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„Linksextremisten wollen nichts verstehen, sondern denunzieren“

Der Berliner Historiker Jörg Baberowski gilt als bester Kenner des Stalinismus in Deutschland. Das macht ihn zum Feindbild linker Gruppierungen. Ein Gespräch über deren Strategie der Ausgrenzung.
Leitender Redakteur Geschichte
Jörg Baberowski, Historiker, aufgenommen am 16.12.2015 wÃ_hrend der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema "1 Million FlÃ_chtlinge - Wie verÃ_ndern sie Deutschland?" in den Studios Berlin-Adlershof. Foto: Karlheinz Schindler | Verwendung weltweit Jörg Baberowski, Historiker, aufgenommen am 16.12.2015 wÃ_hrend der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema "1 Million FlÃ_chtlinge - Wie verÃ_ndern sie Deutschland?" in den Studios Berlin-Adlershof. Foto: Karlheinz Schindler | Verwendung weltweit
Jörg Baberowski (Jg. 1961) ist seit 2002 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität
Quelle: pa/

Debatten, Kritik und mitunter auch heftige Auseinandersetzungen gehören zum akademischen Leben – besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Doch derlei Streitkultur hat Grenzen, die leider zunehmend überschritten werden. Besonders betroffen davon ist Jörg Baberowski, Osteuropahistoriker, Gewaltforscher und wohl bester Kenner des Stalinismus in Deutschland. Sein Buch „Verbrannte Erde: Stalins Herrschaft der Gewalt“ wurde 2012 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Sachbuch/Essayistik ausgezeichnet.

Jetzt hat der 56-jährige Professor der Berliner Humboldt-Universität einen Teilsieg errungen: Das Landgericht Köln verbot dem Allgemeinen Studentenausschuss (Asta) der Universität Bremen, ihn einen „Rassisten“ und „Hetzer“ zu schimpfen. Dagegen darf er weiter als „rechtsradikal“ geschmäht werden; dies sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt, meint das Gericht.

DIE WELT: Wie kann man auf die Idee kommen, in Ihnen einen „Rechtsradikalen“ zu sehen?

Jörg Baberowski: Weil Linksextremisten nicht an Diskussionen interessiert sind. Sie wollen jeden, der nicht in ihr Weltbild passt, zum Schweigen bringen. Man nennt jemanden einen Rechtsextremisten, und schon ist der Stigmatisierte vom Gespräch ausgeschlossen. Alle anderen haben Angst, weil sie nicht auch in den Klub der Rechtsradikalen aufgenommen werden wollen. Auf diese Weise können Fanatiker, denen sonst niemand zuhört, ohne großen Aufwand einen Machtgewinn erzielen. Das funktioniert in Deutschland immer, und deshalb bedienen sich Linksextremisten dieser Waffe.

Die Preisträger des Preises der Leipziger Buchmesse Jörg Baberowski (Essayistik/Sachbuch) und Christina Viragh (Übersetzung) gratulieren sich am Donnerstag (15.03.2012) nach der Verleihung in Leipzig gegenseitig. Zur Leipziger Buchmesse vom 15. bis 18. März werden rund 160.000 Besucher erwartet. 2071 Verlage aus 44 Ländern werben auf der Messe, die sich an Fachbesucher und Publikum wendet, für ihre Literatur. Foto: Hendrik Schmidt dpa/lsn |
Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse 2012: Christina Viragh, Preisträgerin in der Kategorie Übersetzung, gratuliert Jörg Baberowski (Essayistik/Sachbuch)
Quelle: picture alliance / dpa

Die Welt: Sie haben sich schon im September 2015 kritisch zur damaligen Asylpolitik geäußert. Kamen Sie damit einfach zu früh?

Baberowski: Hätte ich erst im Winter 2015 Kritik geübt, wäre sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt worden. Im September 2015, auf dem Höhepunkt der staatlich inszenierten Willkommenseuphorie, aber wurde ich von den Tugendwächtern in der Politik und in den Medien als Störenfried wahrgenommen, der vom Gespräch ausgeschlossen werden musste.

DIE WELT: Der Vorwurf des Asta Bremen ist ja beileibe nicht die einzige Schmähkritik, der Sie ausgesetzt sind. Ihnen wird auch regelmäßig Verharmlosung des Nationalsozialismus vorgeworfen. Was sind die Hintergründe dieser Attacken?

Baberowski: Was der Nationalsozialismus war, wird man nur verstehen, wenn man ihn mit anderen Gewaltregimen vergleicht. Von der Einzigartigkeit weiß man, weil man verglichen hat. Das ist das Geschäft des Historikers. Die Linksextremisten aber lesen keine Bücher, sie wollen auch nichts verstehen, sondern denunzieren und stigmatisieren. Man sollte sie ignorieren und sie mit ihrer Dummheit alleinlassen.

DIE WELT: Was treibt diese Gruppe an? Wollen sie durch Attacken auf einen möglichst prominenten Hochschullehrer ihre eigene krude Weltsicht verbreiten? Oder ist das die Folge Ihrer schonungslosen Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Kommunismus und seiner Steigerung, des Stalinismus?

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Baberowski: Es handelt sich um eine kleine, stalinistische Sekte, die aus einigen alten Männern und drei oder vier Studenten besteht, die nicht wissen, was sie tun. Niemand beachtet sie, deshalb greifen sie Menschen an, die in der Öffentlichkeit bekannt sind. Sie hoffen, Aufmerksamkeit zu finden, nur begreifen sie natürlich nicht, dass sie in der Öffentlichkeit auch ihre Dummheit ausstellen. Diese Stalinisten sind böse, sie richten Schaden an, zerrütten das Leben anderer Menschen. Sie interessieren sich überhaupt nicht für das, was ihre Opfer sagen oder schreiben. Aber man kann die Täter beim Namen nennen und beschreiben, was sie tun.

Das Schweigen wäre ein Eingeständnis, die Rechtfertigung eine Antwort auf den Verdacht. So verfahren alle Diktaturen mit ihren Gegnern
Jörg Baberowski

DIE WELT: Irgendwas bleibt immer hängen, lautet ein ebenso wahres wie unerfreuliches Prinzip. Auch in der „Welt“ sind Sie von einem Gastautor geschmäht, im selben Atemzug wie der frühere SPD-Politiker Thilo Sarrazin genannt worden. Ist diese diffamierende Nebenwirkung das eigentlich Gefährliche an derartigen Vorwürfen?

Baberowski: Ja, natürlich – das ist es, was die Extremisten wollen. Und es funktioniert ja auch, wenn man sich nicht gegen sie wehrt. Das Schweigen wäre ein Eingeständnis, die Rechtfertigung eine Antwort auf den Verdacht. So verfahren alle Diktaturen mit ihren Gegnern. Ich aber wehre mich. Ich überlasse den Extremisten nicht die Definitionsmacht.

DIE WELT: Außer Ihnen treffen ähnliche Attacken auch Ihren Kollegen an der Humboldt-Universität, Herfried Münkler, einen prominenten Politikwissenschaftler. Was kann, was sollte Ihrer Meinung nach die Leitung einer Hochschule tun, deren Professoren derartig angegangen werden?

Baberowski: Die Hochschulleitung hat eine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter und sollte sie gegen Extremisten aller Art verteidigen. Wenn Professoren das Gefühl haben, an ihrer eigenen Universität gegen Angriffe von Fanatikern nicht mehr geschützt zu werden, können wir die Freiheit der Wissenschaft begraben. Die Humboldt-Universität hat sich zu dieser Freiheit nunmehr bekannt. Dafür bin ich sehr dankbar.

DIE WELT: Wie gefährlich sind solche Kampagnen für eine offene Gesellschaft?

Baberowski: Sie sind nur dann gefährlich, wenn man Extremisten nicht mutig entgegentritt und ihnen kampflos das Feld überlässt.

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