Mit „Lockdown – T�dliches Erwachen“ wird die Thriller-Reihe im ZDF fortgesetzt. Regie f�hrt mit Bogdana Vera Lorenz erneut eine Frau, und wieder steht eine starke Frauenfigur im Zentrum des Films. Es geht um einen klaustrophobischen Zwei- bzw. Dreikampf, in dem die Grenzen st�ndig verschwimmen, die Geschichte immer neue Wendungen nimmt, Gut und B�se die Rollen wechseln. Alice Dwyer �berzeugt in der Rolle einer Virologin, G�tz Schulte ist als d�m�nisch angehauchter Grenzg�nger, halb Psychopath, halb Retter ihr Gegenspieler. Ein starkes Spielfilmdeb�t im „Kleinen Fernsehspiel“: beklemmend, raffiniert, packend.
Foto: ZDF / Benjamin F. WiegFest im Griff! Klaustrophobischer Zweikampf: Liv (Alice Dwyer) / Veit (Schulte)
Das Bemerkenswerte an der zweiten Staffel der vierteiligen ZDF-Reihe „Stunde des B�sen“: Ausschlie�lich Frauen wagen sich hier an das Genre Thriller (bisher wahrlich keine weibliche Dom�ne) und auch die jeweilige Hauptfigur der Geschichte ist eine Frau. „Lockdown – T�dliches Erwachen“ ist der dritte Film im Oktober 2017. Im Mittelpunkt steht eine junge Virologin. Alles beginnt ganz harmlos. Eine kleine Party auf einer Dachterrasse, man trinkt Sekt, plaudert und der Gastgeber (Jeff Wilbusch) h�lt eine Lobrede auf ein junges Wissenschaftler-Paar, das einen Impfstoff entwickelt und erfolgreich an ein Pharma-Unternehmen verkauft hat. Kurz darauf ist alles anders. Die junge Virologin Liv (Alice Dwyer) erwacht neben ihrem Freund, dem Bioinformatiker Lex (Maximilian Meyer-Bretschneider), in einer hermetisch abgeriegelten Wohnung eines Fremden. Lex ist zudem schwer verletzt, Liv hat nur kleinere Sch�rfwunden. Was ist passiert? Wenig sp�ter �ffnet sich die Zimmert�r und ihr Nachbar Kurt Veith (G�tz Schulte) steht vor ihnen. Er behauptet, er habe sie nicht gekidnappt, sondern gerettet. Terroristen h�tten einen Anschlag mit Biowaffen ver�bt, drau�en w�re alles durch einen t�dlichen Virus verseucht. Er aber w�re schon lange auf so einen Anschlag vorbereitet. Liv zweifelt an dieser Geschichte. Sie und Lex versuchen vergeblich aus der Wohnung zu fliehen. Dann beschuldigt Veith, der alles �ber das Paar zu wissen scheint, Lex, f�r die Katastrophe da drau�en mitverantwortlich zu sein. Pl�tzlich ist sich Liv nicht mehr sicher, ob sie ihrem Freund noch (ver)trauen kann.�
Foto: ZDF / Benjamin F. WiegDas Paar, die Virologin (Alice Dwyer) & der Bioinformatiker (Maximilian Meyer-Bretschneider), erwacht in einer fremden, hermetisch abgeriegelten Wohnung.
Das dramaturgische Konzept von „Lockdown – T�dliches Erwachen“ beruht darauf, dass man als Zuschauer bis wenige Minuten vor dem Ende nicht wei�, ob die beiden Gefangene oder Besch�tze sind? Immer wieder wendet sich die Geschichte, verschwimmen die Grenzen. Liv ist die glaubw�rdige Figur, die Gute, das Opfer; Kurt Veith der B�se, der T�ter, der Unglaubw�rdige. Zun�chst. Bogdana Vera Lorenz hat gemeinsam mit Max Permantier das Buch zu diesem gelungenen Thriller geschrieben. Das geh�rt zum Konzept der Reihe. Es sind allesamt Autorinnen-Filme und jeweils gibt es interessanterweise einen m�nnlichen Co-Autor. Die beiden haben auch schon beim Abschlussfilm der Regisseurin zusammengearbeitet. "Heimspiel“ wurde unter anderem mit dem Preis der deutschen Filmkritik geehrt und war f�r den First Steps Award nominiert.„Lockdown“ ist ihr gemeinsames Langfilmdeb�t.�
Foto: ZDF / Benjamin F. WiegDie Frau & der Psychopath, ein Mann, der andere gern �berwacht. Dwyer & Schulte
Es ist ein klaustrophobischer Zweikampf, der sich hier entwickelt. Drau�en droht der Tod, aber drinnen fehlt den beiden jungen Wissenschaftlern die Freiheit, sie sind Gefangene. Was ist besser: Freiheit oder Schutz? Existenzielle Fragen wirft Bogdana Vera Lorenz auf. Die Situation hat Bogdana Vera Lorenz sehr dicht und beklemmend inszeniert. Das Zimmer ist ein Verlie�, ein Raum, in dem alte Kartons stehen, in der Mitte ein Bett, das Fenster ist durch eine Platte verdeckt, an den Kanten mit PU-Schaum hermetisch abgedichtet. Die Wohnung hat etwas Gespenstisches, es gibt kein nat�rliches Licht, in einer Art Wintergarten hat Kurt Veith viele Pflanzen, die ihm Sauerstoff liefern sollen. Und dann ist da dieser Gang, schmal, dunkel, am Ende die T�r, die mit einer Sicherheitsschleuse versehen ist. Das hat etwas von einem U-Boot, wirkt eng und bedrohlich. Bedrohlich ist – laut dem Hausherren – auch die Situation drau�en. So hat dieses Psycho-Duell auch eine politische Dimension. Hier geht es um die Suche nach Wahrheit in Zeiten des Terrors. Ist eine solche Art der Bedrohung m�glich, wird sie nur vorgeschoben, gibt es einen t�dlichen Virus, wie Veith ihn beschreibt? Liv zweifelt, stellvertretend f�r den Zuschauer, an dieser Form von Gefahr. Doch ist die Bedrohung unrealistisch? Damit spielt die Regisseurin in ihrem starken Erstling, der mit ansprechenden Bildern arbeitet und durch die sp�rliche Ausleuchtung atmosph�risch bedr�ckend wirkt. Verlassen kann sie sich auf die Strahlkraft ihrer Hauptdarstellerin: Alice Dwyer, die bisher gerne die geheimnisvollen, undurchschaubaren Frauen gab, spielt diese Liv gekonnt in all ihren Zweifeln, bei all den Wendungen und als Gegenpart zu dem d�monisch angehauchten Kurt Veith, halb Psychopath, halb Retter. Die dritte Figur, Lex, verblasst ein wenig. Er hat das Heft des Handelns nicht in der Hand, das Spiel um Wahrheit und L�ge treiben Liv und Kurt voran. Und das tr�gt den raffinierten & packenden Thriller bis zum bemerkenswerten Finale.
Foto: ZDF / Benjamin F. WiegEine intensive Thriller-Variation. Die Angst wird psychisch & physisch greifbar.
Volker Bergmeister arbeitet als freier TV- und Filmkritiker f�r Zeitungen und Fachzeitschriften. Er war 25 Jahre Jurymitglied des Grimme-Preises, aktuell leitet er die Jury des Creative Energy Award beim Filmfest Emden und geh�rt der Nominierungskommission f�r den Robert-Geisend�rfer-Preis an.