„Das Verbrechen ist so alt wie die Menschheit“Footnote 1 und „nichts (interessiert) die Menschen seit alters so (…) wie das, was Menschen einander antun und warum sie es tun“.Footnote 2 Tötungs-, Sexual- und sonstige Gewaltdelikte, aber auch bestimmte Formen der Wirtschaftskriminalität stehen hierbei im besonderen Interesse und „scheinen auf die Öffentlichkeit eine manchmal schon beinahe unheimlich anmutende Faszination auszuüben“.Footnote 3 Das in der Bevölkerung bestehende allgemeine (öffentliche) Interesse an Kriminalfällen wird von den Medien, insbesondere von der „Unterhaltungsindustrie“ bedient. So boten und bieten Kriminalfälle immer wieder „Stoff zur Darstellung und Auseinandersetzung mit den Grenzsituationen im Leben eines einzelnen, zur psychologischen Erschließung der menschlichen Natur in ihren Abgründen und Irrwegen sowie zur kritischen Beleuchtung der gesellschaftlichen Verhältnisse“.Footnote 4 Es geht mithin – nicht nur, aber auch – um spannende Dramen, große Gefühle, menschliche Größe, individuelle Konflikte sowie menschliche Abgründe und Verstrickungen.Footnote 5 Bezeichnenderweise finden seit vielen Jahren Kriminalromane, -filme, zahlreiche TV-Dokumentationen über verurteilte Mörder, kriminelle Banden und Gefängnisse sowie private und öffentlich-rechtliche TV-Formate mit realen und fiktiven Fällen (wie bspw. „Aktenzeichen XY“, „Kripo Live“, „Achtung Kontrolle“, „Medical Detectives – Geheimnisse der Gerichtsmedizin“, „Autopsie“, „Tatort“, „Richterin Barbara Salesch“, „Richter Alexander Hold“, „Auf Streife“, „Die Spektakulärsten Kriminalfälle“) großen Anklang beim Medienkonsumenten.Footnote 6 Bereits die Vielzahl der unterschiedlichen Formate belegt die hohe Aufmerksamkeit, die den Themen Gewalt, Kriminalität und Strafrechtspflege entgegengebracht wird.Footnote 7 Für das Interesse an Kriminalfällen lassen sich vielfältige Gründe anführen, die Engau präzise zusammengefasst hat:

„(...) neben der (...) menschlichen Neugier unter anderem das Bestreben nach Bestätigung eigener tugendhafter Überlegenheit, die sich in moralischer Selbstzufriedenheit niederschlägt, das Bedürfnis des Menschen nach Sensationen, Reiz, Nervenkitzel, nach Spannung, die ihm – heißt es – angesichts der durch das zivilisatorische Gleichmaß von Arbeit und Freizeit verursachten Langeweile fehle, die Faszination des Andersartigen, Außergewöhnlichen, wie es insbesondere die Kapitalverbrechen verkörpern. Speziell in den Kriminalromanen und -filmen sucht der Rezipient Entspannung durch den Konsum von Spannung. Er will abschalten, den Alltag vergessen und wünscht daher eine Verfremdung der trivialen Wirklichkeit. Die regelmäßig erfolgreiche Aufklärung des Falles beschert ihm zudem das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vor den Gefahren des Lebens in der unüberschaubaren technisierten Massengesellschaft. Die Flucht aus der Wirklichkeit in eine Scheinwelt deckt sich mit dem Verlangen nach Unterhaltung (...). Nicht Wißbegier, sondern der Wunsch nach Zerstreuung und Erleben bestimmt den Rezipienten“.Footnote 8

Auch vor diesem Hintergrund wurde vielfach die These aufgestellt, dass gerade die Berichterstattung über Gewaltkriminalität als Publikumsmagnet und Schlüssel zum Publikumserfolg gilt und daher verstärkt von den Medien aufgegriffen wird („if it bleeds, it leads“Footnote 9, „Tote beleben die Sendung“Footnote 10 oder „Rotlicht und Blaulicht gehen immer“Footnote 11).Footnote 12 Die Medien stillen also das Interesse und die Neugierde des Menschen, zu wissen und zu erfahren, wie und warum jemand getötet oder gemordet hat, warum betrogen und gelogen wurde und wie der einzelne Täter sanktioniert wird.Footnote 13

Das berechtigte Informationsinteresse der Allgemeinheit an strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren ist stets von dem Sensations- und Unterhaltungsinteresse abzugrenzenFootnote 14; wenngleich Unterhaltung und Information sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern auf vielfältige Weise miteinander verwoben sind („Motivbündel“).Footnote 15 Während das Sensations- und Unterhaltungsinteresse als das Interesse an aufsehenerregenden, spektakulären, ungewöhnlichen und oft dramatischen Geschehnissen und als das Verlangen nach angenehmer Beschäftigung von Gefühlen und Verstand ohne Konsequenzen für die realen Lebensverhältnisse beschrieben werden kann, geht es bei dem Informationsinteresse um den bestehenden Wunsch nach Tatsachenmitteilung, umfassender Unterrichtung und einem sachlichen Meinungsaustausch.Footnote 16 Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen mitunter – und gerade – hochsensible, sehr persönliche Informationen.Footnote 17 Das Informationsinteresse, aber auch die Sensationslust der Öffentlichkeit steigen mit der Schwere und den besonderen Umständen der begangenen bzw. der zur Last gelegten Tat, der Gefahr von und der Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten, der Beteiligung von prominenten Personen, der Sympathie mit den Opfern und ihren Angehörigen oder einer besonderen Betroffenheit der Allgemeinheit.Footnote 18 Das Interesse und die „Sensation“ werden regelmäßig umso größer sein, je mehr die Straftat sich von der „gewöhnlichen Kriminalität“ abhebt und je bekannter der (mutmaßliche) Täter oder das Opfer ist.Footnote 19

In der modernen Informationsgesellschaft, in der es aufgrund der weltweiten Verfügbarkeit von Online-Informationsangeboten und der neuen internetbasierten Vernetzungs- und Kommunikationsmöglichkeiten praktisch keine räumlichen Grenzen mehr gibt und selbst das Geschehen am anderen Ende der Welt beinahe in Echtzeit miterlebt werden kann, erwartet die Öffentlichkeit, zeitnah und umfänglich über aktuelle Geschehnisse, wie bspw. Verbrechen informiert zu werden.Footnote 20 Nach Strebel scheint es aber auch dem Zeitgeist zu entsprechen, dass Informationen möglichst „sensationell“ aufgemacht und verpackt werden, insbesondere dann, wenn es sich – wie bei der Kriminalberichterstattung – um Informationen über Ereignisse handelt, die Emotionen hervorrufen.Footnote 21 Gerade die mit Bildern und intimen Details angereicherte Berichterstattung über Straftaten und Strafverfahren erfreue sich als „Darstellung menschlicher Monstrosität“ eines enormen Zuspruchs.Footnote 22