Im Blutrausch des Satans
Originaltitel: Reazione a catena
Herstellungsland: | Italien (1971) |
Standard-Freigabe: | FSK keine Jugendfreigabe |
Genre: | Horror, Splatter, Thriller |
Alternativtitel: | Antefatto Bahi Bay of Blood, A Before the Fact - Ecology of a Crime Blood Bath Blutrausch des Teufels Carnage Ecologia del delitto Ecology of a Crime, The Im Blutrausch des Teufels L'Antefatto Last House on the Left 2 Twitch of the Death Nerve |
Bewertung unserer Besucher: |
Note: 7,60 (34 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Eine wundersch�ne Bucht in einer Waldlandschaft wird zum Schauplatz einer Serie grausamer Verbrechen. Zuerst wird die Gr�fin Federica von ihrem Mann ermordet. Doch auch dieser wird schon bald Opfer eines mysteri�sen Killers. Es folgen weitere taten, denn alle Anwesenden in dieser idyllischen Gegend sind scheinbar gef�hrdet. Was zuerst aussieht, als g�be es Zusammenh�nge, entpuppt sich langsam als ein verstricktes Verschw�rungspuzzle. Das m�rderische Spiel setzt sich in der entscheidenden Nacht fort und niemand scheint mehr sicher. (Edition Tonfilm)
Angefixt von Punishers Review zu Blutige Seide, hat es mich gepackt und ich musste mir unbedingt mal wieder Im Blutrausch des Satans ansehen. Nun habe ich die großartigen Reviews von Dissection78 und cecil b gelesen, denen eigentlich nichts hinzuzufügen ist und trotzdem halte ich es einfach nicht aus und versuche den Film von einer etwas anderen Perspektive zu betrachten.
Beginnen wir also: "Eine Fassung dieses Films ist nach §131 StGb bundesweit beschlagnahmt."
§131 StGb behandelt die Gewaltdarstellung. Ich möchte hier mal aus dem StGb zitieren: Ein Verstoß gegen den Paragraphen gilt, wenn "grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art [ge]schildert [werden], die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt".
Soweit, so gut. Wer jetzt an Filme wie Human Centipede II denkt, hat damit sicher nicht unrecht. Hervorzuheben gilt es also, dass es letztlich um Gewalt gegen Menschen oder eben die mittlerweile durch Tanz der Teufel berühmt gewordenen menschenähnlichen Wesen geht. Ein extremer Film wie Slaughtered Vomit Dolls gehört hier nicht dazu, obwohl mir sowohl bei Centipede als auch Vomit Dolls regelmäßig schlecht wird. Das gehört allerdings auch zur Natur dieser Filme, denen ich diesen künstlerischen Wert ebenfalls nicht absprechen kann.
Im Blutrausch des Satans von Mario Bava halte ich allerdings für große Filmkunst!
Eine noch immer aufrechterhaltene Beschlagnahme ist nicht nur lächerlich, sondern zeugt von der Ignoranz des deutschen Kulturbetriebs. Aber das kennt man ja.
Warum?
Um das Bekannteste zu diesem Film kurz zusammenzufassen ist er einer der Vorläufer für das Slashergenre, wie er mit seinem jugendlichen Cast beweist, der an einem idyllischen See Urlaub macht und reihum abgemetztelt wird. Halloween und Freitag, der 13. sind nur die bekanntesten Namen, die hieraus mitunter entsprungen und heute längst mit einer 16er- und einer 18er-Freigabe als allgemeines Kulurgut rehabilitiert sind.
Was also macht diesen Film mit dem bescheuerten und doch irgendwie passenden deutschen Titel Im Blutrausch des Satans überhaupt so kontrovers? Nun gut, es werden sicherlich einige grausame und auch unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen gezeigt. Die menschenähnlichen Wesen bleiben hier außen vor, da es sie schlicht nicht gibt. Noch einmal: So weit, so gut. Aber dass die Schilderung dieser Gewalttätigkeiten als verherrlichend oder verharmlosend dargestellt wird, welche das Grausame oder Unmenschliche dieses Vorgangs in einer die Menschenwürde verletztenden Weise darstellt, kann ich schlichtweg nicht nachvollziehen.
Wer weiß, vielleicht gibt eine demnächst erneute Prüfung auch ein FSK 16 oder auch 18 und Koch-Media bringt diesen genialen Film ebenfalls als schönes Mediabook in seiner Mario-Bava-Collection. Zu wünschen wäre es für dieses eindrückliche Filmerbe. Ich möchte meine Meinung hier auch noch begründen. Festgestellt wurde, dass extreme Gewalt gegen Menschen gezeigt wird. Die Verherrlichung dieser Gewalt wurde sicherlich anhand der äußerst plastischen und von den Spezialeffekten grandios in Szene gesetzten Ermordung einiger Figuren betrachtet.
Das bringt uns auch schon auf den Inhalt, oder besser die Szenen, die noch nichts mit einem erzählerischen Kern zu tun haben. Um den soll es später gehen. Da gibt es eine Gräfin, die im Rollstuhl sitzt und von ihrem Mann erhängt wird, der kurz darauf selbst brutal erstochen und dessen Leiche in den nahe gelegenen See bugsiert wird. Seine Leiche sieht man später mit einem noch lebenden Oktopus im Gesicht, was durchaus ein starkes Bild ist, ich würde sogar sagen eine sehr künstlerische und ästhetische Darstellung von Leben und Tod.
Nun gut, weiter im Text. Ein Liebespärchen, das in Immobilien macht, hat eigentlich ursprünglich geplant die Gräfin zu töten, erfährt bald aber, dass ihr Mann auch tot ist, obwohl sie mit ihm den Mord verüben wollten und von dem sie blöderweise noch eine lebendige Unterschrift gebraucht hätten. Das Thema, das die Gewaltdarstellung hier also rechtfertigt wäre dann wohl die Habgier, was dem katholischen oder evangelischen Filmdienst ja einleuchten müsste, wenn man an die Habgier als Todsünde denkt.
Im Anschluss gehts so richtig schön Camp-Crystal-Lake-mäßig zur Sache. Ein paar verwöhnte Teenies fahren zu diesem Mörderschauplatz am See, um mal etwas zu erleben. Erstes Opfer ist die scheinbar lüsterne und nacktbadende Brunhilda (Achtung deutsches Kulturgut!), die erst mal vom fauligen Körper des Toten im See erschreckt wird, daraufhin ins Haus flüchtet und mit einer Hippe (ein Rebmesser, bekannt aus Wein- und Gartenbau und einer Machete nicht unähnlich) recht unschön von hinten ermordet wird, indem ihr der Hals aufgeschlitzt wird. Mit nur einem schwarzen Pullover noch bekleidet haucht ihr noch zuckender Körper seinen letzten Atem aus. Zugegeben, kein gewaltloses Bild. Schade um das hübsche Mädchen, denkt man sich. Immerhin hat sie nochmal blank gezogen.
Mit den anderen Teenagern verläuft es nicht anders. Sie werden kurzerhand ebenfalls ermordet. Einer bekommt die Hippe direkt ins Gesicht, das ihm damit wunderbar gespalten wird, dass man nur an Ein andalusischer Hund denken kann, der ja allgemein anerkannte Filmkunst ist. Einzige Ausnahme ist, dass Bava nicht wie Bunuel und Dali das Auge des Kinozuschauers spalten, sondern gleich sein gesamtes Gesicht. Legitim ist auch dies und überzeichnet war es schon bei Dali und Bunuel.
Mit den restlichen beiden Jugendlichen verläuft es ebenfalls nicht zimperlich. Diese werden beim noch etwas ungeschickten Liebesspiel mit einem Speer gepfählt und können nun ewig das Tier mit den zwei Rücken spielen. Jason Voorhees jedenfalls hätte seine Freude dabei, da er (Achtung evangelischer und katholischer Filmdienst!) ja bekanntermaßen kein allzugroßer Befürworter des vorehelichen Beischlafs ist. Aber eine Todsünde? Ich weiß nicht.
Was nun folgt ist eine spannende und großartig konstruierte Familienintrige, um nun endlich zum erzählerischen Kern zu kommen, die sich wiederum um Habgier, Mord, Geld, Macht und andere Kleinigkeiten dreht. Auch der Killer wird enttarnt, den ich hier allerdings nicht benennen möchte. Denn was folgt ist eine muntere Mörderhatz, bei der man leicht den Überblick verlieren kann, die allerdings - und vielleicht ist das der springende Punkt - nicht komplett aufgelöst werden kann.
Meine Vermutung für die Beschlagnahme ist ja, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht so sehr um die graphische Explizitheit der Morde handelt, als vielmehr um die komplexe, unauflösbare und sogar surreale Handlung geht, die keine direkte Moral hat und keine eindeutige Stellung bezieht. Mario Bava war sich dessen sicher bewusst. Denn wie viele wissen, sind Familiengeschichten eben meist schwierig. Ob unehehliche Kinder, Halbbrüder, Schwestern, Ehemänner und -frauen oder eben die ewig ungerechten Eltern, es bleibt schwer sich zu distanzieren. Eine Hippe, oder später noch eine Axt, sind da durchaus beliebte Trennungsmittel, wenn man sich die Weltliteratur so betrachtet. Brachte nicht ein gewisser Ödipus seinen Vater um und heiratete seine Mutter? Ein klarer Fall für den §131.
Spaß beiseite, der Blutrausch des Satans endet schließlich, und auch das ist eine der absoluten Irritationen, die den Film einzigartig machen, als Renata, die verlorene Tochter von der Gräfin und ihr Ehemann scheinbar alles geschafft haben. Der Anspruch auf ihr Erbe könnte nun geltend gemacht werden, würden ihre beiden Kinder (ein Junge und ein Mädchen) nicht für den absoluten Höhepunkt und das Ende der Erzählung sorgen. Dieser Twist, der eigentlich gar keiner sein soll, ist nichts weniger als genial und zeigt, dass kaputte Familien einen schweren Stand haben. Man kann hier bei Eva und Adam anfangen (Achtung Erbsünde wiederum!), über zu Kain und Abel gehen und bis in die Gegenwart hüpfen, wo der Spruch "Messer, Schere, Gabel, Licht, sind für kleine Kinder nichts" noch immer aktuell bleibt.
Um meinen Fürspruch für diesen Film also noch einmal zusammenzufassen, wollte ich verdeutlichen, dass Bavas Erzählung gerade wegen ihrer irrationalen Surrealität die Gewalt nicht verherrlicht, sondern im Sinne eines generationenübergreifenden Familiendramas zwischen Habgier und Mord nahezu mythologisch überhöht. Bava zeigt die Kettenreaktion (so die Übersetzung des italienischen Originaltitels Reazione a catena) einer Ökologie des Verbrechens (einer der Alternativtitel ist Ecologia del delitto), der sich in Familien oft fortpflanzt und in einer fast unschuldig endenden Form der Gewalt endet, welche die beiden Kinder am Ende verdeutlichen. Den im deutschen Titel vorkommenden Blutrausch des Gehörnten finde ich persönlich gar nicht so verkehrt, da er schön zeigt, dass Gewalt fast eine teuflische Besessenheit darstellt, die sich immer weiter fortpflanzt und niemals ganz stirbt. In vielen Familien ist Gewalt (ob physisch oder psychisch) nun einmal Realität und wird hier im Spiegel der Filmkunst dargestellt. Möge man mir nun zustimmen, oder nicht.
Meiner Meinung nach wurde Bavas Film gerade wegen der Dinge angeprangert, gegen die er sich eigentlich stellt. Aber auch dies ist keine Besonderheit im deutschen Kulturbetrieb.
Zu Mario Bavas einzigartiger Regie und Kamera, der Beleuchtung und den Spezialeffekten sage ich hier nichts. Dafür gibt es andere Filme von ihm, die ihn als wahren Meister des Lichts zeigen, wie zum Beispiel Die Stunde wenn Dracula kommt, um nur einen zu nennen. Die Musik ist hier bitter-süß, schaurig-schön, romantisch wie disharmonisch und stammt von keinem anderen als dem großen Stelvio Cipriani, den man von Ohne Dollar keinen Sarg kennt oder dem mittlerweile vielen bekannten Tophit "La polizia sta a guardare" (verwendet in Death Proof oder Amer). Zuletzt sind die Schauspieler einprägsam und charakteristisch. Der Film-Freund darf sich an Claudine Auger (Feuerball), Luigi Pistilli (Für ein paar Dollar mehr), Laura Betti (1900) oder Leopoldo Trieste (I Vitelloni) mehr als erfreuen.
Im Blutrausch des Satans ist nicht gewaltverherrlichend, sondern zeigt den Menschen als das, was er ist: brutal, rachsüchtig und letztlich verletzlich wie ein Kind.
Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders und muss die volle Punktzahl geben.
Als einer der Fürsprecher für Im Blutrausch des Satans gilt übrigens Joe Dante, der sicherlich eine regelgeleitete Sichtung empfehlen würde, um der behaupteten Gewaltverherrlichung zu entkommen:
"Don't feed them after midnight, don't let them get wet, don't expose them to sunlight."
Auf gehts! Gen Italien!
Kommentare
24.05.2017 23:16 Uhr - dicker Hund |
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24.05.2017 23:24 Uhr - Punisher77 |
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24.05.2017 23:57 Uhr - NoCutsPlease |
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25.05.2017 00:07 Uhr - TheRealAsh |
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25.05.2017 05:07 Uhr - Dissection78 |
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25.05.2017 11:49 Uhr - Intofilms |
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25.05.2017 14:31 Uhr - Horace Pinker |
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25.05.2017 16:08 Uhr - TheRealAsh |
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10 1.399 |
danke auch an euch drei! Bava finde ich kann man gar nicht genug verherrlichen : D
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