleich / PD Dr. Peter Waldmann

Ganz der Thematik des Pictorial Turn innerhalb der Geisteswissenschaften verpflichtet, m�chte ich die Ank�ndigung zu diesem Seminar mit der Beschreibung eines Bildes der klassischen Moderne beginnen lassen: Der Surrealist R�ne Magritte komponierte in der ersten H�lfte des 20. Jahrhunderts ein Gem�lde, das nach wie vor als aussagekr�ftiges Symbol f�r unsere Lebenserfahrung gelten kann. Magritte entf�hrt uns in einen unwirklichen, surrealen Raum, dessen W�nde ganz aus Bildern konstruiert wurde. Der Mensch ist also in der Sicht des Surrealisten in einer neuartigen, ganz aus Bildern bestehende, platonische H�hle gefangen, die keine �ffnungen mehr zu besitzen scheint. Der Blick nach Au�en auf eine vermeintliche Wirklichkeit ist durch Bilder verstellt und versperrt. Bilder schieben sich zwischen Menschen und die Realit�t. Zwar hat Magritte im Vordergrund eine schwere Haubitze aufgestellt, die die revolution�re Hoffnung ausdr�cken soll, dass eines Tages die Mauern der Ideologien gesprengt werden; doch diese revolution�re Hoffnung scheint gegenw�rtig tr�gerischer zu sein als je zuvor. Die Menschen leben heute, im Gegensatz zu allen vergangenen Zeiten, l�nger vor den Bildschirmen der Massenkommunikationsmittel als in der realen, analogen Welt. Dem Ansturm der Bilder h�lt also nichts mehr stand. Die Tatsache dieser Dominanz der postmodernen Bilderwelten macht verst�ndlich, warum sich die ganze Palette der Kulturwissenschaften mit dem Ph�nomen des Bildes und seiner Rolle besch�ftigen und der Pictorial turn in den Geisteswissenschaften notwendig eingeleitet wurde. Im Sinne des Pictorial Turn behandelt dieses Seminar, wie das Bild in der Literatur erscheint und diskutiert wird.

Das Seminar st�tzt sich auf folgende Autoren: Hans Jonas, Aby Warburg, Erwin Panofsky, Martin Heidegger, Roland Barthes, Vilem Flusser, John Berger, Max Imdahl, Bruno Latour, W.J.T. Mitchell, Johann August Apel, Honor� de Balzac, Prosper M�rim�e, Herman Melville, Georges Rodenbach, Oscar Wilde, Andre Breton, Ernst J�nger, Rolf Dieter Brinkmann, W.G. Sebald und Michel Houellebecq.

Zu Vorbereitung auf das Seminar empfehle ich den kanonischen Text: W.J.T. Mitchell: Was ist ein Bild? In: V. Bohn (Hg.): Bildlichkeit. Internationale Beitr�ge zur Poetik. Frankfurt a. M. 1990: edition suhrkamp.

Rhetorik, Poetik, �sthetik / Dr. Robert Buch

Der Kurs dient der Einf�hrung in die Grundlagen des literaturwissenschaftlichen Studiums anhand von drei diskursiven Traditionen � Rhetorik, Poetik und �sthetik �, denen die moderne Literaturwissenschaft und die Theorie der Literatur viele ihrer zentralen Begriffe und Fragen verdanken. So stellt die Poetik des Aristoteles ohne Zweifel das nachhaltigste Paradigma f�r das Nachdenken �ber Literatur und das Verst�ndnis literarischer Werke dar. Die antike Rhetorik lehrte die Voraussetzungen f�r wirkungsvolles Reden und bildete �ber einen langen Zeitraum, bevor sich Wissen in die modernen Wissenschaften ausdifferenzierte, das Kernst�ck literarischer Bildung und kommunikativer Kompetenz. Die �sthetik wandte sich im 18. Jahrhundert als eine der neuen Wissenschaften der Erkenntnis sinnlicher Wahrnehmung und im Besonderen der Frage nach dem Sch�nen und nach dem �sthetischen Urteil zu.

Wir lesen einige Schl�sseltexte, denen Studierende im Lauf ihres Studiums immer wieder begegnen werden und deren Kenntnis deshalb von unerl�sslichem Wert f�r dieses Studium ist. Zum Programm z�hlen: die Poetik des Aristoteles, Kritik und Verteidigung der Rhetorik (Plato, Quintilian, Pseudo-Longinus) sowie ausgew�hlte Beispiele klassischer Redekunst (Gorgias, Thukydides/Perikles, Cicero) und Ausz�ge aus den �sthetiken des 18. Jahrhunderts (Baumgarten, Kant, Schiller).

Karl Philipp Moritz / Prof. Dr. Daniel Weidner

Karl Philipp Moritz galt lange als Au�enseiter der deutschen Literaturgeschichte und ist bis heute schwer einzuordnen: Romancier und Autobiograph, Philosoph und Autodidakt, ein fr�her Realist sozialer Unterschichten, aber auch wichtiger Theoretiker einer „zweckfreien“ Kunst, zwischen Sp�taufkl�rung, Empfindsamkeit und Klassik. Das Seminar will die verschiedenen Aspekte von Moritz' Schreiben und Werk in ihrem jeweiligen Kontext behandeln: die biographische Herkunft aus dem Pietismus und die �bertragung pietistischer Praktiken und Konzepte auf Kunst und Philosophie; die beiden sehr heterogenen Romane Anton Reiser und Andreas Hartknopf im Zusammenhang der Entwicklung von Romanform und Autobiographie; die kunst�sthetischen Texte vor dem Hintergrund der philosophischen �sthetik der Aufkl�rung und der �sthetik der Kunstperiode; die p�dagogischen und popul�rphilosophischen Texte und insbesondere das Zeitschriftenprojekt Magazin zur Erfahrungsseelenkunde im Kontext der Anthropologie und des Zeitschriftenwesens des sp�ten 18. Jahrhunderts; die Reisebeschreibungen und die mythologischen Texte im Vergleich mit verwandten zeitgen�ssischen Unternehmungen; eventuell die Wirkungsgeschichte (Jean Paul, Arno Schmidt) und wichtige literaturhistorischen Beziehungen (Herder, Goethe). TeilnehmerInnensollten sich in einen dieser Aspekte vertiefend einarbeiten und bei Vorbereitung und Moderation (Impulsreferat) der Sitzungen mitwirken; das Seminar wird vor allem aus gemeinsamer Textdiskussion bestehen.

Literatur Karl Philipp Moritz: Andreas Hartknopf. Andreas HartknopfsPredigerjahre, ders.. Anton Reiser, ders: Schriften zur �stehtik (alleReclam)

Zur Einf�hrung: Albert Meier: Karl Philipp Moritz, Stuttgart 2000; Robert Minder: Glaube, Skepsis und Rationalismus. Dargestellt aufgrund der autobiographischen Schriften von Karl Philipp Moritz, Frankfurt a.M.1974.

Redaktion, Lektorat � Publizieren / Dr. Claudia Hein

Das Seminar besch�ftigt sich mit der Produktionsseite des literaturwissenschaftlichen Arbeitens und legt dabei den Fokus auf Fachzeitschriften als Publikationsorgane. Es gilt zun�chst Einblick zu gewinnen in die oft verdeckt ablaufenden Prozesse des wissenschaftlichen Publizierens: Wie verl�uft der Weg eines Textes vom Schreibtisch der Autor:innen bis hin zur Ver�ffentlichung? Wie sind wissenschaftliche Zeitschriften organisiert, wie finden Texte zu diesen, wer w�hlt aus, wie wird begutachtet, wer redigiert? Und was hei�t das genau, Redaktionsarbeit?

In einem zweiten Schritt wollen wir der Frage nachgehen, was gute wissenschaftliche Texte eigentlich ausmacht und wie Texte im professionellen Lesen � also Lektorieren � strukturell wie stilistisch �berarbeitet und inhaltlich gesch�rft werden k�nnen. Wissenschaftliches Schreiben ist eben auch ein Handwerk, f�r dessen Beherrschung es der richtigen �Werkzeuge� bedarf � Werkzeuge, die nicht nur f�r eine potentielle T�tigkeit als Lektor:in oder Redakteur:in, sondern gleicherma�en f�r das Verfassen eigener Texte entscheidend sind.

Wir werden im Seminar anwendungsorientiert vorgehen: Die Teilnehmenden sollen sowohl als Lektor:innen wie auch als lektorierte Autor:innen t�tig werden. In der gemeinsamen und wechselseitigen Lekt�re von eigenen Texten gilt es zu erproben, wie sich ein Zeitschriftenheft erarbeiten und publikationsreif zusammenstellen l�sst.

Der psychologische Roman: Anf�nge und Entwicklung / Dr. Robert Buch

Der moderne Roman wird oft als Reaktion auf den Erfolg realistischen Erz�hlens im 19. Jahrhundert begriffen, dessen Regeln und Grunds�tze er aufk�ndigt. Der Roman des 19. Jahrhunderts zeichnet sich indes nicht allein dadurch aus, dass er sich sozialen Lebenswelten zuwendet, f�r die es bis dahin keinen Platz im System der literarischen Gattungen gab. In zentralen Werken der Epoche r�cken die subjektive Verfasstheit der Figuren und ihre Beziehungen in den Vordergrund, wogegen die historischen und sozialen Bedingungen des Geschehens an Bedeutung verlieren. Lassen sich die hier interessierenden ›psychologischen‹ Romane, im Englischen auch oft als novels of manners bezeichnet, nur noch bedingt dem Paradigma realistischen Erz�hlens zuordnen, so unterscheiden sie sich in ihrer ›Psychologie‹ zugleich deutlich von der emphatischen Innerlichkeit romantischer Subjektivit�t. Gef�hle, Affekte, Begierden werden selten introspektiv behandelt, sondern eher dialogisch und �ber Konstellationen in den Blick genommen. Anders gesagt interessiert sich der Kurs daf�r, wie aus der novel of manners der moderne psychologische Roman hervorgeht, in dem schlie�lich Bewusstsein selbst zum prim�ren Schauplatz und Gegenstand des Erz�hlens wird. Zu den Autoren, die wir behandeln wollen, z�hlen Goethe, Jane Austen, Stendhal, Henry James und Robert Musil. Ein Nachfolgekurs wird sich ›Bewusstsein und Erz�hlen‹ im Roman des 20. Jahrhunderts widmen.

Zur Einf�hrung:

++Lydia Ginzburg, On Psychological Prose. Princeton, NJ: Princeton UP, 1991.

++Dorrit Cohn, Transparent Minds. Narrative Modes for Presenting Consciousness in Fiction. Princeton, NJ: Princeton UP, 1978.

Forschungskolloquium / Prof. Dr. Daniel Weidner

Das Forschungskolloquium dient der Vorbereitung und Begleitung der Masterarbeit: Die TeilnehmerInnen entwickeln ihre thematischen Interessen, ihre Fragestellung und die Konzeption ihrer Arbeit und stellen das jeweils zur Diskussion. Dar�ber hinaus dient das Kolloquium zur Auseinandersetzung mit neueren Ans�tzen der Forschung, die Auswahl richtet sich hier ebenfalls nach den Interessen der Teilnehmerinnen. Auch allgemeine Fragen zur Schreib- und Arbeitspraxis sowie zum wissenschaftlichen Selbstverst�ndnis k�nnen hier diskutiert werden � in diesem Zusammenhang werden wir auch einige grundlegende Texte �ber Literaturwissenschaft lesen.

Sommersemester 2021

Einf�hrung in Positionen der Literaturtheorie / Claudia Hein

�Theorie kann man […] hassen oder auch f�rchten. Doch nichts davon erweist sich als recht hilfreich� (J. Culler). Eine Skepsis gegen�ber Theorie geht meist mit dem �bersehen eigener begrifflicher Selbstverst�ndlichkeiten einher. Denn Theorie ist nichts Elit�res, ganz im Gegenteil: jedes Lesen basiert auf theoretischen Grundannahmen, seien diese unbewusst oder reflektiert.Das Seminar nimmt sich zum Ziel, in der gemeinsamen Lekt�re wegweisende Positionen der Literaturtheorie des 20. Jahrhunderts kennenzulernen, in ihrer Relevanz herauszuarbeiten und dabei wirklich verst�ndlich und handhabbar zu machen. Die Auseinandersetzung mit Theorie soll jeder und jedem die M�glichkeit geben, den eigenen Umgang mit Text (wie Welt) zu erweitern und neue Perspektiven zu er�ffnen.Lesen und diskutieren wollen wir Grundlagentexte des russischen Formalismus, der Hermeneutik, des Strukturalismus, Poststrukturalismus, Feminismus, der Psychoanalyse sowie postkolonialer Theorie.Zur Vorbereitung empfohlen: St�bern und Lesen in Lexika (Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ans�tze, Personen, Grundbegriffe, hg. von Ansgar N�nning, Stuttgart 2013) und Einf�hrungswerken (Terry Eagleton: Einf�hrung in die Literaturtheorie, Stuttgart 2012).

Vorlesung: Tradition, Einfluss, Intertextualit�t. Modellierungen der Text-Text-Beziehung / Daniel Weidner

Literarische Texte stehen nicht f�r sich allein, sondern beziehen sich auf andere Texte. Diese Beziehung hat historisch verschiedene Formen angenommen und ist auch verschieden modelliert worden. Lange wurden einzelne Texte als Teil einer �Tradition� betrachtet, aus der sich ihre Bedeutung speist; sp�ter sprach man von der der �Nachahmung� anderer Texte oder vom �Einfluss� einzelner Autoren auf andere. Im zwanzigsten Jahrhundert werden Theorien des �Intertextualit�t� entwickelt, um einerseits eine besondere Poetik der Avantgarde und andererseits eine grunds�tzliche Eigenschaft von literarischen Texten zu beschreiben. Gerade in diesem letzten Sinn ist Intertextualit�t zu einem wichtigen Stichwort geworden, von dem aus sich auch dekonstruktivistische Literaturtheorien, Fragen der Intermedialit�t und postkoloniales �writing back� verstehen lassen.
Die Vorlesung gibt eine Einf�hrung in das weite Feld der Text-Text Beziehungen und ihre Theoretisierung. Sie entwickelt die jeweiligen kulturellen Kontexte � etwa den religi�sen Hintergrund des Traditionsbegriffes oder die genealogischen Implikationen der Vorstellung von �Einfluss� bzw. �Nachahmung� �  und betont die allgemeinen semiotischen, text- und literaturtheoretischen Implikationen der jeweiligen Theorien. An konkreten Beispielen aus der europ�ischen Literatur diskutiert sie Ph�nomene wie Zitat, Anspielung, Kontrafatkur, Imitation, Parodie, �bersetzung und Palimpsest und stellt die wichtigsten Theoretiker vor, u.a. Harold Bloom, Michail Bachtin, Julia Kristeva, Michael Riffaterre, G�rard Genette, Renate Lachmann.
Zur Einf�hrung: Frauke Berndt/Lily Tonger-Erk: Intertextualit�t. Eine Einf�hrung. Erich Schmidt Verlag 2013.

Aphorismus, Kalendergeschichte, Feuilleton. Reprisen der kleinen Form in der Moderne / Robert Buch

Der Kurs befasst sich mit der Tradition der kleinen Form und ihrer Wiederkehr in der Moderne. Unter den Sammelbegriff Kleine Formen fallen eine Vielzahl �hnlicher und doch heterogener Texte so beispielsweise die Prosaminiaturen Franz Kafkas und Robert Walsers, die St�dtebilder Walter Benjamins und Siegfried Kracauers, Bertolt Brechts Kalendergeschichten, Theodor W. Adornos Denkbilder wie sp�ter die ironische Kurzprosa eines Thomas Bernhard, Ror Wolf oder Reinhard Lettau. Bei aller Unterschiedlichkeit hatten die vormodernen und fr�hneuzeitlichen Vorl�ufer der Kleinen Form wie Maxime, Aphorismus, Kalendergeschichte, Tableau und Feuilleton eine lebensweltliche, orientierende Funktion. Ein Teil dieser Vorl�ufer verweist zur�ck auf die Tradition der moralistischen Weisheitsliteratur (La Rochefoucauld, Graci�n, Montaigne), die Ratschl�ge und lebenspraktische Anweisungen erteilt, der andere ist Ausdruck und Reaktion auf die neue Wirklichkeit der Stadt, inklusive der neuen Medien, die f�r viele der hier interessierenden Formate die Voraussetzung bildeten (Louis-S�bastien Mercier, Charles Baudelaire, Heinrich Heine). Der Kurs fragt, wie die Kleinen Formen �funktionieren� und interessiert sich insbesondere f�r ihren Status zwischen der vormaligen lebenspraktischen und didaktischen Orientierung und ihrer spielerischen und experimentellen Reprise in der Moderne.

Jazz-Literatur. Inter- und transmediale Perspektiven / Claudia Hein

Jazz ist eine genuin kulturelle Sch�pfung Nordamerikas, eine synkretistische Leistung, die zugleich mehr als 300 Jahre Sklaverei und Rassismus in sich tr�gt. Jazz war schon immer mehr als Musik, er gibt den 1920er und 30er Jahren den Namen (Jazz Age), ist way of life, aber auch Ausdruck tiefer Melancholie und Trauer, er bedeutet Aufbegehren, best�ndiges �berschreiten von Grenzen und ist Paradebeispiel k�nstlerischer Freiheit – �Improvisation is the heart and soul of jazz� (G. Schuller).Wir wollen uns im Seminar diesem kulturellen Konglomerat widmen und fragen, wie Musik das Medium wechseln und auf welche Art und Weise sich Jazz in schriftlich fixierter Form �u�ern kann. Sind Texte in der Lage zu improvisieren, k�nnen sie black and blue sein und wie l�sst sich ihr ganz besonderer sound fassen? Jazz kann diskursiv verhandelt werden, er kann Thema und Motiv sein sowie als Strukturprinzip, Stil und Schreibweise von Prosa oder Lyrik fungieren. Es wird im Seminar um Fragen der Inter- und Transmedialit�t gehen (telling, showing), um Gattungsfragen vor dem Hintergrund der �berkreuzung von faktualem und fiktionalem Erz�hlen (Jazz-Biographien) und um kulturelle Aneignungsprozesse (Kreolisierung).In unseren Lekt�ren wollen wir dem Jazz ausgehend von zentralen Werken der black literature (James Baldwin, Ralph Ellison, Toni Morrison) in die Literaturen der Welt folgen (C�sar Aira, Julio Cort�zar, G�nter Grass, Yoram Kaniuk, Jean-Paul Sartre, Michael Ondaatje, Boris Vian); lesen wollen wir aber ebenso (auto-)biographische Schriften �ber und von Jazzmusikern (Jean Am�ry, Louis Armstrong, Miles Davis, Billie Holliday) und publizistische Texte, die sich dem Jazz kreativ n�hern und dabei eine literarische Sprache suchen. Zur Vorbereitung: H�ren Sie Jazz! Lesen Sie sich ein in die Welt des Jazz (Geoff Dyer: But Beautiful. Ein Buch �ber Jazz, Frankfurt/Main 2003) und der Jazz-Literatur (Black and Blue. Literatur aus dem Jazz-Zeitalter, hg. von Hans Christoph Buch, Frankfurt/Main 1995).

Geschichten vom Selbst. Individualit�t erz�hlen in der Gegenwartsliteratur / Daniel Weidner

Der Roman gilt als Gattung des modernen Individuums: In ihm kommt das moderne �Selbst� in seiner Tiefe und Breite zum Ausdruck, ein �Leben� wird erz�hlt, das Besondere einer �Person� dargestellt � literarische Form und unsere Vorstellungen von Selbstheit h�ngen hier offensichtlich eng zusammen. Was passiert mit diesem Zusammenhang im Zeichen sich beschleunigender Individualisierungsprozesse der Gegenwart? Wie l�sst sich die sp�t- oder postmoderne Individualit�t erz�hlen? Und wie gehen moderne Roman mit diesen Vorgaben um? Wie ver�ndert sich die Gattung und was k�nnen wir aus ihr �ber die Gegenwart und uns selbst lernen? Das Seminar diskutiert diese Fragen an drei Romanen der internationalen Gegenwartsliteratur: Richard Fords Independence Day (1995), Annie Ernaux� Les Ann�es (2008) und Karl Ove Knausg�rds Sterben (2009).
Das Seminar besch�ftigt sich mit den Romanen und ihren verschiedenen Schreibweisen, mit den Poetiken der AutorInnen und den kulturellen Hintergr�nden und literarischen Traditionen in denen sie stehen: etwa die american novel bei Ford, das life-writing und das weibliche Schreiben bei Ernaux sowie die Autofiktion bei Knausg�rd. Als Hintergrund werden wir auch einen Blick auf Konzeptionen der Individualisierung (Robert Bellah, Pierre Bourdieu, Andreas Reckwitz) werfen. Der Schwerpunkt besteht in (von Kleingruppen vorbereiteter) gemeinsamer Textarbeit an Ausschnitten der jeweiligen Romane, die wahlweise auf Englisch und Franz�sisch oder in deutscher �bersetzung gelesen werden.

Israel in der hebr�ischen Gegenwartsliteratur / Tom Kellner

Seit Anfang der neunziger Jahre geh�rt die moderne hebr�ische Literatur zu den am st�rksten in Deutschland vertretenen Literaturen. In diesem Kurs werden wir deutsche �bersetzungen von israelischer Gegenwartsliteratur lesen und an Texten von Autor*innen wie Amos Oz, Yoram Kaniuk, Orly Castel-Bloom, Sayed Kashua, Tomer Gardi und Zeruya Shalev diskutieren, wie dort jeweils das "Israelische" dargestellt und ins Deutsche �bersetzt wird. Wir diskutieren Fragen der �bersetzung und der kulturellen Differenz im Rahmen der Theorie der Weltliteratur, die in der Auseinandersetzung mit der sich zunehmend globalisierenden Literatur der Gegenwart eine gro�e Rolle spielt. Laut Kritiker*innen wie beispielsweise David Damrosch ist Weltliteratur dabei jene Literatur, die �ber ihre Ausgangssprache und -nationalit�t hinausgeht, Grenzen transzendiert und universell anerkannt wird. Andere haben das Konzept auf Grund der Un�bersetzbarkeit von Texten aus verschiedenen Sprachen und Kulturen kritisiert oder g�nzlich abgelehnt, wieder andere kritisieren den �linguistischen Imperialismus� der englischsprachigen Weltliteratur oder lehnen den �triumphalistischen Diskurses der Globalisierung� ab. Die Besch�ftigung mit der Weltliteratur im Seminar wird sich daher auch mit anderen Fragen wie Postkolonialismus, Feminismus, Identit�tspolitik etc. besch�ftigen.

Literatur und Religion in der Aufkl�rung / Daniel Weidner

In der j�ngeren Forschung zur Aufkl�rung wird das Verh�ltnis zur Religion neu verstanden. Aufkl�rung f�llt nicht mehr mit der Religionskritik zusammen, sondern umfasst ein breites Spektrum bis zur religi�sen Aufkl�rungen; auch antireligi�se Polemiken greifen oft auf Motive und Verfahren innerreligi�ser Auseinandersetzungen zur�ck; in zentralen aufkl�rerischen Ideen wie �Tugend�, �Fortschritt�, �Autonomie� und insbesondere in der Konzeption von �Religion� wirken religi�se Konzeptionen und Vorstellungen nach. Das ist gerade f�r die Literatur des 18. Jahrhunderts wichtig, die sich ohne diesen Kontext nicht verstehen l�sst und vielf�ltige und kreative Formen des Umgangs mit ihm entwickelt.
Das Seminar gibt einen �berblick �ber die verschiedenen Diskurspositionen - Pietismus, Deismus, Neologie, Atheismus etc. �  und verschiedenen Gattungen des Literatursystems im 18. Jahrhundert: Predigt, Lehrgedicht, geistliche Lyrik, �Heilige Poesie�, geistliche Autobiographie, Satire, Parodie, Dialog, und Apologetik sind oft durch religi�se Funktionen und Traditionen bestimmt, zeigen aber auch die Transformation bzw. Kritik der Religion. Die Leserevolution und die Herausbildung empfindsamer Lekt�repraktiken l�sst sich ebenso innerhalb desreligi�sen Kontextes verstehen wie die Ende des Jahrhunderts entstehenden Projekte der Kunst�sthetik, neuen Mythologie oder Kunstreligion. Das Seminar besch�ftigt sich v.a. mit deutschsprachige Literatur (u.a. Brockes, Klopstock, Lessing, Nicolai, Mendelssohn, ,Herder, Moritz)  ber�cksichtigt aber auch franz�sische (Voltaire, Rousseau) und englische (Deismus, Hume) Texte. Die Schwerpunktsetzung erfolgt je nach Interessen und Vorkenntnisse der Teilnehmenden.
Zur Einf�hrung: Stephen J. Barnett: The Enlightenment and Religion: The Myths of Modernity, Daniel Fulda: Art. �Aufkl�rung� in: Daniel Weidner (Hg.) Literatur und Religion. Ein Handbuch, Stuttgart 2019, S. 147-154.

Realismus und Resignation. Realistisches Erz�hlen im sp�ten 19. Jahrhundert / Robert Buch

Sp�testens seit Flaubert ist Desillusionierung eines der zentralen Themen des realistischen Romans. So enden Madame Bovarys romantische Tr�umereien in der Katastrophe; die Ambitionen Fr�d�ric Moreaus in L’Education sentimentale (Erziehung des Herzens) scheitern an der Kontingenz des Lebens, aber auch an der Mittelm��igkeit des ›Helden‹. Der Kurs fragt nach den politischen, sozialen und kulturellen Hintergr�nden f�r diese Tendenz, aber auch, inwiefern Desillusionierung nicht nur auff�llig h�ufig Sujet realistischen Erz�hlens ist, sondern ebenso auf der formalen oder erz�hltechnischen Ebene als das Programmwort von Realismus angesehen werden kann. -- Oder steht sie gerade umgekehrt nicht eigentlich quer zu dessen Anspruch, Wirklichkeit darzustellen, also bei Lesern die Illusion (!) zu erzeugen, dass Dargestellte vor Augen zu haben und mitzuerleben? Wir lesen eine Reihe meist kurzer Romane bzw. l�ngerer Erz�hlungen von Autoren wie Flaubert, Fontane, James, Conrad und Schnitzler. Dar�ber hinaus soll es um die paradigmatische Rolle des realistischen Romans im Verst�ndnis dessen, was Literatur �berhaupt ist, gehen. Dazu lesen wir einschl�gige komparatistische Arbeiten von Erich Auerbach, Roland Barthes, Thomas Pavel, Guido Mazzoni.

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